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Kontaktbeschränkungen


Begriff und Definition: Kontaktbeschränkungen

Kontaktbeschränkungen bezeichnen im rechtlichen Kontext staatlich angeordnete Maßnahmen, welche die Anzahl und Art der zulässigen physischen Kontakte von Personen einschränken. Sie dienen regelmäßig dem Gesundheitsschutz und der Eindämmung von Infektionsgeschehen, indem der unmittelbare persönliche Austausch zwischen Menschen auf ein festgelegtes Maß reduziert wird. Kontaktbeschränkungen können sowohl bundesweit, auf Landesebene als auch lokal und zeitlich befristet erlassen werden.

Rechtsgrundlagen von Kontaktbeschränkungen

Infektionsschutzrechtliche Grundlage

Den zentralen rechtlichen Rahmen für Kontaktbeschränkungen bildet in Deutschland das Infektionsschutzgesetz (IfSG). Nach § 28 und § 28a IfSG sind die zuständigen Behörden ermächtigt, Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung von übertragbaren Krankheiten zu treffen. Das Gesetz definiert dabei die Möglichkeit, Versammlungen, Veranstaltungen oder auch den Aufenthalt im öffentlichen Raum zu beschränken oder zu verbieten und Aufenthaltsgebote zu erlassen.

Verordnungsermächtigungen

Die konkrete Umsetzung erfolgte in der Vergangenheit häufig durch Rechtsverordnungen der Landesregierungen. Diese stützen sich auf die im IfSG enthaltenen Verordnungsermächtigungen. Je nach infektiologischer Lage und den tagesaktuellen Inzidenzwerten wurden hierin Regelungen beispielsweise zur maximal zulässigen Personenzahl privater Treffen, Kontakthaushalten oder zur Untersagung bestimmter Versammlungen getroffen.

Verfassungsrechtliche Einordnung

Kontaktbeschränkungen greifen in verschiedene Grundrechte ein, insbesondere in die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG), die Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG) und das Recht auf Privatsphäre (Art. 13 GG). Jede solche Maßnahme muss daher dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügen. Sie muss ein legitimes Ziel verfolgen, geeignet, erforderlich und angemessen sein. Gerichte prüfen regelmäßig, ob durch die Regelungen ein angemessenes Gleichgewicht zwischen dem öffentlichen Interesse am Gesundheitsschutz und den individuellen Freiheitsrechten gewahrt wird.

Anwendungsbereiche und Arten der Kontaktbeschränkungen

Öffentlicher und privater Raum

Kontaktbeschränkungen werden sowohl für den öffentlichen Raum als auch für den privaten Bereich angeordnet. Der öffentliche Raum umfasst zumeist Straßen, Plätze, Parks und öffentliche Verkehrsmittel. Maßnahmen können hier das Zusammentreffen mehrerer Personen oder die Obergrenze für Gemeinschaften limitieren.

Im privaten Bereich ist eine unmittelbare Anordnung strenger zu beurteilen und findet regelmäßig besonderen rechtlichen Schutz. Während der COVID-19-Pandemie wurden jedoch auch temporär Regelungen zur Begrenzung privater Feiern und Hausbesuche als zulässig angesehen, wenn ein außergewöhnlicher Schutzbedarf bestand.

Unterschiede nach Kontaktarten

Differenziert werden muss nach der Art des Kontakts:

  • Private Zusammenkünfte: Begrenzung der Besucherzahl in Haushalten und Wohnungen
  • Öffentliche Veranstaltungen: Beschränkungen für betriebene Veranstaltungen, Demonstrationen und religiöse Zusammenkünfte
  • Arbeitsplatz und Bildungseinrichtungen: Kontakte in Unternehmen und Schulen unterliegen gesonderten Schutzconcepten und können ebenfalls durch Anordnungen beschränkt werden

Durchsetzung und Kontrolle von Kontaktbeschränkungen

Ordnungswidrigkeiten und Bußgeldregelungen

Die Nichteinhaltung von Kontaktbeschränkungen stellt in der Regel eine Ordnungswidrigkeit dar. Die jeweiligen Rechtsverordnungen enthalten Bußgeldkataloge, die für Verstöße teils erhebliche Geldbußen vorsehen.

Überwachungsmaßnahmen

Zur Kontrolle der Kontaktbeschränkungen setzen Behörden auf unterschiedliche Mittel, darunter Polizeikontrollen, Meldesysteme und teils stichprobenartige Überprüfungen, beispielsweise bei Veranstaltungen. Die Verhältnismäßigkeit der Kontrolle muss stets gewährleistet sein.

Rechtsschutz gegen Kontaktbeschränkungen

Rechtliche Überprüfung

Betroffene haben die Möglichkeit, gerichtlichen Rechtsschutz gegen beschränkende Maßnahmen in Anspruch zu nehmen. Zuständig sind je nach Anordnung und Norm das Verwaltungsgericht im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes oder im Hauptsacheverfahren.

Maßgebliche Entscheidungen der Gerichte

Die Angemessenheit und Zulässigkeit von Kontaktbeschränkungen wurde mehrfach vor Gericht verhandelt. Oberste Bundesgerichte, allen voran das Bundesverfassungsgericht, betonen die Notwendigkeit der Abwägung zwischen Freiheitsschutz und dem Schutz von Leben und Gesundheit. Exemplarisch wurde die sogenannte „Bundesnotbremse“ im Frühjahr 2021 in Karlsruhe überprüft und für grundsätzlich vereinbar mit dem Grundgesetz erklärt, solange die Verhältnismäßigkeit beachtet wird.

Spezialfragen: Kontaktbeschränkungen im Ländervergleich

Föderale Unterschiede innerhalb Deutschlands

Aufgrund der föderalen Struktur des deutschen Staatswesens bestehen Unterschiede zwischen den Bundesländern hinsichtlich der konkreten Ausgestaltung, etwa bei zulässigen Personenzahlen für Zusammenkünfte oder Ausnahmen für verschiedene Lebensbereiche.

Europarechtliche und internationale Aspekte

Auch über Deutschland hinaus wurden in anderen EU-Mitgliedstaaten vergleichbare Kontaktbeschränkungen angeordnet, deren Ausprägungen und rechtliche Überprüfbarkeit jedoch z.T. variieren. Im europäischen Rechtskontext spielt insbesondere die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) eine Rolle, etwa im Hinblick auf Versammlungsfreiheit und Privatsphäre.

Fazit

Kontaktbeschränkungen sind ein bedeutendes Instrument des Staatsschutzes bei Infektionslagen. Ihre rechtliche Ausgestaltung ist geprägt von einer fortlaufenden, sorgfältigen Abwägung zwischen dem Schutz der öffentlichen Gesundheit und den verfassungsmäßig gewährleisteten Freiheitsrechten. Die konkreten Regelungen unterliegen dynamischen Anpassungen an die jeweilige Gefahrenlage sowie an neue wissenschaftliche Erkenntnisse und Rechtsprechung und stellen einen zentralen Bestandteil moderner Krisenregulierung dar.

Häufig gestellte Fragen

Wer ist für die Anordnung von Kontaktbeschränkungen rechtlich zuständig?

Für die Anordnung von Kontaktbeschränkungen sind in Deutschland grundsätzlich die Bundesländer zuständig, da das Infektionsschutzgesetz (IfSG) den Ländern die erforderlichen Kompetenzen zur Gefahrenabwehr im Bereich des Infektionsschutzes überträgt. Auf kommunaler Ebene können auch Landkreise und kreisfreie Städte im Rahmen der jeweiligen Landesverordnungen oder auf Grundlage eigener Allgemeinverfügungen ergänzende oder verschärfende Kontaktbeschränkungen verhängen. Eine bundeseinheitliche Regelung kann insbesondere durch den Bundestag per Gesetz oder durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates erfolgen, so beispielsweise geschehen mit der sogenannten „Bundes-Notbremse“ (§ 28b IfSG in der Fassung vom 22. April 2021). Die rechtliche Grundlage stellt regelmäßig § 28 IfSG dar, wonach notwendige Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten angeordnet werden können.

In welchem Verhältnis stehen Kontaktbeschränkungen zum Grundgesetz?

Kontaktbeschränkungen greifen in verschiedene Grundrechte ein, insbesondere in das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG), die Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG), die Freizügigkeit (Art. 11 GG) und ggf. das Recht auf Familie (Art. 6 GG). Solche Einschränkungen bedürfen gemäß Art. 19 Abs. 1 GG einer gesetzlichen Grundlage und müssen verhältnismäßig sein. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verlangt, dass die Maßnahme zur Erreichung des angestrebten Zwecks geeignet, erforderlich und angemessen ist. Die zum Ausgleich herangezogenen Rechtsgrundlagen, insbesondere das IfSG, werden regelmäßig einer verfassungsrechtlichen Prüfung unterzogen. Gerichte, allen voran das Bundesverfassungsgericht, beurteilen Rechtsverordnungen, Allgemeinverfügungen und gerichtliche Entscheidungen zum Thema fortlaufend hinsichtlich ihrer Vereinbarkeit mit den Grundrechten.

Wie werden Kontaktbeschränkungen kontrolliert und durchgesetzt?

Die Durchsetzung von Kontaktbeschränkungen obliegt den zuständigen Ordnungsbehörden und Polizeibehörden der Länder und Kommunen. Sie kontrollieren die Einhaltung im Rahmen von Streifengängen, an Kontrollpunkten oder im Rahmen anlassbezogener Überprüfungen, etwa nach Hinweisen aus der Bevölkerung. Rechtsgrundlage für solche Maßnahmen sind die Polizeigesetze der Länder und das Infektionsschutzgesetz. Bei Verstößen drohen je nach Schwere der Zuwiderhandlung ordnungsrechtliche Maßnahmen wie Platzverweise, Bußgelder oder im Extremfall auch die Einleitung eines Strafverfahrens (§ 73 ff. IfSG). Die genaue Ausgestaltung der Bußgeldkataloge – also welche Verstöße wie sanktioniert werden – erfolgt durch Verordnungen oder Verwaltungsvorschriften der Bundesländer.

Wer kann gegen Kontaktbeschränkungen rechtlich vorgehen und auf welchem Weg?

Jede Person, die sich durch eine Kontaktbeschränkung in ihren Rechten verletzt sieht, kann gegen die jeweilig erlassene Rechtsverordnung oder Allgemeinverfügung den Rechtsweg beschreiten. Im Regelfall ist zunächst eine Klage vor dem zuständigen Verwaltungsgericht möglich, häufig verbunden mit einem Eilantrag (Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO), um die sofortige Suspendierung der Maßnahme zu erreichen. Gegen Entscheidungen der ersten Instanz sind Beschwerde und ggf. Revision möglich. Zudem kann das Bundesverfassungsgericht im Rahmen der Verfassungsbeschwerde angerufen werden, sofern die Maßnahme in Grundrechte eingreift, wobei der Grundsatz der Subsidiarität gilt, d.h., erst muss der fachgerichtliche Rechtsweg ausgeschöpft werden.

Gibt es Ausnahmen oder Sonderregelungen von Kontaktbeschränkungen?

Kontaktbeschränkungen sehen typischerweise zahlreiche Ausnahmen vor, die in den jeweiligen Rechtsverordnungen ausdrücklich geregelt sein müssen. Solche Ausnahmen betreffen z.B. den Aufenthalt mit im selben Hausstand lebenden Personen, dringend notwendige medizinische, pflegerische oder betreuende Kontakte sowie aus berufsbedingten Gründen erforderliche Zusammenkünfte. Auch für besondere Anlässe wie Beerdigungen, Eheschließungen und religiöse Zusammenkünfte können Sonderregelungen getroffen werden. Für Personen mit Behinderungen oder besonderen Schutzbedarfen sind in der Regel spezifische Ausnahmen vorgesehen, um eine unbillige Härte zu vermeiden. Entscheidend für die konkrete Anwendbarkeit ist stets die genaue Fassung der aktuellen Landesverordnung oder Allgemeinverfügung.

Wie lange gelten Kontaktbeschränkungen und wie werden sie aufgehoben?

Kontaktbeschränkungen werden grundsätzlich für einen bestimmten Zeitraum erlassen, der in der jeweiligen Verordnung festgelegt ist. Sie treten automatisch außer Kraft, wenn die Geltungsdauer abläuft oder durch eine neue Verordnung aufgehoben wird. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit eines Widerrufs oder einer gerichtlichen Aufhebung, wenn die rechtlichen Voraussetzungen fortfallen, etwa infolge geänderter Gefahrenlagen oder neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse. Da es sich bei solchen Maßnahmen um Grundrechtseingriffe handelt, ist eine fortlaufende Überprüfung ihrer Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit rechtlich geboten. Die Exekutive ist verpflichtet, regelmäßig zu prüfen, ob mildere Mittel zur Verfügung stehen oder die Maßnahme generell entbehrlich geworden ist.