Legal Lexikon

Wiki»Legal Lexikon»Verwaltungsrecht»Kommunale Spitzenverbände

Kommunale Spitzenverbände


Kommunale Spitzenverbände: Begriff, Rechtsgrundlagen und Funktion

Begriff und Definition

Kommunale Spitzenverbände sind auf Landes- und Bundesebene organisierte Vereinigungen, in denen sich Gemeinden, Landkreise, Städte und Gemeindeverbände freiwillig zusammengeschlossen haben. Sie vertreten gemeinschaftlich die Interessen ihrer Mitglieder gegenüber den Gesetzgebungsorganen, Exekutiven und weiteren zentralen Stellen auf Landes- und Bundesebene. Die Bildung dieser Verbände beruht zum einen auf der verfassungsrechtlich geschützten Selbstverwaltungsgarantie, zum anderen auf gesetzlichen Grundlagen des öffentlichen Rechts.

Rechtsgrundlagen

Verfassungsrechtliche Grundlagen

Die rechtliche Stellung der Kommunalen Spitzenverbände ist insbesondere durch die Selbstverwaltungsgarantie gemäß Art. 28 Abs. 2 Grundgesetz (GG) mitgesichert. Das Grundgesetz garantiert den Gemeinden das Recht auf Selbstverwaltung und schafft damit die Basis für die Wahrnehmung kommunaler Interessen auch in organisierten Verbänden.

Förderung durch Bund und Länder

Kommunale Spitzenverbände sind nach § 57 Bundeshaushaltsordnung (BHO) und den jeweiligen Landesrechtsvorschriften als Körperschaften des öffentlichen Rechts anerkannt. Ihre Finanzierung und Funktionsfähigkeit wird aus den Mitgliedsbeiträgen der angeschlossenen kommunalen Gebietskörperschaften sowie zum Teil durch Zuwendungen gewährleistet.

Gesetzliche Basis im Landes- und Bundesrecht

  • Bundesebene: Auf Bundesebene bildet insbesondere § 1 Abs. 1 Gesetz über den Deutschen Städtetag, Deutschen Städte- und Gemeindebund und Deutschen Landkreistag (Bundesverbandgesetz) die gesetzliche Grundlage.
  • Landesebene: Länderspezifische Rechtsvorschriften und Satzungen regeln die Organisation, Aufgaben und Mitgliedschaft in den landesrechtlichen Spitzenverbänden.

Aufbau und Organisation

Kommunale Spitzenverbände sind als Körperschaften des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung eingerichtet. Sie verfügen über Organe, die typischerweise aus einer Mitgliederversammlung, einem Vorstand sowie einem Hauptamt (Geschäftsführung) bestehen. Die interne Organisation, das Wahlverfahren der Gremien sowie Aufgabenverteilung erfolgt durch die jeweilige Satzung des Verbandes.

Arten und Struktur der kommunalen Spitzenverbände

Bundesebene

Die Kommunalen Spitzenverbände auf Bundesebene sind die drei großen Dachorganisationen:

  1. Deutscher Städtetag – Zusammenschluss der kreisfreien und kreisangehörigen Städte
  2. Deutscher Städte- und Gemeindebund – Interessenvertretung vor allem der kleineren und mittleren Städte sowie Gemeinden
  3. Deutscher Landkreistag – Vertretung der Landkreise in Deutschland

Darüber hinaus bestehen spezielle Fachverbände, beispielsweise der Deutsche Sparkassen- und Giroverband, als Teil des kommunalen Verbandswesens.

Landesebene

Auch auf Landesebene bestehen entsprechend organisierte Landesverbände, z. B. der Bayerische Städtetag oder der Hessische Landkreistag. Diese Vertretungen nehmen die Interessen auf Landesebene wahr und entsenden Delegierte in die Bundesverbände.

Aufgaben und Funktionen

Interessenvertretung und lobbyistische Tätigkeit

Die Kernaufgabe der kommunalen Spitzenverbände liegt in der Bündelung und Vertretung der Interessen ihrer Mitglieder gegenüber Bundestag, Bundesrat, Bundesregierung, Landesparlamenten, Ministerien, Behörden und weiteren Organisationen auf europäischer, Bundes- und Landesebene.

Mitwirkung an Gesetzgebungsverfahren

Kommunale Spitzenverbände sind nach § 28 Abs. 2 GG und nach den jeweiligen Beteiligungsregelungen vieler Bundes- und Landesgesetze formell an der Rechtssetzung beteiligt. Sie haben Anspruch auf Anhörung und Stellungnahme bei Gesetzentwürfen, Verordnungen und Verwaltungsanordnungen, die kommunalrelevante Anliegen betreffen.

Beratung und Unterstützung der Mitglieder

Spitzenverbände bieten ihren Mitgliedern Beratung, Musterregelungen, Handlungsempfehlungen, rechtliche und administrative Unterstützung sowie Fortbildung an. Damit leisten sie einen Beitrag zur Rechtsvereinheitlichung und Weiterentwicklung der kommunalen Selbstverwaltung.

Schlichtung und Vermittlung

In bestimmten Fällen übernehmen sie eine Moderations- und Vermittlungsfunktion bei Konflikten zwischen Mitgliedern oder zwischen Kommunen und staatlichen Stellen.

Rechtsstellung

Körperschaft des öffentlichen Rechts

Kommunale Spitzenverbände besitzen gemäß öffentlich-rechtlicher Anerkennung eine eigene Rechtspersönlichkeit. Sie sind befugt, für ihre Mitglieder verbindliche Regelungen im Rahmen ihrer Satzung und der gesetzlichen Vorschriften zu treffen.

Satzungsautonomie

Den Verbänden steht das Recht zu, sich eine eigene Satzung zu geben. Hierin sind Regelungen zur Mitgliedschaft, zu Beiträgen, zur Geschäftsordnung und zu bestimmten Entscheidungsmechanismen enthalten.

Steuerrechtliche Aspekte und Aufsicht

Sie unterliegen als Körperschaften des öffentlichen Rechts nicht dem allgemeinen Steuerrecht, soweit sie im Rahmen ihrer hoheitlichen Tätigkeit handeln. Hinsichtlich ihrer Zweckbetriebe und sonstigen wirtschaftlichen Betätigungen finden jedoch die allgemeinen steuerlichen Vorschriften Anwendung. Die staatliche Aufsicht beschränkt sich auf die Prüfung der Rechtmäßigkeit ihrer Satzungen und des Handelns ihrer Organe.

Kommunale Spitzenverbände im politischen und rechtlichen Gefüge

Stellung im föderalen System

Die kommunalen Spitzenverbände nehmen im föderalen System Deutschlands eine Mittlerfunktion wahr. Sie dienen als Sprachrohr der kommunalen Ebene gegenüber den Ländern und dem Bund und sorgen somit für eine Interessenbalance zwischen Staat und Kommunen.

Europäische Zusammenarbeit

Auf europäischer Ebene beteiligen sich die Verbände an Arbeitsgemeinschaften, wie z. B. dem Rat der Gemeinden und Regionen Europas, und wirken an Initiativen der Europäischen Union mit.

Bedeutung im deutschen Rechtssystem

Kommunale Spitzenverbände sind ein wesentlicher Bestandteil der kommunalen Selbstverwaltung und der demokratischen Mitwirkung. Sie tragen durch ihr umfassendes Mitspracherecht und ihre Beteiligung bei Gesetzgebungsprozessen zur Wahrung und Weiterentwicklung der kommunalen Interessen bei. Die Rechtsstellung, Aufgaben und Organisation dieser Verbände sind im umfassenden Zusammenwirken von Bundes-, Landes- und kommunalem Recht geregelt.

Literaturverzeichnis und Weiterführende Links

  • Jochimsen, Thomas (Hrsg.): Handbuch Kommunalrecht. 3. Aufl. München: C.H. Beck.
  • Siekmann, Helmut: Kommunale Selbstverwaltung in der Bundesrepublik Deutschland, Heidelberg 2018.
  • Deutscher Städtetag (www.staedtetag.de)
  • Deutscher Städte- und Gemeindebund (www.dstgb.de)
  • Deutscher Landkreistag (www.landkreistag.de)

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Grundlagen regeln die kommunalen Spitzenverbände in Deutschland?

Die rechtlichen Grundlagen der kommunalen Spitzenverbände sind hauptsächlich im Grundgesetz (insbesondere Artikel 28 GG), in den Gemeindeordnungen der Länder und in den jeweiligen Landesgesetzen über die kommunalen Landesverbände verankert. Das Grundgesetz garantiert die kommunale Selbstverwaltung und sichert damit auch die Interessenvertretung der Kommunen durch ihre Spitzenverbände. Auf Landesebene regeln spezifische Gesetze die Aufgaben, Zusammensetzung und Arbeitsweise der Verbände. Daneben sind sie als eingetragene Vereine (§§ 21 ff. BGB) oder Körperschaften des öffentlichen Rechts organisiert, was deren Rechtsfähigkeit, Satzungshoheit und interne Willensbildung betrifft. Darüber hinaus finden auch das Bundesverbandsklagerecht und gesetzliche Beteiligungsrechte im Rahmen von Gesetzgebungsverfahren, insbesondere bei Anhörungen und Konsultationen, Anwendung.

In welchem rechtlichen Rahmen erfolgt die Beteiligung kommunaler Spitzenverbände am Gesetzgebungsverfahren?

Kommunale Spitzenverbände genießen auf Bundes- und Landesebene Beteiligungsrechte bei der Gesetzgebung. In der Regel sieht die Geschäftsordnung der Bundesregierung (§ 47 GOBReg) eine obligatorische Beteiligung der kommunalen Spitzenverbände bei Gesetzesvorhaben vor, die wesentliche Interessen der Kommunen berühren. Entsprechende Regelungen finden sich auch in den Landesverfassungen bzw. Landeshaushaltsordnungen. Die Verbände werden im Gesetzgebungsverfahren regelmäßig als Anhörungsberechtigte behandelt und können umfassend Stellungnahmen und Gutachten abgeben, welche in die politische Entscheidungsfindung einfließen. Das Beteiligungsrecht ist ein Ausfluss des verfassungsrechtlich geschützten Anhörungsanspruchs gemäß Art. 28 Abs. 2 GG.

Wie ist die Mitgliedschaft in kommunalen Spitzenverbänden rechtlich geregelt?

Die Mitgliedschaft in kommunalen Spitzenverbänden ist grundsätzlich freiwillig und ergibt sich aus den Satzungen oder Statuten der jeweiligen Verbände. Oft besteht ein Kontrahierungszwang, das heißt, jede juristische Person, die die satzungsgemäßen Voraussetzungen erfüllt (z.B. eine Kommune oder ein kommunaler Zusammenschluss), muss als Mitglied aufgenommen werden. Die Autonomie über die interne Organisation, Aufnahme, Ausschluss, Rechte und Pflichten ihrer Mitglieder ist durch das Vereinsrecht (§§ 21 ff. BGB) und die Verbandsautonomie geschützt. Satzungsänderungen und Mitgliederrechte sind rechtlich einklagbar.

Welche rechtliche Stellung nehmen kommunale Spitzenverbände in der politischen Willensbildung ein?

Aus rechtlicher Sicht sind kommunale Spitzenverbände nicht Teil der mittelbaren Staatsverwaltung, sondern als Interessenvertretungen eigenständige juristische Personen (Vereine oder Körperschaften des öffentlichen Rechts). Sie nehmen die Rolle von Sachwaltern der kommunalen Selbstverwaltung ein und besitzen rechtmäßige Vertretungsmacht für ihre Mitglieder gegenüber Bund, Ländern und der Öffentlichkeit. Ihre Stellung basiert auf verfassungsrechtlich abgesicherten Mitwirkungsrechten und legt ihnen formelle Mitwirkungs-, Anhörungs-, Konsultations- und Informationspflichten auf. Sie können indes keine verbindlichen politischen Entscheidungen treffen, sondern vertreten kollektive Kommunalinteressen.

Unterliegen kommunale Spitzenverbände der staatlichen Rechtsaufsicht?

Die kommunalen Spitzenverbände unterliegen als juristische Personen des Privatrechts meist keiner unmittelbaren staatlichen Rechtsaufsicht, es sei denn, sie haben den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts erhalten. In diesem Fall ist die Rechtsaufsicht auf die Einhaltung der gesetzlichen und satzungsmäßigen Vorgaben durch die zuständigen Behörden begrenzt und umfasst keine Fachaufsicht. Die Autonomie der Verbände bleibt dabei grundsätzlich gewahrt und dient der Sicherstellung der Unabhängigkeit kommunaler Interessenvertretung.

Können kommunale Spitzenverbände klagebefugt sein?

Kommunale Spitzenverbände sind grundsätzlich klagebefugt, insbesondere im Rahmen der Verbandsklage, die sich aus spezialgesetzlichen Regelungen wie dem Umwelt- oder dem Gleichstellungsgesetz ergeben kann. In der Regel klagen sie zur Wahrung kollektiver kommunaler Rechte und Interessen ihrer Mitglieder, nicht jedoch zur Wahrung individueller Rechte einzelner Kommunen. Die Klagebefugnis richtet sich nach ihrer Satzung und den einschlägigen gesetzlichen Grundlagen. In verfassungsrechtlichen Streitigkeiten (z.B. abstrakte Normenkontrolle) besitzen sie keine unmittelbare Klagebefugnis, können aber in Verfahren als „Amicus Curiae“ Stellungnahmen abgeben.

Welche Rolle spielen die Satzungen kommunaler Spitzenverbände im rechtlichen Kontext?

Die Satzungen (Statuten) kommunaler Spitzenverbände bilden die interne Rechtsgrundlage für deren Organisation, Willensbildung, Aufgaben, Mitgliedschaft, Organe und Verfahren. Sie regeln die Autonomie der Verbände nach Maßgabe des allgemeinen Vereinsrechts oder des jeweiligen Körperschaftsstatus. Satzungsbestimmungen haben verbindliche Wirkung für die Mitglieder und können im Streitfall vor ordentlichen Gerichten überprüft werden. Änderungen bedürfen eines speziellen, satzungsmäßig vorgesehenen Verfahrens, bei Körperschaften öffentlicher Rechts oft der Genehmigung durch die zuständige Aufsicht.