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Kohlepfennig

Begriff und Zweck des Kohlepfennigs

Der Kohlepfennig war ein gesetzlich eingeführter Zuschlag auf den Strompreis, der von allen Stromverbrauchern erhoben und über die Elektrizitätswirtschaft weitergegeben wurde. Zweck dieser Abgabe war die finanzielle Unterstützung des Einsatzes heimischer Steinkohle in der Stromerzeugung. Sie sollte die höheren Kosten heimischer Steinkohle gegenüber günstigeren Alternativen ausgleichen und damit Versorgungssicherheit sowie industriepolitische Ziele stützen.

Historischer Hintergrund und Einführung

Energie- und wirtschaftspolitischer Kontext

Infolge energiepolitischer Unsicherheiten der 1970er Jahre verfolgte der Staat das Ziel, die Abhängigkeit von Energieimporten zu verringern und die inländische Steinkohlebranche zu stabilisieren. Der Kohlepfennig wurde in diesem Umfeld als Instrument verankert, um die Stromerzeugung auf Basis heimischer Steinkohle wirtschaftlich abzusichern.

Ausgestaltung als Strompreis-Zuschlag

Der Kohlepfennig wurde als Zuschlag pro verbrauchter Kilowattstunde auf die Stromrechnung von Endkunden erhoben. Stromversorger stellten den Zuschlag in Rechnung, sammelten die Beträge ein und führten sie einem Ausgleichssystem zu. Aus diesem System erhielten Betreiber von Kraftwerken, die heimische Steinkohle einsetzten, Ausgleichszahlungen für Mehrkosten gegenüber anderen Brennstoffen.

Rechtliche Einordnung

Charakter der Abgabe

Rechtlich handelte es sich um eine zweckgebundene Abgabe mit Finanzierungsfunktion, die außerhalb des allgemeinen Steueraufkommens erhoben wurde. Sie war nicht als Entgelt für eine konkrete Gegenleistung konzipiert, sondern diente der Finanzierung eines gesamtwirtschaftlich definierten Förderzwecks.

Abgrenzung zu Steuer, Gebühr, Beitrag und Sonderumlage

Der Kohlepfennig war keine Gebühr, da er nicht an eine individuell zurechenbare Verwaltungsleistung anknüpfte, und kein Beitrag, da kein besonderer, gruppenspezifischer Vorteil für die Zahler festgestellt wurde. In der Systematik der Abgaben ist er einer zweckgebundenen Umlage mit Lenkungs- und Finanzierungsfunktion zuzuordnen, die über den Strompreis erhoben wurde.

Erhebung und Weiterleitung

Adressaten des Zuschlags waren die Endverbraucher von Elektrizität. Die Einziehung erfolgte über die Stromversorgungsunternehmen, die als Abrechnungs- und Durchleitungsstelle fungierten. Die Mittel flossen an eine Abrechnungsstelle, die sie nach festgelegten Kriterien an berechtigte Stromerzeuger mit Einsatz heimischer Steinkohle verteilte.

Belastungswirkung

Die Belastung stellte sich für private, gewerbliche und industrielle Stromkunden als Aufschlag auf den Arbeitspreis dar. Damit erfasste der Kohlepfennig eine breite Verbrauchergemeinschaft, unabhängig davon, ob einzelne Zahler einen besonderen Vorteil aus der Förderung der Steinkohle zogen.

Verfassungsrechtliche Bewertung und weitere Entwicklung

Prüfmaßstäbe und Strukturfragen

Im Mittelpunkt der rechtlichen Diskussion standen die Kriterien der Belastungsgleichheit, der Gruppenhomogenität und der besonderen Finanzierungsverantwortung der Zahlenden. Zu prüfen war insbesondere, ob eine breite, heterogene Gruppe von Stromverbrauchern eine branchenbezogene Förderung außerhalb des Staatshaushalts tragen durfte und ob die haushaltsrechtlichen Grundsätze und die Kompetenzordnung gewahrt waren.

Bewertung und Konsequenzen

Der Kohlepfennig wurde später als nicht mit den verfassungsrechtlichen Maßstäben vereinbar bewertet. Die Fortgeltung wurde für eine Übergangszeit akzeptiert, um abrupte wirtschaftliche Verwerfungen zu vermeiden. Danach wurde die Förderung umgestellt und über den allgemeinen Staatshaushalt organisiert.

Übergang zur Haushaltsfinanzierung

Nach dem Auslaufen des Kohlepfennigs in der Mitte der 1990er Jahre erfolgte die Unterstützung der Steinkohle nicht länger über den Strompreis, sondern über haushaltsfinanzierte Instrumente. Damit wurden die Förderströme der parlamentarischen Budgetkontrolle unterstellt.

Wirtschaftliche und regulatorische Auswirkungen

Einfluss auf Strompreise und Wettbewerb

Der Zuschlag erhöhte die Strombezugskosten für alle Verbrauchergruppen. Er wirkte zugleich als Quersubventionierung zugunsten kohlebefeuerter Stromerzeugung, was die Wettbewerbsposition anderer Energieträger in der Erzeugung beeinflusste. In der Folge ergaben sich Debatten über Kostenwahrheit, Transparenz in der Preisbildung und die Rolle staatlich veranlasster Umlagen in regulierten Märkten.

Beihilferechtliche Einordnung

Die eingesetzten Fördermechanismen berührten Fragen des staatlichen Beistands. Maßgeblich waren Transparenz, Zweckbindung und die Vereinbarkeit der Förderung mit den Regeln des Binnenmarkts. Die spätere Verlagerung in den Haushalt erleichterte die beihilferechtliche Kontrolle.

Abwicklung und Nachwirkungen

Rückabwicklung und Ansprüche

Die rechtliche Neubewertung führte zu Diskussionen über mögliche Rückforderungen bereits gezahlter Beträge. Ansprüche wurden im Lichte von Verjährung, Vertrauensschutz und der angeordneten Übergangsfortgeltung nur in begrenztem Umfang relevant. Für die Abwicklung waren zivil- und öffentlich-rechtliche Abrechnungsbeziehungen zwischen Letztverbrauchern, Versorgern und Ausgleichsstellen von Bedeutung.

Bedeutung für spätere Umlageinstrumente

Der Kohlepfennig prägte Grundsätze für die Ausgestaltung späterer Umlagen im Energierecht. Dazu zählen Anforderungen an klare Zweckbindung, transparente Abrechnungsketten, eine sachgerechte Wahl der Zahlergruppe und die Einbettung in die haushalts- und verfassungsrechtliche Ordnung.

Abgrenzung zu ähnlichen Instrumenten

Unterschied zu heutigen oder späteren Umlagen

Im Unterschied zu späteren, thematisch anders ausgerichteten Umlagen war der Kohlepfennig auf die Stützung eines spezifischen Brennstoffs in der Stromerzeugung gerichtet. Andere Umlagen dienten teils der Förderung neuer Technologien, der Kraft-Wärme-Kopplung oder der Finanzierung regulatorischer Aufgaben. Gemeinsam ist ihnen die Preiswälzung über den Strommarkt; Unterschiede bestehen bei Zweck, Adressatenkreis, Ausgleichsmechanismen und haushaltsrechtlicher Einbindung.

Häufig gestellte Fragen

Was war der Kohlepfennig rechtlich gesehen?

Der Kohlepfennig war eine zweckgebundene Abgabe, die als Zuschlag auf den Strompreis erhoben wurde, um Mehrkosten des Einsatzes heimischer Steinkohle in der Stromerzeugung zu finanzieren.

Wer musste den Kohlepfennig zahlen?

Adressaten waren sämtliche Endverbraucher von Elektrizität. Der Zuschlag wurde über die Stromrechnung ausgewiesen und von den Versorgern eingezogen.

Wie wurde der Kohlepfennig verteilt?

Die eingenommenen Beträge wurden an eine Abrechnungsstelle weitergeleitet, die die Mittel nach festgelegten Kriterien an Stromerzeuger mit Einsatz heimischer Steinkohle auskehrte, um deren Mehrkosten auszugleichen.

Warum wurde der Kohlepfennig rechtlich beanstandet?

Im Zentrum stand die Frage, ob eine breite Verbrauchergruppe eine branchenbezogene Förderung außerhalb des Staatshaushalts tragen durfte und ob die hierfür maßgeblichen verfassungsrechtlichen Anforderungen an Sonderabgaben eingehalten wurden.

Gab es Rückzahlungen an Stromkunden?

Rückforderungsfragen wurden im Lichte von Verjährung, Vertrauensschutz und einer zeitweisen Fortgeltung nur eingeschränkt relevant. Eine flächendeckende Rückzahlung hat es nicht gegeben.

Wann endete der Kohlepfennig?

Der Kohlepfennig wurde Mitte der 1990er Jahre beendet. Die Unterstützung der Steinkohle erfolgte danach haushaltsfinanziert.

Welche Bedeutung hat der Kohlepfennig für heutige Umlagen?

Er setzte Maßstäbe für die Ausgestaltung zweckgebundener Umlagen, insbesondere hinsichtlich klarer Zweckbindung, transparenter Abrechnung und der verfassungsrechtlich tragfähigen Auswahl der Zahlergruppe.

Unterscheidet sich der Kohlepfennig von einer Steuer?

Ja. Während Steuern grundsätzlich ohne besondere Zweckbindung in den Haushalt fließen, war der Kohlepfennig als zweckgebundener Zuschlag konzipiert, der außerhalb des Haushalts einen spezifischen Förderzweck finanzierte.