Begriffsbestimmung und Einordnung: Körperbehinderte
Der Begriff Körperbehinderte bezeichnet Personen, deren körperliche Funktion, Beweglichkeit oder Leistungsfähigkeit infolge einer gesundheitlichen Schädigung langfristig beeinträchtigt ist. Die Körperbehinderung kann angeboren oder durch Krankheit, Unfall oder altersbedingten Abbau entstehen. Im rechtlichen Kontext finden sich zahlreiche Regelungen, die Körperbehinderte schützen, fördern oder hinsichtlich ihrer Teilhabemöglichkeiten berücksichtigen. Die Definition und Behandlung von Körperbehinderungen sind dabei maßgeblich im deutschen Sozial-, Arbeits- und Antidiskriminierungsrecht geregelt.
Rechtliche Definition und Abgrenzung
Definition nach dem Sozialgesetzbuch (SGB)
Im Sinne des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX) werden als Menschen mit Behinderungen diejenigen bezeichnet, die „körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen“ haben, welche sie nach § 2 Abs. 1 SGB IX in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können. Dabei gelten „körperliche Beeinträchtigungen“ als Körperbehinderungen im engeren Sinne.
Abgrenzung zu anderen Behinderungsarten
Eine Körperbehinderung ist abzugrenzen von:
- Geistigen Behinderungen (beeinträchtigte intellektuelle Fähigkeiten)
- Seelischen Behinderungen (psychische Erkrankungen)
- Sinnesbehinderungen (z. B. Blindheit oder Gehörlosigkeit; teils als Subgruppe der Körperbehinderung betrachtet)
Körperbehinderungen betreffen vorwiegend das Bewegungssystem und die Motorik, können aber mit anderen Beeinträchtigungen kombiniert auftreten (sog. Mehrfachbehinderung).
Rechtliche Grundlagen und Schutzmechanismen
Sozialrechtliche Regelungen
SGB IX – Teilhabe und Rehabilitation
Das SGB IX ist das zentrale Gesetz zur Teilhabe von Menschen mit Behinderungen. Es regelt die Ansprüche auf Rehabilitation, Teilhabe am Arbeitsleben, Integration in Schule und Beruf sowie Nachteilsausgleiche.
Feststellungsverfahren und GdB
Für den Zugang zu vielen gesetzlichen Leistungen ist der Grad der Behinderung (GdB) maßgeblich, der nach § 152 SGB IX vom zuständigen Versorgungsamt festgestellt wird. Körperbehinderte Personen mit einem GdB von mindestens 50 gelten als schwerbehindert (nach § 2 Abs. 2 SGB IX). Ab einem GdB von 30 kann unter bestimmten Voraussetzungen eine Gleichstellung erreicht werden.
Leistungen zur Teilhabe
Körperbehinderte haben Anspruch auf Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, beruflichen Rehabilitation, soziale Teilhabe (z. B. Hilfsmittel, Mobilitätshilfen) sowie auf Assistenzleistungen und persönliche Unterstützung im Alltag.
Behindertengleichstellungsgesetz (BGG)
Das BGG verpflichtet öffentliche Stellen des Bundes zur Herstellung von Barrierefreiheit in Gebäuden, Kommunikation und Verwaltungsverfahren, um die gleichberechtigte Teilhabe für Menschen mit Körperbehinderung sicherzustellen.
Arbeitsrechtlicher Schutz
Besonderer Kündigungsschutz
Körperbehinderte, die als schwerbehindert anerkannt sind, genießen nach §§ 168 ff. SGB IX einen besonderen Kündigungsschutz. Eine Kündigung ist nur mit Zustimmung des Integrationsamtes möglich.
Beschäftigungspflicht und Ausgleichsabgabe
Arbeitgeber mit mehr als 20 Arbeitsplätzen sind verpflichtet, mindestens fünf Prozent davon mit schwerbehinderten Menschen zu besetzen (§ 154 SGB IX). Erfolgt dies nicht, ist eine Ausgleichsabgabe zu entrichten.
Arbeitsplatzgestaltung
Nach § 164 SGB IX sind Arbeitgeber verpflichtet, den Arbeitsplatz behindertengerecht zu gestalten. Dazu zählen technische Hilfen, barrierefreie Zugänge und individuelle Anpassungen.
Diskriminierungsschutz
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) schützt körperbehinderte Menschen vor Benachteiligungen in Beschäftigung, Bildung, Güter- und Dienstleistungsverkehr, sofern diese mit der Behinderung im Zusammenhang stehen.
Besondere Schutzvorschriften im Bildungswesen
Schulische Integration
Um eine inklusive Beschulung zu ermöglichen, ist die Wohnung und das Umfeld von körperbehinderten Kindern barrierefrei zu gestalten. Spezielle Förderungen und der Einsatz von Schulbegleitern können individuell beantragt werden.
Hochschulen und Ausbildung
Körperbehinderte Studierende haben Anspruch auf Nachteilsausgleiche wie verlängerte Prüfungszeiten, spezielle Lernmittel oder barrierefreie Zugänge. Hochschulen sind durch Landeshochschulgesetze verpflichtet, entsprechende Maßnahmen vorzusehen.
Leistungsansprüche und Nachteilsausgleiche
Nachteilsausgleiche
Die wichtigsten Nachteilsausgleiche für Körperbehinderte umfassen:
- Unentgeltliche Beförderung im öffentlichen Personennahverkehr (§ 145 SGB IX)
- Kfz-Steuerbefreiung oder -ermäßigung
- Erhöhter Freibetrag bei der Einkommensteuer (§ 33b EStG)
- Anspruch auf eine zusätzliche Urlaubszeit (§ 208 SGB IX)
- Anspruch auf Hilfsmittel (z. B. Rollstühle, Prothesen)
Pflegeleistungen
Besteht infolge der Körperbehinderung ein Bedarf an Unterstützung bei der Körperpflege oder Alltagsverrichtungen, können Leistungen der Pflegeversicherung gemäß SGB XI beantragt werden. Hier erfolgt die Eingruppierung in Pflegegrade entsprechend dem Umfang der Beeinträchtigung.
Internationales Recht und Inklusion
UN-Behindertenrechtskonvention
Deutschland verpflichtet sich durch die UN-Behindertenrechtskonvention, die Rechte von Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen umfassend zu gewährleisten und ihre gesellschaftliche Teilhabe sicherzustellen.
Europäische Regelungen
Auf EU-Ebene sichern die Richtlinie zur Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (2000/78/EG) und die Europäische Grundrechtecharta Schutz vor Diskriminierung wegen einer Behinderung.
Zusammenfassung
Der Begriff Körperbehinderte beschreibt Personen mit dauerhaften Störungen der körperlichen Funktion und Bewegungsfreiheit, denen ein umfassender rechtlicher Schutz in zahlreichen Gesetzen eingeräumt wird. Von der Feststellung des Grades der Behinderung über Nachteilsausgleiche und Rehabilitation bis hin zum Diskriminierungsschutz bestehen vielfältige gesetzliche Möglichkeiten zur Förderung der gleichberechtigten Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Nationale wie internationale Regelungen sichern die Rechte körperbehinderter Menschen auf Selbstbestimmung, Barrierefreiheit und Integration.
Häufig gestellte Fragen
Welche rechtlichen Ansprüche auf Barrierefreiheit haben körperbehinderte Menschen in Deutschland?
Körperbehinderte Menschen haben gemäß dem Behindertengleichstellungsgesetz (BGG), dem Sozialgesetzbuch IX (SGB IX) sowie der UN-Behindertenrechtskonvention zahlreiche Ansprüche auf Barrierefreiheit. Öffentliche Gebäude, Verkehrsmittel und Kommunikationsangebote müssen demnach in einer Weise gestaltet werden, dass sie für Menschen mit körperlichen Beeinträchtigungen uneingeschränkt zugänglich und nutzbar sind. Dies schließt beispielsweise rollstuhlgerechte Zugänge, barrierefreie Toiletten und kontrastreiche, ertastbare Leitsysteme ein. Private Anbieter von öffentlich zugänglichen Dienstleistungen (z. B. Kinos, Hotels) müssen Barrieren abbauen, sofern dies wirtschaftlich zumutbar ist (§ 7 BGG, § 13 AGG). Wird Barrierefreiheit nicht gewährleistet, bestehen gerichtliche Klagerechte, etwa in Form einer Verbandsklage durch anerkannte Behindertenverbände (§ 12 BGG). Ergänzend stehen Entschädigungs- und Beseitigungsansprüche nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) zur Verfügung.
Welche arbeitsrechtlichen Schutzrechte haben Menschen mit einer Körperbehinderung?
Arbeitnehmer mit anerkannter Schwerbehinderung (GdB ≥ 50 oder Gleichstellung nach § 2 SGB IX) genießen umfassende arbeitsrechtliche Schutzrechte. Hierzu zählt ein besonderer Kündigungsschutz: Eine Kündigung ist nur mit Zustimmung des Integrationsamtes möglich (§ 168 SGB IX). Außerdem besteht ein Anspruch auf behinderungsgerechte Arbeitsplatzgestaltung (§ 164 Abs. 4 SGB IX), beispielsweise durch technische Hilfsmittel, Umbaumaßnahmen oder flexible Arbeitszeiten. Arbeitgeber sind verpflichtet, schwerbehinderte Bewerber bei gleicher fachlicher Eignung bevorzugt einzustellen (§ 164 Abs. 1 SGB IX). Daneben haben schwerbehinderte Beschäftigte Anspruch auf Zusatzurlaub (mindestens 5 Arbeitstage pro Jahr, § 208 SGB IX) und dürfen Arbeitszeiten flexibler gestalten, wenn dies zur Vermeidung besonderer Belastungen notwendig ist.
Welche finanziellen Leistungen stehen körperbehinderten Menschen gesetzlich zu?
Körperbehinderte Menschen können verschiedene finanzielle Leistungen in Anspruch nehmen. Hierzu zählen das Integrations- oder Persönliche Budget (nach § 29 SGB IX) zur selbstbestimmten Organisation von Assistenz- und Hilfsleistungen, Hilfsmittelversorgung durch die Krankenkassen (§ 33 SGB V) sowie gegebenenfalls Pflegegeld bei Vorliegen einer Pflegebedürftigkeit (§ 37 SGB XI). Aufgrund erhöhter Fahr- und Mobilitätskosten können zudem Nachteilsausgleiche durch das Sozialamt, Fahrtkostenerstattungen und Parkerleichterungen beansprucht werden. Menschen mit Schwerbehindertenausweis erhalten Steuervergünstigungen, wie einen erhöhten Pauschbetrag beim Einkommensteuertarif (§ 33b EStG), und gegebenenfalls Vergünstigungen im öffentlichen Nahverkehr (§ 145 SGB IX).
Welche rechtlichen Regelungen gelten beim Zugang zum Wohnraum?
Menschen mit Körperbehinderung haben nach § 554a BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) ein Recht darauf, auf eigene Kosten behindertengerechte Umbauten in Mietwohnungen vorzunehmen, sofern die Maßnahme zumutbar sowie baurechtlich und technisch möglich ist. Der Vermieter kann solche Umbauten nur aus wichtigem Grund ablehnen. Beim Bezug von sozial gefördertem Wohnraum genießen schwerbehinderte Menschen Nachrang- beziehungsweise Vorrangregelungen. Zusätzlich ist gemäß der Landesbauordnungen ein bestimmter Anteil an Wohnungen barrierefrei zu errichten. Fördermittel, etwa durch die KfW oder Landesprogramme, stehen für Umbaumaßnahmen zur Verfügung.
Welche Rolle spielt der Schwerbehindertenausweis im rechtlichen Kontext?
Der Schwerbehindertenausweis dient gegenüber Behörden und Dienstleistern als offizieller Nachweis des Grades der Behinderung (GdB) sowie etwaiger Merkzeichen, die spezifische Nachteilsausgleiche begründen (zum Beispiel „G“ für erhebliche Gehbehinderung). Das Vorliegen eines Schwerbehindertenausweises ist Voraussetzung für zahlreiche Rechte: Dazu zählen der besondere Kündigungsschutz, Zusatzurlaub, steuerliche Vergünstigungen, Parkerleichterungen, Vorrangregelungen im Wohnungswesen sowie Anspruch auf bestimmte Sozialleistungen. Die Ausstellung, Änderung und Verlängerung des Ausweises ist im SGB IX geregelt (§§ 152 ff.). Rechtsmittel können gegen Ablehnungsbescheide binnen eines Monats eingelegt werden.
Wie ist die Gleichstellung im Bildungsbereich rechtlich geregelt?
Im Bildungsbereich verpflichtet das SGB IX (§ 166), in Verbindung mit dem AGG und der UN-Behindertenrechtskonvention, zur Herstellung von Chancengleichheit für körperbehinderte Schüler und Studierende. Schulen und Hochschulen müssen bauliche und organisatorische Maßnahmen ergreifen, um Zugänglichkeit, Mobilität und Teilhabe sicherzustellen. Der Anspruch umfasst neben der Barrierefreiheit des Gebäudes auch den Einsatz assistiver Technologien, Nachteilsausgleiche bei Prüfungen (z. B. verlängerte Bearbeitungszeiten) sowie die Bereitstellung individueller Unterstützung durch Schul- oder Studienassistenzen (§ 112 SGB IX). Werden Rechte verweigert, steht der Rechtsweg über die Verwaltungsgerichte offen.