Legal Lexikon

Wiki»Knappschaftsversicherung

Knappschaftsversicherung


Knappschaftsversicherung – Rechtliche Grundlagen und Systematik

Die Knappschaftsversicherung ist eine besondere Form der Sozialversicherung in Deutschland, die vor allem für Arbeitnehmer im Bergbau und in bestimmten anderen Branchen spezielle Absicherungen bereithält. Sie stellt eine Sonderform innerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung, Krankenversicherung sowie der sozialen Pflegeversicherung dar und blickt auf eine lange rechts- und sozialgeschichtliche Tradition zurück. Im Folgenden werden die rechtlichen Strukturen, Regelungsinhalte und Besonderheiten der Knappschaftsversicherung umfassend dargestellt.


Historische Entwicklung der Knappschaftsversicherung

Die Ursprünge der Knappschaftsversicherung reichen bis ins Mittelalter zurück, als sich sogenannte „Knappschaftskassen“ aus Solidargemeinschaften der im Bergbau Beschäftigten entwickelten. Mit der Industrialisierung und unter dem Einfluss der Sozialgesetzgebung des Deutschen Kaiserreichs wurde die Knappschaftsversicherung zunehmend staatlich reguliert. Zentraler rechtlicher Eckpfeiler hierfür war das Gesetz vom 11. April 1923, das die einheitliche Organisation und umfassende staatliche Aufsicht etablierte.


Gesetzliche Grundlagen

SGB VI – Rentenversicherung der Knappschaft

Die Knappschaftsversicherung ist heute integraler Bestandteil des Sozialgesetzbuches (SGB). Die spezielle Rechtsgrundlage bildet vor allem das Vierte Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) in Verbindung mit dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Hier werden die Institutionen, Zuständigkeiten und Leistungsarten detailliert geregelt. Die Knappschaft-Bahn-See (KBS) ist der zuständige Träger.

SGB V und SGB XI – Kranken- und Pflegeversicherung

Zusätzlich ist die Knappschaft nach dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) als Träger der gesetzlichen Krankenversicherung und nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) als Träger der sozialen Pflegeversicherung tätig. Damit ist eine mehrfache Aufgabenwahrnehmung in verschiedenen Bereichen der Sozialen Sicherung gesetzlich vorgegeben.

Weitere relevante Rechtsnormen

Ergänzende Regelungen enthalten unter anderem das Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG), das Beitragsbemessungsverordnungen sowie zahlreiche Rechtsverordnungen und Satzungen der Knappschaftsversicherung selbst.


Versicherungspflicht und Beitragswesen

Kreis der Versicherten

Versicherungspflicht besteht insbesondere für Arbeitnehmer in bergbaulichen Unternehmen (§ 134 SGB VI) sowie in bestimmten Unternehmen, die „knappschaftlich“ organisiert sind. Darüber hinaus kann die Mitgliedschaft unter bestimmten Voraussetzungen freiwillig beantragt werden, beispielsweise für frühere Beschäftigte im Bergbau.

Beitragsbemessung

Die Beitragssätze werden durch den Gesetzgeber festgelegt und orientieren sich an den allgemeinen Sätzen der Sozialversicherung. Spezifische Besonderheiten bestehen etwa hinsichtlich einer geringeren Beitragsbemessungsgrenze oder abweichender Finanzierung von Zusatzleistungen.

Besonderheiten im Beitragsrecht

Eine Besonderheit der Knappschaftsversicherung liegt in der gemeinsamen Erhebung von Beiträgen für die Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung im sogenannten Gesamtversicherungsbeitrag. Die Beitragsanteile werden dann den jeweiligen Versicherungszweigen zugeführt.


Leistungsrecht der Knappschaftsversicherung

Rentenleistungen

Die Knappschaftsversicherung gewährt Rentenleistungen analog den Regelungen der allgemeinen gesetzlichen Rentenversicherung, jedoch mit spezifischen bergbaulichen Besonderheiten. Dazu zählen:

  • Knappschaftsausgleichsleistungen bei vorzeitigem Ausscheiden aus dem Berufsleben
  • Knappschaftsrenten bei besonderen gesundheitlichen Risiken im Bergbau
  • Weitergehende Berücksichtigung von Schichtwechsel und Tagebauverhältnissen

Kranken- und Pflegeleistungen

Als Träger der gesetzlichen Krankenversicherung bietet die Knappschaft umfassende Sach- und Geldleistungen nach SGB V, wie etwa Krankenbehandlung, Krankengeld sowie Leistungen zur Prävention und Rehabilitation. Im Bereich der sozialen Pflegeversicherung sichert sie die typischen Pflegeleistungen nach SGB XI.

Sonderleistungen

Die Knappschaftsversicherung kann zudem besondere, über das allgemeine Leistungsspektrum hinausgehende Hilfen gewähren, etwa für Härtefälle im Bereich des Gesundheitsschutzes unter Tage oder spezielle Rehabilitationsmaßnahmen.


Organisation und Verwaltung

Trägerstruktur

Der zentrale Träger der Knappschaftsversicherung ist die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See (KBS) mit Sitz in Bochum. Die KBS fungiert als Mehrspartenversicherungsträger und vereint die Rentenversicherung der Beschäftigten im Bergbau, die Kranken- und Pflegeversicherungskompetenzen sowie weitere Sonderaufgaben.

Selbstverwaltung

Die Organe der Knappschaftsversicherung sind auf Basis von Satzungen organisiert und setzen sich aus Vertreterinnen und Vertretern der Versicherten und der Arbeitgeberseite zusammen. Diese Selbstverwaltungsstrukturen gewährleisten die Interessenvertretung der Betroffenen und tragen zur demokratischen Kontrolle des Versicherungsträgers bei.


Verhältnis zu anderen Versicherungszweigen

Die Knappschaftsversicherung unterscheidet sich von der allgemeinen gesetzlichen Sozialversicherung insbesondere durch den begrenzten Versichertenkreis, besondere Leistungsarten und spezifische Verwaltungsstrukturen. Gesetzlich geregelt ist zudem die Überleitung zwischen Knappschafts- und allgemeiner Sozialversicherung, wenn beispielsweise Beschäftigte zwischen Branchen wechseln.


Aufsicht und Finanzierung

Staatliche Aufsicht

Die Knappschaftsversicherung unterliegt der Rechtsaufsicht des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) sowie des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG). Die Aufsicht bezieht sich insbesondere auf die Umsetzung gesetzlicher Vorgaben, die Haushaltsführung sowie die Einhaltung von Satzungsbestimmungen.

Finanzierung

Die Finanzierung erfolgt durch Pflichtbeiträge der Versicherten und Arbeitgeber, staatliche Zuschüsse sowie sonstige Einnahmen (z. B. aus Kapitalerträgen). Die solide finanzielle Basis ist gesetzlich durch regelmäßige Prüfung und durch die Verpflichtung zur Rücklagenbildung abgesichert.


Bedeutung und aktuelle Entwicklungen

Die Knappschaftsversicherung ist – trotz sinkender Beschäftigtenzahlen im traditionellen Bergbau – weiterhin ein bedeutendes Element des deutschen Sozialversicherungssystems. Sie erbringt wichtige Leistungen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aus traditionell risikobehafteten Branchen und dient als Modell für besondere Lösungen im Bereich der sozialen Sicherung. Aktuelle Entwicklungen betreffen unter anderem die Anpassung an demografische Veränderungen, Strukturwandel im Bergbau und Digitalisierung der Verwaltungsabläufe.


Literaturhinweise und weiterführende Gesetze

  • Sozialgesetzbuch IV, V, VI, XI
  • Gesetz über die Errichtung der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See (KBSG)
  • Satzungen und Verordnungen der Knappschaftsversicherung
  • Informationen des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) und der KBS

Zusammenfassung

Die Knappschaftsversicherung stellt einen spezialgesetzlich geregelten Zweig der deutschen Sozialversicherung mit langer Tradition dar. Sie umfasst Renten-, Kranken- und Pflegeleistungen für eine spezifische Versichertengruppe, ist von eigenen Beitrags-, Leistungs- und Verwaltungsstrukturen geprägt und trägt zur sozialen Absicherung im Bereich des Bergbaus und verwandter Branchen bei. Rechtsgrundlagen finden sich umfangreich im Sozialgesetzbuch und einschlägigen Verordnungen, wobei die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See die zentrale Verwaltungseinrichtung bildet.

Häufig gestellte Fragen

Wer ist nach aktueller Rechtslage in der Knappschaftsversicherung pflichtversichert?

Nach § 1 Abs. 2 SGB VI sind Personen in der Knappschaftsversicherung pflichtversichert, wenn sie im Rahmen eines Beschäftigungsverhältnisses in Unternehmen tätig sind, die unter den Geltungsbereich des Sozialgesetzbuchs Sechstes Buch (SGB VI) in Verbindung mit den besonderen Vorschriften des Knappschaftsrechts fallen. Hierzu zählen insbesondere Arbeitnehmer*innen in Bergbaubetrieben, im Eisenbahnwesen und in bestimmten anderen dem Bergbausystem nahestehenden Betrieben. Auch Auszubildende, die in diesen Bereichen tätig sind, werden einbezogen. Die Pflichtversicherung entsteht grundsätzlich mit Aufnahme der Beschäftigung und endet mit deren Beendigung, sofern nicht ausnahmsweise eine Weiterversicherung oder eine Versicherungspflicht kraft anderer Rechtsvorschriften eintritt. Entscheidend sind außerdem die jeweiligen Satzungsregelungen der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See, die in einzelnen Fällen zusätzliche Regelungen zu Personengruppen oder zu spezifischen Arbeitsverhältnissen treffen können.

Welche Leistungen gewährt die Knappschaftsversicherung nach geltendem Recht?

Die Knappschaftsversicherung bietet nach Maßgabe der §§ 125 ff. SGB VI maßgebliche Leistungen, die sich von der allgemeinen Rentenversicherung unterscheiden. Zu den wichtigsten Leistungsarten zählen Altersrenten, Erwerbsminderungsrenten sowie Hinterbliebenenrenten (z. B. Witwen- und Waisenrenten). Besonderheiten bestehen bei den Anspruchsvoraussetzungen: Zum einen profitieren Versicherte von einer günstigeren Rentenberechnung, da u. a. sogenannte knappschaftliche Beschäftigungszeiten besonders angerechnet werden. Zum anderen gibt es spezifische Regelungen für die Wartezeit und die Höhe der Steigerungsbeträge, da die Beiträge der Knappschaftsversicherung regelmäßig höher ausfallen als in der allgemeinen Rentenversicherung (§ 256 SGB VI). Zudem werden auch Rehabilitationsleistungen, etwa medizinische oder berufliche Rehabilitation, gewährt. Anspruch auf solche Leistungen besteht, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen nach dem SGB VI und den speziellen Vorschriften für die Knappschaft erfüllt sind.

Welche besonderen Beitragsregelungen gelten für die Knappschaftsversicherung?

Die Beitragserhebung in der Knappschaftsversicherung ist nach §§ 157, 158 SGB VI sowie nach den speziellen Vorschriften des SGB VII geregelt und unterscheidet sich wesentlich von der allgemeinen Pflichtversicherung. Der Beitragssatz zur knappschaftlichen Rentenversicherung liegt deutlich über dem der allgemeinen Rentenversicherung, da der Kreis der Beitragspflichtigen enger und das Versorgungsrisiko aufgrund der besonderen Belastungen im Bergbau höher ist. Allerdings tragen die Unternehmen in der Knappschaftsversicherung traditionell einen größeren Anteil des Beitrags (§ 251 SGB VI). Die Beitragsbemessungsgrenzen werden jedes Jahr neu festgelegt und können von denen der allgemeinen Rentenversicherung abweichen. Für Sonderfälle, z. B. bei geringfügiger Beschäftigung oder während bestimmter Auszeiten, gelten spezifische Regelungen, die im Einzelfall durch die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See verbindlich ausgelegt werden.

Wie wirken sich knappschaftliche Zeiten bei der Rentenberechnung aus?

Knappschaftliche Zeiten im Sinne der §§ 137 ff. SGB VI wirken sich besonders vorteilhaft auf die spätere Rentenberechnung aus. Die entrichteten Beiträge werden in einem deutlich höheren Maße als „Entgeltpunkte“ berücksichtigt, um der körperlich schweren Arbeit im Bergbau und den damit verbundenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen genüge zu tun. Für jeden Jahr knappschaftlicher Beschäftigung werden besondere Steigerungsbeträge hinzugerechnet (§ 85 SGB VI). Dies führt dazu, dass knappschaftlich Versicherte im Regelfall eine höhere Rente erhalten als vergleichbare Versicherten mit gleich langen Zeiten in der allgemeinen Rentenversicherung. Die genaue Berechnung der Rentenhöhe erfolgt anhand gesetzlich definierter Formeln, wobei auch die jeweilige Beitragszahlungshöhe und die individuellen Beschäftigungszeiten ausschlaggebend sind.

Welche Möglichkeiten der freiwilligen Versicherung bestehen in der Knappschaftsversicherung?

Gemäß § 7 Abs. 2, § 10 Abs. 1a SGB VI können bislang nicht oder nicht mehr pflichtversicherte Personen unter bestimmten Voraussetzungen der freiwilligen Versicherung in der Knappschaftsversicherung beitreten. Voraussetzung hierfür ist, dass der Antragstellende zuvor schon einmal nach knappschaftsrechtlichen Vorschriften versichert war. Die Versicherung ist nur zeitlich begrenzt möglich, und es besteht eine Beitragspflicht nach den aktuell gültigen Sätzen. Die freiwillige Versicherung bietet insbesondere ehemaligen Beschäftigten die Möglichkeit, ihre Rentenansprüche aufzustocken oder weitere Anwartschaften zu erwerben. Auch während bestimmter Unterbrechungszeiten der Erwerbstätigkeit, zum Beispiel infolge von Kindererziehung oder Pflege, kann die freiwillige Weiterversicherung in Betracht kommen, sofern die gesetzlichen Vorgaben erfüllt werden.

Welche Übergangsregelungen gelten bei Änderungen im Knappschaftsrecht nach SGB VI?

Bei Änderungen des Knappschaftsrechts, insbesondere infolge von Gesetzesnovellen oder Anpassungen an das allgemeine Sozialversicherungsrecht, gelten Übergangsvorschriften nach den §§ 248 ff. SGB VI. Diese haben den Zweck, den Vertrauensschutz und die Rechtssicherheit für bereits versicherte Personen zu gewährleisten. Demnach werden Ansprüche und Anwartschaften, die vor einer gesetzlichen Änderung erworben wurden, grundsätzlich nach dem zuvor geltenden Recht weitergeführt, es sei denn, das Gesetz regelt ausdrücklich etwas anderes. Für laufende Renten werden sogenannte Besitzstandswahrungen getroffen. Auf Antrag können Versicherte auch von neueren, günstigeren Regelungen profitieren, müssen dies aber nachweisen und beantragen. Die genauen Details sind im Einzelfall anhand der jeweiligen Gesetzesregelung und unter Berücksichtigung einschlägiger Verwaltungsvorschriften zu prüfen.

In welchen Fällen besteht ein Anspruch auf Übergangsleistungen aus der Knappschaftsversicherung?

Übergangsleistungen werden insbesondere für Versicherte gezahlt, die infolge von Krankheit, Berufswechsel oder Invalidität aus dem Bergbau ausscheiden müssen (§§ 128 ff. SGB VI). Grundlage dieser Leistungen sind die besonderen Belastungen und das hieraus resultierende erhöhte Risiko für gesundheitliche Schädigungen bei knappschaftlich Tätigen. Die Übergangsleistungen umfassen u. a. Übergangsgeld, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben sowie berufsfördernde Maßnahmen und sollen den Betroffenen einen sozial abgesicherten Übergang aus dem Berufsleben oder den Wechsel in eine andere Erwerbstätigkeit ermöglichen. Die Anspruchsvoraussetzungen und die genaue Ausgestaltung richten sich nach den Gesetzesvorgaben des SGB VI sowie nach ergänzenden Bestimmungen der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See. Entsprechende Anträge sind rechtzeitig und unter Beibringung aller erforderlichen Unterlagen zu stellen.