Legal Lexikon

Klimaklage


Begriff und rechtliche Einordnung der Klimaklage

Die Klimaklage bezeichnet rechtliche Schritte, die darauf abzielen, natürliche oder juristische Personen, privatwirtschaftliche Akteure oder staatliche Stellen zur Einhaltung von Umwelt-, insbesondere Klimaschutzvorgaben, zu verpflichten. Die Klimaklage ist ein Instrument zur gerichtlichen Durchsetzung von Verpflichtungen aus nationalem, europäischem und internationalem Klima- und Umweltschutzrecht sowie aus Grundrechten und allgemeinen Schutzpflichten. Sie nimmt dabei eine zunehmend zentrale Rolle in der Umsetzung globaler und nationaler Klimaschutzziele sowie in der Weiterentwicklung des Umweltrechts ein.


Grundlagen: Begriffsklärung und Entwicklung

Definition der Klimaklage

Unter einer Klimaklage versteht man Verfahren vor Gerichten, mit denen Kläger, meist Bürger, Umweltorganisationen oder betroffene Gemeinschaften, staatliche und nichtstaatliche Akteure auf Maßnahmen zur Effektivierung des Klimaschutzes verpflichten wollen. Ziel ist regelmäßig die Einhaltung, Ergänzung oder Verschärfung klimaschutzrechtlicher Vorgaben.

Historische Entwicklung

Internationale Aufmerksamkeit erlangten Klimaklagen seit Mitte der 2000er Jahre, insbesondere nach der Ratifizierung des Kyoto-Protokolls und mit zunehmender Bedeutung des Pariser Abkommens von 2015. Ursprünglich in den USA und den Niederlanden bevorzugt, gewinnen Klimaklagen seit den 2010er Jahren auch in Deutschland und weiteren EU-Mitgliedstaaten an rechtlicher Bedeutung.


Rechtsgrundlagen von Klimaklagen

Nationale Rechtsgrundlagen

Verfassungsrechtliche Dimension

In der Bundesrepublik Deutschland bildet insbesondere das Grundgesetz eine zentrale Grundlage. Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 24. März 2021 (BVerfG, 1 BvR 2656/18) ergibt sich aus dem Klima- und Umweltschutzauftrag des Art. 20a GG und den Grundrechten, insbesondere dem Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG), eine Pflicht des Staates, den Klimaschutz aktiv zu gestalten.

Einfachgesetzliche Grundlagen

Maßgeblich ist das Bundes-Klimaschutzgesetz (KSG), das verbindliche Ziele für die Minderung von Treibhausgasemissionen sowie sektorale Zielvorgaben vorsieht. Weitere relevante Gesetze sind das Umweltrechtsbehelfsgesetz (UmwRG) und das Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG), die insbesondere Umweltverbänden Klagerechte einräumen.

Europäische Rechtsgrundlagen

Auf europäischer Ebene spielt das Primärrecht, wie die Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCh), sowie die sekundärrechtliche Rechtssetzung (insbesondere die Klimaschutzverordnung (EU) 2018/842 und die Emissionshandelsrichtlinie 2003/87/EG) eine bedeutende Rolle. Zunehmend werden auch Verpflichtungen aus dem Europäischen Grünen Deal und dem Fit-for-55-Paket gerichtlich geltend gemacht.

Internationale Rechtsgrundlagen

International bilden völkerrechtliche Übereinkommen wie das Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen (UNFCCC), das Kyoto-Protokoll sowie das Pariser Abkommen den rechtlichen Bezugsrahmen für Klimaklagen, insbesondere zur Auslegung staatlicher und unternehmerischer Pflichten.


Klagemöglichkeiten: Nationale und grenzüberschreitende Konstellationen

Individuelle Klagerechte

Einzelpersonen bzw. betroffene Gemeinschaften können in bestimmten Konstellationen unmittelbar betroffen sein, etwa durch gesundheitliche Beeinträchtigungen oder wirtschaftliche Nachteile infolge ausbleibender staatlicher Klimaschutzmaßnahmen. Das Bundesverfassungsgericht hat die sogenannte „intertemporale Interessenwahrung“ als relevanten Aspekt für zukünftige Generationen hervorgehoben.

Verbandsklagen

Anerkannte Umweltverbände können im Rahmen des Umweltrechtsbehelfsgesetzes und unter Berufung auf die Aarhus-Konvention Klagen gegen behördliche Genehmigungen oder das Unterlassen klimaschutzbezogener Maßnahmen erheben. Die Klagebefugnis erstreckt sich auf die Kontrolle von Maßnahmen zur Umsetzung von Klimaschutzvorgaben und deren Einhaltung.

Klimaklagen gegen Unternehmen

Auch Unternehmen geraten zunehmend in den Fokus. Klagen, wie jene gegen große Energieunternehmen und Produzenten fossiler Brennstoffe, gründen sich häufig auf Deliktstatbestände, Treu und Glauben oder lauterkeitsrechtliche Normen, aber auch auf das Zivilrecht.


Verfahrensrechtliche Besonderheiten

Zuständigkeit und Gerichtswege

Klimaklagen werden in Deutschland typischerweise vor Verwaltungsgerichten geführt, soweit sie sich gegen staatliche Maßnahmen richten. Bei zivilrechtlichen Schadensersatzforderungen oder Unterlassungsansprüchen gegen Unternehmen sind die ordentlichen Gerichte zuständig.

Beweisanforderungen

Klimaklagen sind vielfach durch schwierige Kausalitätsketten und komplexe wissenschaftliche Beweisführungen geprägt. Gerichtliche Verfahren erfordern daher häufig die Zuziehung sachverständiger Gutachten zu Kausalzusammenhängen zwischen Emissionen und konkreten Klimaschäden.

Rechtsschutzinteresse und Klagebefugnis

Ein Rechtsschutzinteresse ist zu bejahen, wenn Kläger in eigenen Rechten betroffen sind oder eine anerkannte Position wahren. Die Klagebefugnis bei Verbandsklagen folgt spezialgesetzlichen Vorschriften, etwa dem Umweltrechtsbehelfsgesetz.


Bedeutsame Präzedenzfälle und internationale Einflüsse

Leitentscheidungen

  • Urgenda-Klage (Niederlande, 2015 und 2019): Der niederländische Staat wurde höchstrichterlich verpflichtet, seine Klimaschutzziele anzuheben.
  • Bundesverfassungsgericht (BVerfG, 2021): Das Klimaschutzgesetz wurde in Teilen für verfassungswidrig erklärt, da es künftige Generationen ungenügend schützt.
  • Lliuya gegen RWE (Deutschland, laufend): Eine Zivilklage gegen den Energiekonzern RWE, bei der ein peruanischer Landwirt Ausgleich für Klimaschäden fordert.

Einfluss auf Rechtspolitik

Erstrittene Urteile und Vergleiche wirken direkt oder mittelbar auf die nationale und internationale Gesetzgebung ein und fördern die Anpassung bestehender Rechtsnormen an ein fortentwickeltes Verständnis von Klima- und Grundrechtsschutz.


Kritik und Herausforderungen

Verfassungsrechtliche Abgrenzungsprobleme

Ein Wandel des Klimaschutzes von einer staatlichen Schutzaufgabe hin zu einer gerichtlich durchsetzbaren Pflicht wirft Fragen nach richterlicher Steuerbarkeit, Gewaltenteilung sowie dem Verhältnis von Legislative, Exekutive und Judikative auf.

Internationale Koordinierung

Globale Verantwortlichkeit und transnationale Dimensionen der Emissionsverursachung erschweren die isolierte Durchsetzbarkeit nationaler Klagerechte. Klimaklagen verweisen damit auch auf die Notwendigkeit effektiver internationaler Kooperation.

Praktische und methodische Herausforderungen

Die Durchsetzung von Klimaklagen ist häufig mit hohen wissenschaftlichen Anforderungen, langen Verfahrensdauern sowie hohen prozessualen Unsicherheiten verbunden. Die Bestimmung der Kausalität zwischen Emission und Schaden, die Ermittlung von Mitverursachungsanteilen sowie die praktische Umsetzung von Urteilen sind zentrale Herausforderungen.


Fazit und Ausblick

Klimaklagen sind ein dynamisches, sich wandelndes Feld des Umwelt- und staatlichen Schutzpflichtenrechts. Sie dienen der gerichtlichen Durchsetzung und Konkretisierung von Klimaschutzzielen, nehmen Einfluss auf die Weiterentwicklung nationaler und internationaler Rechtsrahmen und geben Impulse für eine fortschreitende Klimaschutzgesetzgebung. Die künftige Entwicklung wird von zunehmender Richterrechtsfortbildung, internationaler Koordination und der Auslegung zentraler Verfassungsrechte sowie deren Verhältnis zu wirtschaftlichen Interessen geprägt sein.


Literatur und weiterführende Quellen

  • Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 24. März 2021, 1 BvR 2656/18
  • Umweltrechtsbehelfsgesetz (UmwRG)
  • Pariser Klimaschutzabkommen
  • Klimaschutzgesetz (KSG)
  • Urgenda-Urteil (NL) 2019

Diese Zusammenstellung bietet einen umfassenden Überblick über die rechtlichen Aspekte der Klimaklage als Instrument des Klima- und Umweltschutzrechts.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Voraussetzungen müssen für das Einreichen einer Klimaklage erfüllt sein?

Für das Einreichen einer Klimaklage müssen verschiedene rechtliche Voraussetzungen erfüllt werden, die sich nach nationalem und internationalem Recht unterscheiden können. Grundsätzlich muss die klagende Partei in ihrer Rechtsposition betroffen sein („Klagebefugnis“), das bedeutet, sie muss hinreichend substantiiert darlegen, dass sie durch Handlungen oder Unterlassungen des Beklagten – meistens der Staat oder große Unternehmen – von negativen Folgen des Klimawandels unmittelbar, gegenwärtig und individuell betroffen ist. Weiterhin muss ein justiziabler Anspruch bestehen, der auf eine konkrete Rechtsverletzung, wie die Verletzung von Grundrechten oder spezifischer Umweltgesetze, gestützt werden kann. In Deutschland beispielsweise wird häufig auf Art. 20a GG (Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen) rekurriert. Meistens ist außerdem die vorherige Ausschöpfung des Verwaltungsrechtswegs bzw. eine erfolglose Behördengängigkeit Voraussetzung, bevor eine Klimaklage vor Verfassungs- oder Zivilgerichten anhängig gemacht werden kann. Im internationalen Kontext, etwa beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, kommt es darüber hinaus darauf an, ob die nationale Rechtsschutzmöglichkeit ausgeschöpft wurde.

Gegen welche Parteien kann eine Klimaklage gerichtet werden?

Im rechtlichen Kontext kann sich eine Klimaklage grundsätzlich gegen Staaten, staatliche Stellen auf Bundes-, Landes- oder kommunaler Ebene sowie gegen private Akteure wie Unternehmen richten. So werden Staaten beziehungsweise Regierungen beispielsweise dafür verklagt, dass sie aus Sicht der Klägerinnen ihre Schutzpflichten hinsichtlich des Klimas unzureichend erfüllen, etwa durch fehlende oder unzureichende Klimaschutzgesetze oder durch die Genehmigung klimaschädlicher Projekte. Gegen Unternehmen oder Konzerne richtet sich die Klimaklage meist darauf, deren Beitrag zu Treibhausgasemissionen zu sanktionieren oder Reduktionsmaßnahmen einzufordern. Grundlegend ist dabei stets, dass eine haftungsrechtliche Verantwortlichkeit und ein Kausalzusammenhang zwischen dem Verhalten der beklagten Partei und dem geltend gemachten Schaden bestehen müssen.

Wie erfolgt die Beweisführung in Klimaklagen aus rechtlicher Sicht?

Die Beweisführung in Klimaklagen stellt eine besondere Herausforderung dar, weil es sich häufig um komplexe naturwissenschaftliche Zusammenhänge handelt. Rechtlich relevant ist insbesondere die Darlegung des kausalen Zusammenhangs zwischen dem Verhalten der beklagten Partei (z.B. Emission von Treibhausgasen) und der Klimabeeinträchtigung beziehungsweise dem individuellen Schaden. Dazu müssen Klägerinnen oftmals wissenschaftliche Gutachten, Klimamodelle und Emissionsbilanzen vorlegen, die die Verantwortung der beklagten Partei für konkrete Umweltfolgen zumindest plausibel machen. In einigen Fällen bedienen sich die Gerichte dabei des sogenannten „niedrigen Beweismaßes“ oder der „Beweiserleichterung“, insbesondere wenn die Anforderungen an eine vollständige naturwissenschaftliche Kausalitätsdarlegung zu einer faktischen Rechtsverweigerung führen würden. Nicht selten stützen sich Klimaklagen zusätzlich auf den Stand der internationalen Klimawissenschaft und Erkenntnisse des Weltklimarats (IPCC).

Kann eine Klimaklage sich auf internationale Abkommen berufen?

Rechtlich gesehen können Klimaklagen durchaus auf internationale Abkommen gestützt werden, allerdings hängt deren unmittelbare Anwendbarkeit davon ab, ob sie im jeweiligen nationalen Recht unmittelbare Wirkung entfalten. Das Pariser Klimaabkommen, das Kyoto-Protokoll und andere völkerrechtliche Verträge setzen vorrangig auf nationale Umsetzungsmaßnahmen und formulieren vielfach keine einklagbaren Individualansprüche. Dennoch greifen viele Kläger*innen diese Instrumente auf, um die Auslegung nationalen Rechts im Lichte völkerrechtlicher Verpflichtungen zu begründen. Teilweise interpretieren Gerichte nationale Klimapflichten unter Verweis auf völkerrechtliche Selbstbindungsakte und internationale Schutznormen, beispielsweise bei Menschenrechtsschutz oder dem staatlichen Umweltschutzauftrag. Ein unmittelbarer Direktanspruch aus dem internationalen Recht ist hingegen meistens ausgeschlossen.

Welche gerichtlichen Instanzen sind bei Klimaklagen zuständig?

Die Zuständigkeit für Klimaklagen richtet sich nach der jeweiligen rechtlichen Anspruchsgrundlage sowie der beklagten Partei. Handelt es sich um Klagen gegen staatliche Maßnahmen oder Unterlassungen, ist in Deutschland beispielsweise zunächst der Verwaltungsrechtsweg eröffnet. Für Grundrechtsklagen gegen gesetzgeberische Unterlassungen kann das Bundesverfassungsgericht angerufen werden (Stichwort: Verfassungsbeschwerde). Besteht der Anspruch gegenüber Unternehmen, sind Zivilgerichte zuständig. International bieten sich supranationale Instanzen wie der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte oder der Internationale Gerichtshof an, wobei diese nur unter engen Voraussetzungen und nach Ausschöpfung des nationalen Rechtswegs angerufen werden können.

Welche Rechtsfolgen können sich aus erfolgreichen Klimaklagen ergeben?

Bei erfolgreicher Klimaklage können je nach Ausgestaltung des geltend gemachten Anspruchs unterschiedliche Rechtsfolgen eintreten. Bei Klagen gegen Staaten kann das Gericht den Gesetzgeber oder die Verwaltung verpflichten, konkrete Klimaschutzmaßnahmen zu ergreifen, Gesetze zu ändern oder bestehende Regelungen als verfassungswidrig/unionsrechtswidrig aufzuheben. Im Zivilrecht können Unternehmen verpflichtet werden, Emissionen zu begrenzen oder Schadensersatz für nachgewiesene Klimafolgen zu leisten. In Einzelfällen werden Unterlassungsansprüche begründet, wonach etwa die Genehmigung besonders klimaschädlicher Projekte untersagt wird. Die tatsächliche Durchsetzbarkeit und Umsetzung solcher Urteile ist allerdings oft von politischen und praktischen Faktoren abhängig.

Gibt es besondere Verjährungsfristen bei Klimaklagen?

Die Verjährung richtet sich nach den jeweils geltenden nationalen gesetzlichen Regelungen. Verstöße gegen Umweltgesetze oder Grundrechte unterliegen grundsätzlich allgemeinen zivil- oder verwaltungsrechtlichen Verjährungsfristen, die von wenigen Monaten (im Verwaltungsrecht) bis zu mehreren Jahren reichen können. In zivilrechtlichen Schadensersatzansprüchen ist die Verjährungsfrist in Deutschland in der Regel drei Jahre ab Kenntnis von Schaden und Schädiger, kann jedoch bei sogenannten Dauerhandlungen (wie fortlaufender Emission) auch später beginnen. Bei Verfassungsbeschwerden beträgt die Frist einen Monat nach Bekanntwerden des Urteils oder Gesetzes, das beanstandet wird. In einigen internationalen Fällen greifen Sonderregelungen, die eine längere Frist oder keine feste Frist vorsehen.