Legal Lexikon

Wiki»Legal Lexikon»Baurecht»Kleinsiedlungsgebiet

Kleinsiedlungsgebiet


Definition und allgemeine Einordnung des Kleinsiedlungsgebiets

Das Kleinsiedlungsgebiet ist ein im deutschen Bauplanungsrecht verankerter Begriff und bezeichnet eine Baugebietsart, die insbesondere im Rahmen der städtebaulichen Entwicklung Bedeutung erlangt. Kleinsiedlungsgebiete sind von anderen Baugebieten, wie beispielsweise dem allgemeinen Wohngebiet oder Dorfgebiet, abzugrenzen. Ihr rechtlicher Rahmen ist insbesondere in der Baunutzungsverordnung (BauNVO) geregelt.

Rechtliche Grundlagen

Baunutzungsverordnung (BauNVO)

Die grundlegenden rechtlichen Vorschriften für Kleinsiedlungsgebiete finden sich in der Baunutzungsverordnung (BauNVO). Konkret ist das Kleinsiedlungsgebiet in § 2 BauNVO aufgeführt und wie folgt definiert:

„Kleinsiedlungsgebiete (WS) dienen vorwiegend der Unterbringung von Kleinsiedlungen einschließlich Wohngebäuden mit zugehörigem nicht landwirtschaftlichen Nutzgarten sowie der Unterbringung von Kleintierhaltungen.“

Baugesetzbuch (BauGB)

Das Baugesetzbuch (BauGB) bildet die Basis des deutschen Städtebaurechts. Es regelt die Anforderungen an Bebauungspläne, welche die Grundlage für Kleinsiedlungsgebiete bilden können. Die Festsetzung von Kleinsiedlungsgebieten erfolgt im Rahmen der Bauleitplanung durch die Gemeinde.

Charakteristika des Kleinsiedlungsgebiets

Zweckbestimmung

Kleinsiedlungsgebiete dienen primär der Unterbringung von Wohngebäuden in Verbindung mit einem zusätzlichen, meist nicht erwerbswirtschaftlich genutzten Nutzgarten und der Möglichkeit zur Kleintierhaltung. Sie zählen damit zu den Wohngebieten, weichen jedoch durch ihre zusätzliche Zweckbestimmung von klassischen Wohngebieten ab.

Typische Bebauung

Kleinsiedlungsgebiete weisen in der Regel folgende Bebauungsmerkmale auf:

  • Überwiegend eingeschossige Wohngebäude mit Satteldach
  • Große Grundstücksflächen zur Ermöglichung von Nutzgärten
  • Kleintierhaltung in begrenztem Umfang zulässig
  • Dichte der Bebauung ist möglichst gering, um kleinsiedlungstypische Strukturen zu erhalten

Zulässige Nutzungen

Gemäß § 2 BauNVO sind im Kleinsiedlungsgebiet zulässig:

  • Wohngebäude in kleinsiedlungstypischer Ausführung
  • Zu den Wohngebäuden gehörende Anlagen, wie Garagen, Stellplätze, Nebengebäude
  • Nutzgärten mit nicht erwerbswirtschaftlicher Nutzung
  • Kleintierhaltung für den Eigenbedarf

Ausnahmsweise können auch nicht störende Handwerksbetriebe sowie kleinere Ladengeschäfte erlaubt werden, wenn diese der Versorgung des Gebiets dienen und den Charakter eines Kleinsiedlungsgebiets nicht beeinträchtigen.

Unterscheidung von anderen Baugebietsarten

Von Kleinsiedlungsgebieten sind insbesondere folgende Baugebietsarten abzugrenzen:

  • Allgemeines Wohngebiet (WA): Vorrangig für Wohnbebauung, geringere Bedeutung von Nutzgärten und Tierhaltung
  • Dorfgebiet (MD): Integration landwirtschaftlicher Nutzungen und ein größeres Maß an Gewerbebetrieben möglich
  • Wohngebiet besonderer Art: Hier kann es Mischformen geben, die jedoch andere Schwerpunkte setzen

Zulässigkeit von Bauvorhaben

Im Kleinsiedlungsgebiet richtet sich die Zulässigkeit von Bauvorhaben nach den Festsetzungen des Bebauungsplans sowie den Vorschriften der BauNVO:

  • Zulässig sind Maßnahmen, die dem charakteristischen Erscheinungsbild und Zweck des Gebiets entsprechen.
  • Nicht zulässig sind gewerbliche Großbetriebe und industrielle Anlagen.
  • Die Gemeinde kann im Bebauungsplan die zulässige Nutzung weiter einschränken oder auch Ausnahmegenehmigungen zulassen.

Bedeutung in der Bauleitplanung

Die Ausweisung von Kleinsiedlungsgebieten geschieht im Rahmen der Bauleitplanung durch die Gemeinde. Hier werden aufgrund örtlicher Bedürfnisse Flächen für diese besondere Nutzungsform geschaffen, wobei häufig die Entwicklung des ländlichen Raumes im Vordergrund steht. Ziel ist es, Wohnraum mit Eigenversorgungspotenzial und Selbstnutzungsoptionen bereitzustellen.

Bestandsschutz und Nachverdichtung

In bereits bestehenden Kleinsiedlungsgebieten genießen Altbauten und bestehende Nutzungen grundsätzlich Bestandsschutz. Die Möglichkeiten zur Nachverdichtung sind jedoch rechtlich oft durch den Bebauungsplan eng begrenzt, um das kleinsiedlungsgebietscharakteristische Erscheinungsbild zu bewahren.

Regelungen zu Emissionen, Lärm und Tierhaltung

Ein wesentlicher Aspekt im Kleinsiedlungsgebiet ist die Kleintierhaltung. Während sie ausdrücklich zulässig ist, darf sie das nachbarschaftliche Miteinander nicht stören. Die Gerichtsbarkeit differenziert hier zwischen erlaubter Haus- und Kleintierhaltung und verbotener Massentierhaltung. Auch Lärmemissionen durch Tierhaltung dürfen bestimmte Schwellenwerte nicht überschreiten.

Baurechtliche Besonderheiten und gerichtliche Auslegung

Die Ausweisung und Nutzung von Kleinsiedlungsgebieten führt regelmäßig zu gerichtlicher Überprüfung, insbesondere im Hinblick auf:

  • Abgrenzung zur landwirtschaftlichen oder gewerblichen Nutzung
  • Schutz nachbarlicher Belange
  • Einhaltung der zulässigen Nutzung nach § 2 BauNVO

Urteile der Verwaltungsgerichte konkretisieren oftmals, welche konkrete Nutzung im Einzelfall als gebietsverträglich angesehen wird.

Zusammenfassung und Ausblick

Das Kleinsiedlungsgebiet stellt eine besondere Baugebietsart im deutschen Bauplanungsrecht dar, das zwischen reinem Wohnen und landwirtschaftlicher Nutzung angesiedelt ist. Es dient insbesondere der Verbindung von Wohnraum mit der Möglichkeit zur Selbstversorgung durch Gärten und Kleintierhaltung. Die detaillierte rechtliche Regulierung findet sich in der Baunutzungsverordnung und wird im Rahmen der kommunalen Bauleitplanung angewendet. Due besondere Charakteristik verlangt im Rahmen der Ausweisung, Nutzung und Entwicklung eine sorgfältige Beachtung der gesetzlichen Vorgaben, um die Gebietsverträglichkeit zu gewährleisten und den kleinsiedlungstypischen Charakter zu erhalten.

Häufig gestellte Fragen

Wann benötigt man für bauliche Maßnahmen in einem Kleinsiedlungsgebiet eine Baugenehmigung?

In einem Kleinsiedlungsgebiet gilt grundsätzlich das Bauordnungsrecht des jeweiligen Bundeslandes sowie die Vorgaben des Bebauungsplans. Für bauliche Maßnahmen – dazu zählen Neubauten, Anbauten, Umbauten und Nutzungsänderungen – besteht in der Regel eine Genehmigungspflicht. Dies betrifft nicht nur das Errichten neuer Wohnhäuser, sondern auch die Errichtung von Nebengebäuden wie Garagen, Schuppen oder Gartenhäuser, sofern diese bestimmte Größen- und Abstandsflächen überschreiten oder eine eigenständige Wohnung entstehen soll. Bei Maßnahmen, die das äußere Erscheinungsbild wesentlich verändern, schreibt auch das Bauplanungsrecht (§§ 29 ff. BauGB) eine Genehmigung vor. Manche geringfügige Bauprojekte können unter bestimmten Umständen auch genehmigungsfrei sein (z.B. kleine Geräteschuppen oder Carports unterhalb gewisser Größen), dies ist jedoch stets anhand der verbindlichen Landesbauordnung und örtlicher Satzungen zu prüfen. Zudem können besondere Regelungen im Bebauungsplan, beispielsweise zur Fassadengestaltung, Dachform oder Hauptnutzung, zusätzliche Genehmigungspflichten begründen, weshalb stets eine Klärung mit der zuständigen Baubehörde erfolgen sollte.

Welche Nutzungsarten sind in einem Kleinsiedlungsgebiet zulässig?

Die zulässigen Nutzungsarten in einem Kleinsiedlungsgebiet werden durch § 2 der Baunutzungsverordnung (BauNVO) sowie die Vorgaben im örtlichen Bebauungsplan geregelt. Kleinsiedlungsgebiete dienen vorwiegend der Unterbringung von Wohnnutzungen in Verbindung mit kleingärtnerischer Nutzung und der Haltung kleinerer Tiere im Rahmen des Eigenbedarfs. Zulässig sind grundsätzlich Wohngebäude mit dazugehörigen Nebengebäuden und Nebenanlagen (wie Schuppen oder Gewächshäuser), die der Selbstversorgung durch Anbau von Nahrungsmitteln oder der Tierhaltung in begrenztem Umfang dienen. Gewerbliche Nutzungen sind nur insoweit zulässig, wie sie dem Gebietscharakter entsprechen, also beispielsweise das häusliche Arbeitszimmer oder der Handwerksbetrieb ohne ständige Mitarbeiter und ohne störende Auswirkungen auf das Wohnumfeld. Nicht zulässig ist meist jegliche größere gewerbliche oder industrielle Nutzung, ebenso wie eine ausschließlich landwirtschaftliche Nutzung, die den Rahmen einer typischen Kleinsiedlung übersteigen würde.

Welche baulichen Besonderheiten gelten aufgrund des Gebietscharakters?

Der Charakter eines Kleinsiedlungsgebiets ist im Sinne des § 2 BauNVO geprägt durch eigenständige, im Allgemeinen eingeschossige Wohnhäuser mit zugeordneten Gartenflächen zur Selbstversorgung. Daraus ergeben sich besondere planungsrechtliche Vorgaben hinsichtlich der zulässigen Grundstücksgröße, der Mindest- und Höchstabstände zwischen den Gebäuden, der maximalen Grundflächenzahl (GRZ) und Geschossflächenzahl (GFZ) sowie der erlaubten Bauweisen (z.B. Einzelhaus statt Reihenhaus). Meist bestehen auch begrenzte Vorgaben für die Firsthöhe und das Maß der baulichen Nutzung, um eine homogene und kleinteilige Bebauung sicherzustellen. Nebengebäude wie Stallungen oder Schuppen dürfen bestimmten Größen nicht überschreiten und sollen die Wohnnutzung nicht verdrängen. Die Details regeln der Bebauungsplan und ggf. städtebauliche Verträge oder Gestaltungssatzungen. Abweichungen vom Gebietscharakter können zur Versagung der Baugenehmigung oder zur bauordnungsrechtlichen Beseitigung führen.

Wie werden Streitigkeiten über die zulässige Nutzung eines Grundstücks in einem Kleinsiedlungsgebiet gelöst?

Streitigkeiten über die Zulässigkeit einer bestimmten Nutzung oder Bebauung von Grundstücken in einem Kleinsiedlungsgebiet werden vorrangig von der zuständigen kommunalen Bauaufsichtsbehörde beurteilt. Diese prüft anhand des gültigen Bebauungsplans, der BauNVO sowie der Landesbauordnung, ob das Vorhaben im Einklang mit den rechtlichen Vorgaben steht. Wird ein Antrag auf Baugenehmigung abgelehnt, steht dem Antragsteller der Verwaltungsrechtsweg offen; die Entscheidung kann im Rahmen eines Widerspruchsverfahrens und ggf. einer verwaltungsgerichtlichen Klage überprüft werden. Nachbarrechte spielen zudem eine Rolle, da angrenzende Grundstückseigentümer gegen rechtswidrige Nutzungen vorgehen können, sofern sie durch das Bauvorhaben in ihren nachbarschützenden Rechten verletzt sind. Mediationsverfahren oder außergerichtliche Einigungen können ergänzend genutzt werden, sind aber nicht rechtlich verpflichtend.

Gibt es Ausnahmen oder Befreiungsmöglichkeiten von den Festsetzungen des Bebauungsplans?

Die Baunutzungsverordnung und das Baugesetzbuch sehen die Möglichkeit von Ausnahmen und Befreiungen von den Festsetzungen des Bebauungsplans (§§ 31 BauGB) vor. Ausnahmen sind ausdrücklich im Bebauungsplan genannt und können unter bestimmten Voraussetzungen genehmigt werden (z.B. die Errichtung eines kleinen Ladens für den täglichen Bedarf). Befreiungen können gewährt werden, sofern Gründe des Wohls der Allgemeinheit dies erfordern, die Grundzüge der Planung nicht berührt werden und die Abweichung städtebaulich vertretbar ist. Ein Antrag auf Ausnahme oder Befreiung ist an die Bauaufsichtsbehörde zu richten und in jedem Fall zu begründen. Die Genehmigung ist stets eine Einzelfallentscheidung unter Berücksichtigung der Belange des Gebietscharakters, des Planungsrechts und gegebenenfalls auch nachbarlicher Interessen.

Welche Rolle spielt die Nachbarschutz im Kleinsiedlungsgebiet?

Nachbarschutz kommt im Kleinsiedlungsgebiet stets dann zum Tragen, wenn eine bauliche Maßnahme in nachbarschützende Rechte eingreift. Diese Rechte ergeben sich in der Regel aus öffentlich-rechtlichen Vorschriften (wie etwa Abstandsvorschriften, das Maß der baulichen Nutzung oder die Art der zulässigen Nutzung). Wenn ein Vorhaben diese Vorschriften verletzt, können Nachbarn Widerspruch gegen die Baugenehmigung einlegen und ggf. Klage beim Verwaltungsgericht erheben. Allerdings steht der Schutz nicht jedem beliebigen nachbarlichen Interesse zu, sondern lediglich solchen, die ausdrücklich durch das Gesetz oder den Bebauungsplan besonders geschützt werden (nachbarschützende Normen). Typische Anwendungsfälle sind Abstandsflächen, das Verbot störender Nutzungen oder Überschreitung der zulässigen Gebäudehöhen.

Wie werden Verstöße gegen die Nutzungsbeschränkungen im Kleinsiedlungsgebiet sanktioniert?

Wird in einem Kleinsiedlungsgebiet gegen rechtliche Vorgaben, beispielsweise die zulässige Nutzungsart oder die maximal genehmigte Bebauung, verstoßen, handelt es sich häufig um eine Ordnungswidrigkeit oder sogar um eine Straftat (bei vorsätzlichen Verstößen). Die zuständige Bauaufsichtsbehörde kann bauordnungsrechtliche Maßnahmen ergreifen, darunter die Anordnung zur Herstellung des rechtmäßigen Zustandes (Rückbau/Aufgabe unerlaubter Nutzung), Bußgeldbescheide oder Nutzungsuntersagungen. Darüber hinaus sind zivilrechtliche Ansprüche durch Nachbarn denkbar, etwa auf Unterlassung oder Beseitigung. Die Durchsetzung der baurechtlichen Vorschriften erfolgt im Rahmen eines förmlichen Verwaltungsverfahrens, bei dem der Betroffene rechtliches Gehör erhält und ggf. sich durch Widerspruch und gerichtliche Klage verteidigen kann. Im Einzelfall können weitergehende behördliche oder gerichtliche Maßnahmen erforderlich sein, wenn etwa das öffentliche Interesse an einer geordneten städtebaulichen Entwicklung berührt ist.