Begriff und Rechtsgrundlagen der Kleinen Kapitalgesellschaft
Die kleine Kapitalgesellschaft ist ein Begriff des Handels- und Bilanzrechts, der in Deutschland insbesondere im Handelsgesetzbuch (HGB) und im Publizitätsgesetz (PublG) definiert und geregelt wird. Sie bezeichnet eine Kapitalgesellschaft, die – bezogen auf bestimmte Kennzahlen – als klein eingestuft wird und dadurch in den Genuss verschiedener Erleichterungen bezüglich Rechnungslegung, Publizität und Prüfungspflichten kommt.
Zu den Kapitalgesellschaften im Sinne des Gesetzes zählen insbesondere die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH), die Aktiengesellschaft (AG), die Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) und die eingetragene Genossenschaft (eG), soweit wissenschaftlich möglich. Die Einordnung hat praxisrelevante Auswirkungen vor allem auf die handelsrechtlichen Bilanzierungspflichten und Offenlegungsvorschriften.
Abgrenzung und Definition nach Handelsgesetzbuch (HGB)
Begriffsbestimmung
Die spezifische Definition der kleinen Kapitalgesellschaft findet sich im § 267 HGB. Dort werden Kapitalgesellschaften entsprechend der Größe in drei Klassen unterteilt: klein, mittelgroß und groß. Die Zuordnung zu den Größenklassen erfolgt nach bestimmten Schwellenwerten, die drei Merkmale betreffen:
- Bilanzsumme
- Umsatzerlöse
- Beschäftigtenzahl
Größenmerkmale und Schwellenwerte
Gemäß § 267 Abs. 1 HGB gilt eine Kapitalgesellschaft als klein, wenn sie mindestens zwei der nachstehenden drei Merkmale an den Abschlussstichtagen von zwei aufeinander folgenden Geschäftsjahren nicht überschreitet:
- Bilanzsumme: 6.000.000 Euro
- Umsatzerlöse: 12.000.000 Euro
- Durchschnittliche Zahl der Beschäftigten während des Geschäftsjahrs: 50
Werden mindestens zwei dieser Werte an beiden Abschlussstichtagen unterschritten, ist die Gesellschaft als kleine Kapitalgesellschaft einzuordnen. Bei Neugründungen gelten die Schwellenwerte bereits für das erste Geschäftsjahr (§ 267a HGB).
Nicht erfasste Gesellschaften
Vom Anwendungsbereich der § 267 HGB gibt es Ausnahmen. Beispielsweise greifen besondere Regelungen für Mutterunternehmen im Konzern, Unternehmen von öffentlichem Interesse, Kreditinstitute, Finanzdienstleistungsinstitute und Versicherungen, die in der Regel durch die zusätzlichen Anforderungen entsprechenden Status als kleine Kapitalgesellschaft verlieren.
Rechtliche Folgen und Erleichterungen für kleine Kapitalgesellschaften
Erleichterungen bei der Rechnungslegung
Kleine Kapitalgesellschaften profitieren von verschiedenen, im Detail geregelten Vereinfachungen bei der Erstellung ihres Jahresabschlusses:
Umfang des Jahresabschlusses
- Es genügt die Erstellung von Bilanz und Gewinn- und Verlustrechnung (§ 242 HGB).
- Ein Lagebericht ist für kleine Kapitalgesellschaften nicht vorgeschrieben (§ 264 Abs. 1 Satz 4 HGB).
Anhang
Der zwingend zu erstellende Anhang kann in verkürzter Form erfolgen, da zahlreiche Angaben entfallen können (§ 288 HGB, § 274a HGB).
Bewertungswahlrechte
Kleine Kapitalgesellschaften dürfen von bestimmten, ausschließlich ihnen vorbehaltenen Wertansätzen Gebrauch machen.
Offenlegungspflichten
Nach § 325 HGB bestehen für kleine Kapitalgesellschaften Erleichterungen bei der Offenlegung im Bundesanzeiger:
- Es reicht, die Bilanz sowie den verkürzten Anhang einzureichen; die Gewinn- und Verlustrechnung muss nicht veröffentlicht werden (§ 326 HGB).
- In der Praxis ist auch die Möglichkeit der Hinterlegung anstelle der Offenlegung vorgesehen, was bedeutet, dass die Unterlagen lediglich bei Bedarf eingesehen werden können.
Prüfungspflichten
Ein gesetzlicher Zwang zur Prüfung des Jahresabschlusses durch einen zugelassenen Wirtschaftsprüfer besteht für kleine Kapitalgesellschaften grundsätzlich nicht (§ 316 HGB), es sei denn, andere Gesetze schreiben dies im Einzelfall zwingend vor.
Publizitätsgesetz (PublG) und kleine Kapitalgesellschaften
Auch das PublG sieht für kleine Kapitalgesellschaften spezielle Ausnahmen und Erleichterungen vor, wobei es zunächst nur für Unternehmen Bedeutung hat, die nicht bereits nach dem HGB offenlegungspflichtig sind (z. B. große Personengesellschaften).
Wechsel der Größenklasse
Schwellenüberschreitung und Wechselwirkungen
Ein Wechsel der Größenklasse tritt ein, wenn die jeweiligen Schwellenwerte in zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren über- oder unterschritten werden (§ 267 Abs. 4 HGB). Erst ab dem folgenden Geschäftsjahr gelten dann die für die neuen Größenklasse relevanten Regelungen. Bei Existenzgründungen wird die Einordnung schon beim ersten Abschluss vorgenommen.
Vergleich: Kleine, mittelgroße und große Kapitalgesellschaft
Die rechtliche Differenzierung hat neben den Rechnungslegungs- und Offenlegungserleichterungen auch Bedeutung für weitere Regelungsbereiche. Beispielsweise sind mittelgroße und große Kapitalgesellschaften verpflichtet, umfangreichere Angaben zu machen, einen Lagebericht zu erstellen und eine Pflichtprüfung durchzuführen.
Zusammenfassung und praktische Bedeutung
Die Einstufung als kleine Kapitalgesellschaft bietet in Deutschland umfangreiche verfahrensrechtliche Vorteile, vereinfachte Publizitätspflichten und damit verbundene Kosteneinsparungen. Daher sind die korrekte Ermittlung und Dokumentation der Größenmerkmale aus Sicht der Unternehmensleitung von besonderer Bedeutung.
Gesetzliche Grundlagen (Auszug)
- Handelsgesetzbuch (HGB), insbesondere §§ 267, 267a, 242, 264, 325, 326
- Publizitätsgesetz (PublG)
Durch die strikte Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben und Schwellenwerte wird sichergestellt, dass kleinere Unternehmen nicht unverhältnismäßigen bürokratischen Belastungen unterworfen werden und gleichzeitig grundlegende Transparenzanforderungen am Markt gewahrt bleiben.
Häufig gestellte Fragen
Welche Schwellenwerte gelten für die Einstufung als kleine Kapitalgesellschaft?
Für die Einstufung einer Gesellschaft als kleine Kapitalgesellschaft im Sinne des § 267 Abs. 1 Handelsgesetzbuch (HGB) sind bestimmte Schwellenwerte maßgeblich. Diese Schwellenwerte beziehen sich auf drei relevante Kriterien: die Bilanzsumme, die Umsatzerlöse und die durchschnittliche Zahl der während des Geschäftsjahres beschäftigten Arbeitnehmer. Nach dem HGB gilt eine Kapitalgesellschaft als klein, wenn sie mindestens zwei der drei nachfolgenden Merkmale nicht überschreitet: 6.000.000 Euro Bilanzsumme, 12.000.000 Euro Umsatzerlöse in den zwölf Monaten vor dem Abschlussstichtag und im Jahresdurchschnitt 50 Arbeitnehmer. Die Überschreitungen oder Unterschreitungen müssen über zwei aufeinanderfolgende Geschäftsjahre hinweg erfolgen, damit eine Umklassifikation wirksam wird. Die rechtliche Relevanz dieser Einstufung ergibt sich unter anderem daraus, dass sich je nach Größenklasse unterschiedliche Anforderungen an den Jahresabschluss und dessen Offenlegungspflichten ergeben.
Welche Erleichterungen gelten für kleine Kapitalgesellschaften bezüglich der Rechnungslegung?
Kleine Kapitalgesellschaften profitieren von verschiedenen gesetzlichen Erleichterungen bei der Rechnungslegung, die im Handelsgesetzbuch detailliert geregelt sind. So können sie den Umfang des Jahresabschlusses erheblich reduzieren, indem sie beispielsweise auf die Aufstellung eines Anhangs teilweise verzichten dürfen (§ 288 HGB). Zudem können sie eine verkürzte Bilanz und eine verkürzte Gewinn- und Verlustrechnung aufstellen (§ 266, § 276 HGB). Darüber hinaus besteht für sie keine Pflicht zur Lageberichterstattung (§ 264 Abs. 1 Satz 4 HGB). Auch im Rahmen der Offenlegungspflichten genießen sie Erleichterungen: Es reicht aus, ihre Bilanz beim Bundesanzeiger einzureichen, eine Gewinn- und Verlustrechnung muss nicht veröffentlicht werden (§ 326 HGB). Diese Erleichterungen reduzieren den administrativen Aufwand und die daraus entstehenden Kosten erheblich.
Welche Offenlegungspflichten bestehen für kleine Kapitalgesellschaften?
Gemäß § 325 HGB müssen auch kleine Kapitalgesellschaften ihren Jahresabschluss elektronisch beim Betreiber des Bundesanzeigers einreichen. Die Offenlegungspflichten sind jedoch gegenüber mittleren und großen Kapitalgesellschaften stark reduziert. Es genügt, nur die Bilanz einzureichen und zu veröffentlichen; die Gewinn- und Verlustrechnung sowie ein ggf. vorhandener Anhang müssen hingegen nicht offengelegt werden (§ 326 HGB). Darüber hinaus entfällt grundsätzlich die Pflicht zur Offenlegung eines Lageberichts sowie einer Prüfungsbescheinigung, sofern keine separate gesetzliche Prüfungspflicht, wie etwa aus branchenspezifischen Regelungen, besteht. Versäumnisse bei der Offenlegung können ein Ordnungsgeldverfahren nach sich ziehen.
Gibt es für kleine Kapitalgesellschaften eine Pflicht zur Abschlussprüfung durch einen Wirtschaftsprüfer?
Im Allgemeinen sind kleine Kapitalgesellschaften – abweichend von mittleren und großen – grundsätzlich nicht verpflichtet, ihren Jahresabschluss durch einen Wirtschaftsprüfer prüfen zu lassen. Die Prüfungspflicht nach § 316 HGB greift nur für mittelgroße und große Kapitalgesellschaften. Nur in Sonderfällen, etwa wenn besondere branchenspezifische oder gesellschaftsvertragliche Vorgaben es verlangen, kann auch für kleine Gesellschaften eine Prüfungspflicht bestehen. Allerdings bleibt die Gesellschaft verpflichtet, den Jahresabschluss ordnungsgemäß aufzustellen und, falls erforderlich, nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung zu führen.
Welche Auswirkungen hat die Einstufung als kleine Kapitalgesellschaft auf die Haftung der Geschäftsführung?
Die Geschäftsführung einer kleinen Kapitalgesellschaft unterliegt denselben allgemeinen zivil- und strafrechtlichen Haftungsregeln wie in anderen Größenklassen. Die Erleichterungen im Bereich der Rechnungslegung und Offenlegung führen zu keiner Begrenzung oder Abmilderung der persönlichen Haftung der Geschäftsführer bzw. des Vorstandes. Im Gegenteil bleibt die Geschäftsführung verpflichtet, sämtliche handels- und gesellschaftsrechtlichen Bestimmungen einzuhalten. Werden beispielsweise die Erleichterungen falsch angewendet oder kommt es zu Unregelmäßigkeiten bei der Aufstellung oder Offenlegung des Jahresabschlusses, können Schadensersatzansprüche gegen die Geschäftsführung im Raum stehen.
Welche Besonderheiten gelten für die Bildung von Rücklagen bei kleinen Kapitalgesellschaften?
Auch kleine Kapitalgesellschaften müssen handelsrechtliche Vorschriften zur Rücklagenbildung beachten, insbesondere im Hinblick auf die gesetzliche Rücklage und ggf. satzungsmäßige Rücklagen (§ 150 AktG für die AG, § 58 Abs. 2 GmbHG für die GmbH). Die gesetzlichen Anforderungen an die Rücklagen unterscheiden sich grundsätzlich nicht nach der Größe der Gesellschaft, auch wenn etwa Bilanzposten aggregiert oder Detailangaben im Anhang entfallen können. In der Praxis führt die Vereinfachung der Rechnungslegung allerdings häufig dazu, dass Rücklagen weniger differenziert ausgewiesen werden, wobei die handelsrechtlichen Mindestanforderungen stets einzuhalten sind.
Können steuerliche Wahlrechte für kleine Kapitalgesellschaften besondere Bedeutung haben?
Ja, steuerliche Wahlrechte können für kleine Kapitalgesellschaften von großer Bedeutung sein. Insbesondere bei der Erstellung des handelsrechtlichen Jahresabschlusses, der als Grundlage für die steuerliche Gewinnermittlung dient, eröffnen Wahlrechte beispielsweise bei der Bewertung von Vermögensgegenständen oder der Bildung von Rückstellungen Gestaltungsspielräume. Kleine Kapitalgesellschaften stehen dabei rechtlich dieselben steuerlichen Wahlrechte zu wie großen Gesellschaften. Allerdings kann es durch die geringeren Publizitätspflichten und den geringeren Berichterstattungsumfang einfacher sein, diese steuerlichen Wahlrechte gezielt zu nutzen, um steuerliche Belastungen zu optimieren – selbstverständlich immer im Rahmen der rechtlichen Vorgaben.