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Kirchensteuer


Begriff und Rechtsgrundlagen der Kirchensteuer

Die Kirchensteuer ist eine öffentlich-rechtliche Abgabe, die von Angehörigen bestimmter Religionsgemeinschaften erhoben wird. Sie dient der Finanzierung der kirchlichen Arbeit und Einrichtungen in Deutschland. Die Kirchensteuer ist ein wesentliches Finanzierungsinstrument der anerkannten Religionsgemeinschaften, insbesondere der evangelischen und der römisch-katholischen Kirche.

Verfassungsrechtliche Grundlagen

Die rechtliche Grundlage der Kirchensteuer bildet das Grundgesetz (GG) in Verbindung mit den jeweiligen Landesgesetzen. Insbesondere ist Artikel 140 GG in Verbindung mit den Artikeln 136 bis 139 und 141 der Weimarer Reichsverfassung maßgeblich. Daraus ergibt sich das Recht der Religionsgemeinschaften, Steuern nach Maßgabe der landesrechtlichen Vorschriften zu erheben.

Deutschland zählt damit zu jenen Staaten, die das System der „gesteuerten“ Eigenfinanzierung Kirchen rechtlich ausdrücklich ermöglichen. Das System wird als Körperschaftsteuerprinzip bezeichnet, da die Kirchen in der Regel den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts besitzen.

Weitere Rechtsgrundlagen im Detail

Neben dem Grundgesetz regelt das Kirchensteuergesetz der einzelnen Bundesländer Details zur Erhebung, Bemessung und Verwaltung der Kirchensteuer. Die jeweiligen Kirchensteuergesetze (zum Beispiel das Bayerische Kirchensteuergesetz oder das KirchStG NRW) sind Landesrecht und weisen Unterschiede in ihrer Ausgestaltung auf.

Ergänzend ist § 51 der Abgabenordnung (AO) zu nennen, nach dem Kirchen als gemeinnützige Körperschaften besonders geschützt und begünstigt sind.

System und Verwaltung der Kirchensteuer

Erhebungsformen und -organisation

Die Erhebung der Kirchensteuer erfolgt durch die Kirchen entweder selbst oder durch staatliche Stellen im Wege der sogenannten Steuerverwaltung im Auftrag. Die zuständigen Finanzämter führen die Erhebung meist für die Kirchen durch und ziehen die Kirchensteuer zusammen mit der Lohn- und Einkommensteuer ein; sie erhalten dafür eine Aufwandsentschädigung.

Die Kirchensteuerpflicht entsteht grundsätzlich durch die Mitgliedschaft in einer steuererhebenden Religionsgemeinschaft. Grundlage ist dabei meist der Wohnsitz im Gebiet eines Bundeslandes, das ein Kirchensteuergesetz erlassen hat.

Steuerpflicht

Steuerpflichtig sind alle Personen, die

  • als natürliche Person in Deutschland mit Hauptwohnsitz gemeldet sind,
  • Mitglied einer Kirche oder Religionsgemeinschaft mit dem Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts sind,
  • ein zu versteuerndes Einkommen erzielen.

Die Steuerpflicht endet in der Regel mit Austritt aus der Kirche, sofern dieser ordnungsgemäß erklärt wurde.

Bemessungsgrundlagen

Die Bemessungsgrundlage ist regelmäßig die Einkommensteuer. Die Kirchensteuer wird als Zuschlag zur Lohn- und Einkommensteuer berechnet. In einigen Bundesländern ist auch die Erhebung von Kirchensteuern auf Kapitalerträge möglich.

Berechnet wird sie in Höhe von 8 % (Bayern und Baden-Württemberg) oder 9 % (übrige Bundesländer) der festgesetzten Einkommensteuer. Möglich sind daneben besondere Erhebungsformen wie das besondere Kirchgeld oder das Kirchgeld in glaubensverschiedener Ehe.

Abführung und Verwaltung

Die eigentliche Verwaltung übernimmt entweder die staatliche Finanzverwaltung oder eine eigene Kirchensteuerstelle. Die staatliche Verwaltung erfolgt im Rahmen der Amtshilfe gegen Gebühren. Kirchenaustritte werden von den staatlichen Stellen dokumentiert und an die Kirchen weitergeleitet.

Arten der Kirchensteuer

Einkommensteuerorientierte Kirchensteuer

Die häufigste Form ist die an die Einkommensteuer gekoppelte Kirchensteuer. Dies betrifft Lohnsteuerpflichtige und Personen mit steuerpflichtigen Einkünften.

Kirchgeld in glaubensverschiedener Ehe

Hierbei handelt es sich um eine besondere Form der Kirchensteuer, die bei bestimmten Konstellationen, insbesondere bei gemischt-konfessionellen Ehen, erhoben wird. Das besondere Kirchgeld wird dann erhoben, wenn nur ein Ehegatte Mitglied der Kirche ist, aber im gemeinsam veranlagten Einkommen der Nichtangehörige die Einkünfte erzielt.

Kirchensteuer auf Kapitalerträge

Kirchensteuerpflichtige Kapitalerträge waren lange Zeit nur mit einer Zusatzbescheinigung betroffen. Seit 2015 ist die Abführung direkt über Banken und Kapitalgesellschaften verpflichtend.

Besonderheiten der Erhebung

Steuerabzug und Veranlagung

Die Kirchensteuer wird in der Regel als Zuschlag zur Lohnsteuer einbehalten und an die Kirchen abgeführt oder im Rahmen einer Steuerveranlagung nacherhoben. Das Finanzamt führt den Einzug durch und leitet die Steuern an die jeweiligen Kirchen weiter.

Kirchenaustritt

Der Austritt aus einer steuererhebenden Religionsgemeinschaft ist möglich und bewirkt grundsätzlich die Beendigung der Kirchensteuerpflicht mit Ablauf des Monats, in dem die Erklärung wirksam wird. Der Austritt muss bei den zuständigen staatlichen Stellen (Standesamt, Amtsgericht oder Gemeinde) erklärt werden.

Anwendung auf juristische Personen

Grundsätzlich sind nur natürliche Personen kirchensteuerpflichtig. Für juristische Personen gibt es abweichende Regelungen, die im jeweiligen Landesrecht festgelegt sind.

Verfassungs- und europarechtliche Aspekte

Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat mehrfach entschieden, dass die Kirchensteuer mit Grundgesetz und Europarecht vereinbar ist. Die Möglichkeit, von der Kirche durch Austritt bedingungslos Abstand zu nehmen, sichert zudem die Religionsfreiheit und das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen.

Europarechtliche Aspekte

Die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) sowie das Recht der Europäischen Union enthalten keine Vorschriften, die der deutschen Kirchensteuer entgegenstehen. Die Bundesrepublik bewahrt das System der Finanzierung von Religionsgemeinschaften in staatlicher Zusammenarbeit als Bestandteil der religiösen Selbstbestimmung und Neutralität.

Zwangsvollstreckung und Rechtsschutz

Vollstreckung

Die Kirchensteuer kann wie eine öffentlich-rechtliche Abgabe vollstreckt werden. Die Vollstreckungsmaßnahmen richten sich nach den Vorschriften der Abgabenordnung und des Verwaltungsvollstreckungsrechts des jeweiligen Bundeslandes.

Rechtsmittel

Gegen Bescheide über die Festsetzung der Kirchensteuer steht dem Steuerpflichtigen der Verwaltungsrechtsweg offen. Widerspruchs- und Klageverfahren sind möglich und richten sich nach den Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Bedeutung und Kritik

Die Kirchensteuer ist ein zentrales Element der Finanzierung der großen Kirchen in Deutschland. Sie ist regelmäßig Gegenstand gesellschafts- und verfassungsrechtlicher Debatten, insbesondere im Hinblick auf die Frage der staatlichen Mitwirkung an der Einziehung und Verwaltung dieser Steuer.

Die Ausgestaltung und verfassungsrechtliche Legitimation der Kirchensteuer bleiben ein wesentliches Merkmal des deutschen Staatskirchenrechts und prägen das Verhältnis zwischen Staat und Religionsgemeinschaften dauerhaft.


Häufig gestellte Fragen

Wer ist in Deutschland zur Zahlung der Kirchensteuer verpflichtet?

In Deutschland sind grundsätzlich natürliche Personen kirchensteuerpflichtig, die Mitglieder einer steuererhebenden Religionsgemeinschaft – zum Beispiel der römisch-katholischen oder evangelischen Kirche – sind und ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben. Für die Begründung der Kirchensteuerpflicht ist keine Taufe in Deutschland erforderlich; auch ein im Ausland erworbener Mitgliedsstatus kann ausreichend sein, sofern das Mitglied in Deutschland lebt. Maßgeblich ist der Eintritt in die Kirche, der Austritt ist dagegen zwingend gegenüber der zuständigen staatlichen Stelle (meist dem Standesamt oder Amtsgericht) zu erklären, um die Kirchensteuerpflicht zu beenden. Die Kirchensteuer wird entweder als Zuschlag zur Lohn- oder Einkommensteuer unmittelbar durch das Finanzamt eingezogen oder von den Arbeitgebern als Einbehalt bei der Gehaltsabrechnung vorgenommen (Lohnkirchensteuer). Das Kirchensteuergesetz des jeweiligen Bundeslandes und die Kirchensteuergesetze der jeweiligen Religionsgemeinschaften regeln die Einzelheiten der Zugehörigkeit und des Verfahrens.

Wie wird die Höhe der Kirchensteuer berechnet?

Die Höhe der Kirchensteuer variiert je nach Bundesland und berechnet sich in der Regel als Anteil (meist acht oder neun Prozent) der festgesetzten Lohn- oder Einkommensteuer des Kirchenmitglieds. In Bayern und Baden-Württemberg beträgt der Steuersatz 8 Prozent, während er in den meisten anderen Bundesländern 9 Prozent beträgt. Abweichungen können durch Sonderregelungen einzelner Kirchen oder Konfessionsgemeinschaften entstehen. Für bestimmte Einkunftsarten, zum Beispiel Kapitalerträge, wird gegebenenfalls ein besonderer Erhebungsweg (Abgeltungsteuer mit Kirchensteuerabzug) angewendet. Kirchensteuerpflichtig ist das zu versteuernde Einkommen nach Abzug entsprechender Freibeträge und Sonderausgaben. Es gibt zudem einen so genannten „besondere Kirchgeld“, das erhoben wird, wenn nur ein Ehepartner kirchensteuerpflichtig ist, aber gemeinsam mit dem nicht-kirchenangehörigen Partner veranlagt wird.

Welche rechtlichen Möglichkeiten gibt es, der Kirchensteuerpflicht zu entgehen?

Das deutsche Recht sieht primär den Kirchenaustritt als Möglichkeit vor, die Kirchensteuerpflicht zu beenden. Der Austritt muss je nach Wohnort offiziell beim Standesamt, Amtsgericht oder einer anderen zuständigen Behörde erklärt werden. Der Zeitpunkt der Wirksamkeit des Austritts wird im jeweilige Landesrecht geregelt, häufig mit Wirkung zum Ende des Monats der Austrittserklärung. Rückwirkende Austritte werden rechtlich nicht anerkannt. Steuervermeidung durch lediglich Nichtausübung der Kirchenmitgliedschaft oder Austritte gegenüber der Kirche selbst ohne staatliche Anzeige sind ohne Wirkung auf die Steuerpflicht. Über Ausnahmen und spezielle Auslegungsfragen entscheiden im Streitfall die Verwaltungsgerichte. Ein automatischer Austritt durch Versäumnisse oder Nichtzahlung der Steuer ist rechtlich ebenfalls ausgeschlossen.

Welche Rechte hat der Steuerpflichtige im Zusammenhang mit der Erhebung der Kirchensteuer?

Dem Kirchensteuerpflichtigen stehen umfangreiche Rechte im Besteuerungsverfahren zu. Hierzu zählt primär das Recht auf Akteneinsicht, Anfechtung der Steuerbescheide durch Einspruch und gegebenenfalls Klage vor den Finanzgerichten. Neben den allgemeinen Vorschriften der Abgabenordnung gelten die ergänzenden Regelungen der Kirchensteuergesetze, insbesondere hinsichtlich der Mitwirkungspflichten und Verjährungsfristen. Der Steuerpflichtige kann außerdem Fehler im Steuerbescheid (wie Zugehörigkeitsirrtümer oder Berechnungsfehler) anfechten und hat Anspruch auf Erstattung zu viel gezahlter Beträge. Darüber hinaus haben Steuerpflichtige ein Anrecht auf besondere Rücksichtnahme in wirtschaftlicher Notlage, etwa durch Antrag auf Billigkeitserlass oder Stundung, wobei diese Möglichkeiten in den jeweiligen Rechtsvorschriften konkretisiert werden.

Können ausländische Staatsangehörige zur Zahlung der Kirchensteuer verpflichtet werden?

Ausländische Staatsangehörige sind grundsätzlich dann kirchensteuerpflichtig, wenn sie die formale Mitgliedschaft in einer steuererhebenden Religionsgemeinschaft nachweisen und ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder Wohnsitz in Deutschland haben. Es kommt also nicht auf die Staatsangehörigkeit, sondern auf den Wohnsitz und die Mitgliedschaft an. Besonderheiten gelten für Diplomaten und andere privilegierte Personengruppen nach Völkerrecht. Bei Doppelwohnsitzen oder temporärem Aufenthalt kann die Steuerpflicht fallweise geprüft werden. Die Gleichbehandlung aller Mitglieder unabhängig von der Nationalität ist durch die kirchlichen sowie staatlichen Gesetze vorgegeben.

Welche Konsequenzen hat die Nichtzahlung der Kirchensteuer?

Die Nichtzahlung der Kirchensteuer gilt als Verstoß gegen steuerliche Pflichten und wird wie bei anderen Steuern durch das Finanzamt weiterverfolgt. Das Steuerrecht sieht Zwangsmaßnahmen vor, etwa Mahnverfahren, Säumniszuschläge oder Vollstreckungsmaßnahmen bis zur Kontopfändung. Auch das Kirchenrecht behandelt Verstöße, kann aber keine unmittelbaren finanziellen oder strafrechtlichen Sanktionen zur Folge haben; ausschlaggebend ist immer das staatliche Vollstreckungsverfahren. Ein dauerhafter Ausschluss aus der Religionsgemeinschaft allein wegen Kirchenschulden ist rechtlich in der Regel nicht vorgesehen, allerdings kann sich das Verhalten auf den Status innerhalb der Gemeinde auswirken.

Welche Auskunfts- und Mitwirkungspflichten bestehen gegenüber Kirche und Finanzamt?

Der Steuerpflichtige ist von Gesetzes wegen verpflichtet, alle für die Feststellung der Kirchensteuerpflicht und -höhe relevanten Tatsachen wahrheitsgemäß anzugeben – dies umfasst insbesondere den Eintritt, die Mitgliedschaft in einer steuererhebenden Gemeinschaft, sowie den Austritt. Von Amts wegen werden die relevanten Daten aus den Melderegistern abgeglichen, insbesondere muss der Kirchenaustritt oder -eintritt gemeldet werden. Darüber hinaus besteht Mitwirkungspflicht im Rahmen der Steuererklärung. Eine gezielte Falsch- oder Nichtangabe kann als Ordnungswidrigkeit oder gar als Steuerhinterziehung gewertet und entsprechend sanktioniert werden.

Wie ist das Verfahren bei der Erhebung und Festsetzung der Kirchensteuer geregelt?

Die Erhebung und Festsetzung der Kirchensteuer erfolgt im Regelfall durch das zuständige Finanzamt, welches auf Grundlage der mitgeteilten Religionszugehörigkeit die entsprechende Steuer einzieht. In einigen Bundesländern gibt es Kirchensteuerämter, die im Auftrag der Kirche oder in eigener Sachkompetenz die Steuer festsetzen und erheben. Die Details des Verfahrens, etwa zur Erhebung als Zuschlagsteuer, zu Rechtsbehelfen und zur Zuständigkeit, sind in den Kirchensteuergesetzen der Länder und in den Ausführungsbestimmungen der beteiligten Kirchen geregelt. Soweit die Steuer als Zuschlag zur Lohn- oder Einkommensteuer erhoben wird, ist der Arbeitgeber zur Einbehaltung und Abführung verpflichtet. Für Sonderfälle, wie das besondere Kirchgeld oder Fälle mit Auslandsbezug, greifen spezielle Verfahrensregelungen. Die Verjährung von Kirchensteueransprüchen richtet sich nach den Regelungen der Abgabenordnung.