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Kindertageseinrichtungen


Begriff und rechtliche Grundlagen der Kindertageseinrichtungen

Kindertageseinrichtungen sind Einrichtungen, in denen Kinder für einen Teil des Tages oder ganztägig betreut, gefördert und gebildet werden. In Deutschland stellt das Kinder- und Jugendhilferecht die zentrale Rechtsgrundlage dar, insbesondere das Achte Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII) – Kinder- und Jugendhilfe. Kindertageseinrichtungen umfassen im rechtlichen Sinne insbesondere Kindergärten, Kinderkrippen, Horte und altersgemischte Einrichtungen.

Definition und Abgrenzung

Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII sind Kindertageseinrichtungen Einrichtungen, in denen sich Kinder regelmäßig für einen Teil des Tages oder ganztägig aufhalten. Die Betreuung erfolgt durch pädagogisches Personal in Gruppen und orientiert sich an Bildungs-, Erziehungs- und Betreuungsaufgaben. Die Abgrenzung erfolgt gegenüber der Tagespflege (§ 22 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII), bei der die Betreuung nicht in einer Einrichtung, sondern in geeigneten Räumlichkeiten stattfindet, meist durch eine Tagespflegeperson.

Arten und Formen von Kindertageseinrichtungen

Kindertageseinrichtungen werden nach ihrer Angebotsform, Altersgruppe und Trägerschaft differenziert.

Angebotsformen

  • Kindergarten: Betreuung und Förderung von Kindern im Alter von drei Jahren bis zur Einschulung.
  • Kinderkrippe: Betreuung von Kindern unter drei Jahren.
  • Hort: Förderung und Betreuung von Schulkindern außerhalb der Unterrichtszeiten.
  • Familiengruppen/Altersgemischte Gruppen: Gruppen mit Kindern verschiedener Altersklassen.

Trägerschaft

Grundsätzlich können Kindertageseinrichtungen in kommunaler, freigemeinnütziger (Wohlfahrtsverbände, Kirchen), privatgewerblicher oder Elterninitiative-Trägerschaft geführt werden. Die Rechtsform des Trägers ist entscheidend für Fragen der Finanzierung, Aufsicht und Mitwirkung.

Rechtsrahmen für Betrieb und Betriebserlaubnis

Trägerverantwortung

Der Träger ist rechtlich für den Betrieb und die Einhaltung aller einschlägigen Vorschriften verantwortlich. Dazu zählen neben den Vorschriften des SGB VIII insbesondere die jeweiligen Landesgesetze und Ausführungsvorschriften.

Betriebserlaubnis nach § 45 SGB VIII

Zum Betrieb einer Kindertageseinrichtung bedarf es nach § 45 SGB VIII grundsätzlich einer Betriebserlaubnis durch die nach Landesrecht zuständige Behörde. Die Betriebserlaubnis ist an verschiedene Voraussetzungen gebunden, unter anderem:

  • Geeignete Räumlichkeiten und Ausstattung
  • Angemessener Betreuungsschlüssel (Fachkraft-Kind-Relation)
  • Vorlage und Prüfung eines pädagogischen Konzepts
  • Nachweis der persönlichen und fachlichen Eignung des Betreuungspersonals
  • Gewährleistung des Kindeswohls und Schutzkonzepte gemäß §§ 8a, 8b SGB VIII

Die Betriebserlaubnis ist zwingend vor Aufnahme des regulären Betriebs einzuholen. Änderungen relevanter Bedingungen (z. B. Gruppenanzahl, Räumlichkeiten, Leitung) müssen der Genehmigungsbehörde angezeigt werden.

Aufsicht und Kontrolle

Kindertageseinrichtungen unterliegen der fortlaufenden staatlichen Aufsicht, um die Einhaltung der gesetzlichen Anforderungen und das Kindeswohl zu sichern. Diese Aufsicht wird von den Jugendämtern der Länder beziehungsweise den Landesjugendämtern wahrgenommen und umfasst sowohl anlassbezogene als auch regelmäßige Kontrollen.

Gesetzliche Aufgaben und Förderauftrag

Bildungs-, Erziehungs- und Betreuungsauftrag

Das SGB VIII (§ 22 Abs. 2) verpflichtet Kindertageseinrichtungen zur Erziehung, Bildung und Betreuung der ihnen anvertrauten Kinder. Schwerpunkte sind:

  • Förderung der sozialen, emotionalen, körperlichen und geistigen Entwicklung
  • Unterstützung und Beratung der Erziehungsberechtigten
  • Inklusion und Chancengleichheit

Die Konzeption und Durchführung des pädagogischen Angebots orientiert sich an den Bildungsplänen der Bundesländer und am Kindeswohl.

Mitwirkung der Eltern

Eltern haben ein Recht auf Mitwirkung in der Kindertageseinrichtung. Dies wird durch Elternbeiräte oder ähnliche Gremien sichergestellt, die ein Anhörungs- und Mitspracherecht bei wesentlichen Fragen des Einrichtungsbetriebs besitzen.

Finanzierung und Kostenbeiträge

Öffentliche Förderung

Die Finanzierung erfolgt regelmäßig durch eine Kombination aus öffentlichen Mitteln (Kommune, Land, Bund), Trägermitteln und Elternbeiträgen. Die Grundlagen hierfür regeln das SGB VIII (§§ 24 ff., 26ff.), die Landesgesetze sowie kommunale Satzungen.

Elternbeiträge

Die Höhe der Elternbeiträge richtet sich nach landesrechtlichen Vorgaben und kommunalen Satzungen. Sie können nach Einkommen, Anzahl der Kinder und Betreuungszeit differenziert werden. In bestimmten Fällen besteht ein Anspruch auf Kostenübernahme oder -ermäßigung durch das Jugendamt (§ 90 SGB VIII).

Anspruch auf Förderung in Kindertageseinrichtungen

Seit dem 1. August 2013 besteht nach § 24 SGB VIII ein Rechtsanspruch auf Förderung in einer Tageseinrichtung für Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr bis zum Schuleintritt. Für Kinder im Schulalter kann ebenso ein Anspruch auf Förderung bspw. in einem Hort bestehen.

Kinderschutz und Schutzauftrag

Kindertageseinrichtungen sind verpflichtet, den Schutzauftrag bei Kindeswohlgefährdung (§ 8a SGB VIII) wahrzunehmen. Dazu sind interne Verfahrensregeln aufzustellen, Gefährdungen zu erkennen und der zuständigen Behörde zu melden. Das pädagogische Personal muss regelmäßig in Kinderschutzthemen fortgebildet werden.

Weitere rechtliche Bestimmungen

Datenschutz

Kindertageseinrichtungen verarbeiten personenbezogene Daten von Kindern und Eltern. Die Regelungen der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) sowie des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) und landesspezifische Ergänzungen sind zu beachten.

Unfallversicherung und Haftung

Kinder in Kindertageseinrichtungen sind während des Aufenthalts sowie auf dem Weg dorthin und nach Hause gesetzlich unfallversichert (§ 2 Abs. 1 Nr. 8a SGB VII). Für Schadensfälle gilt das Haftungsrecht nach BGB und teilweise Sonderregelungen, etwa für Betreuungspersonen in öffentlich-rechtlichen Einrichtungen.

Landesrechtliche Regelungen

Die Bundesländer konkretisieren bundeseinheitliche Vorgaben durch eigene Kindertagesstättengesetze, Ausführungsgesetze und Verordnungen. Diese regeln insbesondere Betreuungsschlüssel, Anforderungen an Fachkräfte, Raumprogramme und Qualitätsentwicklung.

Qualitätssicherung und Überwachung

Fachliche Standards

Zur Sicherstellung und Weiterentwicklung der pädagogischen Arbeit werden Qualitätsstandards durch Landesrahmenvereinbarungen, Bildungspläne und interne Evaluationen gesetzt.

Interne und externe Evaluation

Neben der staatlichen Überwachung sind Einrichtungen angehalten, interne Qualitätssicherung z. B. durch Konzeptentwicklung, Teamfortbildungen und Elternbefragungen durchzuführen. Externe Evaluationen finden in Form von Inspektionen und Audits statt.

Literaturhinweise und weiterführende Regelungen

  • SGB VIII – Kinder- und Jugendhilfe
  • Kindertagesstättengesetze der Länder
  • Bildungs- und Orientierungspläne der Bundesländer
  • Datenschutzrechtliche Bestimmungen (DSGVO, BDSG)
  • Verordnungen zur Betriebserlaubnis und Aufsicht

Fazit

Kindertageseinrichtungen unterliegen in Deutschland einem komplexen rechtlichen Rahmen, der eine Vielzahl von Anforderungen an Träger, Personal und Organisation stellt. Ziel des Rechtsrahmens ist es, bundesweit und landesweit ein hohes Maß an Qualität, Kinderschutz, Chancengleichheit und Teilhabe für alle Kinder sicherzustellen. Die stetige Weiterentwicklung der Rechtsgrundlagen trägt der veränderten Gesellschaft und den Bedürfnissen von Familien Rechnung.

Häufig gestellte Fragen

Wer hat einen Rechtsanspruch auf einen Platz in einer Kindertageseinrichtung?

Gemäß § 24 Absatz 1 des Achten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VIII) besteht für Kinder ab Vollendung des ersten Lebensjahres bis zum Schuleintritt ein rechtlicher Anspruch auf Förderung in einer Tageseinrichtung oder in Kindertagespflege. Der Anspruch kann sowohl von deutschen als auch von ausländischen Kindern, die sich rechtmäßig oder mit einer Aufenthaltserlaubnis in Deutschland aufhalten, geltend gemacht werden. Die Kommune ist als örtlicher Träger der öffentlichen Jugendhilfe verpflichtet, den notwendigen Platz entweder in einer Kindertageseinrichtung (Krippe, Kindergarten) oder, bei Bedarf, in Kindertagespflege (Tagesmutter/-vater) bereitzustellen. Vor Vollendung des ersten Lebensjahres besteht ein solcher Rechtsanspruch nur unter bestimmten Voraussetzungen, beispielsweise wenn beide Elternteile erwerbstätig, in Ausbildung oder arbeitssuchend sind (vgl. § 24 Abs. 2 SGB VIII). Die Wahrnehmung des Anspruchs ist unabhängig von einer Erwerbstätigkeit der Eltern, d.h. auch nichtberufstätige Eltern können diesen in Anspruch nehmen.

Welche rechtlichen Vorgaben gibt es zur Betriebserlaubnis einer Kindertageseinrichtung?

Der Betrieb einer Kindertageseinrichtung bedarf gemäß § 45 SGB VIII einer vorherigen Betriebserlaubnis. Diese wird von der jeweils zuständigen Landesjugendbehörde (in der Regel Landesjugendamt) nach Prüfung aller notwendigen Voraussetzungen erteilt. Erforderliche Unterlagen sind u.a. ein pädagogisches Konzept, der Nachweis geeigneter Räumlichkeiten nach geltenden Landesverordnungen, der Nachweis der persönlichen und fachlichen Eignung des Trägers und des Personals sowie eines ausreichenden Kinderschutzkonzepts. Zudem müssen Bestimmungen des Brandschutzes, der Hygiene und ggf. des Baurechts eingehalten werden. Die Betriebserlaubnis ist an Bedingungen geknüpft und kann widerrufen werden, wenn gegen diese Auflagen oder gegen das Kindeswohl verstoßen wird.

Welche gesetzlichen Mindeststandards gelten hinsichtlich der personellen Ausstattung?

Die personelle Mindestbesetzung in Kindertageseinrichtungen ist in den jeweiligen Landesgesetzen oder Ausführungsverordnungen konkretisiert. Sie fußt auf § 22a SGB VIII, der verlangt, dass Kindertageseinrichtungen über eine ausreichende Anzahl von Fachkräften verfügen, deren Qualifikation eine dem Kindeswohl entsprechende Förderung, Betreuung und Erziehung gewährleisten muss. Die konkrete Fachkraft-Kind-Relation variiert je nach Bundesland, Altersgruppe der betreuten Kinder sowie der Art und Größe der Einrichtung, liegt in der Praxis aber häufig zwischen 1:3 für unter Dreijährige und 1:7 bis 1:12 für Kinder ab drei Jahren. Verstöße gegen die personelle Besetzung können zum Widerruf der Betriebserlaubnis führen.

Wie ist die Rechtslage zur Kostenübernahme und Gebühren hinsichtlich der Kindertageseinrichtungen?

Die Finanzierung der Kindertageseinrichtungen erfolgt nach dem Prinzip der Mischfinanzierung durch öffentliche Mittel (Bund, Länder, Kommunen) und durch Elternbeiträge. Nach den jeweiligen Kita-Gesetzen der Länder entscheidet die Kommune über die Höhe der Elternbeiträge unter Beachtung sozialer Staffelungen. Für Geringverdienende besteht gemäß § 90 Abs. 3 SGB VIII die Möglichkeit, eine teilweise oder vollständige Übernahme der Elternbeiträge durch das Jugendamt zu beantragen (Kostenbeitragsbefreiung). Über diese soziale Komponente hinaus gibt es in einigen Bundesländern Phasen der Beitragsfreiheit (z.B. das letzte Kita-Jahr vor Schuleintritt). Die Regelung der Gebührenhöhe liegt im Ermessen der einzelnen Gemeinden, die jedoch an einen Gleichheits- und Gerechtigkeitsgrundsatz gebunden sind.

Welche Aufsichtspflichten bestehen für Träger und Personal einer Kindertageseinrichtung?

Träger und pädagogische Fachkräfte unterliegen umfangreichen Aufsichtspflichten, die sich aus dem SGB VIII sowie aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB, § 832) ergeben. Sie sind verpflichtet, die ihnen anvertrauten Kinder vor Gefahren für deren körperliche und geistige Entwicklung zu schützen, was regelmäßige Anwesenheitskontrollen, das Einhalten von Unfallverhütungsvorschriften, den Schutz vor Gewalt, sexuellen Übergriffen oder Diskriminierung und altersangemessene Betreuung einschließt. Die Verletzung der Aufsichtspflicht kann im Schadensfall zu zivil- und strafrechtlichen Konsequenzen führen.

Welche rechtlichen Möglichkeiten bestehen bei Ablehnung eines Kita-Platzes?

Wird ein beantragter Kita-Platz abgelehnt, haben Eltern im Rahmen der Rechtsweggarantie nach Artikel 19 Abs. 4 GG die Möglichkeit, Widerspruch gegen den ablehnenden Bescheid der Kommune einzulegen. Bleibt dieser erfolglos, kann der Rechtsweg zum Verwaltungsgericht beschritten werden. In Eilfällen, etwa wenn eine Erwerbstätigkeit ansteht und eine Betreuung notwendig ist, besteht die Möglichkeit eines Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz (§ 123 VwGO), um eine vorläufige Zuweisung eines Kita-Platzes zu erwirken. Die gerichtliche Überprüfung beschränkt sich auf die Einhaltung der rechtlichen Vorgaben und Anspruchsgrundlagen nach SGB VIII. Bei Erfolg hat die Kommune einen geeigneten Platz bereitzustellen, nach aktueller höchstrichterlicher Rechtsprechung ist sie zudem bei schuldhafter Nichterfüllung des Anspruchs zum Schadensersatz verpflichtet (vgl. BGH, Urteil vom 20.10.2016 – III ZR 278/15).