Begriff und rechtliche Grundlagen des Kindergeldes (§§ 62 ff. EStG)
Das Kindergeld ist eine staatliche Leistung in Deutschland, die gemäß den §§ 62 ff. Einkommensteuergesetz (EStG) gezahlt wird. Das Kindergeld dient zur grundsätzlichen steuerlichen Freistellung des Existenzminimums von Kindern und zur finanziellen Entlastung von Eltern oder anderen Berechtigten. Es ist Teil des Familienlastenausgleichs nach deutschem Steuerrecht und wird als monatliche Zahlung durch die Familienkasse der Bundesagentur für Arbeit geleistet.
Tatbestandsvoraussetzungen für den Anspruch auf Kindergeld
Persönliche Voraussetzungen (§ 62 EStG)
Anspruch auf Kindergeld haben Eltern oder andere Erziehungsberechtigte unter folgenden Bedingungen:
- Wohnsitz oder gewöhnlicher Aufenthalt in Deutschland: Kindergeld erhalten nur Personen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß § 8, § 9 Abgabenordnung (AO).
- Unbeschränkte Steuerpflicht: Anspruchsberechtigt sind unbeschränkt Einkommensteuerpflichtige. In bestimmten Fällen, etwa bei im Ausland tätigen Bundesbediensteten, kann auch ein Anspruch bestehen (§ 62 Abs. 1 Satz 2 EStG).
- Ausnahmen für Grenzpendler und im Ausland lebende Deutsche sind in § 62 Abs. 1 und Abs. 2 EStG geregelt.
Sachliche Voraussetzungen: Kinderbegriff (§ 63 EStG)
Kindergeld wird grundsätzlich für folgende Kinder gezahlt:
- leibliche Kinder
- Adoptivkinder
- Pflegekinder (dauerhaftes und familienähnliches Obhutsverhältnis, keine verwandtschaftlichen Beziehungen zu den Eltern)
- Stiefkinder und Enkelkinder können unter bestimmten Voraussetzungen ebenfalls berücksichtigt werden.
Altersgrenzen und weitere Kindergeldberechtigung (§ 32 Abs. 3, § 63 EStG)
Kindergeld wird regelmäßig bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres des Kindes gezahlt. Darüber hinaus besteht ein Anspruch bis maximal zum 25. Lebensjahr, wenn das Kind sich in einer Schul- oder Berufsausbildung befindet, ein Studium absolviert oder ein freiwilliges soziales oder ökologisches Jahr leistet. Bei Behinderung des Kindes ohne eigene Lebensunterhaltssicherung kann die Altersgrenze entfallen (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG).
Höhe und Zahlung des Kindergeldes
Die Höhe des Kindergeldes richtet sich nach der Anzahl der berücksichtigungsfähigen Kinder:
- für das erste und zweite Kind: je 250 Euro monatlich
- für das dritte Kind: 250 Euro monatlich
- ab dem vierten Kind: jeweils 250 Euro monatlich
Die Auszahlung erfolgt in der Regel monatlich durch die Familienkasse, die bei der Bundesagentur für Arbeit angesiedelt ist.
Anspruchsberechtigung und Antragstellung
Primäre Anspruchsberechtigung
Kindergeld wird immer nur einer berechtigten Person für ein Kind gezahlt. In der Regel ist dies ein Elternteil, bei dem das Kind lebt. Bei getrennt lebenden Eltern erhält derjenige das Kindergeld, in dessen Haushalt das Kind überwiegend lebt (§ 64 Abs. 2 EStG).
Antrag und Nachweis
- Der Antrag ist zwingend persönlich bei der zuständigen Familienkasse zu stellen (§ 67 S.1 EStG).
- Für die Antragstellung sind amtliche Formulare zu verwenden und erforderliche Nachweise (Geburtsurkunde, Ausbildungsbescheinigung, ggf. Nachweis über Behinderung) vorzulegen.
- Die rückwirkende Gewährung von Kindergeld ist auf einen Zeitraum von sechs Monaten vor Antragseingang beschränkt (§ 66 Abs. 3 EStG).
Ausschluss und Ruhen des Anspruchs
Anspruchsausschluss bei Bezug anderer Leistungen (§ 65 EStG)
Kindergeld wird nicht gezahlt, wenn für dasselbe Kind bereits bestimmte andere Leistungen (zum Beispiel Kinderzuschüsse ausländischer Staaten, Leistungen nach dem Bundeskindergeldgesetz) bezogen werden.
Ruhen des Anspruchs
- Der Anspruch kann ruhen, wenn sich das Kind dauerhaft außerhalb Deutschlands/Landesgrenzen aufhält, ohne dass der Aufenthalt im Zusammenhang mit einer Ausbildung steht (§ 65 EStG).
- Eine Verrechnung oder Rückzahlung bereits gezahlten Kindergeldes ist möglich, wenn nachträglich Ausschlussgründe festgestellt werden (§ 70 Abs. 2 EStG).
Nachrangigkeit und Verhältnis zu steuerlichen Freibeträgen
Kindergeld wird zwar monatlich als Transferleistung gezahlt, dient aber als Ausgleich für steuerliche Kind-Freibeträge (§ 31 EStG). Im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung prüft das Finanzamt automatisch, ob das ausgezahlte Kindergeld oder die steuerlichen Freibeträge für Kinder günstiger sind (Günstigerprüfung). Ergibt sich aus den Freibeträgen ein höheres Steuerersparnis, erfolgt ein Ausgleich im Einkommensteuerbescheid.
Verfahren, Mitwirkungspflichten und Rechtsbehelfe
Mitwirkungspflichten (§ 68 EStG)
Begünstigte sind verpflichtet, Änderungen in den Verhältnissen unverzüglich mitzuteilen, sofern sie Auswirkungen auf die Kindergeldgewährung oder die Höhe der Zahlung haben (z. B. Beendigung einer Ausbildung, Wegzug des Kindes, Aufnahme einer Erwerbstätigkeit).
Festsetzungs- und Zahlungsverfahren (§§ 67-70 EStG)
- Die Familienkasse prüft die Voraussetzungen und setzt das Kindergeld mit Bescheid fest.
- Gegen Festsetzungsbescheide kann innerhalb eines Monats Widerspruch eingelegt und anschließend ggf. Klage erhoben werden.
Rückforderung und Verjährung
Zu Unrecht gezahltes Kindergeld ist nach § 37 Abs. 2 Abgabenordnung (AO), § 50 Abs. 1 EStG zurückzuzahlen. Die Rückforderung erfolgt regelmäßig durch Erstattungsbescheide der Familienkasse.
Die Verjährung für Rückforderungen beträgt vier Jahre, in Fällen von Vorsatz bis zu zehn Jahre (§ 169 ff. AO).
Kindergeld im internationalen Kontext
In Fällen mit Auslandsbezug (Wohnsitz der Eltern oder des Kindes außerhalb Deutschlands oder Erwerbstätigkeit im Ausland) gelten besondere Vorrang- und Koordinationsregeln. Innerhalb der EU/EWR und der Schweiz kommt das europäische Koordinierungsrecht zur Anwendung, häufig mit dem Grundsatz der Auszahlung nur in Höhe des Differenzbetrags bei höheren Auslandsleistungen.
Relevante Normen und weiterführende Literatur
- Einkommensteuergesetz (EStG): §§ 31, 32, 62 ff.
- Abgabenordnung (AO)
- Bundeskindergeldgesetz (BKGG)
- Durchführungsbestimmungen der Familienkassen
Weiterführende Informationen werden regelmäßig auf den Internetseiten der Bundesagentur für Arbeit und des Bundesministeriums der Finanzen aktualisiert.
Mit diesem umfassenden Überblick bietet der Beitrag eine detaillierte, rechtlich fundierte Darstellung des Begriffs Kindergeld im Sinne der §§ 62 ff. EStG mit besonderem Fokus auf Anspruchsvoraussetzungen, Verfahren und Rechtsfolgen.
Häufig gestellte Fragen
In welchem Umfang besteht ein Anspruch auf Kindergeld für im Ausland lebende Kinder nach den §§ 62 ff. EStG?
Der Anspruch auf Kindergeld nach den §§ 62 ff. EStG besteht grundsätzlich auch für im Ausland lebende Kinder, sofern bestimmte gesetzliche Voraussetzungen erfüllt sind. Maßgeblich ist hierbei insbesondere der gewöhnliche Aufenthalt des Berechtigten bzw. dessen Wohnsitz im Inland (§ 62 Abs. 1 EStG). Der Anspruch erstreckt sich zudem auf Kinder des Berechtigten, die in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union, des Europäischen Wirtschaftsraums oder der Schweiz leben. In diesen Fällen kommt es zur sogenannten EWR- bzw. EU-Kindergeldkoordination nach Verordnung (EG) Nr. 883/2004 sowie nach § 1 Abs. 1 und 2 BKGG. Dabei ist zu beachten, dass gegebenenfalls ausländische Familienleistungen angerechnet werden (Differenzkindergeld), um eine Doppelförderung zu vermeiden (§ 65 EStG i.V.m. § 62 EStG). Für Drittländer (außerhalb EU/EWR/Schweiz) wird der Kindergeldanspruch grundsätzlich ausgeschlossen, es sei denn, zwischenstaatliche Vereinbarungen sehen etwas anderes vor oder die genannten Voraussetzungen des § 62 EStG sind ausnahmsweise erfüllt.
Wie erfolgt die Einkommensprüfung bei volljährigen Kindern nach § 63 EStG?
Für volljährige Kinder sieht § 63 EStG vor, dass der Anspruch auf Kindergeld unter anderem davon abhängt, ob das Kind eine begünstigte Ausbildung absolviert (§ 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 2a-c EStG) und das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet ist. Die frühere Einkommensgrenze (früher §§ 32 Abs. 4 S. 2 und 3 EStG) ist seit 2012 entfallen. Das bedeutet, dass seitdem das eigene Einkommen und Vermögen des Kindes grundsätzlich keine Rolle mehr spielt. Lediglich bei der Berücksichtigung bestimmter Erwerbstätigkeiten muss geprüft werden, ob die zulässigen Grenzen überschritten werden (insbesondere §§ 32 Abs. 4 S. 2, 3 und 6 EStG). Relevant wird das Einkommen des Kindes zudem bei sogenannten Zählkindern oder Ansprüchen ausländischer Systeme, wo eine Einkommensanrechnung ggf. nach anderen Regeln erfolgen kann.
In welchen Fällen ist das Kindergeld zurückzuzahlen oder wird aufgehoben (§ 70 EStG)?
Kindergeld ist ganz oder teilweise zurückzuzahlen, wenn nachträglich festgestellt wird, dass die gesetzlichen Voraussetzungen zum Bezug nicht oder nicht mehr bestanden haben (§ 70 Abs. 2 S. 1 EStG). Das ist etwa der Fall, wenn das Kind nicht mehr im Haushalt des Berechtigten lebt, die Ausbildung oder das Studium abgebrochen wurde, oder andere Kindergeldvoraussetzungen wie das Alter oder die Erwerbstätigkeit entfallen sind. Die Aufhebung des Kindergeldbescheids erfolgt dabei grundsätzlich rückwirkend gemäß den Vorschriften der Abgabenordnung (§§ 130 ff. AO). Darüber hinaus kann eine Rückforderung auch durch vorsätzlich oder fahrlässig unvollständige oder falsche Angaben des Antragstellers ausgelöst werden. Die Familienkasse steht in diesen Fällen berechtigt, das unrechtmäßig erhaltene Kindergeld zurückzufordern (sog. Erstattungsanspruch). Für die Rückforderung sind außerdem die Verjährungsvorschriften der §§ 228 ff. AO zu beachten.
Welche Mitwirkungspflichten bestehen im Rahmen des Kindergeldbezugs nach dem EStG?
Im Rahmen des Kindergeldbezugs nach den §§ 62 ff. EStG bestehen umfangreiche Mitwirkungspflichten des Antragstellers bzw. Kindergeldberechtigten (§§ 93, 97 AO). Hierzu zählt insbesondere die unverzügliche Mitteilung sämtlicher Änderungen in den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen, die Auswirkungen auf den Anspruch haben könnten (z. B. Änderung des Ausbildungsstatus, Umzug ins Ausland, Vollendung des 18. bzw. 25. Lebensjahres, Heirat des Kindes, Beginn einer Erwerbstätigkeit). Sämtliche Unterlagen und Nachweise, die von der Familienkasse zur Überprüfung des Anspruchs gefordert werden, sind fristgerecht und vollständig vorzulegen. Bei unterlassener Mitwirkung kann der Kindergeldanspruch versagt bzw. aufgehoben und bereits erhaltenes Kindergeld zurückgefordert werden (§ 70 EStG).
Wie wird beim Vorliegen mehrerer kindergeldberechtigter Personen die Berechtigung bestimmt (§ 64 EStG)?
Nach § 64 Abs. 1 und 2 EStG ist das Kindergeld grundsätzlich nur an einen Berechtigten für dasselbe Kind zu zahlen. Sind mehrere Personen kindergeldberechtigt (z. B. Eltern leben getrennt), so ist das Kindergeld an die Person zu zahlen, die das Kind in ihren Haushalt aufgenommen hat (§ 64 Abs. 2 S. 1 EStG). Kommt es auch hierbei zu keiner eindeutigen Zuweisung, erfolgt eine Rückgriff auf das Prinzip des Vorrangs nach Abs. 2 S. 2 EStG oder es besteht die Möglichkeit einer Bestimmung durch das Familiengericht. Bei gemeinsamer Haushaltsführung beider Elternteile steht ihnen ein gemeinsamer Anspruch zu; sie können bestimmen, wer das Kindergeld erhält (§ 64 Abs. 2 S. 3 EStG). Maßgeblich ist somit der tatsächliche Lebensmittelpunkt des Kindes.
Welche gesetzlichen Ausschlussgründe bestehen beim Anspruch auf Kindergeld (§ 65 EStG)?
§ 65 EStG zählt die Ausschlussgründe beim Anspruch auf Kindergeld abschließend auf. Ein gesetzlicher Ausschluss besteht, wenn für das Kind oder die berechtigte Person bereits eine vergleichbare Leistung (z. B. Kinderzulage aus der gesetzlichen Unfallversicherung oder aus der gesetzlichen Rentenversicherung) oder eine ausländische Familienleistung für dasselbe Kind und denselben Zeitraum gezahlt wird. Gleiches gilt, wenn für das Kind Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz oder Kindergeld nach beamtenrechtlichen oder soldatenrechtlichen Vorschriften gewährt werden. Bei konkurrierenden Ansprüchen folgt eine Anrechnung oder ein Ausschluss je nachdem, welche Leistung vorrangig ist. Die Zweckmäßigkeit dieser Regelung liegt in der Vermeidung von Überkompensation und Doppelleistungen.
Unter welchen Voraussetzungen kann für ein behindertes Kind über das 25. Lebensjahr hinaus Kindergeld bezogen werden (§ 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 EStG)?
Für ein behindertes Kind kann Kindergeld auch über das 25. Lebensjahr hinaus gewährt werden, wenn die Behinderung vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist und das Kind aufgrund dieser Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten (§ 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 3 EStG). Eine wesentliche Bedingung ist das Vorliegen eines kausalen Zusammenhangs zwischen Behinderung und fehlender Selbstunterhaltsfähigkeit (ständige Rechtsprechung des BFH). Die Unterhaltssituation des Kindes ist im Einzelfall detailliert zu prüfen; eigenes Einkommen und Vermögen des Kindes, das zur Bestreitung des Lebensunterhalts ausreicht, kann zum Wegfall des Anspruchs führen. Die Behinderung muss ärztlich attestiert werden, und es ist fortlaufend nachzuweisen, dass die Voraussetzungen weiterhin vorliegen. Die Anspruchsvoraussetzungen sind eng auszulegen und regelmäßig zu überprüfen.