Begriff und Funktion des Kinderfreibetrags
Der Kinderfreibetrag ist ein steuerlicher Freibetrag im Einkommensteuerrecht. Er dient dazu, das Existenzminimum eines Kindes vom zu versteuernden Einkommen der Eltern freizustellen und damit die steuerliche Leistungsfähigkeit von Familien angemessen zu berücksichtigen. Der Freibetrag mindert die steuerliche Bemessungsgrundlage und wirkt sich dadurch auf die festgesetzte Einkommensteuer aus. Er steht in einem systematischen Verhältnis zum Kindergeld: Entweder wirkt das Kindergeld oder der Kinderfreibetrag vorteilhafter. Eine doppelte Begünstigung ist ausgeschlossen.
Zusammensetzung und Abgrenzung
Bestandteile des Kinderfreibetrags
Der Begriff „Kinderfreibetrag“ umfasst typischerweise zwei Bausteine:
- Freibetrag für das sächliche Existenzminimum des Kindes (z. B. Ernährung, Kleidung, Unterkunft)
- Freibetrag für den Betreuungs-, Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf (BEA-Freibetrag)
Beide Teile werden bei der steuerlichen Veranlagung zusammen betrachtet. Die betragsmäßige Höhe wird regelmäßig angepasst.
Abgrenzung zu anderen Vergünstigungen
Der Kinderfreibetrag ist von anderen familienbezogenen Entlastungen zu unterscheiden, etwa vom Kindergeld, von der Berücksichtigung von Kinderbetreuungskosten oder von der Entlastung für Alleinerziehende. Diese Regelungen bestehen nebeneinander und verfolgen unterschiedliche Zwecke.
Anspruchsvoraussetzungen
Wer gilt als Kind?
Als Kinder gelten insbesondere leibliche Kinder, Adoptivkinder, Pflegekinder und unter bestimmten Voraussetzungen Stiefkinder. Maßgeblich ist die rechtliche Zuordnung als Kind und eine hinreichende Beziehung zum Haushalt der anspruchsberechtigten Person.
Altersgrenzen und besondere Lebenssituationen
- Bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres werden Kinder grundsätzlich berücksichtigt.
- Zwischen dem 18. und 25. Lebensjahr kommt eine Berücksichtigung in Betracht, wenn sich das Kind in einer Schul- oder Berufsausbildung, in einem Studium, in einer ersten Berufsausbildung, in einem geregelten Freiwilligendienst oder in einer übergangsweisen Wartezeit zwischen Ausbildungsabschnitten befindet.
- Ist ein Kind ohne Beschäftigung und als arbeitssuchend gemeldet, kann bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres eine Berücksichtigung möglich sein.
- Bei Kindern mit Behinderung besteht keine starre Altersgrenze, wenn die Behinderung vor einem bestimmten Alter eingetreten ist und das Kind sich nicht selbst unterhalten kann.
Wohnsitz- und Aufenthaltsbezug
Für die steuerliche Berücksichtigung ist regelmäßig ein Bezug zum Inland sowie – bei Auslandsfällen – zu Staaten mit enger rechtlicher Anbindung (etwa innerhalb des EU/EWR-Raums) erforderlich. Der tatsächliche Aufenthalt und die melderechtliche Zuordnung des Kindes spielen eine Rolle.
Zurechnung und Aufteilung zwischen Eltern
Grundsatz der hälftigen Zurechnung
Der Kinderfreibetrag steht grundsätzlich beiden Elternteilen jeweils zur Hälfte zu. Bei einer gemeinsamen Veranlagung von Ehegatten werden die Hälften zusammen berücksichtigt.
Getrenntleben, Trennung und Scheidung
Auch bei getrennt lebenden oder geschiedenen Eltern bleibt der Grundsatz der hälftigen Zurechnung bestehen, sofern beide Elternteile rechtlich als Eltern anzusehen sind und die gesetzlichen Grundvoraussetzungen vorliegen. Dies gilt unabhängig davon, bei wem das Kind lebt.
Übertragung von Anteilen
In besonderen Konstellationen kann der Anteil eines Elternteils auf den anderen übertragen werden. Dies kommt insbesondere in Betracht, wenn ein Elternteil nicht leistungsfähig ist, keinen Unterhalt leistet, verstorben oder nicht feststellbar ist oder kein berücksichtigungsfähiger Aufenthaltsbezug besteht. Der BEA-Freibetrag kann unter erleichterten Voraussetzungen auf den Elternteil übergehen, der das Kind tatsächlich allein betreut.
Fälle mit anderen Betreuungspersonen
Stief- und Pflegeeltern können einbezogen sein, wenn das Kind in deren Haushalt aufgenommen ist und die weiteren Voraussetzungen vorliegen. Eine bloß faktische Betreuung ohne rechtliche Zuordnung genügt nicht.
Verhältnis zu Kindergeld und Günstigerprüfung
Vergleichsrechnung (Günstigerprüfung)
Die Finanzverwaltung stellt im Rahmen der Veranlagung fest, ob die steuerliche Entlastung durch den Kinderfreibetrag höher ist als das ausgezahlte Kindergeld. Ist der Freibetrag vorteilhafter, mindert er die festzusetzende Einkommensteuer; das Kindergeld wird dabei rechnerisch gegengerechnet. Ist das Kindergeld günstiger, bleibt es bei der Kindergeldzahlung; der Freibetrag wird faktisch nicht wirksam.
Auswirkung auf Lohnsteuerabzug, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer
Im laufenden Lohnsteuerabzug wirkt sich der Kinderfreibetrag in der Regel nicht auf die monatliche Lohnsteuer aus. Er kann jedoch die Erhebung des Solidaritätszuschlags und gegebenenfalls der Kirchensteuer im Abzugsverfahren beeinflussen. Die endgültige Wirkung entfaltet sich regelmäßig erst mit der Einkommensteuerveranlagung.
Zeitliche Betrachtung
Monatsprinzip
Die Berücksichtigung erfolgt grundsätzlich monatsbezogen. Entscheidend ist, in welchen Monaten die Anspruchsvoraussetzungen vorlagen. Änderungen im Laufe des Jahres – etwa durch Geburt, Aufnahme einer Ausbildung, Beendigung der Schulausbildung, Wegzug oder Tod – werden monatsweise berücksichtigt.
Wechsel der Verhältnisse
Bei Wechseln von Betreuungs- und Aufenthaltsverhältnissen, bei Auslandsaufenthalten oder bei Änderungen des Ausbildungsstatus erfolgt eine zeitanteilige Betrachtung. Maßgeblich ist, in welchen Monaten die jeweiligen Voraussetzungen erfüllt waren.
Besonderheiten und Abgrenzungen
Mehrkinderfamilien
Der Kinderfreibetrag wird für jedes berücksichtigungsfähige Kind gesondert ermittelt. Die Entlastung kann sich daher mit der Anzahl der Kinder erhöhen. Eine Besonderheit der Kindergeldbeträge (gestaffelte Höhe bei mehreren Kindern) wirkt sich beim Freibetrag nicht unmittelbar aus.
Auslandsbezug
Bei Kindern mit Auslandsbezug sind die Anerkennungsvoraussetzungen strenger. Regelmäßig wird ein Bezug zum EU/EWR-Raum anerkannt; bei Drittstaaten gelten Einschränkungen. Zudem ist auf die tatsächliche Unterhaltslage und die Haushaltszugehörigkeit zu achten.
Alleinerziehende
Der Kinderfreibetrag ist von der steuerlichen Entlastung für Alleinerziehende zu trennen. Beide Regelungen verfolgen unterschiedliche Zwecke und haben eigenständige Voraussetzungen.
Kinderbetreuungskosten und BEA-Freibetrag
Der BEA-Freibetrag und die Berücksichtigung von Kinderbetreuungskosten sind unterschiedliche Instrumente. Der BEA-Freibetrag pauschaliert den Betreuungs-, Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf, während Kinderbetreuungskosten gesondert nach Maßgabe der steuerlichen Vorschriften berücksichtigt werden können.
Verfahren und Nachweise
Berücksichtigung im Veranlagungsverfahren
Die Berücksichtigung des Kinderfreibetrags erfolgt im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung. Dabei werden die kinderbezogenen Daten zusammengeführt und die Günstigerprüfung im Verhältnis zum Kindergeld durchgeführt.
Nachweisführung und Datenabgleich
Für die Berücksichtigung sind Identitäts- und Statusdaten des Kindes sowie Informationen zur Haushaltssituation maßgeblich. Ein Abgleich mit den Daten der Familienkasse findet statt. Bei Sonderkonstellationen können weitere Nachweise erforderlich sein.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Wer hat Anspruch auf den Kinderfreibetrag?
Anspruchsberechtigt sind in der Regel die Eltern eines berücksichtigungsfähigen Kindes. Dazu zählen leibliche und adoptierte Kinder sowie unter bestimmten Voraussetzungen Pflege- und Stiefkinder. Der Freibetrag steht den Eltern grundsätzlich je zur Hälfte zu.
Wie verhält sich der Kinderfreibetrag zum Kindergeld?
Es findet eine Vergleichsrechnung statt. Entweder wirkt das Kindergeld oder der Kinderfreibetrag günstiger. Ist der Freibetrag vorteilhafter, mindert er die Steuer und das Kindergeld wird angerechnet. Ist das Kindergeld günstiger, bleibt es bei der Auszahlung, und der Freibetrag entfaltet keine zusätzliche Wirkung.
Bis zu welchem Alter des Kindes wird der Kinderfreibetrag berücksichtigt?
Bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres wird das Kind grundsätzlich berücksichtigt. Zwischen 18 und 25 Jahren ist eine Berücksichtigung möglich, wenn bestimmte Voraussetzungen vorliegen, etwa Schul- oder Berufsausbildung, Studium, Freiwilligendienst oder Übergangszeiten. Bei einer Behinderung kann eine Berücksichtigung ohne feste Altersgrenze in Betracht kommen, wenn die Selbstunterhaltsfähigkeit nicht gegeben ist und die Behinderung vor einem bestimmten Alter eingetreten ist.
Können die Anteile am Kinderfreibetrag zwischen den Eltern übertragen werden?
Eine Übertragung des hälftigen Anteils eines Elternteils auf den anderen ist in besonderen Fällen möglich, etwa wenn ein Elternteil keinen Unterhalt leistet, verstorben oder nicht feststellbar ist oder ein berücksichtigungsfähiger Aufenthaltsbezug fehlt. Für den BEA-Freibetrag bestehen erleichterte Übertragungsmöglichkeiten, insbesondere bei ausschließlicher Betreuung durch einen Elternteil.
Gilt der Kinderfreibetrag auch für Stief- und Pflegekinder?
Ja, Stief- und Pflegekinder können unter bestimmten Voraussetzungen berücksichtigt werden. Entscheidend sind die rechtliche Zuordnung und die tatsächliche Haushaltsaufnahme.
Wirkt sich der Kinderfreibetrag auf den monatlichen Lohnsteuerabzug aus?
Im laufenden Monat mindert der Kinderfreibetrag in der Regel nicht die Lohnsteuer. Auswirkungen können sich jedoch auf den Solidaritätszuschlag und gegebenenfalls auf die Kirchensteuer ergeben. Die endgültige steuerliche Entlastung erfolgt im Veranlagungsverfahren.
Wie wird der Kinderfreibetrag bei Geburt, Wegzug oder Tod im laufenden Jahr berücksichtigt?
Es gilt das Monatsprinzip. Maßgeblich ist, in welchen Monaten die Voraussetzungen vorlagen. Bei Änderungen während des Jahres erfolgt eine monatsbezogene Berücksichtigung.