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Kinderberücksichtigungszeiten


Definition und Grundlagen der Kinderberücksichtigungszeiten

Kinderberücksichtigungszeiten sind ein zentrales Element im deutschen Sozialversicherungsrecht, insbesondere im Zusammenhang mit der gesetzlichen Rentenversicherung. Sie dienen der rentenrechtlichen Anerkennung von Zeiten, in denen Eltern aufgrund der Erziehung eines Kindes an der Erwerbstätigkeit gehindert waren oder ihre berufliche Tätigkeit reduziert haben. Ziel der Kinderberücksichtigungszeiten ist es, Erziehungsleistungen hinsichtlich der Rentenansprüche gleichzustellen und damit Benachteiligungen bei der Altersvorsorge zu vermeiden.

Gesetzliche Grundlagen

Sozialgesetzbuch VI – Die gesetzliche Rentenversicherung

Die rechtliche Grundlage für Kinderberücksichtigungszeiten findet sich in § 56 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Die Vorschrift definiert, für welche Zeiträume und unter welchen Voraussetzungen Zeiten der Kindererziehung als Berücksichtigungszeiten in der Rentenversicherung anerkannt werden. Neben § 56 SGB VI sind weitere Paragrafen, unter anderem § 57 und § 249 SGB VI, relevant für die praktische Anwendung und ergänzen die Regelungen speziell zu weiteren Anrechnungs- oder Ausschlusstatbeständen.

Voraussetzungen für die Anerkennung

Anspruchsberechtigte Personen

Kinderberücksichtigungszeiten werden grundsätzlich dem Elternteil zugeordnet, der das Kind überwiegend erzogen hat. Im Regelfall handelt es sich hierbei um die leiblichen Elternteile. Unter bestimmten Voraussetzungen können jedoch auch Adoptiveltern, Stiefeltern, Pflegeeltern oder Großeltern Berücksichtigungszeiten geltend machen, sofern sie das Kind in häuslicher Gemeinschaft erzogen haben.

Zeitlicher Umfang

Gemäß § 56 Abs. 1 SGB VI wird für jedes Kind von Geburt an bis zur Vollendung des zehnten Lebensjahres ein Zeitraum von bis zu zehn Jahren als Kinderberücksichtigungszeit anerkannt. Pro Kind kann jedoch jeweils zur gleichen Zeit nur ein Elternteil Kinderberücksichtigungszeiten beanspruchen.

Wohnsitzvoraussetzung

Eine weitere Voraussetzung ist, dass die Erziehung während des maßgebenden Zeitraums im Geltungsbereich des Sozialgesetzbuches erfolgt ist, grundsätzlich also in Deutschland. Unter bestimmten Voraussetzungen werden auch Zeiten im Ausland anerkannt, sofern vergleichbare Regelungen vorliegen und entsprechende Abkommen bestehen.

Unterschied zwischen Erziehungszeiten und Berücksichtigungszeiten

Kinderberücksichtigungszeiten und Kindererziehungszeiten werden häufig verwechselt. Während die Kindererziehungszeiten (§ 56 SGB VI) zu einer direkten Erhöhung der Rentenanwartschaften führen, sind Kinderberücksichtigungszeiten (§ 57 SGB VI) eine weitere rentenrechtliche Komponente. Sie erhöhen nicht unmittelbar die Rentenhöhe, wirken sich jedoch positiv auf die Erfüllung der Wartezeiten (Mindestversicherungszeiten) und bestimmte versicherungsrechtliche Voraussetzungen aus, z. B. bei der Erwerbsminderungsrente.

Erziehungszeiten

Erziehungszeiten werden für die ersten drei Lebensjahre eines Kindes anerkannt und tragen direkt zur Rentenberechnung bei. Sie gelten als Pflichtbeitragszeiten und erhöhen somit die Entgeltpunkte.

Berücksichtigungszeiten

Im Unterschied dazu sind Berücksichtigungszeiten keine Beitragszeiten, sondern Zeiträume, die für bestimmte versicherungsrechtliche Voraussetzungen bedeutsam sind. Sie werden auf die Wartezeiten angerechnet, z. B. für die Rente wegen Erwerbsminderung, Altersrenten für langjährig Versicherte oder die Regelaltersrente.

Bedeutung für die Rentenberechnung

Kinderberücksichtigungszeiten erhöhen nicht direkt den Rentenanspruch in Form von Rentenpunkten, sie können jedoch Lücken im Versicherungsverlauf zuverlässig schließen und begünstigen insbesondere:

  • Die Wartezeiterfüllung für bestimmte Rentenarten,
  • Die Anrechnung als Zurechnungszeit bei Renten wegen Erwerbsminderung,
  • Die Erfüllung besonderer versicherungsrechtlicher Voraussetzungen, z. B. bei der vorgezogenen Altersrente für schwerbehinderte Menschen oder der Rente für langjährig Versicherte.

Weiterhin verhindern Kinderberücksichtigungszeiten, dass längere Erwerbsunterbrechungen durch Kindererziehung nachteilig bei der Beurteilung der rentenrechtlichen Voraussetzungen berücksichtigt werden.

Antragstellung und Nachweisführung

Kinderberücksichtigungszeiten werden nicht automatisch anerkannt. Die betroffene Person muss einen Antrag bei dem zuständigen Rentenversicherungsträger stellen. Dem Antrag sind geeignete Nachweise über die Erziehung des Kindes sowie über die häusliche Gemeinschaft beizufügen. Für Kinder, die vor dem 1. Januar 1992 geboren wurden, bestehen in Teilen abweichende Regelungen bezüglich der Anerkennung.

Besondere Fallgestaltungen

Mehrere Kinder

Bei der Erziehung mehrerer Kinder werden die Kinderberücksichtigungszeiten für jedes Kind separat anerkannt, können jedoch nicht miteinander addiert werden, wenn die Erziehungszeiten parallel verlaufen.

Wechsel der Erziehungsperson

Wechselt die überwiegende Erziehungsperson (z. B. durch Betreuung durch andere Angehörige oder Heimeinrichtungen), kann die Berücksichtigungszeit auf den neuen Erziehungsberechtigten übertragen werden. Maßgeblich hierfür ist jeweils die überwiegende Erziehungsverantwortung.

Gleichzeitige Berücksichtigung mit anderen rentenrechtlichen Zeiten

Kinderberücksichtigungszeiten können mit anderen rentenrechtlichen Zeiten zusammenfallen, beispielsweise mit Pflichtbeitragszeiten aufgrund einer Teilzeittätigkeit. In diesem Fall werden beide Zeiten im Versicherungsverlauf dokumentiert.

Internationale Aspekte

Bei Erziehungszeiten im Ausland greifen die Regelungen des deutsch-europäischen Sozialversicherungsabkommens oder bilateraler Verträge mit einzelnen Staaten. In bestimmten Fällen können Kinderberücksichtigungszeiten auch dann angerechnet werden, wenn die Erziehung vorübergehend im Ausland stattfand und dort vergleichbare gesetzliche Regelungen existieren.

Bedeutung in der Rechtsprechung

Die Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten und Berücksichtigungszeiten ist regelmäßig Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen. Die Rechtsprechung konkretisiert unter anderem die Voraussetzungen für die Anerkennung, die Beweislast sowie die Modalitäten bei Sonderfällen wie Pflege- oder Stiefkinder. Die Gerichte prüfen dabei insbesondere, ob die jeweiligen faktischen und rechtlichen Erziehungsleistungen im erforderlichen Umfang erbracht wurden.

Reformen und aktuelle Entwicklungen

In den vergangenen Jahren wurden die rechtlichen Voraussetzungen zur Anerkennung von Kinderberücksichtigungszeiten mehrfach reformiert, um eine stärkere Gleichstellung von Eltern im Rentenrecht zu erreichen. Hierzu zählen insbesondere Verbesserungen bei der Anerkennung für Adoptiv- und Pflegeeltern, neue Regelungen zur Anrechnung nebeneinander verlaufender Erziehungszeiten sowie die Ausweitung auf Patchwork-Familien.

Zusammenfassung

Kinderberücksichtigungszeiten stellen eines der zentralen rechtlichen Instrumente zur rentenrechtlichen Anerkennung von Kindererziehungszeiten in Deutschland dar. Sie sichern die rentenrechtliche Integration von Elternzeiten und sorgen dafür, dass Erziehungsleistungen nicht zu Nachteilen in der Altersvorsorge führen. Die genaue Kenntnis der gesetzlichen Regelungen, Voraussetzungen und Nachweisverfahren ist für die vollständige Nutzung dieser Rechte im Rentensystem unerlässlich.


Dieser Artikel bietet eine umfassende Übersicht zum Begriff Kinderberücksichtigungszeiten im deutschen Recht der Sozialversicherung. Eine weiterführende Betrachtung verwandter Themen finden Sie beispielsweise unter den Begriffen „Kindererziehungszeiten“, „Rentenversicherungspflicht“ oder „War­tezeit“.

Häufig gestellte Fragen

Wie werden Kinderberücksichtigungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung anerkannt?

Kinderberücksichtigungszeiten werden in der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 56 SGB VI anerkannt, wenn eine versicherte Person ein Kind erzogen hat. Zu berücksichtigen ist dabei stets der Zeitraum vom Geburtsmonat des Kindes bis zur Vollendung des 10. Lebensjahres des Kindes. Die Anrechnung erfolgt grundsätzlich automatisch, wenn die Geburt des Kindes und die Erziehungszeiten durch entsprechende Nachweise – wie eine Geburtsurkunde und Meldebescheinigung – zweifelsfrei belegt werden können. Es muss kein gesonderter Antrag gestellt werden; die Feststellung geschieht regelmäßig im Rahmen der Kontenklärung oder bei Rentenantragstellung. Pflegeeltern, Adoptiveltern und Stiefeltern können Kinderberücksichtigungszeiten ebenfalls erhalten, sofern das Kind dauerhaft mit ihnen im gemeinsamen Haushalt lebt und sie die überwiegende Erziehungsarbeit leisten. Die Anerkennung ist auch dann möglich, wenn das Kind im Ausland geboren wurde, sofern ein gleichwertiges rechtskräftiges Dokument vorgelegt wird und eine Versichertentätigkeit in Deutschland bestand.

Welche Bedeutung haben Kinderberücksichtigungszeiten für die Rentenhöhe?

Kinderberücksichtigungszeiten erhöhen nicht unmittelbar die Rentenanwartschaft in Form von Entgeltpunkten, sondern wirken sich mittelbar auf die Erfüllung rentenrechtlicher Voraussetzungen aus. Sie werden insbesondere bei der Prüfung von Wartezeiten, wie der allgemeinen Wartezeit von fünf Jahren (§ 50 SGB VI), berücksichtigt. Zudem sind sie für besondere Wartezeiten, etwa bei der Altersrente für besonders langjährig Versicherte (§ 51 Absatz 3a SGB VI), relevant. Kinderberücksichtigungszeiten können Lücken im Versicherungsverlauf überbrücken, in denen keine Pflichtbeiträge gezahlt wurden, und so dazu beitragen, dass die Mindestversicherungszeiten nicht unterschritten werden. Darüber hinaus verbessern sie den Zugang zu bestimmten rentenrechtlichen Leistungen – etwa der Erwerbsminderungsrente oder der vorzeitigen Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder Altersteilzeit.

Können Kinderberücksichtigungszeiten gleichzeitig von beiden Elternteilen beansprucht werden?

Nein, hierzu ist eine klare rechtliche Regelung gegeben: Für denselben Zeitraum kann eine Kinderberücksichtigungszeit immer nur einer Person zugeordnet werden. Vorrangig wird diese Zeit der Mutter angerechnet, es sei denn, es wird nachgewiesen, dass der Vater oder eine andere erziehungsberechtigte Person die überwiegende Erziehungsleistung erbracht hat. Eine gleichzeitige Zuordnung auf beide Elternteile ist ausgeschlossen. Nur im Falle eines Wechsels der hauptsächlichen Erziehungsperson innerhalb des Zehnjahreszeitraums kann die Zuordnung geändert werden, sofern dies durch amtliche oder gerichtliche Nachweise belegt wird und eine entsprechende gemeinsame Erklärung beider Elternteile vorliegt.

Welche Auswirkung hat ein Wohnortwechsel ins Ausland auf die Anerkennung von Kinderberücksichtigungszeiten?

Grundsätzlich gilt, dass für die Berücksichtigung der Kinderberücksichtigungszeiten ein gewöhnlicher Aufenthalt in Deutschland vorausgesetzt wird. Wird das Kind während der maßgeblichen Zeit ins Ausland verbracht, kann der Zeitraum nur dann anerkannt werden, wenn die erziehende Person weiterhin in einem deutschen Sozialversicherungsverhältnis steht, also beispielsweise während eines Auslandsaufenthalts im Rahmen einer Entsendung im deutschen Sozialversicherungssystem verbleibt (§ 56 Abs. 3 SGB VI). Bei dauerhafter Verlagerung des Lebensmittelpunktes ins Ausland ohne Sozialversicherungsbindung in Deutschland kann die Kinderberücksichtigungszeit für diese Zeiträume hingegen nicht anerkannt werden.

Welche Nachweise müssen für die Anerkennung von Kinderberücksichtigungszeiten vorgelegt werden?

Für die Anerkennung von Kinderberücksichtigungszeiten sind in der Regel die Geburtsurkunde des Kindes sowie Meldebescheinigungen erforderlich, um die Erziehung und den gemeinsamen Haushalt nachzuweisen. Bei Pflege- oder Adoptivkindern wird zudem ein Nachweis über die rechtliche Stellung als Pflege- oder Adoptiveltern verlangt. Bei Streitigkeiten über die hauptsächliche Betreuung werden ergänzend eidesstattliche Versicherungen oder behördliche bzw. gerichtliche Feststellungen herangezogen. Im Falle eines Auslandsaufenthaltes sind entsprechende Bestätigungen über den Versicherungsstatus sowie Auslandsmeldebescheinigungen notwendig, um den Anspruch nachzuweisen und die Kinderberücksichtigungszeit geltend zu machen. Die Rentenversicherungsträger können im Einzelfall weitere Nachweise einfordern, sollten Unklarheiten über den tatsächlichen Erziehungssachverhalt bestehen.

Können Kinderberücksichtigungszeiten nachträglich anerkannt werden und wie ist dabei vorzugehen?

Ja, eine nachträgliche Anerkennung von Kinderberücksichtigungszeiten ist möglich, insbesondere im Rahmen der Kontenklärung eines Versicherungskontos bei der Deutschen Rentenversicherung oder im Zuge der Rentenantragstellung. Betroffene Personen müssen hierzu den Antrag auf Kontenklärung (Vordruck V0100) oder einen Antrag auf Feststellung von Kindererziehungszeiten stellen. Dem Antrag sind die erforderlichen Nachweise (Geburtsurkunde, Meldebescheinigung usw.) beizufügen. Nach Prüfung der Unterlagen erfolgt eine verbindliche Entscheidung der Deutschen Rentenversicherung, die im Rentenversicherungskonto dokumentiert wird. Es empfiehlt sich, solche Anträge frühzeitig zu stellen, um Fehlzeiten im Versicherungsverlauf zu vermeiden und alle rentenrechtlich relevanten Zeiten korrekt anzuerkennen.

Welche Rolle spielen Kinderberücksichtigungszeiten bei der Erwerbsminderungsrente?

Kinderberücksichtigungszeiten sind insbesondere für die Anwartschaft auf die Erwerbsminderungsrente relevant, da sie bei der Erfüllung der Mindestversicherungszeit (Wartezeit) Berücksichtigung finden. Nach § 43 SGB VI muss für einen Anspruch auf Erwerbsminderungsrente in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung mindestens drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit vorliegen. Kinderberücksichtigungszeiten zählen jedoch als sogenannte Anrechnungszeiten (§ 58 SGB VI), die auf die Wartezeit angerechnet werden, sofern in diesen Zeiträumen keine Pflichtbeiträge gezahlt wurden. So kann trotz unterbrochener Erwerbstätigkeit infolge der Kindererziehung der Anspruch auf die Erwerbsminderungsrente aufrechterhalten bleiben und ein lückenloser Versicherungsverlauf sichergestellt werden.