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Kinder, steuerliche Berücksichtigung


Kinder, steuerliche Berücksichtigung

Die steuerliche Berücksichtigung von Kindern ist ein zentrales Element des deutschen Steuerrechts. Sie dient dazu, die finanzielle Belastung von Eltern und Erziehungsberechtigten zu mindern und somit ihrer Unterhaltspflicht gegenüber ihren Kindern Rechnung zu tragen. Im Einklang mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Grundgesetzes wird sichergestellt, dass die Existenzsicherung eines Kindes im Einkommensteuerrecht angemessen beachtet wird. Dieser Artikel beleuchtet die umfassenden rechtlichen Grundlagen, Voraussetzungen, Formen und Auswirkungen der steuerlichen Berücksichtigung von Kindern.


Rechtliche Grundlagen

Grundgesetz und Steuerrecht

Die Besteuerung von Einkommen unter besonderer Berücksichtigung von Kindern ergibt sich aus dem verfassungsrechtlichen Gebot des Familien- und Sozialstaatsprinzips nach Art. 6 Abs. 1 sowie Art. 20 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Diese Prinzipien bestimmen, dass das Existenzminimum eines Kindes bei der steuerlichen Belastung der Eltern freigestellt werden muss. Die grundlegenden Regelungen finden sich im Einkommensteuergesetz (EStG), insbesondere in den §§ 32-34 EStG sowie im Bundeskindergeldgesetz (BKGG).

Einkommensteuergesetz (EStG)

Das EStG regelt, wie und in welcher Form Kinder steuerrechtlich berücksichtigungsfähig sind. Die wichtigsten Normen sind:

  • § 32 EStG: Kinderfreibetrag, Kinderbegriff und Berücksichtigungszeitraum
  • § 33a EStG: Abzug von Unterhaltsleistungen
  • § 35a EStG: Steuerermäßigung für haushaltsnahe Dienstleistungen und Kinderbetreuungskosten

Bundeskindergeldgesetz (BKGG)

Das BKGG normiert die Grundsätze des Kindergeldbezugs und dessen Vorrangregelungen im Verhältnis zum Einkommensteuerrecht.


Formen der steuerlichen Berücksichtigung

Kinderfreibetrag (§ 32 EStG, § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG)

Der Kinderfreibetrag berücksichtigt das sächliche Existenzminimum eines Kindes. Der für die Eltern gemeinsam gewährte Kinderfreibetrag besteht aus zwei Komponenten:

  • Kinderfreibetrag zur Sicherung des Existenzminimums des Kindes (2024: 6.384 € pro Kind und Jahr)
  • Freibetrag für den Betreuungs-, Erziehungs- und Ausbildungsbedarf des Kindes (2024: 2.928 € pro Kind und Jahr)

Eltern erhalten je zur Hälfte die Freibeträge, sofern sie nicht anderweitig (z.B. nur ein Elternteil mit dem Kind zusammenlebend) geregelt sind.

Kindergeld (§ 62 ff. EStG; BKGG)

Das Kindergeld stellt eine monatliche Zahlung dar, die alternativ zum Kinderfreibetrag als Steuervergünstigung gewährt wird. Der Familienleistungsausgleich sieht entweder den Abzug des Kinderfreibetrags oder den Bezug des Kindergeldes vor – das Finanzamt prüft im Rahmen der sogenannten Günstigerprüfung, was für die Eltern günstiger ist. Das Kindergeld beträgt (2024) einheitlich 250 € pro Kind und Monat.

Abzugsfähigkeit von Kinderbetreuungskosten (§ 10 Abs. 1 Nr. 5 EStG)

Kinderbetreuungskosten können unter bestimmten Voraussetzungen steuermindernd geltend gemacht werden. Zwei Drittel der Aufwendungen, maximal 4.000 € pro Kind und Jahr, sind als Sonderausgaben abziehbar.

Ausbildungs- und Behinderten-Pauschbetrag (§ 33a Abs. 2, § 33b EStG)

Ist das Kind in Ausbildung, kann ein Ausbildungsfreibetrag von 924 € jährlich geltend gemacht werden, sofern bestimmte Voraussetzungen vorliegen. Für behinderte Kinder gilt ein Behinderten-Pauschbetrag, abhängig vom Grad der Behinderung.


Anspruchsvoraussetzungen und Kinderbegriff

Altersgrenzen

  • Bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres: Grundsätzlich immer berücksichtigungsfähig.
  • Bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres: Bei Schul-, Berufsausbildung oder Studium; Freiwilligendienst ebenfalls berücksichtigungsfähig.
  • Über 25 Jahre: Ausnahmefälle, etwa Wehr- oder Zivildienstverlängerung, Behinderung, wenn das Kind sich nicht selbst unterhalten kann.

Kindergeldberechtigte Personen

Anspruchsberechtigt sind Eltern oder Pflegeeltern sowie in einigen Fällen Großeltern und Pflegepersonen, sofern das Kind im Haushalt lebt und versorgt wird.

Weitere Voraussetzungen

  • Das Kind muss im Inland oder in einem Mitgliedsstaat der EU/dem Europäischen Wirtschaftsraum wohnen (Ausnahmen möglich).
  • Es darf bestimmte Einkommensgrenzen nicht überschreiten (z.B. bei volljährigen Kindern in Ausbildung wurde die Einkommensgrenze abgeschafft, früher relevant).

Sonderfälle der steuerlichen Berücksichtigung

Kinder mit Behinderung

Kinder mit Behinderung werden auch über das 25. Lebensjahr hinaus berücksichtigt, sofern die Behinderung vor dem 25. Geburtstag eingetreten ist und das Kind außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. Hier greifen besondere Freibeträge und zusätzliche steuerliche Entlastungen.

Betreuung durch verschiedene Elternteile

Sind die Eltern geschieden oder getrennt lebend und teilen sich das Sorgerecht, kann der Freibetrag auf beide Elternteile aufgeteilt werden. Auch Übertragung und Ausschluss sind unter bestimmten Voraussetzungen möglich.

Auslandskinder

Für Kinder, die im Ausland leben, gelten abgestufte Kindergeldsätze, abhängig vom jeweiligen Land und den Lebensumständen des Kindes.


Verfahren und Nachweispflichten

Antragstellung und Nachweis

Das Kindergeld ist bei der Familienkasse zu beantragen. Der Nachweis über die Berücksichtigungsfähigkeit (z.B. Schulbescheinigung, Ausbildungsvertrag, Nachweis über Behinderung) ist erforderlich. Die Freibeträge werden im Rahmen der Einkommensteuererklärung vom Finanzamt berücksichtigt.

Günstigerprüfung durch das Finanzamt

Im Rahmen des Jahresausgleichs prüft das Finanzamt automatisch, ob der Ansatz des Kinderfreibetrags oder das ausbezahlte Kindergeld steuerlich vorteilhafter ist. Die Differenz wird ggf. im Steuerbescheid angerechnet.


Rechtsschutz und Verfahren

Rechtsbehelfe

Gegen ablehnende Entscheidungen der Familienkasse oder des Finanzamts kann Einspruch eingelegt werden. Im Streitfall entscheidet das Finanzgericht.


Bedeutung und Zielsetzung

Die steuerliche Berücksichtigung von Kindern ist ein zentraler Baustein des Familienleistungsausgleichs in Deutschland. Sie verbindet sozialpolitische Ziele mit steuerlicher Leistungsfähigkeit und gewährleistet, dass Familien durch das Steuerrecht entlastet und bei der Sicherung des Existenzminimums unterstützt werden.


Siehe auch


Literatur

  • BFH/NV, Kommentierung zu § 32 EStG
  • BMF-Schreiben zur steuerlichen Berücksichtigung von Kindern
  • Bundeszentralamt für Steuern: Broschüren und Leitfäden zur Kindergeldregelung

Weblinks


Hinweis: Diese Zusammenfassung dient zur Information im Rahmen eines Rechtslexikons und ersetzt keine individuelle rechtliche Beratung. Die aktuellen Beträge und gesetzlichen Regelungen können sich infolge von Gesetzesänderungen oder Rechtsprechung ändern.

Häufig gestellte Fragen

Welche Nachweise müssen für die steuerliche Berücksichtigung von Kindern beim Finanzamt eingereicht werden?

Für die steuerliche Berücksichtigung von Kindern sind dem Finanzamt verschiedene Nachweise und Unterlagen vorzulegen. Zunächst ist grundsätzlich die Angabe des Kindes auf der Anlage Kind zur Einkommensteuererklärung erforderlich. Für im gemeinsamen Haushalt lebende minderjährige Kinder genügt in der Regel die Angabe der Steueridentifikationsnummer; das Finanzamt prüft die persönlichen Daten meist selbstständig anhand der gespeicherten Meldedaten. Bei volljährigen Kindern ist jedoch regelmäßig ein gesonderter Nachweis über deren Ausbildungs- bzw. Studienverhältnis, wie eine Immatrikulationsbescheinigung oder eine Bescheinigung des Ausbildungsbetriebs, erforderlich. Ebenso ist beim Bezug von Kindergeld für Kinder über 18 Jahren eine regelmäßige Aktualisierung des Ausbildungsstatus Voraussetzung. Bei minderjährigen, nicht im Haushalt lebenden Kindern wird zusätzlich eine Sorgerechtsbescheinigung oder ein Nachweis über die Haushaltszugehörigkeit verlangt. Bei ausländischen Kindern sind erweiterte Nachweise wie Geburtsurkunden, Nachweise über den gewöhnlichen Aufenthalt und ggf. Übersetzungen amtlich beglaubigter Dokumente nötig. Liegt eine Behinderung vor, ist der entsprechende Schwerbehindertenausweis zu übermitteln. Jeder relevante Nachweis sollte grundsätzlich im Original oder als beglaubigte Kopie eingereicht werden, wobei das Finanzamt in Einzelfällen weitere Unterlagen anfordern kann.

Ist ein Kind steuerlich auch nach dem 18. Lebensjahr noch berücksichtigungsfähig?

Kinder, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, können weiterhin steuerlich berücksichtigt werden, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Dies ist insbesondere der Fall, wenn sich das Kind noch in einer gesetzlichen Schul- oder Berufsausbildung, im Studium, im freiwilligen sozialen Jahr, Bundesfreiwilligendienst oder in einer Übergangszeit von höchstens vier Monaten zwischen zwei Ausbildungsabschnitten befindet. Für behinderte Kinder gilt keine Altersgrenze, sofern die Behinderung vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist und das Kind außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. Entscheidend für die Dauer der steuerlichen Berücksichtigung ist zudem das Alter: Für nicht behinderte Kinder endet der steuerliche Anspruch in der Regel spätestens mit dem 25. Lebensjahr. Eltern müssen entsprechende Nachweise, beispielsweise Ausbildungsbescheinigungen, lückenlos beim Finanzamt einreichen und gegebenenfalls jährlich erneuern.

Wie wirkt sich die steuerliche Berücksichtigung von Kindern auf die Einkommensteuer aus?

Die steuerliche Berücksichtigung von Kindern führt zu Entlastungen bei der Einkommensteuer entweder durch die Auszahlung von Kindergeld oder durch die Berücksichtigung des Kinderfreibetrags und des Freibetrags für Betreuung, Erziehung oder Ausbildung. Das Finanzamt prüft im sogenannten Günstigerprüfung, ob der Anspruch auf Kindergeld oder die steuerliche Entlastung durch die Freibeträge für das jeweilige Kind günstiger ist. Die Kinderfreibeträge werden vom zu versteuernden Einkommen abgezogen, wodurch sich die steuerliche Belastung reduziert. Begünstigt werden dabei beide Elternteile entsprechend ihres Anspruchs (bei verheirateten sowie bei getrennt lebenden Eltern anteilig je Elternteil). Für Elternteile, die das Kind nicht in ihrem Haushalt aufgenommen haben, gelten eingeschränkte oder differenzierte Berücksichtigungsregeln. Die Lohnsteuerermäßigung (Faktorverfahren) wird meist automatisch durch das Finanzamt beziehungsweise das Lohnsteuerabzugsverfahren berücksichtigt, wenn die entsprechenden Kinderfreibeträge auf der elektronischen Lohnsteuerkarte eingetragen sind.

Welche Rolle spielt das Kindergeld bei der steuerlichen Berücksichtigung?

Das Kindergeld ist eine öffentlich-rechtliche Sozialleistung, die entweder als monatlicher Zuschuss ausgezahlt oder bei der steuerlichen Einkommensermittlung im Rahmen der sogenannten Günstigerprüfung mit dem steuerlichen Vorteil des Kinderfreibetrags verglichen wird. Das Finanzamt prüft im Einkommensteuerbescheid, ob die steuerliche Entlastung durch die Freibeträge höher ist als das ausgezahlte Kindergeld. Ist dies der Fall, wird der steuerliche Vorteil abzüglich des bereits gezahlten Kindergeldes gewährt. Grundsätzlich steht das Kindergeld jedem Elternteil unabhängig von dessen steuerlicher Leistungsfähigkeit nach § 62 EStG zu, sofern das Kind die Voraussetzungen des § 63 EStG erfüllt. Anspruchsberechtigt ist vorrangig die Person, in deren Haushalt das Kind lebt. Damit stellt das Kindergeld eine Vorausleistung auf den steuerlichen Familienleistungsausgleich dar.

Können Elternteile, die nicht verheiratet sind oder getrennt leben, das Kind steuerlich berücksichtigen lassen?

Elternteile, die getrennt leben oder nicht verheiratet sind, können das Kind steuerlich unter bestimmten Voraussetzungen und entsprechend ihrem Anteil am Einkommen und an der Betreuung berücksichtigen lassen. Grundsätzlich wird der Kinderfreibetrag hälftig auf beide Eltern aufgeteilt, sofern beide sorgeberechtigt sind. Der Freibetrag für Betreuung, Erziehung oder Ausbildung wird nur dem Elternteil gewährt, in dessen Haushalt das Kind lebt. Einer Übertragung des anteiligen Kinderfreibetrags auf einen Elternteil ist möglich, wenn der andere Elternteil seiner Unterhaltspflicht nicht nachkommt oder nicht leistungsfähig ist (vgl. § 32 Abs. 6 Satz 6 bis 8 EStG). Die genaue Zuordnung der Freibeträge und deren Geltendmachung muss im Rahmen der Steuererklärung beantragt und anhand entsprechender Nachweise (z.B. Sorgerechtsbescheid, Nachweis über Haushaltsaufnahme) dokumentiert werden.

Ist eine steuerliche Berücksichtigung für im Ausland lebende Kinder möglich?

Eine steuerliche Berücksichtigung von Kindern, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland haben, ist grundsätzlich möglich, unterliegt jedoch strengen gesetzlichen Anforderungen. Zum einen muss das Kind zu den (adoptierten, ehelichen, nichtehelichen oder Pflege-) Kindern nach § 32 Abs. 1 EStG gehören. Zum anderen darf sich der Anspruchsberechtigte (Elternteil) im Inland aufhalten und steuerpflichtig sein. Bei Kindern mit gewöhnlichem Aufenthalt in einem EU-/EWR-Staat oder in einem Staat, mit dem ein entsprechendes bilaterales Abkommen besteht, sind regelmäßig die gleichen Voraussetzungen wie bei im Inland lebenden Kindern nachzuweisen. Bei Drittstaaten muss zusätzlich eine Gleichstellung nach § 32 Abs. 6 Nr. 2 EStG vorliegen. In allen Fällen sind umfangreiche Unterlagen wie Geburtsurkunden, Schul- oder Ausbildungsbescheinigungen sowie Nachweis des Wohnorts und ggf. auf Deutsch übersetzte und beglaubigte Dokumente erforderlich. Das Finanzamt prüft diese Nachweise besonders streng; eine steuerliche Berücksichtigung kann im Einzelfall versagt werden, wenn die Nachweise nicht vollständig oder ausreichend sind.

Welche Auswirkungen hat eine Behinderung des Kindes auf die steuerliche Berücksichtigung?

Eine Behinderung des Kindes beeinflusst die steuerliche Berücksichtigung dahingehend, dass Eltern ihre Kinder unter bestimmten Voraussetzungen über das 25. Lebensjahr hinaus als steuerlich berücksichtigungsfähig geltend machen können. Voraussetzung ist, dass die Behinderung vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist und das Kind infolge dieser Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG). Zusätzlich können Eltern für behinderte Kinder einen Behindertenpauschbetrag (§ 33b EStG) in Anspruch nehmen, sofern sie Anspruch auf Kindergeld oder Kinderfreibetrag für dieses Kind haben. Notwendig ist hierfür eine Bescheinigung des Grades der Behinderung (Schwerbehindertenausweis oder Feststellungsbescheid des Versorgungsamts). Weitere steuerliche Entlastungen können z.B. durch den Abzug außergewöhnlicher Belastungen entstehen, sofern Aufwendungen infolge der Behinderung nachweislich und zwingend sind.