Kinder, steuerliche Berücksichtigung – Begriff und Einordnung
Unter der steuerlichen Berücksichtigung von Kindern versteht man die Gesamtheit der Regelungen, durch die das Existenzminimum eines Kindes, sein Betreuungs-, Erziehungs- und Ausbildungsbedarf sowie typische Mehrbelastungen in Familien bei der Einkommensteuer berücksichtigt werden. Dies geschieht sowohl durch laufende Leistungen als auch durch Freibeträge und weitere steuerliche Vergünstigungen. Ziel ist es, die steuerliche Leistungsfähigkeit von Eltern und anderen Berechtigten sachgerecht abzubilden.
Wer gilt als Kind im steuerlichen Sinn?
Grundtatbestände
Als Kind gelten leibliche Kinder, Adoptivkinder, Stiefkinder sowie Pflegekinder, wenn ein familienähnliches, auf Dauer angelegtes Betreuungsverhältnis besteht. Die Berücksichtigung knüpft regelmäßig an die Haushaltszugehörigkeit, den Unterhalt und den Ausbildungsstatus des Kindes an.
Volljährige Kinder
Volljährige Kinder können bis zu einer Altersgrenze berücksichtigt werden, wenn sie sich in Schul- oder Berufsausbildung, Studium, einer anerkannten Freiwilligendienstform oder in einer kurzen Übergangszeit zwischen zwei Ausbildungsabschnitten befinden. Fehlt ein Ausbildungsplatz, kann die ernsthafte und fortdauernde Suche ausreichend sein. Nach Abschluss einer ersten Berufsausbildung oder eines Erststudiums kann eine umfangreiche Erwerbstätigkeit die steuerliche Berücksichtigung ausschließen; als Richtwert gilt dabei eine regelmäßige Wochenarbeitszeit von mehr als 20 Stunden außerhalb spezieller Ausbildungs- oder Anlernverhältnisse.
Kinder mit Behinderung
Kinder mit Behinderung können altersunabhängig berücksichtigt werden, wenn die Behinderung vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist und eine selbständige Sicherung des Lebensunterhalts nicht möglich ist. Maßgeblich sind der Umfang der Beeinträchtigung und die tatsächliche Unterhaltsbedürftigkeit.
Aufenthalt und Staatsbezug
Der maßgebliche Wohnsitz oder gewöhnliche Aufenthalt der Berechtigten und des Kindes sowie der Staatenbezug spielen eine Rolle. Für Kinder mit Bezug zum EU-/EWR-Raum und der Schweiz gelten koordinierte Regelungen. Bei Drittstaatenbezug sind zusätzliche Voraussetzungen zu beachten; die Berücksichtigung kann eingeschränkt sein.
Instrumente der steuerlichen Berücksichtigung
Kindergeld
Das Kindergeld ist eine laufende Leistung, die dem Unterhalt des Kindes dient. Anspruchsberechtigt ist in der Regel die Person, in deren Haushalt das Kind lebt. Die Auszahlung erfolgt monatlich durch die zuständigen Stellen. Im Rahmen der Einkommensteuer wird später geprüft, ob die steuerlichen Freibeträge oder das Kindergeld günstiger sind; es bleibt die finanziell vorteilhaftere Variante maßgeblich (sogenannte Vergleichsrechnung).
Kinderfreibetrag und Freibetrag für Betreuungs-, Erziehungs- oder Ausbildungsbedarf
Die Freibeträge mindern das zu versteuernde Einkommen und damit die tarifliche Einkommensteuer. Es handelt sich zum einen um den Freibetrag, der das sächliche Existenzminimum des Kindes abbildet, und zum anderen um den Freibetrag für Betreuung, Erziehung oder Ausbildung. Grundsätzlich steht jedem Elternteil ein hälftiger Anteil zu; bei gemeinsamer Veranlagung werden die Anteile zusammengerechnet.
Aufteilung und Übertragung
Bei getrenntlebenden oder unverheirateten Eltern werden die Freibeträge regelmäßig hälftig geteilt. Eine abweichende Zuordnung ist möglich, wenn ein Elternteil das Kind überwiegend betreut oder wenn Unterhaltspflichten nicht erfüllt werden. Der Freibetrag für Betreuung, Erziehung oder Ausbildung kann unter bestimmten Voraussetzungen auf den betreuenden Elternteil übertragen werden.
Ausbildungsfreibetrag
Für volljährige Kinder in Berufsausbildung, die nicht im elterlichen Haushalt leben, kann ein gesonderter Ausbildungsfreibetrag berücksichtigt werden. Damit werden ausbildungsbedingte Mehrkosten bei auswärtiger Unterbringung typisierend erfasst.
Kinderbetreuungskosten
Aufwendungen für die Betreuung von Kindern bis zu einem bestimmten Alter sowie für Kinder mit Behinderung können in einem festgelegten Umfang als Sonderausgaben berücksichtigt werden. Anerkannt werden beispielsweise Kosten für Kindertagesstätten, Tagespflege, bestimmte Betreuungsleistungen und legale Beschäftigung von Betreuungspersonen, sofern die Zahlungen nachvollziehbar sind.
Entlastungsbetrag für Alleinerziehende
Alleinerziehende, die mit mindestens einem berücksichtigungsfähigen Kind in einem Haushalt leben, können einen besonderen Entlastungsbetrag geltend machen. Dieser soll die typischen Mehrbelastungen abbilden. Der Betrag steigt bei mehreren Kindern und entfällt regelmäßig, wenn eine weitere erwachsene Person im Haushalt gemeldet ist, die nicht nur vorübergehend dort lebt.
Weitere Berührungspunkte
- Schulgeld: Für bestimmte Schulen kann ein Teil des Schulgelds als Sonderausgabe anerkannt werden.
- Haushaltsnahe Dienstleistungen und Beschäftigungsverhältnisse: Rechtmäßig erbrachte haushaltsnahe Leistungen (z. B. Reinigung) können unabhängig vom Kinderstatus begünstigt sein; reine Unterrichtsleistungen sind gesondert zu betrachten.
- Unterhaltsleistungen an volljährige Kinder ohne Berücksichtigung als Kind: In eng umgrenzten Fällen kommen außergewöhnliche Belastungen in Betracht.
Besondere Lebenssituationen
Getrennte oder geschiedene Eltern
Bei getrennten Haushalten ist maßgeblich, bei wem das Kind lebt. Daraus ergeben sich Prioritäten für laufende Leistungen und die Aufteilung der Freibeträge. Wechselt das Kind den Haushalt, wirkt sich dies ab dem Folgemonat aus. Für Monate, in denen das Kind jeweils teilweise in beiden Haushalten lebte, ist eine monatsweise Betrachtung vorgesehen.
Patchwork- und Pflegefamilien
Stief- und Pflegekinder werden bei entsprechender Haushaltszugehörigkeit und auf Dauer angelegter Betreuung grundsätzlich wie leibliche Kinder berücksichtigt. Für Pflegekinder darf kein Obhuts- und Pflegeverhältnis zu den leiblichen Eltern mehr bestehen.
Auslandsfälle
Bei Wohnsitz- oder Beschäftigungsbezügen in verschiedenen Staaten greifen Koordinierungsregeln. Bei Überschneidungen kommt es zu Vorrang- und Nachrangprüfungen; möglich sind Differenzzahlungen, wenn ein anderer Staat bereits Familienleistungen gewährt.
Erwerbstätigkeit des Kindes
Während der ersten Berufsausbildung oder des Erststudiums bleibt eine Erwerbstätigkeit grundsätzlich unschädlich. Nach Abschluss der Erstausbildung kann eine regelmäßige Erwerbstätigkeit von mehr als 20 Wochenstunden die Berücksichtigung ausschließen. Nicht schädlich sind typischerweise Ausbildungsdienstverhältnisse, duale Ausbildungen, kurzfristige Beschäftigungen und Minijobs.
Wechsel zwischen Schule, Ausbildung und Studium
Kurzzeitige Übergangsphasen, die zeitlich unmittelbar im Zusammenhang mit der Ausbildung stehen, sind berücksichtigungsfähig. Dazu zählen insbesondere Wartezeiten bis zum Beginn des nächsten Ausbildungsabschnitts innerhalb eines überschaubaren Zeitraums.
Verfahren und Nachweise
Laufende Leistungen
Für die laufende Leistung ist eine eindeutige Zuordnung der berechtigten Person erforderlich. Benötigt werden insbesondere die steuerliche Identifikationsnummer des Kindes und Nachweise über Geburt, Ausbildung, Freiwilligendienst oder Behinderung. Änderungen der Verhältnisse sind zu berücksichtigen, da sie die Anspruchslage beeinflussen.
Einkommensteuerveranlagung
Im Rahmen der Veranlagung zur Einkommensteuer prüft die Verwaltung automatisch, ob das Kindergeld oder die Freibeträge vorteilhafter sind. Freibeträge wirken erst im Steuerbescheid; das Kindergeld wird monatlich gezahlt und im Rahmen der Vergleichsrechnung angerechnet.
Rechtsfolgen und steuerliche Wirkung
Auswirkung auf die tarifliche Einkommensteuer
Freibeträge mindern das zu versteuernde Einkommen. Dies reduziert die tarifliche Einkommensteuer und kann zu Erstattungen oder geringeren Nachzahlungen führen. Das Kindergeld erhöht die Liquidität während des Jahres; über die Vergleichsrechnung wird am Jahresende ein Ausgleich hergestellt.
Zuschlagsteuern und weitere Abgaben
Die Minderung der tariflichen Einkommensteuer durch Freibeträge wirkt regelmäßig auch auf Zuschlagsteuern, beispielsweise den Solidaritätszuschlag und gegebenenfalls die Kirchensteuer. Auf sozialversicherungsrechtliche Beiträge hat die kinderbezogene steuerliche Berücksichtigung hingegen grundsätzlich keine unmittelbare Auswirkung.
Zeitliche Aspekte
Beginn und Ende der Berücksichtigung
Die Berücksichtigung setzt grundsätzlich mit dem Monat der Geburt ein und endet mit dem Monat, in dem die Voraussetzungen entfallen, etwa durch Erreichen der maßgeblichen Altersgrenze, Abschluss oder Abbruch der Ausbildung, Wegzug oder Tod. Bei Änderungen im Laufe des Jahres erfolgt eine monatsbezogene Betrachtung.
Rückwirkende Korrekturen
Ergeben sich nachträglich Änderungen, etwa durch verspätete Ausbildungsbescheinigungen oder Korrekturen des Ausbildungsstatus, kann dies zu rückwirkenden Anpassungen innerhalb der allgemeinen Festsetzungs- und Zahlungsverjährungsfristen führen.
Abgrenzungen
Nichtsteuerliche Leistungen
Leistungen wie Kinderzuschlag, Elterngeld oder Leistungen der Grundsicherung sind keine steuerlichen Instrumente. Sie werden eigenständig nach sozialrechtlichen Kriterien gewährt und sind von der steuerlichen Berücksichtigung zu unterscheiden.
Unterhalt und Steuerrecht
Die zivilrechtliche Unterhaltspflicht und die steuerliche Berücksichtigung verfolgen unterschiedliche Zwecke. Ein zivilrechtlicher Anspruch führt nicht automatisch zu einer bestimmten steuerlichen Behandlung; maßgeblich sind die jeweils geltenden steuerlichen Kriterien.
Häufig gestellte Fragen
Ab wann und wie lange wird ein Kind steuerlich berücksichtigt?
Die Berücksichtigung beginnt mit dem Geburtsmonat und dauert grundsätzlich bis zur Volljährigkeit. Darüber hinaus ist eine Berücksichtigung bis zu einer festgelegten Altersgrenze möglich, wenn sich das Kind in Ausbildung, Studium, einem anerkannten Freiwilligendienst oder in einer kurzen Übergangszeit zwischen Ausbildungsabschnitten befindet. Bei Kindern mit Behinderung gelten besondere, altersunabhängige Regelungen.
Wie funktioniert die Vergleichsrechnung zwischen Kindergeld und Freibeträgen?
Während des Jahres wird das Kindergeld monatlich ausgezahlt. Im Steuerbescheid wird geprüft, ob die steuerlichen Freibeträge zu einer höheren Entlastung führen. Ist dies der Fall, werden die Freibeträge berücksichtigt und das bereits gezahlte Kindergeld gegengerechnet; maßgeblich bleibt der höhere Vorteil.
Können unverheiratete oder getrenntlebende Eltern die Freibeträge unterschiedlich aufteilen?
Ja, die Freibeträge stehen grundsätzlich beiden Eltern hälftig zu. Eine abweichende Zuordnung ist möglich, etwa wenn das Kind überwiegend im Haushalt eines Elternteils lebt oder Unterhaltspflichten nicht erfüllt werden. Der Freibetrag für Betreuung, Erziehung oder Ausbildung kann unter bestimmten Voraussetzungen auf den betreuenden Elternteil übertragen werden.
Wird ein im Ausland studierendes Kind berücksichtigt?
Ein Auslandsstudium steht der Berücksichtigung nicht grundsätzlich entgegen. Entscheidend sind der Ausbildungsstatus, der Staatenbezug und gegebenenfalls Koordinierungsregeln mit anderen Staaten. Bei EU-/EWR-Bezug und der Schweiz bestehen besondere Abstimmungsmechanismen; bei Drittstaaten gelten teilweise eingeschränkte Voraussetzungen.
Welche Auswirkungen hat eine umfangreiche Erwerbstätigkeit des volljährigen Kindes?
Während der ersten Berufsausbildung oder des Erststudiums ist eine Erwerbstätigkeit in der Regel unschädlich. Nach Abschluss der Erstausbildung kann eine regelmäßige Wochenarbeitszeit von mehr als 20 Stunden die Berücksichtigung ausschließen, sofern keine begünstigten Ausbildungs- oder Anlernverhältnisse vorliegen.
Wie werden Stief- und Pflegekinder behandelt?
Stief- und Pflegekinder werden wie leibliche Kinder berücksichtigt, wenn sie dem Haushalt angehören und im Fall von Pflegekindern ein auf Dauer angelegtes Obhuts- und Betreuungsverhältnis besteht, ohne fortbestehende Betreuung durch die leiblichen Eltern.
Kann neben Kindergeld auch der Ausbildungsfreibetrag in Betracht kommen?
Für volljährige Kinder in Berufsausbildung, die nicht im elterlichen Haushalt leben, kann zusätzlich ein Ausbildungsfreibetrag berücksichtigt werden. Dieser erfasst typisierte Mehrkosten der auswärtigen Unterbringung und wirkt unabhängig von der laufenden Leistung im Rahmen der Steuerveranlagung.
Wie werden Kinder mit Behinderung steuerlich berücksichtigt?
Kinder mit Behinderung können auch über die allgemeine Altersgrenze hinaus berücksichtigt werden, wenn die Behinderung vor Vollendung des 25. Lebensjahres eingetreten ist und eine selbständige Sicherung des Lebensunterhalts nicht möglich ist. Die konkrete Behandlung richtet sich nach dem Grad der Beeinträchtigung und der Unterhaltsbedürftigkeit.