Begriff und Definition der Kettenschenkung
Die Kettenschenkung bezeichnet eine Abfolge mehrerer Schenkungen, bei denen ein Vermögensgegenstand nicht im direkten Weg vom ursprünglichen Schenker zur endgültig begünstigten Person übertragen wird, sondern über eine oder mehrere zwischengeschaltete Personen. Ziel der Kettenschenkung ist häufig die Reduzierung der Schenkungsteuer durch die Nutzung mehrerer steuerlicher Freibeträge, die den beteiligten Personen jeweils zustehen. Die Kettenschenkung ist eine rechtlich komplexe Gestaltung, deren Zulässigkeit sich nach den Vorschriften des deutschen Zivil- und Steuerrechts richtet.
Rechtsgrundlagen
Zivilrechtliche Einordnung
Nach § 516 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ist eine Schenkung ein Vertrag, durch den jemand aus seinem Vermögen einen anderen bereichert, indem er ihm eine Leistung unentgeltlich zuwendet und beide Parteien mit dieser Verfügung einverstanden sind. Die Kettenschenkung besteht aus mehreren solchen eigenständigen Schenkungsverträgen zwischen den beteiligten Parteien.
Mehrstufigkeit der Schenkung
Bei der Kettenschenkung erfolgen die Schenkungen auf mehreren aufeinanderfolgenden Ebenen. So kann beispielsweise Elternteil A an Kind B schenken, das dann an Dritten C weiterschenkt. Jede einzelne Stufe stellt einen Schenkungsvertrag dar und ist rechtlich wie jede andere Schenkung zu betrachten.
Steuerrechtliche Betrachtung
Schenkungsteuerliche Freibeträge
Gemäß § 13 Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG) stehen Schenkern und Beschenkten je nach Verwandtschaftsgrad bestimmte Freibeträge zu. Durch die Einschaltung mehrerer Personen können die jeweiligen persönlichen Freibeträge mehrmals genutzt werden, wodurch sich die Steuerlast mindern kann.
Steuerumgehungsbekämpfung
Maßgeblich für die steuerliche Anerkennung der Kettenschenkung ist die tatsächliche Durchführung der einzelnen Schenkungsakte. Die Finanzverwaltung prüft, ob die Zuwendung an den Zwischenbeschenkten eine echte, wirksame und nicht nur zum Schein erfolgte Schenkung ist (§ 41 Abs. 2 Abgabenordnung – AO). Bloße Durchleitung der Vermögenswerte ohne wirtschaftliche Verfügungsbefugnis des Zwischenbeschenkten wird als Gestaltungsmissbrauch im Sinne des § 42 AO angesehen und steuerlich nicht anerkannt. In diesem Fall wird die Schenkung steuerlich dem Endbegünstigten zugerechnet (sog. Schenkkettendurchgriff).
Rechtsprechung zur Kettenschenkung
Die Rechtsprechung bestätigt, dass für die steuerrechtliche Anerkennung der Kettenschenkung eine tatsächliche und vollständige Bereicherung des Zwischenbeschenkten erforderlich ist (z. B. Bundesfinanzhof, Urteil vom 30.11.2011, II R 60/09). Dieser muss über das Geschenk zumindest vorübergehend eigenständig verfügen können. Eine im Voraus getroffene, vertragliche oder tatsächliche Verpflichtung zur Weitergabe an den endgültigen Empfänger spricht gegen eine schenkungsteuerlich wirksame Kettenschenkung zugunsten des Zwischenbeschenkten.
Voraussetzungen und Grenzen der Kettenschenkung
Eigenständige Verfügungsmacht des Zwischenbeschenkten
Ein wesentliches Kriterium für die Anerkennung als Kettenschenkung ist die eigenständige Verfügungsmacht desjenigen, der den Vermögensgegenstand weiterschenkt. Der Zwischenbeschenkte muss frei darüber entscheiden können, ob, wann und an wen er schenkt. Eine Weitergabeverpflichtung, auch wenn sie nur faktisch besteht, gefährdet die steuerliche Anerkennung der Zwischenschenkung.
Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten i.S.d. § 42 AO
Nach § 42 AO ist die Umgehung von Steuern durch missbräuchliche Gestaltung unwirksam. Eine missbräuchliche Kettenschenkung liegt insbesondere dann vor, wenn der Zwischengeschenkte lediglich als Durchleitungsstation dient und keine tatsächliche Verfügungsmacht erlangt. In diesem Fall wird steuerlich angenommen, dass der Vorgang einer Direktschenkung entspricht.
Praxisbeispiele für Kettenschenkungen
Beispiel 1: Kettenschenkung innerhalb der Familie
Ein Elternteil (A) schenkt seinem Kind (B) einen Geldbetrag innerhalb des steuerlichen Freibetrags. Nach angemessener Zeit schenkt B das Geld an seinen Ehepartner (C) weiter, wiederum innerhalb eines eigenen Freibetrags. So können beide Freibeträge voll ausgeschöpft werden. Eine steuerliche Anerkennung ist in der Regel unproblematisch, wenn B das Geld tatsächlich erhalten und zwischenzeitlich darüber verfügen konnte.
Beispiel 2: Vorgegebene Weitergabe
Schenkt A seinem Kind B mit der Bedingung, dass B unverzüglich den erhaltenen Betrag an Enkelkind C weitergibt, erkennt die Finanzverwaltung darin regelmäßig eine Umgehungstat. Die Schenkung wird steuerlich so behandelt, als habe A direkt an C geschenkt, wodurch höhere Steuern entstehen können.
Gestaltungen und Risiken
Zeitlicher Abstand und Nachweise
Ein ausreichender zeitlicher Abstand zwischen den einzelnen Schenkungsakten sowie eine lückenlose Dokumentation der Transaktionen können für die Anerkennung der Kettenschenkung von Bedeutung sein. Die reine Einzahlung auf ein gemeinsames Konto oder das Fehlen eines eigenen Nutzens durch den Zwischenbeschenkten bergen das Risiko der Nichtanerkennung.
Dokumentation der Schenkungsvorgänge
Zur Vermeidung steuerlicher Risiken sollten die jeweiligen Schenkungen schriftlich festgehalten und entsprechende Steueranmeldungen zeitgerecht durchgeführt werden. Es sollte klar erkennbar sein, dass jeder Zwischengeschenkte rechtlich wie wirtschaftlich über das zugewendete Vermögen verfügen konnte.
Abgrenzung zu anderen Gestaltungen
Unterschied zu Vereinigungs- und Durchgangsschenkung
Bei der (echten) Kettenschenkung stehen mehrere tatsächliche Bereicherungen im Vordergrund, während bei der sog. Vereinigungs- oder Durchgangsschenkung keine echte Verfügung des Zwischenbeschenkten vorliegt und daher steuerlich eine Direktschenkung angenommen wird.
Abgrenzung zur Unterauftragsvergabe
Im Gegensatz zur Unterauftragsvergabe, die keine Schenkung im Rechtssinne darstellt, muss im Rahmen der Kettenschenkung jede Zuwendung unentgeltlich und endgültig zum Vermögensbereich des Zwischenbeschenkten wechseln.
Fazit und Zusammenfassung
Die Kettenschenkung ist eine legale und vom Gesetzgeber anerkannte Möglichkeit der Vermögensweitergabe, sofern jede Stufe als eigenständige und tatsächliche Schenkung ausgestaltet wird und keine Verpflichtung zur Weiterleitung besteht. Die steuerliche Anerkennung hängt insbesondere von der eigenständigen Verfügungsmacht der jeweiligen Beschenkten ab. Gestaltungen, bei denen die Steuerersparnis im Vordergrund steht und der Schenkung keine wirtschaftliche Realität zu Grunde liegt, werden von der Finanzverwaltung kritisch beurteilt und können unterbunden werden. Die sorgfältige Dokumentation und Beachtung der steuerrechtlichen Vorgaben sind entscheidend für die erfolgreiche Durchführung einer Kettenschenkung.
Häufig gestellte Fragen
Welche rechtlichen Risiken bestehen bei einer Kettenschenkung?
Bei einer Kettenschenkung besteht das zentrale rechtliche Risiko darin, dass das Finanzamt die Kettenschenkung als steuerliche Gestaltung missbilligt und als Umgehungstatbestand nach § 42 der Abgabenordnung (AO) einstuft. Dies geschieht insbesondere dann, wenn die Schenkungen in engem zeitlichem Zusammenhang stehen, die Mittel nicht tatsächlich frei zur Verfügung gestellt werden und eine zivilrechtliche Durchgriffskette klar erkennbar ist. In diesem Fall kann das Finanzamt die sogenannten Zwischenerwerber – also die Person, über die die Schenkung läuft – als bloßen Strohmann werten. Damit wird das tatsächliche Schenkungsziel direkt besteuert und Freibeträge, die eigentlich den Zwischenerwerbern zustehen würden, außer Acht gelassen. Weiterhin droht im Falle einer steuerrechtlichen Nachprüfung eine rückwirkende Festsetzung der Schenkungsteuer, unter Umständen zuzüglich Zinsen und gegebenenfalls strafrechtlicher Konsequenzen, sofern ein vorsätzliches Handeln unterstellt wird.
Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit eine Kettenschenkung steuerlich anerkannt wird?
Für die steuerliche Anerkennung einer Kettenschenkung ist entscheidend, dass jede einzelne Schenkung rechtlich selbstständig und wirtschaftlich eigenständig ist. Der sogenannte Zwischenerwerber muss nach dem Willen des Schenkers in der Lage sein, frei und ohne Bindung über die erhaltenen Mittel zu verfügen. Es darf insbesondere kein vertragliches oder tatsächliches Abhängigkeitsverhältnis oder eine Weisung des ursprünglichen Schenkers hinsichtlich der Weitergabe bestehen. Die Schenkungen sollten zeitlich nicht zu eng beieinander liegen, um eine vorherige Abstimmung und damit das Vorliegen eines einheitlichen Schenkungsvorgangs zu vermeiden. Ferner ist eine gründliche Dokumentation – zum Beispiel das Existieren von Schenkungsverträgen und Banküberweisungen – sowie der Nachweis der tatsächlichen Verfügungsmöglichkeit des Zwischenerwerbers unerlässlich.
Wie unterscheidet das Finanzamt zwischen zulässiger Kettenschenkung und Gestaltungsmissbrauch?
Das Finanzamt prüft, ob eine Kettenschenkung tatsächlich vorliegt oder ob lediglich eine rechtliche Gestaltung gewählt wurde, um die Steuerfreibeträge auszunutzen. Dabei werden Kriterien wie die Eigenständigkeit der einzelnen Schenkungen, die Zeitabstände zwischen den Schenkungen, der Wille des Zwischenerwerbers sowie formelle und wirtschaftliche Zusammenhänge betrachtet. Bestehen Hinweise darauf, dass die Beteiligten von vornherein verabredet haben, die Schenkung nur insoweit zwischenzuschalten, als Steuerfreibeträge ausgenutzt werden sollen, ist von einem Gestaltungsmissbrauch auszugehen. In der Praxis orientiert sich die Finanzverwaltung an den Vorgaben der Verwaltungsanweisungen und der einschlägigen Rechtsprechung, darunter insbesondere an der Entscheidung des Bundesfinanzhofs zu Zwischenschenkungen.
Welche Nachweispflichten hat der Steuerpflichtige im Fall einer Kettenschenkung?
Im Falle einer Kettenschenkung liegt die Nachweispflicht für die Eigenständigkeit der einzelnen Schenkungen und die uneingeschränkte Verfügungsmacht beim Steuerpflichtigen. Dieser muss durch geeignete Dokumente belegen, dass der Zwischenerwerber tatsächlich eine eigene (wirtschaftliche) Entscheidung über die Weitergabe des Vermögens getroffen hat. Dies kann durch entsprechende Verträge, Kontoauszüge, Willenserklärungen und ggf. Zeugen erfolgen. Je genauer und vollständiger die Abläufe dokumentiert werden, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit der steuerlichen Anerkennung. Das Finanzamt kann zudem eine detaillierte Darstellung der Vorgänge und Hintergründe anfordern und gegebenenfalls weitere Beweismittel verlangen.
Kann eine Kettenschenkung nachträglich rückabgewickelt werden, wenn das Finanzamt sie nicht anerkennt?
Die Rückabwicklung einer Kettenschenkung nach Ablehnung durch das Finanzamt ist rechtlich nicht immer möglich oder gar sinnvoll. Grundsätzlich handelt es sich bei einer vollzogenen Schenkung um einen abgeschlossenen Rechtsvorgang, der nur aufgrund besonderer Umstände – wie beispielsweise Anfechtung wegen Irrtums oder wegen Sittenwidrigkeit – rückgängig gemacht werden kann. Die steuerrechtlichen Folgen können allerdings nicht einfach durch Rückgängigmachung aufgehoben werden; vielmehr greift grundsätzlich das sogenannte steuerliche Rückwirkungsverbot, wonach bereits entstandene Steuerschulden (z. B. Schenkungsteuerbescheide) nur unter engen Voraussetzungen aufgehoben oder angepasst werden können. In der Regel ist damit eine nachträgliche steuerliche Korrektur ausgeschlossen, es sei denn, das Zivilrecht ermöglicht eine wirksame Rückabwicklung und diese wird steuerlich als rückwirkendes Ereignis anerkannt.
Wie wirken sich Kettenschenkungen auf die Steuerklassen der Beteiligten aus?
Jede Schenkung innerhalb einer Kettenschenkung wird einzeln für die Ermittlung der Steuerklasse und der Freibeträge betrachtet. Maßgeblich ist immer das Verhältnis zwischen Schenker und Beschenktem. So steht etwa dem Zwischenerwerber gegenüber dem ursprünglichen Schenker – abhängig von der Verwandtschaft – ein bestimmter Freibetrag und eine Steuerklasse zu. Bei Weitergabe des Vermögens von diesem Zwischenerwerber an den eigentlichen Endempfänger sind die Freibeträge und die Steuerklasse erneut individuell zu bestimmen. Werden die Voraussetzungen der steuerlichen Eigenständigkeit nicht erfüllt, kann das Finanzamt jedoch beide Schenkungen zusammenfassen und die ungünstigere Steuerklasse bzw. Freibetrag anwenden, die zwischen dem ursprünglichen Schenker und dem Endempfänger besteht.
Wie sollte eine Kettenschenkung rechtlich gestaltet werden, um Steuerfallen zu vermeiden?
Um im Rahmen einer Kettenschenkung rechtlichen Fallstricken zu entgehen, empfiehlt sich die sorgfältige rechtliche Gestaltung aller Einzelakte. Insbesondere sollten für beide Schenkungsakte eigenständige und nachvollziehbare Verträge geschlossen werden, die auch eine tatsächliche Übertragung des Vermögens und der Verfügungsmacht an den Zwischenerwerber dokumentieren. Die Zwischenschenkung sollte mit einem ausreichenden Zeitabstand zur Weiterschenkung erfolgen, wobei der Zwischenerwerber nachweisbar die Möglichkeit haben muss, frei über das geschenkte Vermögen zu verfügen (ggf. sogar einen Teil für eigene Zwecke zu verwenden). Es ist zudem ratsam, jegliche vertragliche oder faktische Bindungen hinsichtlich der Weitergabe zu vermeiden. Bei Unsicherheiten sollte stets rechtlicher und steuerlicher Rat eingeholt werden.