Legal Lexikon

Kernwaffen


Begriff und Begriffsgeschichte der Kernwaffen

Kernwaffen, häufig auch als Atomwaffen oder nukleare Waffen bezeichnet, sind Massenvernichtungswaffen, deren zerstörerische Wirkung auf Kernspaltungs- (Fission) oder Kernverschmelzungsprozessen (Fusion) beruht. Ihr Einsatzpotential und ihre völkerrechtliche Bedeutung machen sie zu einem zentralen Gegenstand des internationalen Sicherheitsrechts und des humanitären Völkerrechts. Der Begriff umfasst dabei sowohl Sprengkörper auf Basis von Uran-235 und Plutonium-239 (Atombomben) als auch Wasserstoffbomben, die mittels Fusion zusätzliche Energie freisetzen.

Völkerrechtliche Regelungen zu Kernwaffen

VN-Charta und das Gewaltverbot

Die Nutzung von Kernwaffen ist unmittelbar mit dem in Artikel 2 Ziffer 4 der Charta der Vereinten Nationen (VN-Charta) verankerten Gewaltverbot verbunden. Der Einsatz oder die Androhung dieser Waffen steht in unmittelbarem Zusammenhang mit den Grundprinzipien des Völkerrechts. Jeder nicht gerechtfertigte Einsatz verstößt gegen das umfassende Gewaltverbot sowie das Prinzip der friedlichen Streitbeilegung internationaler Konflikte.

Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen (NVV)

Der NVV (engl. Treaty on the Non-Proliferation of Nuclear Weapons, NPT) bildet seit 1970 das wichtigste multilaterale Vertragswerk zur Begrenzung der Weiterverbreitung und Förderung der nuklearen Abrüstung. Er unterscheidet zwischen Kernwaffenstaaten (USA, Russland, Großbritannien, Frankreich, China) und Nicht-Kernwaffenstaaten.

Verpflichtungen der Vertragsstaaten

  • Kernwaffenstaaten verpflichten sich, keine Kernwaffen an andere Staaten weiterzugeben und auf nukleare Abrüstung hinzuwirken (Art. VI NVV).
  • Nicht-Kernwaffenstaaten verpflichten sich, keine Kernwaffen zu erwerben oder zu entwickeln (Art. II NVV).
  • Überwachungsmechanismen, vor allem durch die Internationale Atomenergieorganisation (IAEO), gewährleisten die Einhaltung der Verpflichtungen.

Vertrag über das vollständige Verbot von Kernwaffen (TPNW)

Der im Jahr 2017 verabschiedete „Vertrag über das vollständige Verbot von Kernwaffen“ (Treaty on the Prohibition of Nuclear Weapons, TPNW) verbietet Entwicklung, Test, Produktion, Erwerb, Lagerung, Stationierung und Einsatz von Kernwaffen. Der Vertrag trat 2021 in Kraft. Bislang haben ihn vorwiegend Staaten ohne Atomwaffenratifiziert. Kernwaffenstaaten und ihre Verbündeten sind dem Vertrag bislang nicht beigetreten.

Weitere völkerrechtliche Verträge und Übereinkommen

  • Vertrag über das umfassende Verbot von Nuklearversuchen (CTBT, Comprehensive Nuclear-Test-Ban Treaty) – noch nicht in Kraft.
  • Verschiedene regionale kernwaffenfreie Zonen, z. B. der Vertrag von Tlatelolco (Lateinamerika), Pelindaba-Vertrag (Afrika), Bangkok-Vertrag (Südostasien).

Humanitäres Völkerrecht und Kernwaffen

Prinzipien des Kriegsvölkerrechts

Das Einsatzverbot oder die Einschränkung des Einsatzes von Kernwaffen ergibt sich aus allgemeinen Regeln des humanitären Völkerrechts. Zu nennen sind insbesondere:

  • Grundsatz der Unterscheidung zwischen Kombattanten und Zivilisten (Art. 48 ZP I zum Genfer Abkommen)
  • Verbot von Angriffen ohne militärische Notwendigkeit (Art. 35 ZP I)
  • Verbot unverhältnismäßiger Angriffe (Art. 51 Abs. 5 ZP I)
  • Verbot von Waffen, die übermäßiges Leiden verursachen oder unterschiedslos wirken (Haager Landkriegsordnung, Art. 23)

Rechtsgutachten des Internationalen Gerichtshofs

Im Gutachten vom 8. Juli 1996 erklärte der Internationale Gerichtshof (IGH), dass der Einsatz von Kernwaffen grundsätzlich gegen das humanitäre Völkerrecht verstößt und in der Regel unzulässig ist. Letzte Zweifel ließ das Gericht jedoch für Extremsituationen (etwa das Überleben eines Staates) offen.

Nationales Recht und Kernwaffen

Strafrechtlicher Umgang mit Kernwaffenbesitz und -einsatz

Der Besitz, die Herstellung und die Weitergabe von Kernwaffen ist in vielen Staaten strafbewehrt. In Deutschland ist der Umgang mit Kernwaffen insbesondere nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz (KWKG) sowie dem Außenwirtschaftsgesetz (AWG) streng verboten. § 19a KWKG stellt Herstellung, Besitz und Weitergabe von Kernwaffen unter Strafe.

Atomgesetz und kerntechnische Anlagen

Das deutsche Atomgesetz (AtG) regelt den Umgang mit kerntechnischen Anlagen ausdrücklich und differenziert Kernwaffen und friedliche Nutzung von Kernenergie streng.

Abstimmung mit internationalem Recht

Die innerstaatlichen Rechtsnormen sind auf die Einhaltung der völkerrechtlichen Verträge ausgerichtet, etwa NVV und das Zusatzabkommen zur Sicherungsüberprüfung durch die IAEO.

Verantwortlichkeit und Haftung

Staatliche Verantwortung

Staaten haften für Verstöße gegen internationale Abkommen im Zusammenhang mit Kernwaffen. Sanktionen können im Rahmen der VN-Charta verhängt werden.

Individuelle Strafverfolgung

Individuelle Verantwortlichkeit für den Einsatz von Kernwaffen kann unter das Völkerstrafrecht fallen. Verwendung oder Drohung mit Kernwaffen gegen Zivilisten kann als Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder Völkermord verfolgt werden (vgl. Römisches Statut des Internationalen Strafgerichtshofs, ICC).

Kontrolle und Überwachung

Internationale Atomenergie-Organisation (IAEO)

Die IAEO überwacht die Einhaltung nuklearer Verpflichtungen, führt Inspektionen durch und stellt die friedliche Nutzung sicher.

Exportkontrolle und Dual-Use-Güter

Nationale Behörden und internationale Regime wie die Nuclear Suppliers Group (NSG) regeln den Export kernwaffenverdächtiger Güter und Technologien.

Fazit

Kernwaffen stellen ein zentrales Thema des internationalen und nationalen Rechts dar. Ihr Besitz, ihre Entwicklung und ihr Einsatz sind durch eine Vielzahl verbindlicher Verträge, Konventionen und Übereinkommen streng reguliert. Die besondere Gefährlichkeit dieser Waffen begründet weitreichende völker- und strafrechtliche Verantwortlichkeiten für Staaten und Einzelpersonen, mit dem Ziel einer globalen Abrüstung sowie dem Schutz der Menschheit und der internationalen Sicherheit.

Häufig gestellte Fragen

Wer ist nach internationalem Recht zum Besitz und zur Entwicklung von Kernwaffen berechtigt?

Gemäß dem Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen (NVV, englisch: NPT), der 1968 verabschiedet wurde und seit 1970 in Kraft ist, dürfen lediglich fünf Staaten – namentlich die USA, Russland, Großbritannien, Frankreich und China – als offizielle Kernwaffenstaaten gelten. Diese Privilegierung basiert auf dem Stand des Kernwaffenbesitzes zum 1. Januar 1967. Allen anderen Mitgliedsstaaten ist die Entwicklung oder der Erwerb von Kernwaffen untersagt. Der NVV verpflichtet die Kernwaffenstaaten zwar zur Abrüstung und zur Nichtweitergabe von Kernwaffentechnologie an Nicht-Kernwaffenstaaten. Gleichzeitig dürfen diese Staaten zivile Nukleartechnik für friedliche Zwecke nach Kontrolle durch die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEO) nutzen. Der rechtliche Rahmen wird durch zahlreiche Zusatzprotokolle, Resolutionen des UN-Sicherheitsrates sowie bilaterale Verträge ergänzt. Verstöße können zu massiven Sanktionen oder internationalen Strafverfolgungsmaßnahmen führen.

Inwiefern ist die Herstellung, Weitergabe oder Stationierung von Kernwaffen auf fremdem Staatsgebiet völkerrechtlich geregelt?

Die Herstellung, Weitergabe oder Stationierung von Kernwaffen auf fremdem Staatsgebiet ist durch verschiedene völkerrechtliche Instrumente reglementiert. Nach Art. I und II NVV sind Kernwaffenstaaten verpflichtet, keine Waffen oder Kontrolle darüber in irgendeiner Weise an Nichtkernwaffenstaaten direkt oder indirekt weiterzugeben. Nichtkernwaffenstaaten wiederum dürfen keine solchen Waffen von irgendjemandem erhalten oder suchen. Gegen die Stationierung auf fremdem Boden sprechen zudem regionale Verträge wie der Vertrag von Tlatelolco (Lateinamerika), der Vertrag von Rarotonga (Südpazifik) oder der Vertrag von Pelindaba (Afrika), welche kernwaffenfreie Zonen etablieren. Die bilateralen Abkommen zur Stationierung von US-Kernwaffen in europäischen NATO-Mitgliedsstaaten sind völkerrechtlich umstritten und werden teilweise als Grauzone betrachtet. Die Legalität hängt oft von nationalen Zustimmungsgesetzen, Geheimhaltungsstandards und Bündnisregelungen ab.

Welche rechtlichen Konsequenzen drohen bei Verstößen gegen das Nichtverbreitungsregime?

Verstöße gegen das internationale Nichtverbreitungsregime, insbesondere den NVV, können eine Reihe rechtlicher Konsequenzen nach sich ziehen. Die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEO) ist befugt, Verdachtsfälle zu untersuchen und Verstöße dem UN-Sicherheitsrat zu melden. Dieser kann nach Kapitel VII der UN-Charta Sanktionen verhängen, die von diplomatischen bis hin zu wirtschaftlichen Strafmaßnahmen reichen. Strikt völkerrechtswidrige Handlungen wie der heimliche Bau von Kernwaffen oder deren illegaler Erwerb werden weiterhin als schwerwiegende Bedrohung für den Weltfrieden angesehen und können sogar militärische Gegenmaßnahmen nach sich ziehen. Zudem können bilaterale oder regionale Bündnisse Vertragsverletzungen mit eigenen Sanktionsmaßnahmen ahnden. Beispielhaft ist hier das Vorgehen gegen Nordkorea zu nennen, das nach seinem Austritt aus dem NVV mit umfassenden UN-Sanktionen belegt wurde.

Welche Rolle spielen Staaten, die dem Nichtverbreitungsvertrag nicht beigetreten sind?

Staaten, die dem NVV nicht beigetreten sind – wie Indien, Pakistan, Israel und Südsudan – unterliegen nicht direkt den sich aus dem Vertrag ergebenden Verpflichtungen. Völkerrechtlich betrachtet bewegen sie sich in einer Grauzone, da sie sich keinem bindenden internationalen Kontrollregime unterwerfen. Dennoch gelten für sie allgemeine Prinzipien des Völkerrechts, darunter das Friedensgebot der UN-Charta. Die internationale Staatengemeinschaft versucht durch politische und wirtschaftliche Druckmittel sowie durch nicht-bindende Resolutionen Einfluss auf diese Staaten zu nehmen. Spezifische Exportkontrollregimes wie die „Nuclear Suppliers Group“ (NSG) versuchen zudem, die Weitergabe nuklearer Materialien und Technologien einzuschränken, unabhängig vom NVV-Status eines Landes.

Gibt es völkerrechtlich verbindliche Maßnahmen zur nuklearen Abrüstung?

Ja, das internationale Recht kennt mehrere verbindliche Vorgaben für nukleare Abrüstung. Der NVV verpflichtet alle Vertragsparteien in Art. VI, Verhandlungen in redlicher Absicht über wirksame Maßnahmen zur Beendigung des nuklearen Wettrüstens und zur Abrüstung zu führen. Darüber hinaus existieren bilaterale Abrüstungsverträge – zum Beispiel START, INF- und SORT-Abkommen zwischen den USA und Russland -, die konkrete Reduktionsschritte und Inspektionen vorschreiben. Regionale Verträge wie die kernwaffenfreien Zonen enthalten ebenfalls Abrüstungsverpflichtungen für die betroffenen Regionen. Eine umfassende völkerrechtliche Verpflichtung zur vollständigen nuklearen Abrüstung besteht mit dem Vertrag über das Verbot von Kernwaffen (TPNW), der 2017 verabschiedet wurde. Allerdings wurde dieses Abkommen bisher nicht von den Kernwaffenstaaten ratifiziert.

Ist der Einsatz von Kernwaffen nach den Regeln des humanitären Völkerrechts zulässig?

Die Frage, ob der Einsatz von Kernwaffen nach dem humanitären Völkerrecht (HVR) zulässig ist, wurde 1996 vom Internationalen Gerichtshof (IGH) in einem Gutachten behandelt. Der IGH stellte fest, dass der Einsatz von Kernwaffen grundsätzlich im Widerspruch zu den Prinzipien des HVR – insbesondere Unterscheidung, Verhältnismäßigkeit und das Verbot unnötiger Leiden – steht. Es konnte jedoch keine abschließende Einschätzung erfolgen, ob der Einsatz unter allen Umständen per se rechtswidrig ist, insbesondere wenn das Überleben eines Staates bedroht ist. Praktisch gesehen ist der Einsatz nach den meisten juristischen Meinungen kaum vorstellbar, ohne gegen das HVR zu verstoßen. Es existieren keine expliziten völkerrechtlichen Bestimmungen, die Kernwaffen per se verbieten, außer dem TPNW, der jedoch für Kernwaffenstaaten nicht bindend ist.

Welche Kontrollinstrumente und Überwachungsmechanismen existieren zur Einhaltung der kernwaffenbezogenen Rechtsnormen?

Zur Gewährleistung und Überprüfung der Einhaltung relevanter Rechtsnormen existieren zahlreiche Kontrollinstrumente. Überwiegend ist hier die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEO) zu nennen, die durch Inspektionen und Überwachungsregime (Safeguards) sicherstellt, dass nukleare Materialien nicht für militärische Zwecke abgezweigt werden. Ergänzt werden diese durch weitergehende Protokolle wie das Zusatzprotokoll zum NVV, das unangekündigte Inspektionen erlaubt. Zudem existiert mit der Nuklearen-Teststopp-Vertrags-Organisation (CTBTO) ein internationales Netzwerk aus Messstationen zur Überwachung von Nukleartests. Exportkontrollregimes wie die NSG und die Zangger-Kommission koordinieren den Handel mit kernwaffenrelevanten Technologien. Schließlich tragen auch nationale Behörden – wie etwa das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle in Deutschland – zur Umsetzung und Kontrolle dieser Verpflichtungen bei.