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Kernbrennstoffsteuer


Begriff und Einführung: Kernbrennstoffsteuer

Die Kernbrennstoffsteuer ist eine Verbrauchsteuer, die in Deutschland auf Kernbrennstoffe – insbesondere Uran und Plutonium – erhoben wurde, sofern sie zur gewerblichen Stromerzeugung in Kernreaktoren eingesetzt wurden. Die Steuer hatte sowohl haushalts- als auch energiepolitische Ziele. Ihre Einführung, Umsetzung und die spätere Abschaffung waren Gegenstand intensiver politischer und gerichtlicher Auseinandersetzungen.

Rechtlicher Rahmen und historische Entwicklung

Einführung durch das Kernbrennstoffsteuergesetz

Die gesetzliche Grundlage der Kernbrennstoffsteuer bildete das Kernbrennstoffsteuergesetz (KernbrStG), das am 8. Dezember 2010 in Kraft trat. Die Steuer wurde als Verbrauchsteuer im Sinne von Artikel 106 Absatz 1 Nummer 2 Grundgesetz ausgestaltet und erhob sich auf das Verwenden von Kernbrennstoffen zur gewerblichen Erzeugung von Elektrizität.

Nach § 2 Abs. 1 KernbrStG betraf die Steuer insbesondere die erstmalige Nutzung der folgenden Stoffe in der gewerblichen Stromerzeugung:

  • Uran-235
  • Uran-233
  • Plutonium-239
  • Plutonium-241

Die Abgabe wurde nicht für den Forschungsbetrieb oder zu medizinischen Zwecken sowie für den Export von Kernbrennstoffen erhoben.

Steuergegenstand und Steuermaßstab

Steuergegenstand war das erstmalige Verwenden von Kernbrennstoffen in Kernreaktoren zur gewerblichen Erzeugung von Strom (§ 1 Abs. 1 KernbrStG). Der Steuermaßstab richtete sich nach der Masse des eingesetzten Kernbrennstoffs in Gramm. Die Höhe der Steuer war nach § 5 KernbrStG auf 145 Euro pro Gramm Uran bzw. Plutonium festgesetzt.

Steuerpflicht und Entstehung

Steuerschuldner war nach § 3 KernbrStG die Person des Betreibers des Kernkraftwerks. Die Steuer entstand mit dem „Verwenden“ der Kernbrennstoffe, das heißt im Zeitpunkt, zu dem die Brennelemente die Anlage zur gewerblichen Stromerzeugung aufgenommen wurden.

Gesetzgeberische Zielsetzung und politische Einordnung

Die Einführung der Kernbrennstoffsteuer erfolgte im Zuge der Debatten zur Förderung erneuerbarer Energien und zur Begrenzung der Laufzeiten von Kernkraftwerken. Sie diente neben der Etablierung einer weiteren Einnahmequelle für den Bundeshaushalt insbesondere dazu, die Stromerzeugung aus Kernenergie finanzpolitisch stärker zu belegen und damit energetisch lenkende Anreize zu setzen.

Rechtsstreitigkeiten und zentrale Urteile

Vorlage zum Europäischen Gerichtshof

Mehrere Energieversorgungsunternehmen erhoben angesichts der Steuererhebung Klagen gegen den Bund und machten europarechtliche und verfassungsrechtliche Bedenken geltend. Insbesondere stand im Raum, dass die Steuer gegen die Verbrauchsteuerrichtlinie der Europäischen Union verstoße.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschied am 4. Juni 2015 (C-5/14), dass die deutsche Kernbrennstoffsteuer mit dem Unionsrecht vereinbar ist, da sie keine „verbrauchsteuerpflichtige Energieerzeugnissteuer“ im Sinne der Richtlinie 2003/96/EG sei und ihre Erhebung insoweit nicht durch unionsrechtliche Regelungen blockiert wurde.

Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts

Im Zentrum der verfassungsrechtlichen Kritik stand die Frage, ob der Bund zur Erhebung einer solchen Steuer im Rahmen seiner Gesetzgebungskompetenzen befugt war. Das Bundesverfassungsgericht stellte am 13. April 2017 (2 BvL 6/13) fest, dass die vom Kernbrennstoffsteuergesetz erhobene Steuer verfassungswidrig war. Sie falle nicht unter den Katalog der Verbrauchsteuern und gehe damit über die Steuergesetzgebungskompetenz des Bundes nach Artikel 106 GG hinaus.

Das Gericht argumentierte, dass der Gesetzgeber mit der Kernbrennstoffsteuer keine Steuer im klassischen Sinne, sondern faktisch eine Sonderabgabe zur Abschöpfung außerordentlicher Gewinne beabsichtigt habe.

Rückabwicklung und Folgen

Infolge des Urteils mussten die gezahlten Steuern von rund 6,3 Milliarden Euro an die Kernkraftwerksbetreiber zurückerstattet werden. Das Urteil markiert einen bedeutenden Meilenstein im Streit um die finanzielle Belastung der Kernenergieindustrie.

Abschaffung und Auslaufen der Steuer

Das Kernbrennstoffsteuergesetz trat gemäß § 12 KernbrStG am 1. Juli 2017 außer Kraft. Bereits zuvor lief die Steuer faktisch aus, da aufgrund des Atomausstiegs Kernkraftwerke nach und nach den Betrieb einstellten und somit der Einsatz von Kernbrennstoffen zur gewerblichen Stromerzeugung zurückging.

Zusammenfassende Bewertung im Steuerrecht

Die Kernbrennstoffsteuer repräsentiert eine markante steuerrechtliche Sonderentwicklung im deutschen Verbrauchsteuerrecht. Das Kernbrennstoffsteuergesetz verdeutlichte die Möglichkeiten und Grenzen der Finanzverfassung des Bundes hinsichtlich der Erhebung produkt- und branchenbezogener Steuern. Ihre nachträgliche Aufhebung infolge verfassungsrechtlicher Durchsetzung unterstreicht die Bindung offensiver steuerlicher Maßnahmen an die Kompetenzordnung des Grundgesetzes.

Literatur und weiterführende Hinweise

  • Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 13. April 2017 – 2 BvL 6/13
  • Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 4. Juni 2015 – C-5/14
  • Kernbrennstoffsteuergesetz (KernbrStG), BGBl. I Nr. 61 vom 8. Dezember 2010
  • Bundestagsdrucksache 17/3050 – Entwurf eines Gesetzes zur Besteuerung von Kernbrennstoffen
  • Kube, Hartmut: „Kernbrennstoffsteuer und Bundeskompetenzen“, Deutsches Verwaltungsblatt 2017, 1557-1563

Dieser Lexikonartikel bietet einen umfassenden Überblick über die juristische Bedeutung, Entwicklung und Ausgestaltung der Kernbrennstoffsteuer in Deutschland.

Häufig gestellte Fragen

Wann und auf welcher gesetzlichen Grundlage wurde die Kernbrennstoffsteuer eingeführt?

Die Kernbrennstoffsteuer wurde in Deutschland durch das Gesetz zur Besteuerung von Kernbrennstoffen (KernbrStG) vom 8. Dezember 2010 eingeführt und trat rückwirkend zum 1. Januar 2011 in Kraft. Die rechtliche Grundlage bildet das Kernbrennstoffsteuergesetz, welches insbesondere die Erhebung der Steuer auf die Verwendung von Kernbrennstoffen – konkret Uran 235, Uran 233 und Plutonium 239 – in Leistungsreaktoren zur gewerblichen Stromerzeugung regelt. Das Gesetz wurde im Zuge der damaligen energiepolitischen Diskussionen um die Laufzeitverlängerung von Kernkraftwerken beschlossen. Die Steuerpflicht bezog sich ausschließlich auf Kernbrennstoffe, die erstmals im Geltungsbereich des Gesetzes zur gewerblichen Erzeugung von elektrischem Strom verwendet wurden. Das Gesetz sah neben der Definition des Steuertatbestands konkrete Regelungen zur Steuerbemessung, Steuerentstehung und zur Fälligkeit der Steuer vor. Die Zuständigkeit für die Verwaltung und Festsetzung der Steuer lag beim Hauptzollamt. Mit Ablauf des 31. Dezember 2016 trat das Kernbrennstoffsteuergesetz außer Kraft; der Gesetzgeber sah keine Verlängerung des Besteuerungszeitraums vor.

Wer war steuerpflichtig und unter welchen Bedingungen entstand die Steuerschuld?

Steuerpflichtig im Sinne des Kernbrennstoffsteuergesetzes waren grundsätzlich die Betreiber von Kernkraftwerken, die Kernbrennstoffe erstmals zur gewerblichen Stromerzeugung verwendeten. Entscheidend war, dass die Verwendung zum ersten Mal nach dem 1. Januar 2011 und vor dem 1. Januar 2017 im räumlichen Geltungsbereich des Gesetzes erfolgte. Die Steuerschuld entstand rechtlich unmittelbar zu dem Zeitpunkt, in dem der Kernbrennstoff in einem Leistungsreaktor zum Zweck der gewerblichen Stromerzeugung eingesetzt wurde. Nicht die Anschaffung oder Einfuhr, sondern allein der erstmalige Einsatz im Reaktorbetrieb war das steuerlich maßgebliche Ereignis. Gesetzlich geregelt wurde ferner, dass mehrere Mitbetreiber steuerrechtlich als Gesamtschuldner in Anspruch genommen werden konnten. Damit waren sie gesamtschuldnerisch verpflichtet, die Steuer an die zuständige Zollbehörde abzuführen.

Welche Ausnahmen und Befreiungstatbestände sah das Gesetz vor?

Das Kernbrennstoffsteuergesetz enthielt klare gesetzliche Ausnahmen und Befreiungen von der Steuerpflicht. Insbesondere waren Kernbrennstoffe von der Steuer ausgenommen, sofern sie für Forschungszwecke in Forschungsreaktoren oder – unter bestimmten Bedingungen – für medizinische, wissenschaftliche oder andere nicht-gewerbliche Zwecke verwendet wurden. Nicht steuerpflichtig war auch die bloße Lagerung oder Beförderung ohne Verwendungsbezug (§ 2 Abs. 2 KernbrStG). Explizite Steuerbefreiungen gab es zudem, wenn Kernbrennstoffe nicht in Leistungsreaktoren, sondern etwa in sogenannten Versuchsreaktoren eingesetzt wurden. Die Ausnahmen mussten im Einzelfall durch Nachweise gegenüber den Behörden belegt werden.

Wie erfolgte die Bemessung und Festsetzung der Steuer?

Die Steuer wurde nach den Vorgaben des Gesetzes mengenabhängig bemessen. Maßgeblich war die tatsächlich verwendete Menge der steuerpflichtigen Kernbrennstoffe, also der Masse an Uran 235, Uran 233 oder Plutonium 239, die erstmals im Reaktor verwendet wurde. Der Steuersatz betrug dabei gemäß § 3 Abs. 1 KernbrStG 145 Euro je Gramm der genannten Spaltstoffe. Für die Festsetzung der Steuer waren die Betreiber verpflichtet, dem zuständigen Hauptzollamt die Verwendung innerhalb einer gesetzlich bestimmten Frist mittels einer sogenannten Steueranmeldung zu melden. Diese Anmeldung hatte wahrheitsgemäß und vollständig zu erfolgen; Verstöße konnten als Ordnungswidrigkeit oder gar Steuerhinterziehung geahndet werden. Die Festsetzung erfolgte im Rahmen eines Steuerbescheids durch das Hauptzollamt.

Welche Bedeutung hatten die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur Kernbrennstoffsteuer?

Die Besteuerung von Kernbrennstoffen wurde durch mehrere Gerichte, zuletzt das Bundesverfassungsgericht, geprüft. Im Urteil vom 13. April 2017 (Az. 2 BvL 6/13 u.a.) entschied das Bundesverfassungsgericht, dass das Kernbrennstoffsteuergesetz mit dem Grundgesetz unvereinbar und nichtig ist. Im Kern bemängelte das Gericht das Fehlen einer Gesetzgebungskompetenz des Bundes für diese Steuer, da sie keine Verbrauchsteuer im Sinne des Grundgesetzes darstelle und es an einer entsprechenden Gesetzgebungskompetenz fehlte. Die Entscheidung hatte weitreichende Folgen: Bereits gezahlte Steuerbeträge mussten an die Betreiber der Kernkraftwerke zurückerstattet werden. Die juristische Auseinandersetzung betraf insbesondere die Rückabwicklung der Steuerfestsetzungen und die rechtliche Stellung der begünstigten Unternehmen.

In welchem Verhältnis stand die Kernbrennstoffsteuer zu anderen steuerlichen Regelungen für Energieerzeugung?

Die Kernbrennstoffsteuer war eine spezifische, zusätzliche Besteuerung von Kernbrennstoffen und trat neben bereits bestehende Energiesteuern. Insbesondere war sie unabhängig von der Stromsteuer gemäß Stromsteuergesetz (StromStG), die ebenfalls bei der gewerblichen Stromerzeugung erhoben wird, allerdings nicht gegenstandslos durch die Kernbrennstoffsteuer wurde. Auch andere umweltbezogene oder energierechtliche Abgaben – beispielsweise Emissionshandelspflichten oder EEG-Umlage – blieben von der Regelung unberührt. Die Kernbrennstoffsteuer war damit ein eigenständiger steuerlicher Belastungstatbestand für die Betreiber von Kernkraftwerken.

Wie erfolgte die Verwaltung und Überwachung der Kernbrennstoffsteuer?

Für die Verwaltung und Überwachung der Kernbrennstoffsteuer waren die Hauptzollämter zuständig. Diese Behörden prüften die Steueranmeldungen, setzten die Steuer fest, erhoben die Beträge und führten Betriebsprüfungen durch, um die ordnungsgemäße Entrichtung der Steuer zu überprüfen. Die Hauptzollämter hatten im Rahmen ihrer Zuständigkeit weitreichende Befugnisse zur Prüfung der Betriebsunterlagen, der Reaktorbücher sowie zur Einsicht in Nachweise der verwendeten Brennelemente. Im Fall von Unregelmäßigkeiten oder Zweifeln an der Richtigkeit der Angaben konnten sie weitere Ermittlungen durchführen und bei Verdacht auf Steuerverkürzung ein Steuerstrafverfahren einleiten. Auch die Durchsetzung von Steuererstattungen nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts lag in ihrem Aufgabenbereich.