Begriff und Bedeutung der Kausalität im Zivilrecht
Die Kausalität im Zivilrecht bezeichnet die ursächliche Verknüpfung zwischen einem Verhalten (Handlung oder Unterlassen) und einem eingetretenen Erfolg, etwa einem Schaden. Sie stellt eine zentrale Voraussetzung für die Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen und anderen zivilrechtlichen Haftungsgrundlagen dar. Ohne das Vorliegen einer Kausalität zwischen einem haftungsbegründenden Verhalten und einem Schaden kann grundsätzlich kein Anspruch auf Ersatz geltend gemacht werden.
Formen der Kausalität
Ursächlichkeit im natürlichen Sinne (Konditionalität)
Im zivilrechtlichen Kontext wird zunächst die sogenannte natürliche Kausalität betrachtet. Hierbei wird geprüft, ob das in Rede stehende Verhalten conditio sine qua non für den Erfolg war. Dies bedeutet, dass der Erfolg mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht eingetreten wäre, wenn das Verhalten unterblieben wäre. Dieses Kriterium wird auch als Äquivalenztheorie oder Bedingungstheorie (conditio-sine-qua-non-Formel) bezeichnet.
Beispiel:
Wird jemand verletzt, weil eine andere Person unachtsam eine Lampe fallen lässt, liegt natürliche Kausalität vor, wenn die Verletzung ohne das Fallenlassen der Lampe nicht geschehen wäre.
Rechtliche Kausalität (Zurechnung)
Neben der natürlichen Kausalität ist die rechtliche Wertung erforderlich. Nicht jede Ursache soll rechtlich haftungsbegründend sein. Die Zivilrechtspraxis verlangt daher eine zusätzliche wertende Betrachtung, ob der konkrete Schaden dem Verhalten auch normativ zugerechnet werden kann. Diese Zurechnung erfolgt anhand verschiedener Theorien und Kriterien.
Zurechenbarkeit und rechtliche Einschränkungen
Adäquanztheorie
Zu den wichtigsten Instrumenten der normativen Einschränkung der Kausalität gehört die Adäquanztheorie. Nach dieser ist nur jene Ursache rechtserheblich, die im allgemeinen und nicht nur unter ganz ungewöhnlichen, unwahrscheinlichen oder außergewöhnlichen Umständen geeignet war, einen derartigen Erfolg herbeizuführen. Damit werden völlig unwahrscheinliche und atypische Verläufe von der Haftung ausgenommen.
Schutzzweck der Norm
Ein weiteres maßgebliches Instrument der Kausalitätsbegrenzung im Zivilrecht ist der Schutzzweck der verletzten Norm. Ein Schaden ist nur dann zurechenbar, wenn gerade der eingetretene Schaden vom Schutzzweck derjenigen Vorschrift erfasst ist, gegen die verstoßen wurde. Dieses Kriterium ist insbesondere im Deliktsrecht (§§ 823 ff. BGB) relevant.
Beispiel:
Verstößt eine Person gegen eine Verkehrsregel, die dem Schutz eines bestimmten Personenkreises dient, ist ein Schaden nur dann zurechenbar, wenn er zum geschützten Personenkreis zählt.
Weitere Einschränkungen: Eigenverantwortung und atypische Kausalverläufe
Ebenfalls ausgeschlossen ist die Zurechnung, wenn der Geschädigte durch ein eigenverantwortliches Verhalten den Zurechnungszusammenhang unterbricht (sogenannte Unterbrechung der Kausalkette). Zudem wird im Einzelfall das Haftungsrisiko durch atypische Geschehensabläufe begrenzt, etwa bei völlig unwahrscheinlichen Folgeneintritten.
Kausalitätsprüfung bei mehreren Ursachen
Alternative Kausalität
Im Rahmen der Haftungsprüfung kann es vorkommen, dass mehrere unabhängige Ursachen für den Schaden gleichwertig in Betracht kommen, jedoch nicht festgestellt werden kann, welche konkret den Schaden ausgelöst hat (alternative Kausalität). In bestimmten Fällen der sogenannten Beweislastumkehr, etwa bei typischen Geschehensabläufen, kann die Haftung auf sämtliche in Betracht kommenden Verursacher erstreckt werden.
Kumulative Kausalität
Die kumulative Kausalität liegt vor, wenn mehrere Ursachen zwar jeweils für sich nicht hinreichend, jedoch gemeinsam den Schaden herbeigeführt haben. Hier haften alle Verursacher als Gesamtschuldner.
Hypothetische Kausalität
Nicht haftungsbegründend ist dagegen die hypothetische Kausalität. Hierbei hätte der Schaden auch bei rechtmäßigem Alternativverhalten eingetreten. Dies ist besonders im Arbeitsrecht und bei der Haftung für Unterlassen von Bedeutung, da in solchen Fällen der sogenannte rechtmäßige Alternativverlauf geprüft wird.
Sonderfragen der Kausalität im Zivilrecht
Kausalität beim Unterlassen
Die Haftung für das Unterlassen einer Handlung setzt voraus, dass durch das pflichtwidrige Unterlassen der Erfolg eingetreten ist und er bei pflichtgemäßem Handeln mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verhindert worden wäre (Quasi-Kausalität). Die Beweisführung ist hierbei besonders anspruchsvoll und wird nach den Umständen des Einzelfalls bestimmt.
Kausalität und Beweislast
Grundsätzlich trägt im deutschen Zivilrecht die Klägerseite die Darlegung- und Beweislast für alle anspruchsbegründenden Tatsachen, also auch für die Kausalität zwischen Verhalten und Schaden. Ausnahmen sieht das Gesetz etwa vor bei typischen Gefahrentatbeständen oder bei der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten (Beweislastumkehr).
Zusammenfassung und Bedeutung in der praktischen Anwendung
Die Kausalität im Zivilrecht bildet die Schnittstelle zwischen tatsächlichem Geschehen und rechtlicher Haftung. Sie sorgt dafür, dass nur verursachte und zurechenbare Schäden zu einem Ersatzanspruch führen. Durch die differenzierte dogmatische Ausgestaltung, die Berücksichtigung von Wertungen wie Adäquanz und Schutzzweck sowie durch spezifische Fallgestaltungen wie mehrere Ursachen und Unterlassen, wird ein sachgerechter Ausgleich zwischen den Interessen von Schädigern und Geschädigten angestrebt. Die genaue Kausalitätsprüfung stellt daher einen wesentlichen und häufig sehr komplexen Bestandteil zivilrechtlicher Anspruchsprüfungen dar.
Häufig gestellte Fragen
Welche Rolle spielt die Kausalität bei der Prüfung eines Schadensersatzanspruchs im Zivilrecht?
Die Kausalität bildet im Zivilrecht eine der Grundvoraussetzungen für das Entstehen eines Schadensersatzanspruchs. Insbesondere im Delikts- und Vertragsrecht prüft das Gericht, ob zwischen einer pflichtwidrigen Handlung (bzw. Vertragsverletzung) und dem eingetretenen Schaden ein ursächlicher Zusammenhang besteht. Fehlte eine solche Kausalität, scheidet die Haftung regelmäßig aus. Zunächst bedarf es der sogenannten „haftungsbegründenden Kausalität“, welche prüft, ob die Pflichtverletzung für den Schaden kausal war. Darüber hinaus wird auch die „haftungsausfüllende Kausalität“ verlangt, d.h. ob der Schadenseintritt tatsächlich auf die konkrete Verletzung zurückzuführen ist. Beide Kausalitätsstufen müssen kumulativ vorliegen. Besonders relevant ist hierbei auch die Abgrenzung zu bloßen Gelegenheitsursachen und zur adäquaten Kausalität, bei der nur solche Verläufe berücksichtigt werden, die nicht völlig außerhalb jeder Wahrscheinlichkeit liegen.
Wie wird im Zivilrecht festgestellt, ob eine adäquate Kausalität zwischen Handlung und Schaden besteht?
Die adäquate Kausalität überprüft, ob der eingetretene Schaden nicht nur tatsächlich, sondern auch nach dem allgemeinen Lebensverständnis und innerhalb des rechtlich relevanten Zusammenhangs auf das Verhalten des Schädigers zurückgeführt werden kann. Ein Schaden gilt dann als adäquat verursacht, wenn nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge und der allgemeinen Lebenserfahrung gerade mit einer solchen Folge zu rechnen war. Extreme Ausnahmeverläufe oder völlig nicht vorhersehbare Schäden werden ausgeklammert, da dies den Rahmen der Verantwortlichkeit sprengen würde. Diese Zurechnung ist eine Wertungsebene über der reinen naturwissenschaftlichen Ursächlichkeit und ermöglicht es, die Haftung sachgerecht einzugrenzen.
Was ist der Unterschied zwischen Äquivalenztheorie und Adäquanztheorie bei der Prüfung der Kausalität?
Die Äquivalenztheorie – auch oft als „conditio-sine-qua-non-Formel“ bezeichnet – stellt darauf ab, ob der Schaden ohne das konkrete Verhalten des Schädigers ebenfalls eingetreten wäre. Ist dies nicht der Fall, war das Verhalten kausal. Diese sehr weitgehende Kausalitätsprüfung wird in der Praxis durch die Adäquanztheorie ergänzt, die eine wertende Einschränkung vornimmt. Nur solche Ursachen gelten danach als rechtserheblich, die typischerweise und nicht nur unter außergewöhnlichen, völlig entfernten Umständen zum Schaden führen können. Die Kombination beider Theorien stellt sicher, dass zwar jeder naturwissenschaftlich relevante Kausalverlauf berücksichtigt wird, aber dennoch eine praxisnahe Begrenzung erfolgt.
Wie ist im Rahmen der Kausalitätsprüfung mit sogenannten Reserveursachen oder Dritteinwirkungen umzugehen?
Reserveursachen und nachfolgende Dritteinwirkungen sind Konstellationen, bei denen mehrere Ursachen für den Schadenseintritt denkbar sind. Im Zivilrecht wird grundsätzlich geprüft, ob die Handlung des Schädigers den Schaden auch dann verursacht hätte, wenn die alternativen Kausalverläufe hinweggedacht werden. Ist dies nicht der Fall, unterbricht die Reserveursache oder die Dritteinwirkung den Ursachenzusammenhang, sodass die Haftung des Schädigers entfallen kann. Nur wenn feststeht, dass die schädigende Handlung für sich allein zum gleichen Erfolg geführt hätte, bleibt die Kausalität bestehen. Besondere Prüfungsmaßstäbe gelten in Fällen der sogenannten „überholenden Kausalität“ oder bei konkurrierenden Schadensursachen, wodurch komplexe Zurechnungsfragen behandelt werden müssen.
Wie wird verfahren, wenn eine alternative Kausalität („alternativ-kausaler Verlauf“) vorliegt?
Bei der alternativen Kausalität wird deutlich, dass ein Schaden durch mehrere voneinander unabhängige Handlungen verursacht werden könnte, es aber nicht mehr aufklärbar ist, welche Handlung im konkreten Fall zum Erfolg führte. Die Rechtsprechung löst dies mit Beweislastregelungen, indem etwa im Bereich der Mitverursachung die Haftung unter den Schädigern aufgeteilt wird (§ 830 BGB). Zumeist findet eine Beweislastumkehr zugunsten des Geschädigten statt, damit dieser nicht das Risiko der Nichtaufklärung trägt und zumindest eine Gesamtschuldnerschaft der potenziellen Schädiger besteht.
Welche Besonderheiten gelten für die Kausalitätsprüfung bei psychischen oder mittelbaren Schäden?
Gerade bei psychischen oder mittelbaren (reflexhaften) Schäden ist die Kausalitätsprüfung besonders streng. Das Zivilrecht verlangt auch hier, dass der Schaden in adäquater Weise auf die Schädigungshandlung zurückzuführen ist, wobei ein erhöhter Beweismaßstab zur Anwendung kommt. Gefordert wird, dass die Schädigung ein „wesentlicher“ Auslöser des Leidens war und nicht nur eine von vielen Ursachen. Dies kann eine enge Zurechnung zur Folge haben; außerdem werden rein mittelbare Schäden (nur infolge anderer Schäden entstanden) oder Schockschäden Dritter häufig von der Haftung ausgenommen, sofern kein enger Ausnahmefall vorliegt.
Inwieweit kann eine hypothetische Ersatzursache die Zurechnung einer bereits eingetretenen Schädigung ausschließen?
Eine hypothetische Ersatzursache liegt vor, wenn der Schaden auch ohne das konkrete Verhalten des Schädigers auf andere Weise eingetreten wäre. Im Zivilrecht ist dieser Umstand insofern relevant, als dass eine Zurechnung häufig dann entfällt, wenn sicher nachgewiesen werden kann, dass der Schaden „ohnehin“ eingetreten wäre. Dies dient dem Grundsatz, dass niemand für einen Erfolg haftbar gemacht werden soll, der auch ohne sein Verhalten unabwendbar gewesen wäre. Allerdings ist die Annahme einer hypothetischen Ersatzursache stets mit Zurückhaltung zu betrachten, da sie sicher feststehen muss, was im Einzelfall zu erheblichen Beweisschwierigkeiten führen kann.