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Kassenarzt


Begriff und Grundlagen des Kassenarztes

Definition des Kassenarztes

Ein Kassenarzt ist in Deutschland ein zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassener Arzt, der Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ambulant behandelt. Kassenärzte sind zur Teilnahme an der medizinischen Versorgung nach den Vorgaben des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) verpflichtet und arbeiten auf Grundlage eines Vertragsverhältnisses mit einer Kassenärztlichen Vereinigung (KV). Die Abrechnung der ärztlichen Leistungen erfolgt über die jeweilige KV nach dem Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM).

Abgrenzung zu anderen Versorgungstypen

Kassenärzten stehen Privatärzte gegenüber, die ausschließlich privatärztlich tätig sind und ihre Leistungen unmittelbar mit dem Patienten oder dessen privater Krankenversicherung abrechnen. Zudem existieren Vertragsärzte, die synonym zu Kassenärzten verwendet werden, solange sie zur Behandlung gesetzlich versicherter Patienten berechtigt sind.

Rechtliche Grundlagen der Tätigkeit als Kassenarzt

Gesetzliche Rahmenbedingungen

Vertragsarztrecht nach dem SGB V

Die wesentliche rechtliche Grundlage für die Tätigkeit als Kassenarzt findet sich im SGB V. Gemäß §§ 73 ff. SGB V ist die vertragsärztliche Versorgung Teil der GKV und unterliegt Regelungen bezüglich Zulassung, Versorgungspflichten und Qualitätsanforderungen.

Zulassungsverfahren und Bedarfsplanung

Die Zulassung als Kassenarzt erfordert ein Zulassungsverfahren nach §§ 95 ff. SGB V. Für die konkrete Bedarfsplanung und Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung ist der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) nach § 101 SGB V sowie die jeweilige Zulassungsausschuss zuständig. Die Bedarfsplanung orientiert sich an Regionalität, vorhandener Versorgung und ärztlicher Dichte.

Vertragsbeziehungen

Vertragsarztsitz und Zulassungsvertrag

Nach erfolgter Zulassung wird dem Arzt ein Vertragsarztsitz zugewiesen. Die Tätigkeit an diesem Sitz ist räumlich und fachlich gebunden. Jegliche Veränderung, wie Umzug oder Sitzverlegung, bedarf der Genehmigung durch die KV.

Rechte und Pflichten des Kassenarztes

Kassenärzte unterliegen umfangreichen Pflichten, insbesondere der Sicherstellung der Grundversorgung, Fortbildungspflicht (§ 95d SGB V), Teilnahme an Notfalldiensten sowie der Abrechnung nach den Vorgaben des EBM. Verstöße können disziplinarische oder haftungsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.

Verhältnis zur Kassenärztlichen Vereinigung

Die Kassenärztlichen Vereinigungen sind Körperschaften des öffentlichen Rechts und organisatorische Mittler zwischen Arzt und gesetzlicher Krankenversicherung. Sie nehmen die Interessenvertretung ihrer Mitglieder wahr, gewährleisten die flächendeckende Versorgung und übernehmen die Abrechnung der vertragsärztlichen Leistungen.

Wirtschaftliche und steuerliche Aspekte

Vergütungssystem

Die Abrechnung erfolgt kollektiv über die KV anhand des EBM. Punktwerte und Honorarbudgets werden regelmäßig zwischen Kassenärztlicher Bundesvereinigung (KBV) und GKV-Spitzenverband verhandelt. Budgetüberschreitungen können zur Honorarkürzung führen.

Vertragsarztrechtsänderungen

Fortlaufend werden Änderungen durch Gesetzgeber und Selbstverwaltungsgremien (z. B. das Terminservice- und Versorgungsgesetz, TSVG) beschlossen, die die Arbeitsbedingungen, Vergütung und Zulassungen von Kassenärzten betreffen.

Steuerliche Behandlung

Kassenärzte sind grundsätzlich einkommensteuerpflichtig. Die Einnahmen aus vertragsärztlicher Tätigkeit zählen je nach Rechtsform zur Einkünfte aus selbständiger Arbeit (§ 18 EStG) oder, bei Gründung von Praxisgemeinschaften oder MVZ, als Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit.

Besondere Vertragsformen und Kooperationsmöglichkeiten

Berufsausübungsgemeinschaften (BAG)

Kassenärzte können sich zu Berufsausübungsgemeinschaften zusammenschließen (§ 33 Ärzte-ZV). Dies ermöglicht gemeinsame Nutzung von Ressourcen und Personal sowie gemeinschaftliche Erbringung von ärztlichen Leistungen.

Medizinische Versorgungszentren (MVZ)

MVZ nach § 95 SGB V bieten Kassenärzten die Möglichkeit, gemeinschaftlich in unterschiedlichen Fachrichtungen tätig zu sein. Sie dienen insbesondere einer integrierten ambulanten Versorgung.

Anstellung und Vertretung

Neben einer klassischen Niederlassung kann der Kassenarzt in einem Medizinischen Versorgungszentrum oder einer Praxis angestellt tätig sein (§ 95 Abs. 9 SGB V). Zugleich bestehen Regelungen für die Vertretung und Entlastung bei Urlaub oder Krankheit.

Berufsausübung, Aufsicht und Haftung

Berufsausübungsfreiheit und Beschränkungen

Die ärztliche Berufsausübung unterliegt gemäß Art. 12 GG grundsätzlich der Freiheit, welche allerdings durch das Vertragsarztrecht und Anforderungen aus dem SGB V eingeschränkt werden kann (z. B. Zulassungsbeschränkungen, Bedarfsplanung).

Aufsicht und Disziplinarmaßnahmen

Kassenärzte stehen unter Aufsicht der KV. Bei Verstößen gegen rechtliche oder vertragliche Pflichten können Disziplinarverfahren bis hin zum Zulassungsentzug eingeleitet werden. Darüber hinaus finden die Regelungen der ärztlichen Berufsordnungen und Landesärztekammern Anwendung.

Haftungsfragen

Im Schadensfall haftet der Kassenarzt persönlich für Behandlungsfehler nach allgemeinen zivilrechtlichen Vorschriften (§§ 823 ff. BGB). Zusätzlich besteht die Pflicht zum Abschluss einer Haftpflichtversicherung.

Beendigung der Kassenarzttätigkeit

Die Tätigkeit als Kassenarzt kann durch Rückgabe der Zulassung, Ruhestand, Verzicht, Zulassungsentzug oder Tod enden. Für die Nachbesetzung des Vertragsarztsitzes sind ebenfalls spezifische rechtliche Vorgaben (z. B. gemäß Nachbesetzungsverfahren § 103 SGB V) zu beachten.

Bedeutung und Ausblick

Kassenärzte leisten einen zentralen Beitrag zur Sicherstellung der ambulanten medizinischen Versorgung in Deutschland. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen unterliegen einem ständigen Wandel, um auf veränderte Versorgungsbedarfe, demografische Herausforderungen und medizinischen Fortschritt zu reagieren. Die Tätigkeit eines Kassenarztes bleibt damit ein zentrales und komplexes Feld im Gesundheitssystem mit weitreichenden rechtlichen Implikationen.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Voraussetzungen müssen erfüllt werden, um als Kassenarzt tätig zu werden?

Um als Kassenarzt in Deutschland tätig zu werden, müssen verschiedene rechtliche Voraussetzungen erfüllt sein. Zunächst ist eine Approbation als Arzt oder eine entsprechende ärztliche Berufserlaubnis erforderlich. Des Weiteren muss die Eintragung in das Arztregister der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung (KV) erfolgen, wofür in der Regel ein Nachweis der fachlichen Qualifikation – etwa der Abschluss einer Facharztausbildung – notwendig ist. Zudem muss die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung nach § 95 SGB V beantragt und vom zuständigen Zulassungsausschuss genehmigt werden. Für diese Zulassung sind weitere Anforderungen wie in der Regel eine ausreichende deutsche Sprachkenntnis, ein ausreichender Versicherungsschutz (Berufshaftpflicht) und die Vorlage eines polizeilichen Führungszeugnisses zu erfüllen. Die Zulassung kann räumlichen, zeitlichen oder inhaltlichen Beschränkungen unterliegen, insbesondere wenn es in bestimmten Regionen eine Überversorgung gibt. Zusätzlich müssen sich Kassenärzte an die Richtlinien und Vorgaben des Bundesmantelvertrags Ärzte (BMV-Ä) sowie die Berufsordnung der jeweiligen Ärztekammer halten.

Welche Pflichten ergeben sich für Kassenärzte aus dem Vertragsarztrecht?

Kassenärzte unterliegen einer Vielzahl von Pflichten, die sich insbesondere aus dem Sozialgesetzbuch V (SGB V), dem Bundesmantelvertrag-Ärzte und den jeweiligen Satzungen und Richtlinien der Kassenärztlichen Vereinigungen ergeben. Hierzu zählen insbesondere die Pflicht zur ordnungsgemäßen Behandlung der Versicherten aller gesetzlichen Krankenkassen, die Einhaltung von Sprechstundenzeiten und die Dokumentationspflicht über die erbrachten medizinischen Leistungen. Weiterhin besteht die Verpflichtung, Wirtschaftlichkeitsgebote hinsichtlich der Verordnung von Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln zu beachten. Beim Verstoß gegen die Pflichten, wie z.B. Abrechnungsbetrug, drohen aufsichtsrechtliche Maßnahmen bis hin zum Zulassungsentzug.

Unter welchen Umständen kann die Zulassung als Kassenarzt entzogen werden?

Die Zulassung als Kassenarzt kann gemäß § 95 Abs. 6 SGB V entzogen werden, wenn sogenannte schwerwiegende Pflichtverletzungen vorliegen. Dazu zählen insbesondere wiederholtes oder grobes Fehlverhalten gegen die Pflichten aus dem ärztlichen Berufsrecht oder Vertragsarztrecht, wie etwa Abrechnungsbetrug, die Missachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots oder schwere Verstöße gegen die ärztliche Schweigepflicht. Auch kann eine Zulassung widerrufen werden, wenn die fachliche oder persönliche Eignung verloren geht, z.B. infolge einer strafrechtlichen Verurteilung oder schwerer gesundheitlicher Einschränkungen. Der Entzug der Zulassung erfolgt durch einen Beschluss des Zulassungsausschusses und ist mit Rechtsmitteln (Widerspruch, Klage) angreifbar.

Welche rechtlichen Regelungen gelten für die Abrechnung vertragsärztlicher Leistungen?

Die Abrechnung der Leistungen erfolgt nach dem Einheitlichen Bewertungsmaßstab (EBM) für alle gesetzlichen Krankenkassen. Kassenärzte sind verpflichtet, ihre erbrachten Leistungen ordnungsgemäß und vollständig zu dokumentieren und quartalsweise über die Kassenärztliche Vereinigung abzurechnen. Es gelten strenge Anforderungen sowohl an die Nachvollziehbarkeit der Leistungen als auch an das Wirtschaftlichkeitsgebot. Die KV prüft regelmäßig die Abrechnungen auf Plausibilität sowie Einhaltung der Richtlinien, z.B. zur Vermeidung von Scheindokumentationen oder Doppelabrechnungen. Verstöße gegen die Abrechnungsmodalitäten können zu Honorarrückforderungen, Verwaltungsverfahren oder im gravierenden Fall zu strafrechtlichen Konsequenzen führen.

Inwiefern unterliegt ein Kassenarzt der Aufsicht durch die Kassenärztliche Vereinigung?

Kassenärzte stehen in einem öffentlich-rechtlichen Rechtsverhältnis zur Kassenärztlichen Vereinigung (KV), die die Einhaltung der vertragsärztlichen Pflichten überwacht. Die KV kann im Rahmen ihrer Aufsicht unter anderem Praxisbegehungen durchführen, die Qualität der Patientenbehandlung kontrollieren und Einblick in Abrechnungs- und Behandlungsunterlagen nehmen. Bei Verdacht auf Pflichtverletzungen ist die KV berechtigt, Disziplinarverfahren einzuleiten, Honorarrückforderungen zu erheben oder andere aufsichtsrechtliche Maßnahmen, wie Verwarnungen oder zeitweise Entziehung der Zulassung, zu verhängen. Kassenärzte sind verpflichtet, der KV auf Anfrage Auskünfte zu erteilen und Unterlagen vorzulegen.

Welche besonderen Vorschriften gibt es für die Niederlassung und Praxisübernahme von Kassenärzten?

Im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung sind die Zulassungsbeschränkungen und Bedarfsplanungsvorgaben nach §§ 101, 103 SGB V zu beachten. In überversorgten Regionen kann eine Zulassung nur im Rahmen einer Nachbesetzung erfolgen. Hierbei ist das Nachbesetzungsverfahren zu durchlaufen, bei dem zunächst ein Ausschreibungsverfahren durch die KV stattfindet und der Zulassungsausschuss die Bewerber prüft. Besondere gesetzliche Vorschriften existieren zudem für Gemeinschaftspraxen, Medizinische Versorgungszentren (MVZ), und Praxisnetze. Darüber hinaus sind bei der Übernahme arbeits- und gesellschaftsrechtliche Vorgaben, insbesondere bei der Angliederung an bestehende Praxen, zu berücksichtigen.

Wann und unter welchen Umständen ist eine Tätigkeit in Anstellung als Kassenarzt zulässig?

Neben der klassischen Niederlassung ist eine Tätigkeit als angestellter Kassenarzt in einer zugelassenen Praxis, einem MVZ oder in einer Krankenhausambulanz möglich. Für die Anstellung ist eine Zustimmung des Zulassungsausschusses erforderlich (§ 95 Abs. 1a SGB V), wobei insbesondere geprüft wird, ob eine Überversorgung im jeweiligen Planungsbereich vorliegt. Der angestellte Kassenarzt unterliegt den gleichen rechtlichen Rahmenbedingungen wie der niedergelassene Vertragsarzt, hinsichtlich der vertragsärztlichen Pflichten, Schweigepflicht, Dokumentation und Abrechnung. Die Beschäftigungsbedingungen richten sich nach dem Arbeitsrecht, wobei eine Höchstgrenze der wöchentlichen Arbeitszeit für angestellte Ärzte in Praxen zu beachten ist (gemäß Arztsitzregelungen).