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Kassenarzt

Begriff und Einordnung: Was ist ein Kassenarzt?

Als Kassenarzt wird umgangssprachlich ein niedergelassener Arzt oder eine niedergelassene Ärztin bezeichnet, der oder die zur medizinischen Versorgung von Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zugelassen ist. Der rechtlich präzise Begriff lautet Vertragsarzt. Vertragsärzte nehmen am System der vertragsärztlichen Versorgung teil, das durch die Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) organisiert wird.

Abgrenzung zu Privatärzten und weiteren Leistungserbringern

Ein Kassenarzt rechnet Leistungen für GKV-Versicherte über die zuständige KV ab. Ein ausschließlich privat abrechnender Arzt (Privatarzt) ist nicht an die Strukturen der KV gebunden und behandelt in der Regel nur Privatversicherte oder Selbstzahlende. Neben Vertragsärzten gibt es Vertragszahnärzte und psychologische Psychotherapeuten, die in eigenen Versorgungssystemen mit ähnlichen Grundprinzipien tätig sind.

Stellung im Versorgungssystem

Kassenärzte sind Teil der ambulanten Regelversorgung. Sie gewährleisten wohnortnahe, flächendeckende Behandlung, kooperieren im Überweisungs- und Einweisungswesen mit anderen Leistungserbringern und wirken an qualitätssichernden Maßnahmen mit. Für GKV-Versicherte besteht grundsätzlich freie Arztwahl unter den zugelassenen Vertragsärzten.

Zulassung und Bedarfsplanung

Der Zugang zur vertragsärztlichen Tätigkeit ist rechtlich geregelt und an die Versorgungsbedarfe geknüpft. Die Verteilung der Arztsitze erfolgt anhand einer Bedarfsplanung, die Über- und Unterversorgung ausgleichen soll.

Zulassungsverfahren

Über die Zulassung in einem bestimmten Planungsbereich entscheidet der Zulassungsausschuss. Voraussetzungen sind unter anderem die fachliche Qualifikation, die Eignung der Praxisstruktur und die Vereinbarkeit mit der Bedarfsplanung. In gesperrten Planungsgebieten ist eine Neuzulassung regelmäßig nur über Nachbesetzung eines bestehenden Sitzes möglich.

Formen der vertragsärztlichen Tätigkeit

Die Tätigkeit kann in eigener Praxis, in einer Berufsausübungsgemeinschaft (Gemeinschaftspraxis), als angestellter Arzt in einer Vertragsarztpraxis oder in einem Medizinischen Versorgungszentrum (MVZ) erfolgen. Anstellungen in Praxen oder MVZ bedürfen der Genehmigung. Nebenbetriebsstätten wie Zweigpraxen und ausgelagerte Praxisräume sind zulassungsrechtlich genehmigungspflichtig.

Praxisnachfolge und Sitzverlegung

Bei Beendigung der Tätigkeit erfolgt die Nachbesetzung des Vertragsarztsitzes in einem geregelten Verfahren. Sitzverlegungen innerhalb eines Planungsbereichs und überregional bedürfen rechtlicher Prüfung und Genehmigung, insbesondere unter Berücksichtigung der Sicherstellung der Versorgung.

Rechte und Pflichten des Kassenarztes

Die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung ist mit spezifischen Rechten und Pflichten verbunden, die dem Schutz der Versicherten und der Funktionsfähigkeit des Systems dienen.

Teilnahme an der Versorgung und freie Arztwahl

Kassenärzte sind verpflichtet, GKV-Versicherte im Rahmen ihres Versorgungsauftrags zu behandeln. GKV-Versicherte wählen grundsätzlich frei unter zugelassenen Ärzten. Einschränkungen können sich aus fachlichen Zuständigkeiten, Kapazitätsgrenzen oder besonderen Versorgungsverträgen ergeben.

Sicherstellungsauftrag, Sprechstunden und Notdienst

Über die KVen übernehmen Kassenärzte Verantwortung für die flächendeckende ambulante Versorgung. Dazu zählen Mindestsprechstunden, Erreichbarkeit und Teilnahme am organisierten ärztlichen Bereitschafts- und Notfalldienst, soweit die Fachrichtung eingebunden ist.

Dokumentation, Schweigepflicht und Datenschutz

Es bestehen umfassende Dokumentationspflichten, die eine prüffähige Leistungserbringung und Kontinuität der Behandlung sichern. Die ärztliche Schweigepflicht und Datenschutzanforderungen schützen Patientendaten. Elektronische Verfahren wie elektronische Patientenakte, E‑Rezept und elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung sind in die Versorgung integriert.

Fortbildung und Qualitätssicherung

Kassenärzte unterliegen Fortbildungspflichten und Qualitätssicherungsmaßnahmen. Für bestimmte Leistungen bestehen zusätzliche Genehmigungs- und Nachweisanforderungen. Richtliniengesteuerte Qualitätsvorgaben werden regelmäßig überprüft.

Abrechnung und Vergütung

Die Abrechnung vertragsärztlicher Leistungen erfolgt über die KV nach einheitlichen Vorgaben. Die Vergütung verbindet pauschalierte Elemente mit Einzelleistungsvergütung.

Abrechnungsweg und Leistungsbewertung

Leistungen für GKV-Versicherte werden quartalsweise an die KV gemeldet und dort nach einem bundeseinheitlichen Bewertungsmaßstab sachlich-rechnerisch geprüft. Die KV leitet das Honorar an die Ärzte weiter. Privatärztliche Leistungen werden hiervon getrennt abgerechnet.

Wirtschaftlichkeitsgebot und Prüfungen

Leistungen und Verordnungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein. KVen und Krankenkassen führen Wirtschaftlichkeits- und Plausibilitätsprüfungen durch. Bei Auffälligkeiten können Honorarkorrekturen, Erstattungsforderungen (Regresse) oder weitere Maßnahmen folgen.

Honorarsystem und besondere Verträge

Die Gesamtvergütung speist sich im Wesentlichen aus kollektivvertraglichen Vereinbarungen zwischen KVen und Krankenkassen. Teile des Leistungsumfangs werden extrabudgetär vergütet. Neben der kollektivvertraglichen Versorgung existieren selektivvertragliche Modelle wie hausarztzentrierte Versorgung oder besondere Versorgungsformen, die gesonderte Abrechnungsregeln vorsehen.

Zusammenarbeit und Vertragsstrukturen

Die Versorgung stützt sich auf koordinierte Zusammenarbeit und geregelte Abläufe zwischen Leistungserbringern und Kostenträgern.

Überweisungen, Einweisungen und Programme

Überweisungen strukturieren den Zugang zur fachärztlichen Versorgung. Einweisungen sichern die Schnittstelle zur stationären Behandlung. Strukturierte Behandlungsprogramme und besondere Versorgungskonzepte binden Kassenärzte vertraglich in koordinierte Abläufe ein.

Kooperationen und Netzwerke

Berufsausübungsgemeinschaften, MVZ, Praxisnetze und kooperative Projekte sind zulässig, soweit sie die gesetzlich vorgegebenen Versorgungsvorgaben und Transparenzanforderungen einhalten. Genehmigungspflichten und Meldepflichten sind zu beachten.

Aufsicht, Kontrolle und Sanktionen

Die vertragsärztliche Tätigkeit wird auf mehreren Ebenen überwacht. KVen führen Prüfungen durch und sind für die Einhaltung der kollektivvertraglichen Regeln verantwortlich.

Prüf- und Sanktionsinstrumente

Zu den Instrumenten gehören sachlich-rechnerische Richtigstellungen, Plausibilitätsprüfungen, Wirtschaftlichkeitsprüfungen sowie Qualitätssicherungsprüfungen. Mögliche Folgen sind Honorarkürzungen, Rückforderungen, Auflagen oder Disziplinarmaßnahmen.

Ruhen und Entziehung der Zulassung

Bei schwerwiegenden oder fortgesetzten Verstößen kann die Zulassung ruhen oder entzogen werden. Solche Maßnahmen werden in formalisierten Verfahren durch die zuständigen Ausschüsse getroffen und sind gerichtlich überprüfbar.

Patientenperspektive und Rechtsbeziehungen

Das Verhältnis zwischen Kassenarzt, Patient und Krankenkasse ist durch gegenseitige Rechte und Pflichten geprägt.

Anspruch auf Leistungen und Zugang

GKV-Versicherte haben Anspruch auf Leistungen der ambulanten Versorgung im Rahmen des allgemeinen Leistungskatalogs. Die elektronische Gesundheitskarte dient als Nachweis der Berechtigung. In bestimmten Fällen bestehen Zuweisungs- oder Überweisungserfordernisse.

Individuelle Gesundheitsleistungen und Wahlleistungen

Leistungen, die nicht Teil des GKV-Leistungskatalogs sind, können als Selbstzahlerleistungen angeboten werden. Diese müssen vorab transparent erläutert und rechtlich sauber von Kassenleistungen abgegrenzt werden. Doppelabrechnungen sind unzulässig.

Verordnungen, Zuzahlungen und Kostenbeteiligungen

Arznei-, Heil- und Hilfsmittel werden nach festgelegten Kriterien verordnet. Für Versicherte können gesetzliche Zuzahlungen oder Eigenbeteiligungen entstehen. Vertragsärzte beachten hierbei die geltenden Verordnungs- und Wirtschaftlichkeitsregeln.

Entwicklung und aktuelle Tendenzen

Die vertragsärztliche Versorgung entwickelt sich fortlaufend weiter, insbesondere durch Digitalisierung, demografische Veränderungen und neue Versorgungsformen.

Digitalisierte Versorgung

Elektronische Verordnungen, digitale Bescheinigungen und telemedizinische Leistungen sind zunehmend Bestandteil der Regelversorgung. Dabei gelten besondere Anforderungen an Datenschutz, Datensicherheit und Dokumentation.

Strukturanpassungen in Stadt und Land

Instrumente wie Zweigpraxen, mobile Versorgungseinheiten, Förderprogramme und kooperative Praxisformen dienen der Sicherstellung in unterversorgten Gebieten. Zulassungs- und Genehmigungsverfahren berücksichtigen die regionale Versorgungslage.

Häufig gestellte Fragen zum Thema Kassenarzt

Was bedeutet der Begriff Kassenarzt und wie verhält er sich zum Begriff Vertragsarzt?

Kassenarzt ist die umgangssprachliche Bezeichnung für einen Arzt, der an der ambulanten Versorgung der gesetzlichen Krankenversicherung teilnimmt. Rechtlich maßgeblich ist der Begriff Vertragsarzt. Beide Begriffe bezeichnen dieselbe Rolle, wobei Vertragsarzt die verbindliche Bezeichnung im System der Kassenärztlichen Vereinigungen ist.

Wie wird man Kassenarzt und wer entscheidet über die Zulassung?

Die Zulassung erfolgt in einem förmlichen Verfahren durch den zuständigen Zulassungsausschuss. Grundlage sind fachliche Eignung, die Bedarfsplanung des jeweiligen Gebiets und die Eignung der Praxisstruktur. In überversorgten Regionen ist in der Regel eine Nachbesetzung eines bestehenden Sitzes erforderlich.

Welche zentralen Pflichten hat ein Kassenarzt?

Dazu zählen die Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung mit Mindestsprechstunden, Mitwirkung am Bereitschafts- und Notfalldienst (fachrichtungsabhängig), ordnungsgemäße Dokumentation, Wahrung der Schweigepflicht und des Datenschutzes, Beachtung von Qualitätsvorgaben sowie das Wirtschaftlichkeitsgebot bei Leistungen und Verordnungen.

Wie erfolgt die Abrechnung der Leistungen eines Kassenarztes?

Die Abrechnung gegenüber der gesetzlichen Krankenversicherung erfolgt über die Kassenärztliche Vereinigung. Leistungen werden quartalsweise gemeldet, geprüft und nach bundesweit vorgegebenen Bewertungsmaßstäben vergütet. Selektivverträge können abweichende Abrechnungswege vorsehen.

Was sind Wirtschaftlichkeitsprüfungen und welche Folgen können sie haben?

Wirtschaftlichkeitsprüfungen kontrollieren, ob Leistungen und Verordnungen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sind. Bei Feststellung von Unwirtschaftlichkeit kommen Honorarkorrekturen, Rückforderungen oder Auflagen in Betracht. In schweren Fällen können weitergehende disziplinarische Maßnahmen folgen.

Darf ein Kassenarzt Selbstzahlerleistungen anbieten?

Nicht im GKV-Leistungskatalog enthaltene Leistungen dürfen als Selbstzahlerleistungen angeboten werden, sofern sie eindeutig von Kassenleistungen abgegrenzt und vorab transparent erläutert werden. Eine doppelte Abrechnung gegenüber KV und Patient ist unzulässig.

Unter welchen Umständen kann ein Kassenarzt Patienten ablehnen?

Grundsätzlich besteht für GKV-Versicherte freie Arztwahl. Eine Ablehnung kann nur in engen Grenzen erfolgen, etwa bei fehlender fachlicher Zuständigkeit, fehlenden Kapazitäten, gestörtem Behandlungsverhältnis oder wenn gesetzliche Zugangsvoraussetzungen nicht erfüllt sind. Diskriminierende Ablehnungen sind unzulässig.