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Kassenärztliche Bundesvereinigung


Kassenärztliche Bundesvereinigung

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) ist eine zentrale Interessenvertretung der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten in Deutschland. Sie nimmt eine bedeutsame Rolle innerhalb des deutschen Gesundheitssystems ein und fungiert als Selbstverwaltungskörperschaft des öffentlichen Rechts mit weitreichenden gesetzlichen Aufgaben und Regelungsbefugnissen. Die KBV gewährleistet die ambulante medizinische Versorgung der gesetzlich Krankenversicherten und ist damit ein wesentlicher Bestandteil des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV).

Rechtsgrundlagen und Struktur

Gesetzliche Verankerung

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung ist in ihrer heutigen Form maßgeblich im Fünften Buch Sozialgesetzbuch (SGB V), insbesondere in den §§ 77 ff. SGB V, geregelt. Sie wurde infolge des Gesetzes zur Sicherung der ärztlichen Versorgung (Reichsversicherungsordnung) im Jahr 1931 eingeführt und ihre Aufgaben und Befugnisse seitdem stetig weiterentwickelt.

Körperschaft des öffentlichen Rechts

Die KBV ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Sitz in Berlin. Sie besitzt Selbstverwaltungskompetenzen und steht unter der Rechtsaufsicht des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG). Die gesetzliche Zuordnung zur Selbstverwaltung bedeutet eine eigenverantwortliche Erfüllung ihrer Aufgaben im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben.

Aufbau und Organe

Die Organe der KBV sind die Vertreterversammlung und der Vorstand. Die Vertreterversammlung ist das zentrale Beschlussorgan und setzt sich aus Delegierten der Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) der Bundesländer zusammen. Der Vorstand leitet die laufenden Geschäfte der KBV und vertritt sie nach außen.

Die Mitgliedschaft in der KBV ist für alle Kassenärztlichen Vereinigungen der Bundesländer verpflichtend.

Aufgaben und Zuständigkeiten

Sicherstellung der ambulanten Versorgung

Die KBV trägt gemeinsam mit den Kassenärztlichen Vereinigungen die Verantwortung für die Sicherstellung einer flächendeckenden, qualitativ angemessenen ambulanten ärztlichen Versorgung der Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung. Dieses Sicherstellungsgebot ist zentraler Bestandteil ihrer öffentlich-rechtlichen Aufgabe.

Vertragsverhandlungen und Verträge

Ein wesentlicher Aufgabenbereich der KBV liegt in der Verhandlung und dem Abschluss von bundesweiten Verträgen mit den Spitzenverbänden der Krankenkassen nach § 82 SGB V. Dazu zählen insbesondere der Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) und der Vertrag über die Vergütung der ärztlichen Leistungen im Rahmen der Kassenärztlichen Versorgung.

Gebührenordnung und Bewertungsausschuss

Die KBV ist maßgeblich an der Entwicklung und Fortschreibung des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) beteiligt, mit dem die Vergütung ärztlicher Leistungen innerhalb der gesetzlichen Krankenversicherung geregelt wird. Gemeinsam mit dem GKV-Spitzenverband bildet die KBV den Bewertungsausschuss (§ 87 SGB V), der den EBM weiterentwickelt und anpasst.

Qualitätssicherung und Richtlinienkompetenz

Die KBV ist gemeinsam mit der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung und dem GKV-Spitzenverband Träger des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), der verbindliche Richtlinien zur diagnostischen und therapeutischen Versorgung beschließt (§§ 91 ff. SGB V). Die Umsetzung und Sicherstellung von Qualitätssicherungsmaßnahmen sowie Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen für Ärzte und Psychotherapeuten fällt ebenfalls in den Zuständigkeitsbereich der KBV.

Regulatorische und beratende Aufgaben

Zu den weiteren Aufgaben der KBV zählen die Beratung ihrer Mitglieder (KVen) zu rechtlichen, organisatorischen und medizinischen Fragestellungen, die Vertretung der beruflichen, wirtschaftlichen und sozialen Belange der niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten sowie die Mitwirkung an der Gesetzgebung im Bereich der ambulanten Versorgung.

Finanzierung und Haushalt

Die Finanzierung der KBV erfolgt primär durch Umlagen der Kassenärztlichen Vereinigungen gemäß Haushaltsplan. Die KBV ist verpflichtet, einen jährlichen Wirtschaftsplan aufzustellen und die Verwendung der Mittel transparent und nachvollziehbar zu gestalten. Die Aufsicht über den Haushalt obliegt dem Bundesministerium für Gesundheit.

Verhältnis zu anderen Einrichtungen

Kassenärztliche Vereinigungen (KVen)

Die KBV bildet gemeinsam mit den 17 Kassenärztlichen Vereinigungen der Länder das System der vertragsärztlichen Selbstverwaltung in Deutschland. Während die KBV auf bundesweiter Ebene agiert, sind die KVen für die regionale Umsetzung der vertragsärztlichen Versorgung zuständig.

GKV-Spitzenverband und Gemeinsamer Bundesausschuss (G-BA)

Als Spitzenorganisation der vertragsärztlichen Versorgung arbeitet die KBV auf Bundesebene mit dem GKV-Spitzenverband sowie im G-BA zusammen und nimmt so Einfluss auf die Ausgestaltung der Versorgungsstrukturen und die rechtlichen Rahmenbedingungen.

Rechtliche Kontrolle und Aufsicht

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung unterliegt der Aufsicht durch das Bundesministerium für Gesundheit (§ 78 SGB V). Diese Rechtsaufsicht erstreckt sich auf die Einhaltung der gesetzlichen Bestimmungen und der satzungsgemäßen Aufgabenwahrnehmung. Verwaltungsgerichte sind bei Streitigkeiten zwischen der KBV und dem BMG zuständig.

Bedeutung und rechtliche Entwicklung

Die Institution KBV hat sich kontinuierlich verändert und ihr Aufgabenprofil wurde durch zahlreiche Gesetzesnovellierungen (z. B. Gesundheitsreformen, Änderungen im SGB V) immer wieder an geänderte Versorgungs- und Wettbewerbsbedingungen angepasst. Insbesondere die zunehmende Gewichtung von Qualitätssicherung, Digitalisierung im Gesundheitswesen und sektorenübergreifender Versorgung prägen die heutige Tätigkeit der KBV.

Literatur

  • Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V)
  • Gesetz über die Kassenärztliche Bundesvereinigung
  • Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä)
  • Einheitlicher Bewertungsmaßstab (EBM)

Hinweis: Die Kassenärztliche Bundesvereinigung ist eine zentrale Säule des deutschen Gesundheitswesens und unterliegt einem komplexen rechtlichen Rahmen, welcher fortlaufend weiterentwickelt wird. Eine vertiefte Betrachtung einzelner Themenkomplexe, wie z. B. Vergütungsmechanismen, Qualitätssicherung oder die aktuellen Herausforderungen durch Digitalisierung und Versorgungsstrukturgesetze, kann weitere spezialisierte Artikel begründen.

Häufig gestellte Fragen

Wie ist die rechtliche Stellung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) geregelt?

Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) ist eine bundesunmittelbare Körperschaft des öffentlichen Rechts, deren rechtliche Grundlagen insbesondere im Fünften Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) verankert sind. Nach § 77 SGB V ist sie als Zusammenschluss der Kassenärztlichen Vereinigungen auf Bundesebene konstituiert und nimmt Aufgaben im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung wahr. Die KBV besitzt Satzungsautonomie, kann jedoch durch Bundesrecht in ihrer Tätigkeit beschränkt und zur Durchführung bestimmter Aufgaben verpflichtet werden. Eine staatliche Rechtsaufsicht, insbesondere durch das Bundesministerium für Gesundheit, stellt sicher, dass die KBV ihre gesetzlich übertragenen Aufgaben ordnungsgemäß erfüllt und die Rechtsvorschriften einhält. Sie handelt als juristische Person, kann also Rechte erwerben und Verpflichtungen eingehen, wobei sie im Sinne eines Selbstverwaltungskörpers institutionell eigenständig, aber funktional in das System der gesetzlichen Krankenversicherung eingebunden ist.

Welche rechtlichen Aufgaben und Pflichten hat die KBV gegenüber den Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen)?

Die KBV ist kraft Gesetzes als Spitzenorganisation (§§ 77, 78 SGB V) verpflichtet, die Rechte und Interessen ihrer Mitglieds-KVen zu vertreten und zu koordinieren. Sie wirkt bei der Sicherstellung einer bundesweit einheitlichen medizinischen Versorgung mit, indem sie Rahmenvorgaben für Qualitätssicherung, Abrechnungsmethoden, Honorarverteilung und Zulassungsvoraussetzungen erarbeitet. Darüber hinaus ist die KBV an der Gestaltung und Weiterentwicklung der Bundesmantelverträge beteiligt (§ 82 SGB V) sowie für die Ausarbeitung von Empfehlungen und Richtlinien etwa zur medizinischen Standardisierung oder zur IT-Sicherheit verantwortlich. Sie nimmt für die KVen Positionen gegenüber dem Gesetzgeber, Ministerien und anderen Akteuren des Gesundheitswesens ein und ist zur Information und Konsultation der Mitgliedsorganisationen in allen relevanten Angelegenheiten verpflichtet.

Welche gesetzlichen Grundlagen bestimmen das Verhältnis der KBV zu den Krankenkassen?

Das Verhältnis der KBV zu den gesetzlichen Krankenkassen ist durch das SGB V festgelegt – insbesondere §§ 82, 85 SGB V. Die KBV ist als Verhandlungs- und Vertragspartner der Spitzenverbände der Krankenkassen auf Bundesebene für den Abschluss von Bundesmantelverträgen und sonstigen kollektivrechtlichen Vereinbarungen verantwortlich. Im Rahmen des Bewertungsausschusses (§ 87 SGB V) gestaltet die KBV gemeinsam mit den Krankenkassen die Abrechnungsmodalitäten und Leistungsbeschreibungen für vertragsärztliche Versorgung. Die rechtliche Ausgestaltung dieser Kooperation ist durch Verhandlungsfreiheit, jedoch unter Beachtung der gesetzlichen Vorgaben und der staatlichen Aufsicht, geprägt. Im Streitfall sind zudem rechtliche Schiedsstellen und Verwaltungsgerichte angerufen werden.

Welche Aufsichtsfunktionen hat das Bundesministerium für Gesundheit über die KBV?

Die KBV unterliegt gemäß § 85 SGB IV der Rechtsaufsicht des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG). Das bedeutet, das BMG kann die Rechtmäßigkeit der Satzungen, Beschlüsse und allgemeinen Maßnahmen kontrollieren und gegebenenfalls deren Aufhebung anordnen, sofern sie gegen geltendes Recht verstoßen. Die Fachaufsicht – also eine Prüfung der Zweckmäßigkeit, Angemessenheit oder Wirtschaftlichkeit der Tätigkeit – steht dem Ministerium jedoch nicht zu. Insbesondere bei der Genehmigung von Satzungsänderungen, bei der Bestellung oder Abberufung von Vorstandsmitgliedern sowie bei der Ausführung von Aufgaben mit bundesweiter Auswirkungen ist das BMG inhaltlich und verfahrensrechtlich eingebunden.

Welche rechtlichen Voraussetzungen gelten für Wahlen und Zusammensetzung des KBV-Vorstands?

Für die Zusammensetzung und Wahl des KBV-Vorstands gelten die Regelungen der Satzung i.V.m. den Vorgaben aus § 79 SGB V. Der Vorstand besteht in der Regel aus einem Vorsitzenden und weiteren Mitgliedern, die von der Vertreterversammlung, dem obersten Organ der KBV (§ 78 SGB V), in geheimer Wahl gewählt werden. Die Amtszeiten, Wahlvoraussetzungen, das Wahlverfahren sowie Möglichkeiten zur vorzeitigen Abberufung sind rechtssicher und mit Verweis auf allgemeine Grundsätze des öffentlichen Rechts ausgestaltet. Dabei sind die Unabhängigkeit des Vorstands, die demokratische Legitimation durch die Wahl und Transparenz der Entscheidungsprozesse zentrale rechtliche Anforderungen.

Wie ist die KBV in rechtlichen Auseinandersetzungen und Rechtsschutzverfahren positioniert?

Im Kontext rechtlicher Streitigkeiten ist die KBV als Körperschaft des öffentlichen Rechts parteifähig und kann sowohl klagen als auch verklagt werden. Das betrifft insbesondere Verwaltungsstreitverfahren gegen Aufsichtsmaßnahmen, Vertragsstreitigkeiten mit Krankenkassen oder auch interne Auseinandersetzungen mit ihren Mitgliedern. Rechtswege, insbesondere zu den Sozialgerichten, sind in einschlägigen Vorschriften (insbesondere SGG) verankert. Häufig nimmt die KBV eine koordinierende oder vermittelnde Rolle zwischen den verschiedenen Akteuren im Gesundheitswesen ein und trägt damit zur einheitlichen Rechtsanwendung bei.

Wie regelt das Recht die Mitbestimmung und Beteiligung der Mitglieder in der KBV?

Die Vertretung und Beteiligung der Mitglieder ist im Rahmen der Selbstverwaltung ein zentrales Element und wird rechtlich durch die Satzung der KBV sowie durch § 78 SGB V gesichert. Die Kassenärztlichen Vereinigungen entsenden Vertreter in die Vertreterversammlung, die als höchstes Organ der KBV unter anderem über Satzungsänderungen, Haushaltspläne und grundlegende verbandspolitische Beschlüsse entscheidet. Auch bei Meinungsverschiedenheiten zwischen Mitgliedern ist eine rechtlich abgesicherte Beteiligung, z.B. durch Schlichtungsstellen, vorgesehen. Die gesetzlichen und satzungsmäßigen Beteiligungsrechte stellen sicher, dass die Mitgliedsorganisationen die Steuerung und Kontrolle der KBV maßgeblich mitbestimmen können.