Legal Lexikon

Wiki»Legal Lexikon»Steuerrecht»Kapitalverkehrsteuern

Kapitalverkehrsteuern


Begriff und Grundstruktur der Kapitalverkehrsteuern

Kapitalverkehrsteuern sind ein wesentlicher Begriff im deutschen und europäischen Steuerrecht. Sie umfassen eine Gruppe von Verkehrssteuern, deren Entstehung und Erhebung an bestimmte Vorgänge im Zusammenhang mit Kapitalübertragungen oder Kapitalbewegungen anknüpfen. Im engeren Sinne handelt es sich bei Kapitalverkehrsteuern um solche Steuern, die auf den Übergang oder die Übertragung von Kapitalrechten erhoben werden.

Abgrenzung zu anderen Steuerarten

Kapitalverkehrsteuern bilden einen eigenständigen Teil der Verkehrssteuern, unterscheiden sich jedoch grundsätzlich von Ertragsteuern (etwa Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer) und Besitzsteuern. Während Ertragsteuern das Einkommen oder den Gewinn einer Person oder Gesellschaft besteuern, nimmt die Kapitalverkehrsteuer Bezug auf den Akt des Übertrags, der Emission oder Überlassung von Kapital(-rechten) unabhängig vom Umfang oder Erfolg der Kapitalnutzung.

Geschichtliche Entwicklung und Rechtsgrundlagen

Entwicklung der Kapitalverkehrsteuern in Deutschland

Die Wurzeln der Kapitalverkehrsteuern liegen im 19. Jahrhundert. Erstmalig eingeführt wurden entsprechende Steuerarten im Zuge wachsender Finanztransaktionen und mit der Entwicklung des modernen Kapitalmarktes. Insbesondere im Laufe des 20. Jahrhunderts kam es zu einer Weiterentwicklung und Spezialisierung dieses Steuertyps.

Europarechtliche Einflüsse

Mit der fortschreitenden europäischen Integration und der Schaffung des Binnenmarktes spielten Kapitalverkehrsteuern auch in den europäischen Verträgen eine Rolle. Die sogenannte Kapitalverkehrsteuer-Richtlinie der Europäischen Union hat wesentlichen Einfluss auf die Ausgestaltung der nationalen Steuergesetze. Ziel dieser Regelungen ist es, Hemmnisse im Kapitalverkehr zwischen den Mitgliedstaaten abzubauen und Doppelbesteuerungen zu vermeiden.

Nationale Rechtsgrundlagen

In Deutschland finden sich die maßgeblichen Bestimmungen zu Kapitalverkehrsteuern hauptsächlich im Kapitalverkehrsteuergesetz (KvStG) a.F., das allerdings zum 1. Januar 1992 aufgehoben wurde. Rechtliche Relevanz besitzen die Nachfolgeregelungen und Übergangsvorschriften für Altbestände sowie das BewG (Bewertungsgesetz) und andere Vorschriften, die in Spezialgesetzen geregelt sind.

Einteilung und Arten der Kapitalverkehrsteuern

Börsenumsatzsteuer (ehemals)

Die Börsenumsatzsteuer war eine klassische Kapitalverkehrsteuer, die auf den Erwerb in- und ausländischer Wertpapiere an einer inländischen Börse erhoben wurde. Ihr Zweck bestand darin, den aktiven Handel mit Wertpapieren fiskalisch zu erfassen. Diese Steuer wurde mit Wirkung zum 1. Januar 1991 abgeschafft.

Gesellschaftsteuer

Die Gesellschaftsteuer war eine weitere spezifische Form der Kapitalverkehrsteuern, welche insbesondere die Gründung von Kapitalgesellschaften sowie deren Kapitalerhöhung steuerlich erfasste. Besteuert wurden hier insbesondere die Ausgabe neuer Aktien oder Anteile im Rahmen von Gesellschaftsgründungen und Kapitalerhöhungen. Die Gesellschaftsteuer wurde ebenfalls mit Inkrafttreten des Steuerreformgesetzes 1992 abgeschafft.

Grunderwerbsteuer

Obwohl die Grunderwerbsteuer in der Praxis häufig als eigenständige Steuerart betrachtet wird, wurde sie in der Rechtsprechung und im Schrifttum zeitweise auch als Kapitalverkehrsteuer eingeordnet, da sie die Übertragung von Grundstücken und kapitalisierbaren Grundstücksrechten besteuert.

Verfassungsmäßigkeit und Abgrenzung

Steuerliche Systematik im Grundgesetz

Im deutschen Grundgesetz sind die Steuertatbestände in Art. 106 GG geregelt. Hierunter fallen verschiedene Steuerarten, wobei Kapitalverkehrsteuern gemäß Art. 106 Abs. 1 Nr. 4 GG grundsätzlich dem Bund zugewiesen waren. Die Systematik der Zuweisung sowie die Unterscheidung zwischen Besitzsteuern, Verkehrssteuern und Aufwandsteuern ist für die verfassungskonforme Ausgestaltung von Kapitalverkehrsteuern maßgeblich.

Abgrenzung zu Umsatzsteuer und Ertragsteuern

Im Vergleich zu Umsatzsteuern und Ertragsteuern zeichnen sich Kapitalverkehrsteuern dadurch aus, dass sie nicht auf den regelmäßigen Umsatz oder den erzielten Ertrag abstellen, sondern auf einmalige, im Regelfall außergewöhnliche Vermögensbewegungen. Wichtig ist hierbei die klare Abgrenzung, die sowohl in Gesetzgebung, Verwaltungspraxis als auch in der einschlägigen Rechtsprechung immer wieder Thema ist.

Internationale Aspekte und Steuerharmonisierung

Europäische Union

Die Europäische Union strebt eine weitgehende Harmonisierung der Kapitalverkehrsteuern an, insbesondere um Wettbewerbsverzerrungen und Kapitalmigrationsanreize innerhalb des Binnenmarktes zu vermeiden. Die Kapitalverkehrsteuer-Richtlinie (69/335/EWG) verbietet den Mitgliedstaaten im Wesentlichen die Erhebung solcher Steuern, soweit sie nicht ausdrücklich ausgenommen sind. Dadurch wurde beispielsweise die Gesellschaftsteuer in mehreren EU-Staaten abgeschafft.

Doppelbesteuerungsabkommen

Im internationalen Steuerrecht finden Kapitalverkehrsteuern grundsätzlich keine ausdrückliche Erwähnung in bilateralen Doppelbesteuerungsabkommen, da sie überwiegend innerhalb der Staaten geregelt werden und in den meisten Rechtssystemen mittlerweile eine untergeordnete Rolle spielen.

Aktuelle Relevanz und Reformbestrebungen

Gegenwärtiger Stand

In Deutschland werden klassische Kapitalverkehrsteuern – mit Ausnahme insbesondere der Grunderwerbsteuer – nicht mehr erhoben. Gleichwohl existieren Diskussionen um die Einführung neuer Formen von Kapitalverkehrsteuern, etwa im Zusammenhang mit einer möglichen Finanztransaktionssteuer auf europäischer Ebene.

Finanztransaktionssteuer

Die Finanztransaktionssteuer ist eine von einigen EU-Mitgliedstaaten unterstützte Steuer auf den Handel mit Finanzinstrumenten. Sie würde im weiteren Sinne als Kapitalverkehrsteuer eingeordnet werden und zielt darauf ab, spekulative Kapitaltransaktionen einzudämmen sowie Haushaltsmittel zu generieren.

Zusammenfassung

Kapitalverkehrsteuern stellen einen historisch bedeutsamen, jedoch heute in Deutschland weitgehend abgeschafften Steuerbereich dar. Sie waren und sind gekennzeichnet durch die Besteuerung von Kapitalübertragungen und bestimmten gesellschaftsrechtlichen Vorgängen. Die weitere Entwicklung in diesem Bereich wird insbesondere durch internationale Entwicklungen und Harmonisierungsbestrebungen prägend beeinflusst.

Literaturhinweise

  • Tipke/Lang: Steuerrecht, 23. Aufl., Köln 2023
  • Kirchhof/Söhn/Mellinghoff: Einkommensteuergesetz, Kommentar, neueste Auflage
  • Frotscher/Geurts: Grundgesetz-Kommentar, Art. 106 GG

Weblinks


Hinweis: Der Artikel bietet einen tiefgehenden Überblick über das Rechtsinstitut der Kapitalverkehrsteuern und erläutert detailliert die historische, systematische sowie gegenwärtige steuerrechtliche Bedeutung.

Häufig gestellte Fragen

Welche Gesetze regeln die Kapitalverkehrsteuern in Deutschland?

Die Kapitalverkehrsteuern in Deutschland werden insbesondere durch das Kapitalverkehrsteuergesetz (KapVerkStG) sowie ergänzende spezialgesetzliche Regelungen geregelt. Das KapVerkStG schließt dabei mehrere Steuerarten ein, zu denen vor allem die Grunderwerbsteuer (§ 1 GrEStG), die Gesellschaftsteuer (inzwischen jedoch außer Kraft gesetzt), die Börsenumsatzsteuer (ebenfalls aufgehoben) und die Versicherungssteuer (§ 1 VersStG) zählen oder zählten. Die aktuell bedeutendsten Formen der Kapitalverkehrsteuer sind insbesondere die Grunderwerbsteuer und die Versicherungssteuer. Ergänzende Regelungen finden sich im Bewertungsgesetz, der Abgabenordnung und EU-rechtlichen Vorgaben, insbesondere im Rahmen der Mehrwertsteuersystemrichtlinie, die eine Harmonisierung im Bereich bestimmter Kapitalverkehrsteuern anstrebt. Für einzelne Steuerarten sind zudem konkrete Verwaltungsvorschriften und Rechtsprechungen zu beachten, die die Anwendung und Auslegung weiter konkretisieren.

Gibt es besondere Ausnahmen oder Befreiungen bei Kapitalverkehrsteuern?

Ja, das Kapitalverkehrsteuerrecht sieht für verschiedene Steuerarten spezifische Ausnahmen oder Steuerbefreiungen vor. Bei der Grunderwerbsteuer sind beispielsweise Erwerbsvorgänge unter nahen Angehörigen (§ 3 Nr. 6 und 7 GrEStG) sowie bestimmte Umwandlungsvorgänge im Rahmen gesellschaftsrechtlicher Restrukturierungen (§ 6a GrEStG) begünstigt oder befreit. Im Bereich der Versicherungssteuer sind teils bestimmte Versicherungsarten entweder von der Steuer befreit (§ 4 Nr. 1-10 VersStG) oder es gibt Steuerermäßigungen. Die Prüf- und Anwendungstiefe dieser Befreiungstatbestände ist hoch, häufig bestehen Melde- und Anzeigepflichten, deren Missachtung nachteilig ist. Die Gesetzgebung zur Kapitalverkehrsteuer beinhaltet zudem detaillierte Abgrenzungen, wann und wie Ausnahmen beansprucht werden können, weswegen eine umfassende rechtliche Prüfung im Einzelfall erforderlich ist.

Wie unterscheiden sich die Kapitalverkehrsteuern von der Umsatzsteuer?

Obwohl sowohl die Kapitalverkehrsteuern als auch die Umsatzsteuer als Verkehrsteuern gelten und somit bestimmte Rechts- oder Wirtschaftsverkehrshandlungen besteuern, bestehen deutliche rechtliche Unterschiede. Die Umsatzsteuer ist eine Allphasen-Netto-Umsatzsteuer, die auf die meisten Waren- und Dienstleistungsumsätze erhoben und im Rahmen der Mehrwertsteuersystemrichtlinie europaweit harmonisiert ist. Kapitalverkehrsteuern hingegen sind Einzelsteuern, die auf spezifische Vorgänge wie Grundstückstransaktionen (Grunderwerb), Versicherungsabschlüsse oder früher auch Gesellschaftsgründungen oder Börsengeschäfte erhoben wurden. Des Weiteren sind für die Kapitalverkehrsteuern meist spezielle Besteuerungssubjekte, Bemessungsgrundlagen und Steuersätze vorgesehen, die sich grundsätzlich von der Umsatzsteuer unterscheiden. Die Erhebung und Administration erfolgt weitgehend durch unterschiedliche Behörden (beispielsweise Finanzämter mit Sonderzuständigkeit für Grunderwerbsteuer).

Welche Mitwirkungspflichten bestehen bei kapitalverkehrsteuerpflichtigen Vorgängen?

Bei kapitalverkehrsteuerpflichtigen Vorgängen bestehen umfangreiche gesetzliche Mitwirkungspflichten für die Steuerpflichtigen und ggf. deren Berater, insbesondere im Hinblick auf Anmelde-, Anzeige- und Dokumentationspflichten. Beispielsweise ist der Erwerb eines Grundstücks dem zuständigen Finanzamt mittels einer notariell beglaubigten Urkunde unverzüglich anzuzeigen (§ 18 GrEStG). Versicherer müssen steuerpflichtige Versicherungsverträge korrekt deklarieren und die Versicherungssteuer ordnungsgemäß abführen (§ 8 ff. VersStG). Verstöße gegen diese Mitwirkungspflichten, wie unterbliebene oder unrichtige Anzeige sowie fehlerhafte oder verspätete Steuererklärungen, werden regelmäßig mit steuerlichen Nachteilen, Säumniszuschlägen und teils auch Bußgeldern sanktioniert. Eine sorgfältige Erfüllung dieser gesetzlichen Pflichten bildet damit einen elementaren Bestandteil der rechtskonformen Abwicklung kapitalverkehrsteuerrelevanter Vorgänge.

Welche Rechtsbehelfe stehen gegen Kapitalverkehrsteuerbescheide zur Verfügung?

Betroffene Steuerpflichtige können gegen Kapitalverkehrsteuerbescheide regelmäßig die in der Abgabenordnung (AO) vorgesehenen Rechtsbehelfe in Anspruch nehmen. Dazu zählen insbesondere der form- und fristgerechte Einspruch gegen den Steuerbescheid (§§ 347 ff. AO). Wird dem Einspruch nicht abgeholfen, kann anschließend der Verwaltungsrechtsweg mit einer Klage vor dem zuständigen Finanzgericht beschritten werden. Bei komplexen Gestaltungen empfiehlt sich oft die frühzeitige rechtliche Beratung bzw. die Einholung einer verbindlichen Auskunft gemäß § 89 Abs. 2 AO. Der Rechtsschutz ist umfassend ausgestaltet, jedoch müssen alle einschlägigen Fristen strikt beachtet werden, da bei Fristversäumung erhebliche Rechtsnachteile drohen.

Wie werden Kapitalverkehrsteuern im internationalen Kontext behandelt?

Im internationalen Kontext unterscheidet sich die Behandlung der Kapitalverkehrsteuern erheblich, da deren Erhebungskompetenz grundsätzlich bei den Nationalstaaten liegt. Innerhalb der Europäischen Union existieren Harmonisierungsvorgaben – vor allem, was Wettbewerbsverzerrungen durch Kapitalverkehrsteuern anbelangt, etwa mit Blick auf das Gesellschaftsrecht. Doppelbesteuerungsabkommen beziehen sich mehrheitlich nicht auf Kapitalverkehrsteuern, womit insbesondere bei grenzüberschreitenden Immobilientransaktionen die nationale Steuerpflicht regelmäßig greift. Gleichwohl können insbesondere ausländische Erwerber, Investoren sowie Versicherer durch deutsche Kapitalverkehrsteuern betroffen sein und müssen daher die innerstaatlichen Steuervorschriften sorgfältig beachten. Die EU hat in ihrer Kapitalverkehrsfreiheit jedoch Beschränkungen vorgesehen, sodass nationale Kapitalverkehrsteuern den freien Kapitalverkehr grundsätzlich nicht unzulässig einschränken dürfen. Im Streitfall ist hier regelmäßig der Europäische Gerichtshof (EuGH) angerufen worden.

Welche Rolle spielt die Rechtsprechung im Bereich der Kapitalverkehrsteuern?

Die Rechtsprechung der Finanzgerichte, des Bundesfinanzhofs (BFH) und des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) spielt im Bereich der Kapitalverkehrsteuern eine äußerst wichtige Rolle zur Auslegung und Konkretisierung der oftmals komplexen gesetzlichen Vorschriften. Dies betrifft unter anderem Begriffsbestimmungen, die Reichweite von Ausnahmen und Befreiungen, sowie die Fragen der Vereinbarkeit nationaler Steuervorschriften mit europarechtlichen Vorgaben. Wichtige Präzedenzfälle prägen die laufende Verwaltungspraxis und wirken unmittelbar auf die Auslegung beispielsweise der grunderwerbsteuerlichen Tatbestände, der Steuertarife oder der Verfahrensrechte. Die rechtliche Entwicklung im Bereich der Kapitalverkehrsteuern ist deshalb stark dynamisch und unterliegt fortlaufenden Veränderungen durch höchstrichterliche Rechtsprechung.