Begriff und Bedeutung der Justizgerichtsbarkeit
Die Justizgerichtsbarkeit ist ein Zentralbegriff des öffentlichen Rechts und bezeichnet die Ausübung rechtsprechender Gewalt (Judikative) durch staatliche Gerichte. Sie umfasst sämtliche staatlichen Einrichtungen und Verfahren, die der Rechtsanwendung und Rechtsdurchsetzung, insbesondere der Entscheidung von Rechtsstreitigkeiten und der Verhängung von Sanktionen, dienen. Die Justizgerichtsbarkeit bildet damit einen der drei Gewalten im demokratischen Rechtsstaat und steht neben der Legislative (gesetzgebende Gewalt) und der Exekutive (vollziehende Gewalt).
Begriffsabgrenzung
Der Begriff Justizgerichtsbarkeit dient zur klaren Abgrenzung gegenüber außergerichtlichen Streitschlichtungsmechanismen, wie Schiedsverfahren oder Mediationen, sowie gegenüber Verwaltungsverfahren, die nicht dem Rechtsweg unterliegen. Er grenzt außerdem die Tätigkeit von Organen der Judikative (Gerichte) von der Tätigkeit der Verwaltung und Gesetzgebung ab.
Rechtsgrundlagen der Justizgerichtsbarkeit in Deutschland
Verfassungsrechtlicher Rahmen
Die verfassungsrechtliche Verankerung der Justizgerichtsbarkeit findet sich im Grundgesetz (GG) der Bundesrepublik Deutschland. Insbesondere Art. 92 GG bestimmt, dass die rechtsprechende Gewalt den Richtern anvertraut ist und durch das Bundesverfassungsgericht, die Bundesgerichte sowie die Gerichte der Länder ausgeübt wird. Weitere maßgebliche Vorschriften sind Art. 19 Abs. 4 GG (Rechtsweggarantie) und Art. 101 GG (Recht auf den gesetzlichen Richter).
Einfachrechtliche Ausgestaltung
Die einfachgesetzliche Regelung erfolgt durch die jeweiligen Prozessordnungen und die Gesetze über die Gerichtsorganisation, wie das Gerichtsverfassungsgesetz (GVG), die Zivilprozessordnung (ZPO), die Strafprozessordnung (StPO), das Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), das Sozialgerichtsgesetz (SGG) und das Finanzgerichtsgesetz (FGO).
Arten der Justizgerichtsbarkeit
Die Justizgerichtsbarkeit in Deutschland ist in verschiedene Gerichtsbarkeiten untergliedert, die jeweils für spezifische Rechtsbereiche zuständig sind.
1. Ordentliche Gerichtsbarkeit
Die ordentliche Gerichtsbarkeit umfasst die Zivil- und die Strafgerichte. Sie ist zuständig für
- Zivilrechtliche Streitigkeiten (bspw. Verträge, Schadensersatz, Familien- und Erbrecht)
- Strafsachen einschließlich Ordnungswidrigkeiten
- Nebenmaterien wie Grundbuch- und Registersachen
Oberstes Organ ist der Bundesgerichtshof (BGH).
2. Arbeitsgerichtsbarkeit
Die Arbeitsgerichtsbarkeit entscheidet über arbeitsrechtliche Streitigkeiten zwischen Arbeitnehmern, Arbeitgebern und deren Koalitionen. Sie wird durch das Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) geregelt. Der Bundesarbeitsgericht (BAG) ist das oberste Gericht dieser Ordnung.
3. Verwaltungsgerichtsbarkeit
Innerhalb der Verwaltungsgerichtsbarkeit werden öffentlich-rechtliche Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art zwischen Bürgern und Verwaltung entschieden. Das Verwaltungsverfahrensrecht und die Rechtsschutzgarantie gewährleisten hier den Zugang zu Gericht. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) ist die höchste Instanz.
4. Sozialgerichtsbarkeit
Die Sozialgerichtsbarkeit ist zuständig für Streitigkeiten aus dem Bereich der sozialen Sicherheit (z. B. Sozialversicherung, Arbeitsförderung, Grundsicherung). Regelungen trifft das Sozialgerichtsgesetz (SGG). Das Bundessozialgericht (BSG) fungiert als höchstes Gericht.
5. Finanzgerichtsbarkeit
Die Finanzgerichtsbarkeit entscheidet über öffentlich-rechtliche Streitigkeiten im Bereich des Steuerrechts sowie Zölle und Abgaben. Regelungsgrundlage bildet das Finanzgerichtsordnung (FGO). Das Bundesfinanzhof (BFH) bildet hier die Revisionsinstanz.
6. Verfassungsgerichtsbarkeit
Diese Gerichtsbarkeit wird von dem Bundesverfassungsgericht und den Verfassungsgerichten der Länder ausgeübt und dient dem Schutz der Verfassung und Grundrechte. Ihre Aufgaben sind die Kontrolle der Einhaltung des Grundgesetzes, die Klärung verfassungsrechtlicher Streitigkeiten sowie der Schutz der Grundrechte.
Aufbau und Organisation der Justizgerichtsbarkeit
Instanzenzug
Jedes Gerichtssystem ist in einen Instanzenzug gegliedert, typischerweise bestehend aus:
- Erste Instanz (Tatgerichte auf niedriger Ebene, z. B. Amts- oder Landgerichte)
- Zweite Instanz (Berufungsgerichte, z. B. Oberlandesgerichte, Landesarbeitsgerichte)
- Dritte Instanz (Revisionsgerichte, Bundesgerichte)
Der Instanzenzug sichert die Überprüfbarkeit gerichtlicher Entscheidungen und den effektiven Rechtsschutz.
Gerichtsbarkeit auf Bundes- und Landesebene
Die Gerichtsbarkeit ist zwischen Bund und Ländern aufgeteilt. Während die Länder primär für die Gerichte der Länder zuständig sind, bestehen auf Bundesebene die obersten Gerichtshöfe und das Bundesverfassungsgericht.
Selbstverwaltung der Justiz
Die Justizgerichtsbarkeit besitzt eine weitgehende Selbstverwaltung und Unabhängigkeit. Richterinnen und Richter unterliegen keiner Weisung und sind ausschließlich dem Gesetz verpflichtet. Die richterliche Unabhängigkeit ist ein zentraler Grundpfeiler der rechtsstaatlichen Ordnung.
Prinzipien der Justizgerichtsbarkeit
Rechtsstaatsprinzip und Unabhängigkeit
Justizgerichtsbarkeit wird durch das Rechtsstaatsprinzip, insbesondere durch die Bindung an Recht und Gesetz sowie durch die unabhängige Ausübung des Richteramts geprägt.
Rechtsschutzgarantie
Die Garantie effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) stellt sicher, dass allen, die durch die öffentliche Gewalt in ihren Rechten verletzt werden, der Weg zu den Gerichten offensteht.
Öffentlichkeitsgrundsatz und Rechtliches Gehör
Verfahren vor Justizgerichten sind grundsätzlich öffentlich; das rechtliche Gehör der Beteiligten wird garantiert (Art. 103 Abs. 1 GG).
Europarechtliche Dimension der Justizgerichtsbarkeit
Einbindung in den europäischen Rechtsrahmen
Die Justizgerichtsbarkeit in Deutschland ist in den europäischen Rechtsrahmen eingebunden. Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) und des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) haben Einfluss auf die nationale Rechtsprechung und gewährleisten einen einheitlichen Rechtsraum in Europa.
Vorrang und Anwendung von EU-Recht
Im Kollisionsfall ist das EU-Recht vorrangig anzuwenden. Die deutschen Gerichte üben die Justizgerichtsbarkeit dabei als „Unionsgerichte“ aus, soweit EU-Recht betroffen ist.
Abgrenzung zu sonstigen Gerichtsbarkeiten
Schiedsgerichtsbarkeit und andere Formen der Konfliktlösung
Neben der ordentlichen und besonderen Justizgerichtsbarkeit existieren auch private Mechanismen der Streitschlichtung, wie Schiedsgerichte, deren Entscheidungen jedoch nicht die Legitimation und Durchsetzungskraft staatlicher Gerichte besitzen.
Bedeutung und Funktion der Justizgerichtsbarkeit
Die Justizgerichtsbarkeit garantiert die Durchsetzung des Rechts, die Wahrung der Grundrechte und einen wirksamen Rechtsschutz für alle. Sie ist eine tragende Säule des demokratischen Rechtsstaates und unverzichtbar für das Vertrauen der Bevölkerung in die staatliche Ordnung und die Streitbeilegung durch autoritative, unparteiische Institutionen.
Literaturhinweise:
- Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland
- Gerichtsverfassungsgesetz (GVG)
- Zivilprozessordnung (ZPO)
- Strafprozessordnung (StPO)
- Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO)
- Sozialgerichtsgesetz (SGG)
- Finanzgerichtsordnung (FGO)
Weblinks:
Häufig gestellte Fragen
Welche Aufgaben nimmt die Justizgerichtsbarkeit innerhalb des deutschen Rechtssystems wahr?
Die Justizgerichtsbarkeit ist eine der tragenden Säulen der deutschen Staatsgewalt und übernimmt im Wesentlichen die Aufgabe, staatlichen Rechtsschutz zu gewährleisten. Sie entscheidet unabhängig und unparteiisch über Rechtsstreitigkeiten zwischen Bürgern, zwischen Bürgern und dem Staat sowie im Bereich des Strafrechts über die Ahndung von Straftaten. Die Zuständigkeit der Justizgerichtsbarkeit erstreckt sich insbesondere auf die Auslegung und Anwendung des Gesetzes, die Feststellung und Durchsetzung subjektiver Rechte sowie den Schutz vor staatlicher Willkür. Die Hauptaufgaben umfassen das Führen von Zivilprozessen, das Erkennen und Ahnden strafbaren Verhaltens in Strafgerichten, das Bearbeiten von Familiensachen, Erbschaftsfragen, Registersachen und weiteren Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit. Durch diese Tätigkeiten sichert die Justiz als „Dritte Gewalt“ den effektiven Rechtsschutz und trägt zur Wahrung des Rechtsfriedens und zur Durchsetzung des materiellen Rechts bei.
Wie gliedert sich die Justizgerichtsbarkeit im deutschen System?
Die Justizgerichtsbarkeit in Deutschland ist nach dem Prinzip der Fachgerichtsbarkeiten gegliedert. Es existieren konkret fünf eigenständige Gerichtsbarkeiten: die ordentliche Gerichtsbarkeit, die Verwaltungsgerichtsbarkeit, die Finanzgerichtsbarkeit, die Arbeitsgerichtsbarkeit und die Sozialgerichtsbarkeit. Die ordentliche Gerichtsbarkeit umfasst im Wesentlichen Zivil- und Strafsachen und ist in mehrere Instanzen unterteilt: Amtsgerichte (AG), Landgerichte (LG), Oberlandesgerichte (OLG) und den Bundesgerichtshof (BGH). Die übrigen Gerichtsbarkeiten enthalten jeweils eigene Spruchkörper in mehrstufiger Instanzstruktur. Beispielsweise besteht die Verwaltungsgerichtsbarkeit aus Verwaltungsgerichten (VG), Oberverwaltungsgerichten/Verwaltungsgerichtshöfen (OVG/VGH) und dem Bundesverwaltungsgericht (BVerwG). Diese fachliche Aufteilung stellt sicher, dass spezialisierte Richterinnen und Richter die teils sehr komplexen Rechtsmaterien sachgerecht bearbeiten können.
Welche Prinzipien sind für die Justizgerichtsbarkeit maßgeblich?
Für die Ausübung der Justizgerichtsbarkeit gelten in Deutschland grundlegende verfassungsrechtliche Prinzipien, die eine faire, unabhängige und rechtsstaatliche Entscheidungsfindung garantieren sollen. Zentral ist insbesondere der Grundsatz der richterlichen Unabhängigkeit, der sowohl sachlich als auch persönlich ausgestaltet ist (Art. 97 GG). Weiterhin sind das Recht auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 GG), der Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 GG), das Prinzip der Öffentlichkeit der Verhandlung, sowie das Recht auf effektiven Rechtsschutz gemäß Art. 19 Abs. 4 GG maßgeblich. Diese Prinzipien sichern sowohl das Vertrauen der Bevölkerung in die Unvoreingenommenheit und Objektivität der Gerichte als auch den rechtmäßigen staatlichen Zugriff auf Individuen und deren Rechtsverhältnisse.
Wie wird der Instanzenzug in der Justizgerichtsbarkeit geregelt?
Der Instanzenzug dient der Überprüfung gerichtlicher Entscheidungen durch übergeordnete Gerichte und damit der Fehlerkorrektur und Rechtsfortbildung. In der ordentlichen Gerichtsbarkeit sind regelmäßig drei Instanzen vorgesehen: die erste Instanz (z.B. Amtsgericht, Landgericht), die Berufungsinstanz (z.B. Landgericht, Oberlandesgericht) und die Revisionsinstanz (z.B. Bundesgerichtshof). Der Instanzenzug ist im Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) und den jeweiligen Verfahrensordnungen (z.B. ZPO, StPO) genau geregelt. Die Möglichkeit, ein Rechtsmittel einzulegen, ist jedoch häufig an bestimmte Voraussetzungen gebunden, wie zum Beispiel den Streitwert, Fristen oder bestimmte Zulassungen. Der Instanzenzug gewährleistet damit, dass fehlerhafte Urteile nicht rechtskräftig werden, ohne einer umfassenden Kontrolle unterlegen zu haben.
Wer sind die Beteiligten im justizgerichtlichen Verfahren?
Zu den zentralen Beteiligten eines gerichtlichen Verfahrens in der Justizgerichtsbarkeit zählen vor allem die Richter, die Parteien (z.B. Kläger und Beklagter im Zivilprozess, Ankläger und Angeklagter im Strafprozess), die Vertreter der Staatsanwaltschaft im Strafverfahren, Rechtsanwälte als Bevollmächtigte oder Verteidiger, die Gerichtsvollzieher zur Durchsetzung gerichtlicher Entscheidungen, sowie gegebenenfalls Zeugen und Sachverständige. In besonderen Verfahren, beispielsweise im Kindschaftsrecht, können auch Jugendämter, Verfahrensbeistände oder sonstige Verfahrensbeteiligte berufen sein. Die einzelnen Rollen sind gesetzlich definiert, um sowohl die Interessen der Parteien als auch die ordnungsgemäße Durchführung des Verfahrens sicherzustellen.
Welche Bedeutung hat die Öffentlichkeit der Verhandlung in der Justizgerichtsbarkeit?
Die Öffentlichkeit der Verhandlung ist ein tragendes Prinzip des deutschen Gerichtsverfahrens und findet sich als verfassungsgemäßes Grundrecht in Art. 6 EMRK und § 169 GVG. Sie soll gewährleisten, dass Gerichtsverfahren transparent und nachvollziehbar bleiben, Vertrauen in die Rechtspflege schaffen und einer willkürlichen oder unsachlichen Justiz entgegenwirken. Öffentlich bedeutet, dass jede Person grundsätzlich an einer Gerichtsverhandlung als Zuschauer teilnehmen darf, sofern nicht gesetzlich ausdrücklich Ausnahmen vorgesehen sind – etwa zum Schutz von Persönlichkeitsrechten, bei Minderjährigkeiten oder zur Wahrung von Geschäftsgeheimnissen. Das Prinzip sichert die demokratische Kontrolle der Rechtsprechung durch die Gesellschaft.