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Jugendschutzsachen


Definition und Rechtsgrundlagen von Jugendschutzsachen

Jugendschutzsachen sind ein zentraler Begriff im deutschen Strafverfahrensrecht und bezeichnen Verfahren, die sich auf Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten mit jugendschutzrechtlichem Bezug beziehen. Dies betrifft sowohl den strafrechtlichen Schutz von Minderjährigen vor Gefahren als auch die besonderen Anforderungen an Verfahren, wenn Jugendliche als Opfer, Beschuldigte oder Zeugen involviert sind. Die Regelungen zu Jugendschutzsachen finden sich insbesondere im Jugendgerichtsgesetz (JGG) sowie in verschiedenen Normen des Strafgesetzbuchs (StGB) und anderer relevanter Gesetze.

Gesetzliche Regelungen und Anwendungsbereich

Strafrechtliche Normen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen

Der Gesetzgeber hat zum Schutz von Kindern und Jugendlichen zahlreiche straf- und ordnungsrechtliche Vorschriften geschaffen. Zu den wichtigsten strafrechtlichen Vorschriften im Bereich Jugendschutz gehören u.a.:

  • Sexueller Missbrauch von Kindern und Jugendlichen (§§ 176 ff., 182 StGB)
  • Kinderpornografie (§ 184b StGB) und Jugendpornografie (§ 184c StGB)
  • Verletzung der Fürsorge- oder Erziehungspflicht (§ 171 StGB)
  • Gefährdung des Kindeswohls
  • Verstöße gegen das Jugendschutzgesetz (JuSchG)

Jugendgerichtsgesetz (JGG) und seine Bedeutung

Das Jugendgerichtsgesetz bildet die zentrale Rechtsgrundlage für Verfahren gegen Jugendliche und Heranwachsende. Es regelt, wann ein Verfahren als Jugendschutzsache gilt, welche Verfahrensbesonderheiten Anwendung finden und wie der Schutz der betroffenen Minderjährigen im Verfahren zu gewährleisten ist.

Definition: Jugendschutzsachen im JGG

Nach § 26 JGG sind Jugendschutzsachen Strafsachen gegen die sexuelle Selbstbestimmung und den Schutz der Jugend, aber auch solche, die nach dem Jugendschutzgesetz oder nach §§ 174 bis 184 StGB sowie nach speziellen Vorschriften wie dem Prostituiertenschutzgesetz verfolgt werden. Darüber hinaus zählen auch bestimmte Ordnungswidrigkeiten zum Bereich der Jugendschutzsachen.

Zuständigkeit der Gerichte in Jugendschutzsachen

In Jugendschutzsachen ist grundsätzlich das Jugendgericht zuständig, unabhängig davon, ob der Beschuldigte ein Jugendlicher, ein Heranwachsender oder im Einzelfall auch ein Erwachsener ist, sofern Normen des Jugendschutzes betroffen sind. Das materiell-rechtliche und das verfahrensrechtliche Jugendstrafrecht entfaltet hierbei eine Schutzfunktion, die auf die Bedürfnisse und den Entwicklungsstand der Minderjährigen zugeschnitten ist.

Übersicht der zuständigen Gerichte

  • Jugendgerichte: Verhandeln vorrangig Straftaten junger Menschen
  • Schöffengericht und Jugendkammer: Bei schwerwiegenden Straftaten mit jugendschutzrechtlichem Bezug
  • Strafkammern: In Ausnahmefällen, etwa wenn Tat und Täter nicht dem Anwendungsbereich des JGG unterfallen, jedoch Jugendschutzgesichtspunkte relevant sind

Verfahrensbesonderheiten in Jugendschutzsachen

Schutz der Persönlichkeitsrechte Minderjähriger

Ein zentrales Anliegen von Jugendschutzsachen ist der besondere Schutz des Persönlichkeitsrechts Minderjähriger innerhalb des Strafverfahrens. Dies betrifft sowohl das Opfer als auch den beschuldigten Jugendlichen.

Maßnahmen zum Schutz der Beteiligten

  • Ausschluss der Öffentlichkeit (§ 48 JGG): In Jugendschutzsachen ist die Öffentlichkeit in der Regel ausgeschlossen, um die Privatsphäre der Minderjährigen zu schützen.
  • Besondere Fürsorgepflichten: Das Gericht muss auf die individuellen Bedürfnisse der minderjährigen Beteiligten Rücksicht nehmen und ggf. psychologische Betreuung oder besondere Anhörungsformen anbieten.
  • Zeugenschutz: Minderjährige Zeugen werden besonders vor Belastungen während der Vernehmung geschützt, z.B. durch Video-Vernehmung (§ 58a StPO) oder Vermeidung des unmittelbaren Kontakts mit dem Beschuldigten.

Straf- und Maßregelvollzug

Im Rahmen von Jugendschutzsachen kommen spezielle Sanktionsmechanismen und therapeutische Maßnahmen zur Anwendung. Dazu zählen:

  • Erziehungsmaßregeln und Zuchtmittel: Der Schwerpunkt liegt primär auf erzieherischen Maßnahmen, um den Jugendlichen zur verantwortlichen Lebensführung anzuleiten.
  • Jugendstrafe: Wird nur bei schwerwiegenden Straftaten bzw. schädlicher Neigung verhängt.
  • Sonderregelungen für den Vollzug: Der Jugendvollzug ist auf Resozialisierung und Schutz vor schädlichen Einflüssen ausgerichtet.

Weitere einschlägige Vorschriften im Kontext von Jugendschutzsachen

Jugendschutzgesetz (JuSchG)

Das JuSchG enthält Regelungen zum Schutz der Jugend in der Öffentlichkeit und im Umgang mit Medien. Verstöße gegen das JuSchG können straf- oder bußgeldrechtlich geahndet werden und fallen unter die Jugendschutzsachen.

Besonderheiten im Ordnungswidrigkeitenverfahren

Neben den klassischen Strafsachen zählen auch Ordnungswidrigkeiten mit jugendschutzrechtlichem Bezug (z.B. Abgabe von Alkohol an Minderjährige, Zugang zu jugendgefährdenden Medien) zu den Jugendschutzsachen. Hier greifen spezielle Verfahrensvorschriften und Sanktionsmöglichkeiten.

Internationale Bezüge und europarechtliche Grundlagen

Jugendschutzsachen stehen unter dem besonderen Einfluss internationaler und europäischer Normen. Die Bundesrepublik Deutschland ist verpflichtet, internationale Übereinkommen wie das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte des Kindes (UN-Kinderrechtskonvention) oder den Europäischen Menschenrechtsschutz (EMRK) umzusetzen und die höchsten Schutzstandards für Minderjährige zu gewährleisten.

Insbesondere der Schutz vor sexueller Ausbeutung und der Zugang zu jugendgerechten Verfahren sind in internationalen Konventionen detailliert geregelt und beeinflussen die nationale Gesetzgebung maßgeblich.

Literatur und weiterführende Hinweise

Zum Verständnis der Materie empfiehlt sich die Lektüre des Jugendgerichtsgesetzes (JGG), des Strafgesetzbuchs (StGB), des Jugendschutzgesetzes (JuSchG) und einschlägiger Kommentarliteratur sowie die Beobachtung fortlaufender Rechtsprechung. Weiterhin bieten behördliche Institutionen wie die Jugendämter und die Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz regelmäßig aktualisierte Informationen und Praxishilfen im Bereich Jugendschutz.


Dieser Artikel erläutert fundiert und umfassend alle relevanten Aspekte zu Jugendschutzsachen im Strafverfahrensrecht und gibt einen vollständigen Überblick über die Anwendungsbereiche, Verfahrensbesonderheiten und maßgeblichen Rechtsquellen.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Regelungen gelten für den Verkauf und die Abgabe von alkoholischen Getränken an Jugendliche?

Die Abgabe und der Verkauf von alkoholischen Getränken an Jugendliche sind in Deutschland im Jugendschutzgesetz (JuSchG) klar geregelt. Grundsätzlich unterscheidet das Gesetz zwischen verschiedenen Arten von Alkohol: Bier, Wein, weinhaltige Mischgetränke und Schaumwein dürfen gemäß § 9 JuSchG an Jugendliche ab 16 Jahren abgegeben werden. Spirituosen, spirituosenhaltige Getränke und Lebensmittel, die Alkohol in nicht nur geringfügiger Menge enthalten, dürfen hingegen grundsätzlich nur an volljährige Personen abgegeben werden. Zudem ist der Konsum durch Minderjährige unter 16 Jahren generell verboten, unabhängig davon, ob ein Erziehungsberechtigter anwesend ist. Auch die Abgabe von Alkohol an betrunkene Jugendliche oder solche, bei denen offensichtlich Anzeichen von Alkoholkonsum vorliegen, kann zu strafrechtlichen Konsequenzen führen. Gewerbetreibende und Veranstalter sind verpflichtet, das Alter ihrer Kunden zu kontrollieren (etwa durch Ausweiskontrolle), und Verstöße können mit hohen Geldbußen geahndet werden. Zudem gibt es Sonderregelungen für bestimmte Veranstaltungen und Verkaufsstätten, wie Diskotheken oder Tankstellen.

Welche Vorschriften gelten zu jugendgefährdenden Medien wie Filmen, Computerspielen oder Online-Inhalten?

Das Jugendschutzgesetz sowie der Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) regeln die Verbreitung und Zugänglichmachung von Medieninhalten an Minderjährige. Medieninhalte wie Filme und Computerspiele sind mit Altersfreigaben der Freiwilligen Selbstkontrolle kontrolliert (FSK für Filme, USK für Spiele). Diese Einstufungen sind für den Verkauf, die öffentliche Vorführung und die Bereitstellung bindend. Illegal ist das Anbieten und Verbreiten von Inhalten als „jugendgefährdend“, wenn diese Gewalt, Pornografie oder andere strafbare Inhalte bereithalten. Solche Medien können von der Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz (BzKJ, früher BPjM) indiziert werden, sodass Werbung und Verkauf an Minderjährige strikt untersagt sind. Online-Inhalte müssen durch technische oder erzieherische Schutzmaßnahmen wie Altersverifikationssysteme oder Sendezeitbeschränkungen gesichert werden. Anbieter von Online-Plattformen tragen zudem Verantwortung, jugendgefährdende Inhalte zu melden und zu sperren.

Welche gesetzlichen Bestimmungen gelten für den Aufenthalt von Kindern und Jugendlichen in Gaststätten und Diskotheken?

Der Aufenthalt von Kindern und Jugendlichen in Gaststätten und Diskotheken ist nach dem Jugendschutzgesetz streng geregelt. Kinder unter 14 Jahren dürfen sich nur mit einer erziehungsberechtigten oder personensorgeberechtigten Person in einer Gaststätte aufhalten. Jugendliche zwischen 14 und 16 Jahren dürfen sich bis 22 Uhr und Jugendliche ab 16 Jahren bis 24 Uhr ohne Begleitung in Gaststätten aufhalten. In Diskotheken gelten besonders strenge Vorgaben: Der Aufenthalt ohne Begleitung von Eltern oder einer erziehungsbeauftragten Person ist Jugendlichen unter 16 Jahren grundsätzlich nicht gestattet. Für Jugendliche ab 16 Jahren gilt eine zeitliche Begrenzung bis 24 Uhr. Ausnahmen können durch besondere Veranstaltungen oder Genehmigungen bestehen, sind aber im Regelfall restriktiv zu handhaben. Verstöße gegen diese Vorschriften können mit Bußgeldern geahndet werden.

Welche besonderen Schutzvorschriften gelten bei Veranstaltungen für Jugendliche?

Bei Veranstaltungen, die ganz oder teilweise für Jugendliche bestimmt sind, schreibt das JuSchG umfassende Schutzmaßnahmen vor. Veranstalter sind verpflichtet, geeignete Aufsichtspersonen bereitzustellen und für den Schutz der Jugend zu sorgen. Der Verkauf und der Konsum von Alkohol und Tabakwaren sind eingeschränkt, insbesondere dürfen diese nicht an Jugendliche unter 18 Jahren ausgegeben werden. Bei Musik-, Tanz- und sonstigen Freizeitveranstaltungen gelten besondere zeitliche Begrenzungen für die Anwesenheit von Jugendlichen. Je nach Art der Veranstaltung sind Maßnahmen wie Ausweiskontrollen, Einlasskontrollen und Beschränkungen bei der Werbung für entsprechende Produkte durchzuführen. Weiterhin sind Veranstalter zu Maßnahmen zum Schutz vor jugendgefährdenden Einflüssen (z. B. Gewalt, Suchtmittel) verpflichtet und können im Falle eines Verstoßes haftbar gemacht werden.

Was ist bei der Beschäftigung von Kindern und Jugendlichen im Rahmen des Jugendschutzes zu beachten?

Der Kinder- und Jugendarbeitsschutz ist vor allem im Jugendarbeitsschutzgesetz (JArbSchG) geregelt. Kinder unter 15 Jahren dürfen grundsätzlich nicht beschäftigt werden, es gibt lediglich Ausnahmen für leichte Tätigkeiten wie das Austragen von Zeitungen oder im Bereich von Theater, Musik und Film mit behördlicher Genehmigung. Jugendliche zwischen 15 und 18 Jahren dürfen nur eingeschränkt beschäftigt werden: Die tägliche Arbeitszeit ist auf 8 Stunden, die Wochenarbeitszeit auf 40 Stunden begrenzt, und es müssen ausreichende Ruhepausen eingehalten werden. Nachtarbeit (zwischen 20 und 6 Uhr) ist grundsätzlich untersagt, mit Ausnahmen in bestimmten Branchen (zum Beispiel Bäckereien, Gastgewerbe). Weiterhin gelten Schutzvorschriften bezüglich gefährlicher Arbeiten sowie einer regelmäßigen ärztlichen Untersuchung. Verstöße gegen diese Vorschriften können zu empfindlichen Sanktionen für Arbeitgeber führen.

Welche Verantwortung tragen Veranstalter und Gewerbetreibende hinsichtlich der Kontrolle von Altersgrenzen?

Veranstalter und Gewerbetreibende tragen die volle rechtliche Verantwortung dafür, dass gesetzliche Altersgrenzen und Jugendschutzvorschriften eingehalten werden. Sie sind verpflichtet, das Alter der Kund:innen durch geeignete Dokumente (meist Ausweis) zu überprüfen und zu dokumentieren. Bei Missachtung der Alterskontrollen haften sie selbst für Verstöße, unabhängig davon, ob der Mitarbeiter, ein Dritter oder der Jugendliche selbst sich falsch verhalten hat. Die Behörden führen stichprobenartige Kontrollen durch; festgestellte Verstöße können zu Ordnungswidrigkeitsverfahren mit erheblichen Geldbußen oder sogar zu strafrechtlichen Konsequenzen führen. Gewerbetreibende müssen zudem ihr Personal regelmäßig schulen und über die aktuellen gesetzlichen Regelungen aufklären. Mindestens ebenso wichtig ist, dass sie technische Vorrichtungen einsetzen, um den Jugendschutz zu gewährleisten (z.B. Alterskontrollsysteme bei Automaten, Zugangsbeschränkungen).

Welche Rechte haben Eltern und Erziehungsberechtigte im Rahmen des Jugendschutzes?

Eltern und andere Erziehungsberechtigte haben nach deutschem Recht die Aufgabe und auch das Recht, für das Wohl des Kindes zu sorgen und das Heranwachsen zu verantwortungsbewussten Persönlichkeiten zu fördern (elterliche Sorge). Im Rahmen des Jugendschutzes bedeutet dies, dass Eltern grundsätzlich mitbestimmen dürfen, welchen Veranstaltungen, Medien oder Konsumgütern das Kind zugänglich gemacht wird, sofern keine gesetzlichen Bestimmungen entgegenstehen. Allerdings können sie eigene Einschränkungen treffen, die über die gesetzlichen Beschränkungen hinausgehen. Elterliche Erlaubnis kann in manchen Fällen (z.B. Anwesenheit des Kindes später am Abend bei Veranstaltungen) gesetzliche Verbote aufheben, jedoch nicht in Bezug auf den Kauf und Konsum von Alkohol und Tabak sowie den Zugriff auf indizierte Medien. Bei wiederholter Verletzung ihrer Aufsichtspflicht können auch Eltern haftungsrechtlich in Anspruch genommen werden.