Begriff und Rechtsgrundlagen der Jagdgenossenschaft
Die Jagdgenossenschaft ist in Deutschland eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, die sich aus den Eigentümerinnen und Eigentümern von Flächen innerhalb eines gemeinschaftlichen Jagdbezirks zusammensetzt. Ihre Entstehung und Organisation sind im Wesentlichen im Bundesjagdgesetz (BJagdG) sowie in den jeweiligen Landesjagdgesetzen geregelt. Sie ist Rechtsnachfolgerin aller Grundeigentümer, deren Flächen zu einem gemeinschaftlichen Jagdbezirk zusammengefasst sind, sofern diese Flächen nicht befriedet sind oder aufgrund besonderer gesetzlicher Vorschriften herausgenommen wurden.
Entstehung und Mitgliedschaft
Gesetzliche Grundlagen
Gemäß § 9 ff. BJagdG sind Grundeigentümer, deren Grundstücke (mit geringfügigen Ausnahmen) zusammen einen gemeinschaftlichen Jagdbezirk bilden, automatisch Mitglieder der Jagdgenossenschaft. Die Mitgliedschaft ist kraft Gesetzes an das Eigentum gebunden und nicht disponibel. Die Jagdgenossenschaft entsteht rechtlich mit der Begründung des gemeinschaftlichen Jagdbezirks.
Arten von Jagdbezirken
Es wird unterschieden zwischen Eigenjagdbezirken (§ 7 BJagdG; ab 75 ha zusammenhängende land-, forst- oder fischereiwirtschaftlich nutzbare Flächen in Einzeleigentum) und gemeinschaftlichen Jagdbezirken (§ 8 BJagdG), bei denen die Jagdgenossenschaft die ausschließlichen Rechte besitzt.
Auch die Gemeinden und sonstigen Körperschaften können Mitglied sein, sofern sie über das erforderliche Grundeigentum verfügen.
Aufgaben und Befugnisse
Wahrnehmung der Jagdausübung
Die zentralen Aufgaben der Jagdgenossenschaft bestehen darin, die Ausübung des Jagdrechts im gemeinschaftlichen Jagdbezirk zu regeln. Dies erfolgt überwiegend durch die Verpachtung des Jagdausübungsrechts (§ 10 Abs. 1 BJagdG). Die Einnahmen aus der Jagdverpachtung (Jagdpachtzins) stehen der Genossenschaft im Ganzen zu und werden auf die Mitglieder entsprechend des Flächenanteils verteilt.
Verpachtung und Eigenjagd
Die Verpachtung des Jagdrechts erfolgt auf Grundlage eines Beschlusses der Jagdgenossenschaftsversammlung. Alternativ kann die Genossenschaft beschließen, das Jagdrecht selbst auszuüben (sogenannte Eigenbewirtschaftung). Hierzu bedarf es einer qualifizierten Mehrheit in der Mitgliederversammlung sowie meist zusätzlicher Voraussetzungen gemäß Landesrecht.
Verwaltung und Beschlussfassung
Die Jagdgenossenschaft handelt durch den Jagdvorstand und die Mitgliederversammlung. Nach § 10 BJagdG ist der Vorstand für alle laufenden Angelegenheiten zuständig, während die Mitgliederversammlung über grundsätzliche Entscheidungen wie Verpachtung oder Verwendung des Pachtzinses entscheidet. Die Beschlussfassung erfolgt nach bestimmten Mehrheitsverhältnissen, die sich nach der Fläche und der Zahl der anwesenden Mitglieder richten. Besondere Anforderungen gelten, wenn die Satzung geändert werden oder das Jagdrecht selbst ausgeübt werden soll.
Zweckbindung der Einnahmen
Der Verwendungszweck des Jagdpachtzinses ist gesetzlich vorgegeben: Vorrangig ist die Auszahlung an die Mitglieder, möglich sind aber auch zweckgebundene Ausgaben, etwa für Maßnahmen zur Verbesserung der land- oder forstwirtschaftlichen Nutzung, des Naturschutzes oder zum Schutz der Wildbestände.
Struktur und Organisation
Satzung und Rechtspersönlichkeit
Jede Jagdgenossenschaft gibt sich eine Satzung, die Aufbau, Verfahren zur Entscheidungsfindung, Rechte und Pflichten der Mitglieder sowie die Geschäftsführung regelt. Die Satzung wird in der Mitgliederversammlung mit qualifizierter Mehrheit beschlossen und steht unter der Aufsicht der Jagdbehörde.
Organe der Jagdgenossenschaft
Die Jagdgenossenschaft besteht aus folgenden Organen:
- Jagdgenossenschaftsversammlung (Mitgliederversammlung): höchstes Willensbildungsorgan
- Vorstand: Geschäftsführungs- und Vertretungsorgan mit meist drei Mitgliedern
- Rechnungsprüfer (teils vorgeschrieben, teils fakultativ)
Diese Organe werden nach Maßgabe der Satzung gewählt oder bestimmt und unterliegen den für Körperschaften des öffentlichen Rechts üblichen Kontrollmechanismen.
Vertretung und Haftung
Die Jagdgenossenschaft wird durch ihren Vorstand im Rechtsverkehr vertreten. Der Vorstand handelt im Namen der Genossenschaft. Im Rahmen ihrer Tätigkeit haftet die Genossenschaft als Körperschaft des öffentlichen Rechts nach den einschlägigen Vorschriften (insbesondere aus § 839 BGB in Verbindung mit Art. 34 GG).
Rechte und Pflichten der Mitglieder
Jedes Mitglied hat das Recht:
- an den Versammlungen teilzunehmen
- Stimmrecht auszuüben (abhängig von Flächenanteil)
- Auszahlung seines Anteils am Jagdpachtzins zu verlangen
- Auskünfte bezüglich der Geschäftstätigkeit der Genossenschaft einzuholen
Pflichten bestehen vor allem in der Duldung der Jagdausübung auf den zugehörigen Flächen und der Beachtung genossenschaftlicher Beschlüsse.
Rechtlicher Rahmen zu Frieden und Ruhen der Mitgliedschaft
Befriedete Bezirke
Grundstücke können aus dem gemeinschaftlichen Jagdbezirk herausgenommen werden, wenn sie zu befriedeten Bezirken im Sinne des § 6 BJagdG erklärt werden (z. B. Bauflächen, Friedhöfe, Hausgärten), wodurch das Jagdrecht ruhen kann. Ein Ruhen der Mitgliedschaft tritt ebenfalls bei bestimmten Flächenarten oder Sonderregelungen, etwa im Falle des „Jagdverzichts aus ethischen Gründen“ nach § 6a BJagdG, ein.
Zwangsmitgliedschaft und Verfassungsrecht
Die Zwangsmitgliedschaft in der Jagdgenossenschaft war Gegenstand verfassungsrechtlicher Prüfung. Insbesondere im Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) vom 26. Juni 2012 (Beschwerde Nr. 9300/07) wurde die Vereinbarkeit der Zwangsmitgliedschaft trotz entgegenstehender ethischer Motive überprüft. Der deutsche Gesetzgeber hat mit § 6a BJagdG reagiert und Möglichkeiten für den Jagdverzicht geschaffen.
Aufsicht und Kontrolle
Die Jagdgenossenschaften stehen unter der Fachaufsicht der Jagdbehörde, die bei Rechtsverstößen einschreiten kann. Sie prüft die Rechtmäßigkeit von Satzungsänderungen und die ordnungsgemäße Geschäftsführung, kann aber in der Regel nicht in die Zweckmäßigkeit von Entscheidungen eingreifen.
Steuerrechtliche Aspekte
Die Jagdgenossenschaft ist regelmäßig als Körperschaft mit beschränkter Steuerpflicht einzustufen. Das Entgelt aus der Jagdverpachtung unterliegt der Körperschaft- und Gewerbesteuer, sofern eine wirtschaftliche Geschäftstätigkeit vorliegt. Häufig werden die Einnahmen jedoch steuerfrei an die Mitglieder ausgeschüttet.
Auflösung und Verschmelzung
Eine Auflösung der Jagdgenossenschaft kommt regelmäßig dann in Betracht, wenn der gemeinschaftliche Jagdbezirk aufgelöst wird, etwa durch Flächenschwund unter die gesetzliche Mindestgröße oder durch Zusammenlegung mit anderen Bezirken. Über das Vermögen entscheidet die Versammlung nach Gliederung des §§ 46 ff. BGB, wobei regelmäßig eine Verteilung auf die Mitglieder erfolgt.
Zusammenfassung: Die Jagdgenossenschaft ist eine gesetzlich verankerte Körperschaft des öffentlichen Rechts mit umfangreicher Regelungsbefugnis über die gemeinschaftliche Jagdausübung auf privaten Eigentumsflächen. Sie nimmt zentrale Aufgaben als Interessenvertretung der Grundstückseigentümer wahr und unterliegt dabei sowohl bundes- als auch länderspezifischen rechtlichen Rahmenbedingungen, wobei Mitgliedschaft, Organisation und Rechte/Pflichten detailliert geregelt sind.
Häufig gestellte Fragen
Wer ist kraft Gesetzes Mitglied einer Jagdgenossenschaft?
Mitglied einer Jagdgenossenschaft ist gemäß den Landesjagdgesetzen stets der Eigentümer von Grundflächen einer zusammenhängenden bejagbaren Fläche (in der Regel mindestens 75 Hektar), die nicht zu einem Eigenjagdbezirk gehören. Das Mitgliedschaftsrecht entsteht automatisch und ist an das Grundeigentum gebunden (Realverband). Dabei spielt es keine Rolle, ob das Grundstück land- oder forstwirtschaftlich genutzt wird oder brachliegt, maßgeblich ist lediglich, dass es innerhalb eines gemeinschaftlichen Jagdbezirks liegt. Im Falle von Erbengemeinschaften, Gesellschaften bürgerlichen Rechts (GbR) oder juristischen Personen werden diese als juristische Mitglieder geführt und üben das Stimmrecht durch einen Bevollmächtigten aus. Alle rechtlichen Änderungen hinsichtlich Eigentums (z. B. Verkauf, Erbschaft) führen unmittelbar zum Wechsel bzw. zur Beendigung der Mitgliedschaft. Die Mitgliedschaft kann nicht freiwillig gekündigt werden, da sie zwingend ans Grundeigentum gekoppelt ist.
Welche Rechte stehen den Mitgliedern einer Jagdgenossenschaft zu?
Die Mitglieder einer Jagdgenossenschaft haben umfangreiche gesetzlich garantierte Mitwirkungsrechte. Zu diesen zählen das Stimmrecht auf der Genossenschaftsversammlung, das Recht auf Gewinnbeteiligung (Jagdgelder), Auskunfts- und Einsichtsrechte bezüglich Geschäftsführung und Abrechnungen sowie das Recht auf Teilnahme an Beschlussfassungen über die Jagdnutzung, die Verwaltung des gemeinschaftlichen Jagdbezirks und die Verwendung der Pachtgelder. Weiterhin können die Mitglieder Anträge auf Einberufung einer Versammlung stellen, Änderungsanträge einreichen und Wahlvorschläge machen. Die Ausübung einiger Rechte, insbesondere des Stimmrechts, richtet sich nach der Größe der bejagbaren Fläche, was zu einer Flächengewichtung beim Stimmrecht führen kann.
Welche Pflichten treffen die Mitglieder einer Jagdgenossenschaft?
Mitglieder sind dazu verpflichtet, den Beschlüssen der Genossenschaftsversammlung Folge zu leisten, eine ordnungsgemäße Verwaltung zu unterstützen und ihre Flächen bei der Jagdausübung zur Verfügung zu stellen. Im rechtlichen Rahmen kann die Satzung der Jagdgenossenschaft zusätzlich Zahlungsverpflichtungen vorsehen, insbesondere sofern Umlagen beschlossen werden. Auch die Duldung der Ausübung von Jagdrechten durch den Jagdpächter oder durch Eigenjagd ist verpflichtend. Bei Verpflichtungen zur Instandhaltung jagdrechtlicher Einrichtungen (z. B. Hochsitze, Wildzäune) können insbesondere bei gemeinschaftlichen Anlagen Auflagen entstehen. Werden diese Pflichten verletzt, kann die Genossenschaft Schadensersatz verlangen oder Sanktionen aussprechen.
Wie wird der Vorstand einer Jagdgenossenschaft bestellt und welche Aufgaben hat er?
Der Vorstand einer Jagdgenossenschaft wird durch die Versammlung der Jagdgenossen gewählt. Die genauen Regelungen hierzu, insbesondere zur Anzahl der Vorstandsmitglieder, Amtsdauer und zur Abberufung, regelt die jeweilige Satzung der Genossenschaft, wobei die landesrechtlichen Vorgaben zu beachten sind. Der Vorstand vertritt die Genossenschaft gerichtlich und außergerichtlich und ist für alle laufenden Geschäfte (z. B. Jagdpachtverträge, Verwaltung der Jagdgelder, Umsetzung der Beschlüsse der Mitgliederversammlung) verantwortlich. Er bereitet die Genossenschaftsversammlungen vor, führt die Beschlüsse aus und ist zur ordnungsgemäßen Buchführung und Abrechnung gegenüber den Genossen verpflichtet.
Wie werden Beschlüsse innerhalb der Jagdgenossenschaft gefasst und was ist bei Stimmgewichtungen zu beachten?
Beschlüsse werden grundsätzlich in der Genossenschaftsversammlung durch Abstimmung gefasst. Nach geltendem Recht sind die Stimmanteile in der Regel an die Flächengröße gekoppelt – je mehr Fläche ein Mitglied eingebracht hat, desto schwerer wiegt sein Stimmrecht (flächenbezogenes Stimmrecht). Bestimmte länderspezifische Regelungen oder die jeweilige Satzung können jedoch Einschränkungen oder spezifische Quoren für Einzelbeschlüsse (z. B. Pachtvergabe, Satzungsänderung) vorsehen. Für die Rechtmäßigkeit der Beschlüsse ist wichtig, dass die Versammlung ordnungsgemäß einberufen wurde und die Beschlüsse protokolliert werden.
Unter welchen Voraussetzungen kann ein Jagdpachtvertrag von der Jagdgenossenschaft abgeschlossen oder gekündigt werden?
Die Jagdgenossenschaft ist als juristische Person des öffentlichen Rechts Trägerin des Jagdrechts und darf dieses nur mittels eines Beschlusses der Genossenschaftsversammlung verpachten. Rechtliche Grundlage ist das Bundesjagdgesetz sowie die jeweiligen Landesjagdgesetze. Die Pachtvergabe erfolgt regelmäßig im Rahmen eines schriftlichen Vertrages und nach vorheriger öffentlicher Ausschreibung. Die Kündigung oder Verlängerung von Jagdpachtverträgen unterliegt besonderen satzungs- und gesetzlichen Fristen; eine vorzeitige Kündigung ist nur bei wichtigen Gründen (z. B. schwere Vertragsverletzung des Pächters) möglich. Alle wesentlichen Entscheidungen sind zu protokollieren und unterliegen ggf. der behördlichen Aufsicht.
Welche Möglichkeiten des Rechtsschutzes haben Mitglieder der Jagdgenossenschaft bei Streitigkeiten?
Mitglieder, die sich durch Beschlüsse oder Maßnahmen der Jagdgenossenschaft in ihren Rechten verletzt sehen, können den ordentlichen Rechtsweg beschreiten. In erster Instanz ist hierbei in der Regel das Amtsgericht zuständig. Es bestehen zudem Anfechtungsrechte gegen Beschlüsse der Genossenschaft, sofern formale oder materielle Rechtsverstöße vorliegen. Auch kann die Kommunalaufsicht als staatliche Rechtsaufsicht angerufen werden, wenn Verstöße gegen das Gesetz oder die Satzung gesehen werden. Rechtsmittel richten sich dabei insbesondere auf die Feststellung der Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit von Beschlüssen, die Durchsetzung von Ansprüchen aus der Mitgliedschaft oder auf Unterlassung unrechtmäßiger Handlungen des Vorstandes.
Welche Formen der Aufsicht und Kontrolle bestehen über die Tätigkeit einer Jagdgenossenschaft?
Jagdgenossenschaften unterliegen der staatlichen Rechtsaufsicht, die in der Regel von den Gemeinden oder unteren Jagdbehörden ausgeübt wird. Die Behörde kann Gesetzesverstöße beanstanden, Beschlüsse aufheben, Anweisungen geben oder, in gravierenden Fällen, einen Notvorstand bestellen. Zudem unterliegt der Vorstand der Genossenschaft einer internen Kontrolle durch die Mitgliederversammlung und ggf. bestehende Kassenprüfer. Die Rechnungslegung erfolgt regelmäßig, und auf Verlangen der Mitglieder ist Einsicht zu gewähren. Die Satzung kann zur weiteren Kontrolle zusätzliche Instrumente wie Rechnungsprüfer oder Beiräte vorsehen.