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Inventaruntreue


Definition und Bedeutung der Inventaruntreue

Als Inventaruntreue wird ein spezifisches Fehlverhalten im Zusammenhang mit anvertrautem Vermögen oder Gegenständen innerhalb eines Unternehmens oder einer öffentlichen Einrichtung bezeichnet. Der Begriff umschreibt die unrechtmäßige, meist pflichtwidrige Behandlung von gelagerten oder verwalteten Sachwerten (Inventar) durch Personen, die im Rahmen ihrer Tätigkeit besondere Pflichten zur Verwaltung, Aufbewahrung oder Kontrolle dieser Vermögenswerte haben. Die Begriffsherkunft ist verwandt mit Untreue gemäß § 266 Strafgesetzbuch (StGB), jedoch zeichnet sich die Inventaruntreue durch ihren Bezug auf die Verantwortlichkeit für körperliche Gegenstände des Inventars aus.


Rechtliche Grundlagen

Gesetzliche Einordnung

Im deutschen Strafrecht ist die Inventaruntreue gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt, sondern stellt eine Unterform der Untreue gemäß § 266 StGB dar. Die Vorschrift lautet:

„Wer das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt, dass er missbraucht wird oder eine ihm eingeräumte Befugnis missbraucht oder seine Pflichten zur Wahrung fremder Vermögensinteressen verletzt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“

Dabei steht bei der Inventaruntreue speziell die Pflichtwidrigkeit im Umgang mit dem anvertrauten Inventar im Fokus, also mit körperlichen Gegenständen, die unter die Verwaltung oder Kontrolle des Täters fallen.

Abgrenzung zu anderen Delikten

Inventaruntreue ist abzugrenzen von Diebstahl (§ 242 StGB) und Unterschlagung (§ 246 StGB). Anders als beim Diebstahl wird das Inventar nicht gegen oder ohne den Willen des Berechtigten weggenommen, sondern der Täter ist im rechtlichen Besitz der Sache, missbraucht jedoch seine Obhutspflicht zum Nachteil des berechtigten Eigentümers oder des Unternehmens.


Tatbestandsmerkmale

Inventar

Der Begriff „Inventar“ umfasst sämtliche beweglichen Sachen und ggf. auch bestimmte unbewegliche Vermögenswerte, die in einer Inventarliste eines Unternehmens, Vereins, einer Stiftung oder öffentlichen Körperschaft aufgenommen sind. Es geht insbesondere um Wirtschaftsgüter, die dem täglichen Betrieb oder Verwaltungsablauf dienen.

Täterkreis

Tatbestandsmäßig sind Personen erfasst, denen aufgrund ihrer beruflichen oder dienstlichen Stellung Obhut, Kontrolle oder Verwaltung des Inventars obliegt. Typische Beispiele stellen Lagerverwalter, Kassierer, Geschäftsführer oder Vorstandsmitglieder, aber auch öffentliche Bedienstete in Archiven, Bibliotheken oder Materialdepots dar.

Pflichtwidrige Handlung

Für die Verwirklichung der Inventaruntreue ist eine pflichtwidrige, das heißt objektiv sorgfaltswidrige und mit den jeweiligen Dienstanweisungen oder Vertragsvereinbarungen unvereinbare Handlung erforderlich. Dies können sein:

  • Unzulässige Entnahme von Gegenständen für eigene Zwecke
  • Verkauf, Veräußerung oder Überlassung an Dritte ohne Zustimmung des Berechtigten
  • Zweckentfremdung oder Verwertung für betriebsfremde Aufwendungen
  • Unvollständige oder bewusst fehlerhafte Inventarlisten und Lagerbestände

Nachteil und Vorsatz

Zur Vollendung der Inventaruntreue ist ein Vermögensnachteil des Berechtigten oder des Inventargebers erforderlich. Der Täter muss dabei vorsätzlich handeln, also wissentlich und willentlich die Vermögensinteressen des Berechtigten schädigen beziehungsweise gefährden.


Rechtsfolgen der Inventaruntreue

Strafrechtliche Konsequenzen

Die Inventaruntreue wird, sofern die Voraussetzungen der Untreue gemäß § 266 StGB erfüllt sind, mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren geahndet. Eine besonders schwere Untreue kann gemäß § 263 Abs. 3 StGB (für Betrug) im Wege der Strafschärfung in Betracht gezogen werden, wenn ein besonders hoher Schaden verursacht wurde.

Zivilrechtliche Folgen

Neben der strafrechtlichen Ahndung kommen zivilrechtliche Ansprüche des geschädigten Eigentümers oder Unternehmers auf Schadensersatz oder Rückgabe der Gegenstände in Betracht. Dies kann insbesondere im Rahmen von Arbeitsverhältnissen zur fristlosen Kündigung und zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen den schädigenden Mitarbeiter führen.

Arbeitsrechtliche Aspekte

Im Bereich des Arbeitsrechts stellt eine nachgewiesene Inventaruntreue regelmäßig einen wichtigen Grund für eine außerordentliche fristlose Kündigung dar. Im Falle des öffentlichen Dienstes kann zusätzlich ein Disziplinarverfahren eingeleitet werden.


Inventaruntreue im öffentlichen und privaten Sektor

Öffentlicher Sektor

Im öffentlichen Sektor, etwa bei Behörden, Bibliotheken oder Museen, ist die Pflicht zur ordnungsgemäßen Verwaltung des Inventars meist in speziellen Vorschriften (beispielsweise Musterhaushaltsverordnung, Lagerbestimmungen oder Dienstanweisungen) geregelt. Verstöße können dienstrechtliche sowie disziplinarrechtliche Maßnahmen nach sich ziehen.

Privatwirtschaft

In der Privatwirtschaft erfolgen Regulierung und Kontrolle von Inventar regelmäßig auf vertraglicher Grundlage, beispielsweise in Arbeitsverträgen, Geschäftsordnungen oder speziellen Betriebsvereinbarungen. Verstöße werden häufig intern durch interne Revision oder externe Wirtschaftsprüfung festgestellt.


Maßnahmen zur Prävention von Inventaruntreue

Kontrollmechanismen

Zur Vorbeugung der Inventaruntreue sind regelmäßige Inventuren, interne und externe Kontrollen sowie die klare Dokumentation von Ausgaben und Beständen unerlässlich.

Schulungen und Sensibilisierung

Unternehmen und öffentliche Einrichtungen führen zunehmend Schulungen für Mitarbeitende zur Sensibilisierung für pflichtwidriges Verhalten im Umgang mit Inventar durch, um Haftungs- und Reputationsrisiken zu vermeiden.

Sanktionen und Compliance

Wirksame Compliance-Systeme und Sanktionen im Fall von Fehlverhalten tragen wesentlich dazu bei, Inventaruntreue vorzubeugen und eine verantwortungsvolle Unternehmenskultur zu etablieren.


Literatur und weiterführende Informationen


Inventaruntreue stellt einen bedeutsamen Straftatbestand mit erheblichen Auswirkungen auf die Integrität und wirtschaftliche Stabilität von Organisationen und Unternehmen dar. Die differenzierte Betrachtung und konsequente Kontrolle im Rahmen der Unternehmensführung und öffentlichen Verwaltung tragen wesentlich zur Prävention und Aufdeckung entsprechender Pflichtverletzungen bei.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Folgen kann Inventaruntreue für den Arbeitnehmer haben?

Inventaruntreue kann für Arbeitnehmer erhebliche rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Im strafrechtlichen Kontext kommt insbesondere der Straftatbestand der Unterschlagung nach § 246 StGB in Betracht, sofern der Arbeitnehmer Gegenstände, die ihm im Rahmen seiner Tätigkeit anvertraut wurden, eigenmächtig und pflichtwidrig nutzt oder sie dem Arbeitgeber vorenthält. Darüber hinaus kann bei gezielter Schädigungsabsicht auch Betrug (§ 263 StGB) oder sogar Diebstahl (§ 242 StGB) einschlägig sein, sofern die Voraussetzungen – wie der Bruch fremden Gewahrsams – erfüllt sind. Im arbeitsrechtlichen Bereich kann Inventaruntreue insbesondere eine fristlose Kündigung gemäß § 626 BGB rechtfertigen, da das Vertrauensverhältnis zum Arbeitgeber grundlegend gestört wird. Der Arbeitgeber muss jedoch den Vorwurf konkret darlegen und im Streitfall beweisen. Zivilrechtliche Konsequenzen ergeben sich aus dem Anspruch auf Schadensersatz, etwa nach § 823 BGB, wenn durch die Inventaruntreue ein Vermögensschaden beim Arbeitgeber eingetreten ist. Diese Ansprüche bestehen unabhängig von einer etwaigen strafrechtlichen Verfolgung.

Wie muss der Arbeitgeber den Verdacht der Inventaruntreue dokumentieren und nachweisen?

Im Falle einer Inventaruntreue liegt die Beweislast grundsätzlich beim Arbeitgeber. Um arbeitsrechtliche Konsequenzen – wie Abmahnung oder Kündigung – rechtlich durchsetzen zu können, muss dieser den Vorfall substantiieren und dokumentieren. Dazu zählen präzise Aufzeichnungen des Einsatzes und Verbleibs des Inventars, schriftliche Berichte beteiligter Personen und Zeugenprotokolle, sowie gegebenenfalls Videoaufzeichnungen, sofern diese rechtmäßig erstellt wurden und genutzt werden dürfen. Besonders im Rahmen eines Kündigungsschutzprozesses vor dem Arbeitsgericht ist eine detaillierte und lückenlose Dokumentation entscheidend, da ansonsten die Arbeitsgerichtsentscheidung zu Gunsten des Arbeitnehmers ausgehen könnte. Der Arbeitgeber sollte zudem das sogenannte „Vier-Augen-Prinzip“ bei der Feststellung der Unregelmäßigkeiten einhalten und fortlaufend interne Kontrollen etablieren. Erst wenn der begründete Verdacht auf eine strafbare Inventaruntreue vorliegt, ist auch eine Einschaltung der Strafverfolgungsbehörden angezeigt, wobei auch hier die Beweissicherung eine wichtige Rolle spielt.

Gibt es besondere Anforderungen an die Beweisführung im Falle einer fristlosen Kündigung wegen Inventaruntreue?

Ja, im Fall einer fristlosen Kündigung wegen Inventaruntreue ist die Beweisführung an besonders strenge Anforderungen geknüpft. Das Arbeitsgericht verlangt, dass der Arbeitgeber eindeutige, nachvollziehbare und lückenlose Beweise für das vertragswidrige Verhalten vorlegt, da die fristlose Kündigung ein „letztes Mittel“ (Ultima Ratio) darstellt. Indizien oder bloße Verdachtsmomente reichen in der Regel nicht aus. Vielmehr müssen konkrete Tatsachen dargelegt werden, etwa die genaue Zeit und der Ablauf des Vorfalls sowie der Zusammenhang mit einem bestimmten Inventargegenstand. Zeugenaussagen, Auswertungen von Inventarlisten oder technische Überwachungen können herangezogen werden, jedoch nur unter Berücksichtigung datenschutzrechtlicher Vorgaben und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Arbeitnehmers. Darüber hinaus ist dem betroffenen Arbeitnehmer regelmäßig im Rahmen des Verfahrens Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben (Anhörungspflicht). Verletzt der Arbeitgeber diese Vorgaben, kann das die Wirksamkeit der Kündigung gefährden.

Welche Ansprüche auf Schadensersatz bestehen für den Arbeitgeber bei festgestellter Inventaruntreue?

Bei festgestellter Inventaruntreue stehen dem Arbeitgeber verschiedene zivilrechtliche Schadensersatzansprüche gegen den Arbeitnehmer zu. Der Arbeitgeber kann Ersatz für den entstandenen Vermögensschaden verlangen, insbesondere für den Wertverlust oder das Abhandenkommen von Inventargegenständen (§ 823 Abs. 1 BGB). Dies umfasst sowohl die Wiederbeschaffungskosten als auch etwaige Folgeschäden, die im Zusammenhang mit der Inventaruntreue kausal entstanden sind. Im Arbeitsverhältnis gelten jedoch die Grundsätze der beschränkten Arbeitnehmerhaftung: Bei leichter Fahrlässigkeit haftet der Arbeitnehmer regelmäßig nicht oder nur eingeschränkt; bei grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz haftet er uneingeschränkt. Die Darlegungslast für Umfang und Höhe des Schadens sowie für das Verschulden des Arbeitnehmers liegt dabei beim Arbeitgeber. Auch etwaige Regressforderungen von Versicherungen können auf den Arbeitnehmer übergehen, sofern dieser den Inventarschaden vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht hat.

Wie lange kann eine Inventaruntreue rechtlich verfolgt werden (Verjährung)?

Die Verfolgbarkeit einer Inventaruntreue ist von den jeweiligen rechtlichen Ansprüchen abhängig. Strafrechtliche Ansprüche – etwa aus Unterschlagung oder Diebstahl – unterliegen regelmäßig einer Verjährung von fünf Jahren (§ 78 StGB), wobei bei besonders schweren Fällen abweichende Fristen gelten können. Zivilrechtliche Schadensersatzansprüche des Arbeitgebers verjähren gem. § 195 BGB grundsätzlich drei Jahre nach Kenntnis von Schaden und Schädiger, spätestens jedoch nach zehn Jahren. Für arbeitsrechtliche Maßnahmen wie Kündigungen gelten keine festen Verjährungsfristen, allerdings muss die Kündigung unverzüglich, in der Regel innerhalb von zwei Wochen nach Kenntniserlangung der maßgeblichen Tatsachen ausgesprochen werden (§ 626 Abs. 2 BGB). Unterlässt der Arbeitgeber dies, verliert er sein Recht zur außerordentlichen Kündigung in Bezug auf die konkrete Tat.

Welche Rolle spielt das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Aufklärung von Inventaruntreue?

Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach dem Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) kommt im Zusammenhang mit der Aufklärung und Ahndung von Inventaruntreue in mehrfacher Hinsicht zur Anwendung. Bei Maßnahmen, die das Verhalten der Arbeitnehmer regeln oder technische Überwachungseinrichtungen betreffen, ist gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 6 BetrVG die Zustimmung des Betriebsrats erforderlich. Der Betriebsrat muss insbesondere vor einer beabsichtigten Kündigung wegen Inventaruntreue nach § 102 BetrVG angehört werden. Unterbleibt dies, ist eine ausgesprochenen Kündigung unwirksam. Zugleich ist der Betriebsrat zur Verschwiegenheit verpflichtet, darf jedoch die Interessen der Belegschaft und betroffener Arbeitnehmer wahren und auf eine faire Behandlung achten. Die Einbindung des Betriebsrats trägt so zur Verfahrenssicherheit und zur Wahrung der Rechte des betroffenen Arbeitnehmers bei.

Wie wirkt sich eine Inventaruntreue auf das Arbeitszeugnis aus?

Eine festgestellte und rechtlich relevante Inventaruntreue kann erhebliche Auswirkungen auf das Arbeitszeugnis des betreffenden Arbeitnehmers haben. Grundsätzlich gilt, dass negative Tatsachen und Vorwürfe – wie strafbare Handlungen oder schweres Fehlverhalten – im qualifizierten Arbeitszeugnis nur erwähnt werden dürfen, wenn diese gerichtlich oder unstreitig festgestellt wurden. Der Arbeitgeber ist im Rahmen des Zeugnisrechts nach § 109 GewO verpflichtet, ein wohlwollendes Zeugnis zu erteilen, das die berufliche Zukunft des Arbeitnehmers nicht ungerechtfertigt erschwert. Allerdings kann bei erwiesener Inventaruntreue eine „ausreichende“ oder „mangelhafte“ Verhaltensbeurteilung gerechtfertigt sein oder die Tätigkeitsbeschreibung kann Hinweise auf eine Trennung aus wichtigem Grund enthalten. Ein ausdrücklicher Hinweis auf „Diebstahl“ oder „Unterschlagung“ ist jedoch nur in Ausnahmefällen zulässig, etwa wenn Wiederholungsgefahr bei zukünftigen Arbeitgebern besteht. Andernfalls macht sich der Arbeitgeber schadensersatzpflichtig.