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Invasive gebietsfremde Arten


Definition und rechtliche Grundlagen von invasiven gebietsfremden Arten

Invasive gebietsfremde Arten (häufig auch als invasive Arten oder invasive Neobiota bezeichnet) sind Pflanzen, Tiere, Pilze oder Mikroorganismen, die durch menschliches Zutun außerhalb ihres ursprünglichen Verbreitungsgebietes eingeführt wurden und sich anschließend in neuen Lebensräumen etablieren. Sie gelten als „invasiv“ insbesondere dann, wenn sie ökologisch, ökonomisch oder gesundheitlich nachteilige Auswirkungen auf die neue Umgebung haben. Die rechtliche Behandlung invasiver gebietsfremder Arten ist in zahlreichen nationalen und internationalen Regelwerken festgelegt und verfolgt das Ziel, biologische Vielfalt sowie menschliche Gesundheit und wirtschaftliche Interessen zu schützen.


Begriffliche und gesetzliche Einordnung

Rechtlicher Begriff und Abgrenzung

Der Begriff der „invasiven gebietsfremden Arten“ ist in verschiedenen Rechtsquellen eindeutig definiert. Nach Artikel 3 der EU-Verordnung (EU) Nr. 1143/2014 betrifft dieser Begriff alle Arten, die

  1. außerhalb ihrer natürlichen Verbreitungsgebiete vorkommen,
  2. als direkte oder indirekte Folge menschlichen Handelns eingeführt worden sind und
  3. eine erhebliche Bedrohung für die biologische Vielfalt, verbundene Ökosystemdienstleistungen, die menschliche Gesundheit oder die Wirtschaft darstellen oder darstellen können.

Diese Definition grenzt invasive gebietsfremde Arten zugleich von solchen Arten ab, die zwar gebietsfremd, jedoch nicht invasiv sind, weil sie keine oder lediglich geringfügige negative Auswirkungen auf die neue Umgebung mit sich bringen.


Europäische Rechtsgrundlagen

Die EU-Verordnung über invasive gebietsfremde Arten

Die zentrale Rechtsgrundlage auf EU-Ebene ist die Verordnung (EU) Nr. 1143/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2014 über die Prävention und das Management der Einbringung und Ausbreitung invasiver gebietsfremder Arten. Ihr Ziel ist die Verhinderung, Minimierung und Abschwächung der nachteiligen Auswirkungen invasiver gebietsfremder Arten.

Wesentliche Pflichten aus der EU-Verordnung:

  • Präventionsmaßnahmen: Mitgliedstaaten sind verpflichtet, die absichtliche und unabsichtliche Einbringung invasiver gebietsfremder Arten auf ihr Hoheitsgebiet zu verhindern.
  • Frühwarnsystem und sofortige Beseitigung: Neunutzungen, Identifizierung und rasches Handeln bei neu auftretenden Populationen.
  • Managementmaßnahmen: Kontrolle, Eindämmung oder Entfernung bereits etablierter invasiver gebietsfremder Arten.
  • Überwachung und Berichterstattung: Mitgliedstaaten überwachen Bestände und erstatten regelmäßig Bericht an die Europäische Kommission.
  • Sanktionsrahmen: Bei Verstößen gegen die Regelungen sind die Mitgliedstaaten zur Festlegung geeigneter Sanktionen verpflichtet.

Die Unionsliste

Im Rahmen der Verordnung wird eine sogenannte Unionsliste geführt, auf der alle invasiven gebietsfremden Arten von unionsweiter Bedeutung aufgeführt sind. Für diese Arten gelten weitreichende Verbote, darunter das Verbot von Einfuhr, Haltung, Zucht, Transport, Erwerb, Verkauf, Anbau, Nutzung, Austausch, Freisetzung und Vermehrung.


Nationale Rechtsumsetzung in Deutschland

Gesetzliche Grundlagen

In Deutschland erfolgt die Umsetzung vor allem durch das Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG), insbesondere in den §§ 40 bis 40f. Dieses untersagt unter anderem das Freisetzen bestimmter gebietsfremder Tiere und Pflanzen und verpflichtet zu Maßnahmen im Sinne der Prävention und Kontrolle.

Zusätzlich regeln verschiedene Spezialgesetze und -verordnungen Detailfragen, unter anderem:

  • Verordnung über das Inverkehrbringen und die Beförderung bestimmter Pflanzen und Pflanzenerzeugnisse
  • Verordnung zum Schutz der Tier- und Pflanzenarten
  • Fischereigesetze der Länder (im Hinblick auf Wasserorganismen)

Behördenzuständigkeiten

Für die Kontrolle und das Management invasiver gebietsfremder Arten sind je nach Art des Organismus verschiedene Behörden auf Bundes- und Landesebene zuständig. In der Regel erfolgt eine enge Zusammenarbeit der Naturschutz-, Forst-, Wasser- und Landwirtschaftsbehörden.


Internationale völkerrechtliche Rahmenbedingungen

Auch auf völkerrechtlicher Ebene bestehen wesentliche Verpflichtungen zum Management invasiver gebietsfremder Arten. Zu nennen sind insbesondere:

  • Übereinkommen über die biologische Vielfalt (CBD), Artikel 8h: Verpflichtet die Vertragsstaaten, die Einführung und Kontrolle invasiver Arten zu regeln.
  • Übereinkommen über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten freilebender Tiere und Pflanzen (CITES): Steuert den internationalen Handel mit potenziell invasiven Arten durch besondere Genehmigungsverfahren.
  • Internationale Pflanzenschutzkonvention (IPPC): Stellt Grundregeln für Bekämpfungs- und Präventionsmaßnahmen gegen invasive Pflanzen und Pflanzenschädlinge auf.

Pflichten und Verbote im Umgang mit invasiven gebietsfremden Arten

Einfuhr-, Ausbringungs- und Handelsverbote

Nach unionsrechtlichen und nationalen Vorschriften ist das

  • Einführen,
  • Ausbringen,
  • Züchten,
  • Handeln,
  • Halten,
  • Freisetzen und
  • Vermehren

von Arten, die als invasive gebietsfremde Art gelistet sind, untersagt oder nur mit ausdrücklicher behördlicher Ausnahmegenehmigung zulässig.

Mitteilungs- und Beseitigungspflichten

Wer eine Population einer gelisteten invasiven gebietsfremden Art feststellt, ist verpflichtet, dies der zuständigen Behörde (meist Naturschutzbehörde) mitzuteilen. Darüber hinaus können Eigentümer, Nutzer und andere Verpflichtete zur Beseitigung oder zum Management der invasiven Populationen verpflichtet werden.


Sanktionen und Rechtsfolgen bei Verstößen

Verstöße gegen die gesetzlichen Verbote und Pflichten im Zusammenhang mit invasiven gebietsfremden Arten können mit

  • Bußgeldern,
  • Zwangsgeldern,
  • der Einziehung der betroffenen Organismen oder
  • weiteren verwaltungsrechtlichen Maßnahmen

geahndet werden. Teilweise können auch strafrechtliche Folgen drohen, insbesondere bei grob fahrlässigen oder vorsätzlichen Handlungen, die zu erheblichen Schäden führen.


Ausnahmen und Ausnahmeregelungen

In begründeten Einzelfällen sieht das Recht bestimmte Ausnahmegenehmigungen vor, etwa für Forschung und amtlich angeordnete Kontrollmaßnahmen. Die Gewährung von Ausnahmen ist jedoch streng reguliert und in der Regel mit umfangreichen Auflagen zur Risikominderung verbunden.


Bedeutung für Natur- und Umweltschutz

Das Management invasiver gebietsfremder Arten ist ein zentrales Anliegen des modernen Natur- und Umweltschutzes. Ziel ist der Erhalt der heimischen biologischen Vielfalt, die Sicherung ökosystemarer Dienstleistungen und der Schutz wirtschaftlicher Ressourcen. Die konsequente rechtliche Regulierung dieser Arten leistet hierzu einen maßgeblichen Beitrag und dient dem Vorsorgeprinzip im Umweltschutz.


Zusammenfassung

Zusammenfassend stellt die rechtliche Behandlung invasiver gebietsfremder Arten ein umfassendes Regelungssystem dar, das von internationalen Übereinkommen über europäische Rechtsverordnungen bis zur nationalen Gesetzgebung reicht. Die Bestimmungen verfolgen das Ziel, schädliche Auswirkungen auf die biologische Vielfalt, die Wirtschaft und die menschliche Gesundheit zu verhindern oder einzudämmen. Dabei spielen Prävention, Überwachung, verpflichtende Managementmaßnahmen sowie ein abgestufter Sanktionsmechanismus zentrale Rollen. Ein verantwortungsvoller, rechtssicherer Umgang mit invasiven gebietsfremden Arten ist sowohl im privaten als auch im öffentlichen Interesse und wesentlich für eine nachhaltige Entwicklung.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Verpflichtungen haben Privatpersonen im Umgang mit invasiven gebietsfremden Arten?

Privatpersonen unterliegen gemäß der EU-Verordnung Nr. 1143/2014 spezifischen rechtlichen Verpflichtungen im Zusammenhang mit invasiven gebietsfremden Arten (IGA), die auf der sogenannten Unionsliste geführt werden. Dazu zählt in erster Linie ein Verbot des Besitzes, der Haltung, der Zucht, der Einfuhr, des Verkaufs, des Transports sowie der Freisetzung in die Umwelt dieser Arten. Bereits vorhandene Individuen solcher Arten dürfen in der Regel nicht weitergegeben oder gezielt vermehrt werden. Falls solche Arten sich unbeabsichtigt ausbreiten, ist der Eigentümer verpflichtet, Maßnahmen zu ergreifen, um die weitere Verbreitung zu verhindern und zuständige Behörden zu informieren. In bestimmten Fällen besteht die Pflicht, Mitwirkungs- und Duldungspflichten bei Maßnahmen zur Eindämmung oder Beseitigung durch Behörden zu erfüllen. Verstöße gegen diese Verpflichtungen können mit Bußgeldern oder Zwangsmaßnahmen geahndet werden.

Welche Rolle spielen Meldepflichten im Zusammenhang mit invasiven gebietsfremden Arten?

Für verschiedene Gruppen, darunter Besitzer von Grundstücken, Landwirte oder Verwaltungen, besteht unter anderem nach Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) die Pflicht, den Fund oder das Vorkommen bestimmter gelisteter invasiver Arten an die zuständigen Naturschutzbehörden zu melden. Die Meldepflichten betreffen vor allem Funde neuer Populationen von Arten, die nationale oder unionsrechtliche Bedeutung haben. In Deutschland konkretisiert die Bundesartenschutzverordnung (§ 7 BArtSchV) solche Verpflichtungen. Die Meldungen enthalten Angaben wie Zeitpunkt, Ort und Art des Vorkommens und sind unverzüglich zu erstatten. Die Meldedaten dienen Behörden zur Erfüllung von Berichtspflichten gegenüber der Europäischen Kommission und zur Planung von Bekämpfungsmaßnahmen.

Welche rechtlichen Grundlagen regeln den Umgang mit invasiven gebietsfremden Arten in Deutschland?

Der rechtliche Umgang mit invasiven gebietsfremden Arten in Deutschland ist vorrangig durch die EU-Verordnung Nr. 1143/2014 geregelt. Auf nationaler Ebene findet sie ihre Ergänzung durch das Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG), speziell durch die Paragraphen § 40 bis § 40d, in denen die grundsätzlichen Verbote, Maßnahmenpflichten und Ausnahmen geregelt sind. Weitere Konkretisierungen erfolgen durch die Bundesartenschutzverordnung (BArtSchV) und länderspezifische Ausführungsregelungen. Diese Rechtsakte legen fest, wie Listen invasiver Arten geführt, welche Bekämpfungsmaßnahmen umgesetzt und wie der Schutz heimischer Arten gewährleistet werden sollen.

Welche Sanktionen drohen bei Verstößen gegen die gesetzlichen Bestimmungen zu invasiven gebietsfremden Arten?

Verstöße gegen die gesetzlichen Bestimmungen, wie etwa Besitz, Verbreitung oder Nichtmeldung gelisteter invasiver Arten, können sowohl als Ordnungswidrigkeiten als auch in besonders schweren Fällen als Straftaten geahndet werden. Nach dem Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) sind Bußgelder bis zu einer Höhe von 50.000 Euro möglich. Darüber hinaus können Behörden zur Gefahrenabwehr Maßnahmen wie die Beschlagnahme, Vernichtung oder Einziehung der betroffenen Arten, Bestände oder Produkte anordnen. Bei wiederholten, vorsätzlichen oder besonders gravierenden Verstößen können auch weitergehende Sanktionen (z.B. Ersatzvornahmen auf Kosten des Verursachers) verhängt werden.

Bestehen Ausnahmen oder Sondergenehmigungen für die Haltung invasiver gebietsfremder Arten?

In Einzelfällen können unter sehr strengen Voraussetzungen Ausnahmen oder Sondergenehmigungen für die Haltung invasiver Art erteilt werden, etwa für wissenschaftliche Forschung, ex-situ-Erhaltungsprogramme oder streng kontrollierte Ausstellungen in öffentlichen Einrichtungen wie botanischen Gärten. Solche Ausnahmegenehmigungen setzen ein umfangreiches Antragverfahren bei der zuständigen Landesbehörde voraus, die im Einzelfall prüft, ob ausreichende Maßnahmen zur Verhinderung einer Ausbreitung ergriffen wurden und das öffentliche Interesse eine Ausnahme rechtfertigt. Die Anforderungen an die Antragsteller und die Art der Nachweise sind hoch und beziehen sich insbesondere auf Biosicherheitsmaßnahmen und Überwachungsauflagen.

Wie werden Kontrollen und die Durchsetzung der Rechtsvorschriften bezüglich invasiver gebietsfremder Arten durchgeführt?

Die Überwachung und Durchsetzung der Rechtsvorschriften erfolgt durch die zuständigen Landesbehörden, meist Naturschutz- oder Umweltämter. Diese sind berechtigt, Verdachtsfälle zu überprüfen, Kontrollen auf privaten und öffentlichen Flächen durchzuführen und im Verdachtsfall Proben zu sichern. Sie können Anordnungen zur Beseitigung, Entfernung oder Eindämmung invasiver Arten aussprechen und bei Gefahr im Verzug sofortige Maßnahmen treffen. Zur Überwachung werden oft Berichte von Bürgern, Kooperationen mit wissenschaftlichen Institutionen und regelmäßige stichprobenartige Begehungen genutzt. Verstöße werden dokumentiert und rechtlich verfolgt.

Welche Bedeutung haben unionsrechtliche Listen im Kontext der Bekämpfung invasiver Arten?

Die Unionsliste gemäß Artikel 4 der Verordnung (EU) Nr. 1143/2014 ist von zentraler Bedeutung, da sie genau bestimmt, für welche Arten die extremen Verbote und Maßnahmen europaweit einheitlich gelten. Nur für die auf dieser Liste geführten Arten gelten die umfassenden Beschränkungen des Besitzes, Handels, der Beförderung und Freisetzung. Die Listen werden regelmäßig aktualisiert, basieren auf wissenschaftlichen Gutachten und sollen die Koordinierung und Effektivität der Bekämpfung innerhalb der EU sicherstellen. Nationale Zusatzlisten können ergänzend wirken, heben aber die Unionsvorgaben nicht auf, sondern erweitern allenfalls den Geltungsbereich auf national bedeutsame Arten.