Intestaterbfolge – Begriff, rechtliche Grundlagen und Regelungen
Die Intestaterbfolge ist ein zentraler Begriff im Erbrecht und bezeichnet die gesetzliche Erbfolge, welche zur Anwendung kommt, wenn ein Erblasser keine Verfügung von Todes wegen, wie etwa ein Testament oder einen Erbvertrag, hinterlassen hat. In einem solchen Fall bestimmt das Gesetz, wer Erbe wird und wie der Nachlass unter den gesetzlichen Erben zu verteilen ist. Die Intestaterbfolge stellt somit den Regelfall dar, wenn es an einer letztwilligen Verfügung fehlt oder diese unwirksam ist.
Allgemeine Grundlagen der Intestaterbfolge
Die gesetzliche Erbfolge findet Anwendung in Fällen, in denen der Nachlass nicht durch eine letztwillige Verfügung geregelt ist. Grundlage für die Intestaterbfolge sind die §§ 1924 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Sie konkretisieren detailliert, welche Personen in welcher Reihenfolge und zu welchen Quoten den Nachlass erhalten.
Voraussetzungen und Auslöser der Intestaterbfolge
Die Intestaterbfolge tritt ein, wenn:
- kein Testament oder Erbvertrag existiert,
- eine letztwillige Verfügung unwirksam, nichtig oder widerrufen ist,
- ein Erbverzicht oder eine Ausschlagung einzelner Erben vorliegt und keine Ersatzregelung getroffen wurde.
Gesetzliche Erbenordnungen und Ordnungsprinzip
Das deutsche Erbrecht sieht eine bestimmte Rangfolge, das sogenannte Ordnungsprinzip, vor. Gesetzliche Erben werden in Ordnungen eingeordnet; innerhalb derselben Ordnung schließen nähere Verwandte entferntere Verwandte von der Erbfolge aus.
Erben erster Ordnung (§ 1924 BGB): Abkömmlinge
Als Erben erster Ordnung gelten die Abkömmlinge des Erblassers, das heißt Kinder, Enkel und Urenkel. Sie schließen bei gesetzlicher Erbfolge andere Erbenordnungen aus.
- Kinder: Jeder Abkömmling erhält einen gleichen Anteil am Nachlass.
- Stammesprinzip: Ist ein Kind verstorben, treten an seine Stelle dessen Abkömmlinge (Enkel, Urenkel).
Erben zweiter Ordnung (§ 1925 BGB): Eltern und deren Nachkommen
Sind keine Abkömmlinge vorhanden, erben die Eltern des Erblassers sowie deren Abkömmlinge, also Geschwister, Nichten und Neffen des Verstorbenen.
- Lebt ein Elternteil nicht mehr, erben dessen Nachkommen den vollen Erbteil.
Erben dritter Ordnung (§ 1926 BGB): Großeltern und deren Nachkommen
Sollten weder Erben erster noch zweiter Ordnung existieren, geht das Erbe an die Großeltern und deren Nachkommen (Onkel, Tanten, Cousins, Cousinen).
Weitere Erbenordnungen
Das Gesetz regelt nach dem gleichen Prinzip weitere Ordnungen, wie Urgroßeltern und deren Nachkommen. Näher Verwandte schließen jeweils entferntere aus.
Ehegattenerbrecht bei Intestaterbfolge
Das Ehegattenerbrecht spielt bei der gesetzlichen Erbfolge eine bedeutende Rolle und ist in den §§ 1931 ff. BGB geregelt. Der überlebende Ehegatte erbt neben den Verwandten der ersten Ordnung zu einem Viertel, bei teilweisem Güterstand der Zugewinngemeinschaft erhöht sich der Erbteil um ein weiteres Viertel. Neben Erben zweiter Ordnung oder Großeltern erbt der Ehegatte die Hälfte des Nachlasses.
Besonderheiten in eingetragenen Lebenspartnerschaften
Für eingetragene Lebenspartner gelten nach dem Lebenspartnerschaftsgesetz im Wesentlichen die gleichen Regelungen wie für Ehegatten.
Erbquoten und Verteilung des Nachlasses
Die Verteilung des Nachlasses erfolgt nach gesetzlich festgelegten Erbquoten. Innerhalb einer Ordnung erben gesetzliche Erben zu gleichen Teilen, sofern nicht durch Güterstand oder besondere Regelungen abweichende Quoten bestimmt sind.
Beispiel zur Verteilung
Ist der Nachlass eines verstorbenen Ehepaares zu verteilen – etwa mit zwei Kindern und bestehender Zugewinngemeinschaft – erhält der Ehegatte die Hälfte, die beiden Kinder teilen sich die andere Hälfte zu gleichen Teilen.
Rechte und Pflichten gesetzlicher Erben
Erben treten kraft Gesetzes in die Rechtsstellung des Erblassers ein. Sie übernehmen sowohl Vermögenswerte als auch Verbindlichkeiten. Die Annahme oder Ausschlagung der Erbschaft steht jedem gesetzlichen Erben offen.
Ausschlagung und Erbantritt
Erfolgt eine Ausschlagung, geht der Erbteil auf den nächsten gesetzlichen Erben über.
Nachrücken von Erben und Repräsentationsprinzip
Stirbt ein gesetzlicher Erbe vor dem Erblasser oder schlägt das Erbe aus, rücken die nachfolgenden Abkömmlinge an dessen Stelle („Repräsentationsprinzip“).
Besonderheiten der Intestaterbfolge
Enterbung und Pflichtteilsrecht
Auch bei vollständiger Enterbung durch Verfügung von Todes wegen steht nahen Angehörigen ein Pflichtteilsrecht zu. Dieses gewährt eine Mindestbeteiligung am Nachlass; es berechnet sich nach der gesetzlichen Erbquote. Das Pflichtteilsrecht bleibt bei Intestaterbfolge bedeutungslos, da ohnehin die gesetzliche Regelung greift.
Internationales und Kollisionsrecht
Bei Erbfällen mit Auslandsbezug greifen spezielle Kollisionsnormen. Maßgeblich ist meist das Recht des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes des Erblassers (Art. 21 EuErbVO).
Ausschluss und Unwürdigkeit
Nicht erbberechtigt ist, wer durch richterliche Entscheidung wegen Erbunwürdigkeit (§ 2339 BGB) ausgeschlossen wurde, etwa durch schwerwiegende Verfehlungen gegenüber dem Erblasser.
Bedeutung der Intestaterbfolge im deutschen Erbrecht
Die Intestaterbfolge sorgt für Rechtssicherheit und gesellschaftlichen Ausgleich. Sie kommt immer dann zur Anwendung, wenn der Erblasser keine individuelle Nachlassregelung getroffen hat, und gewährleistet eine gesetzeskonforme sowie sozial orientierte Vermögensübertragung auf die nächsten Angehörigen.
Zusammenfassung:
Die Intestaterbfolge regelt die gesetzliche Verteilung des Nachlasses bei Fehlen einer Verfügung von Todes wegen. Ihre Bestimmungen betreffen die Reihenfolge und die Anteile der gesetzlichen Erben, die Rechte des überlebenden Ehegatten, die Modalitäten der Erbübernahme sowie besondere Regelungen bei Internationalität und Erbunwürdigkeit. Sie ist essenzieller Bestandteil des deutschen Erbrechts und dient der Absicherung der Angehörigen eines Verstorbenen.
Häufig gestellte Fragen
Wer wird nach deutschem Recht vorrangig Erbe, wenn keine Verfügung von Todes wegen (Testament oder Erbvertrag) besteht?
Nach deutschem Recht, geregelt im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), sieht die Intestaterbfolge – auch gesetzliche Erbfolge genannt – eine feste Erbfolgeordnung vor. An erster Stelle stehen die sogenannten Erben erster Ordnung, das sind die Abkömmlinge des Erblassers, also Kinder und deren Nachkommen. Lebt ein Kind des Erblassers nicht mehr, treten dessen Kinder (Enkelkinder des Erblassers) an dessen Stelle. Ehegatten und eingetragene Lebenspartner sind in der gesetzlichen Erbfolge besonders privilegiert: Neben Kindern des Erblassers erhält der überlebende Ehegatte in der Regel ein Viertel des Nachlasses, im „gesetzlichen Güterstand“ (Zugewinngemeinschaft) erhöht sich dieser Anteil auf ein weiteres Viertel als pauschalierter Zugewinnausgleich. Gibt es keine Abkömmlinge, kommen Erben zweiter Ordnung (Eltern und deren Nachkommen, also Geschwister des Erblassers) zum Zug. Erst wenn diese Gruppen nicht vorhanden sind, erben Verwandte dritter Ordnung (Großeltern und deren Abkömmlinge).
Wie wirkt sich eine bestehende Ehe oder eingetragene Lebenspartnerschaft auf die gesetzliche Erbfolge aus?
Die Ehe oder eingetragene Lebenspartnerschaft wird bei der Intestaterbfolge besonders berücksichtigt und führt zu einem gesetzlichen Erbanspruch des überlebenden Partners. Dessen Anteil hängt von den weiteren gesetzlichen Erben sowie vom ehelichen Güterstand ab. Hat der Erblasser Kinder, steht dem Ehegatten ein Viertel am Nachlass zu; im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft erhöht sich dieser Anteil wegen des pauschalierten Zugewinnausgleichs gemäß § 1371 BGB auf insgesamt die Hälfte des Nachlasses. Leben keine Abkömmlinge, erbt der Ehegatte zusammen mit den Erben zweiter Ordnung und erhält hierbei mindestens die Hälfte des Nachlasses, wiederum zuzüglich eines eventuellen Zugewinnausgleichsanspruchs. Zu beachten ist, dass das Erbrecht entfällt, wenn beim Tod des Erblassers ein rechtskräftiges Scheidungsverfahren läuft.
Welche Rechte haben nichteheliche Kinder im Rahmen der Intestaterbfolge?
Seit der gesetzlichen Gleichstellung im Jahr 1998 haben nichteheliche Kinder nach deutschem Recht in erbrechtlicher Hinsicht denselben Status wie eheliche Kinder. Dies bedeutet konkret, dass nichteheliche Kinder uneingeschränkt erbberechtigt sind und in der Intestaterbfolge genauso berücksichtigt werden wie eheliche Kinder. Sie sind Erben erster Ordnung und erhalten einen gleichen Anteil am Nachlass wie ihre ehelichen Geschwister. Ein Ausschluss von der gesetzlichen Erbfolge aufgrund des Status als nichteheliches Kind ist nicht mehr zulässig.
Wie wird der Nachlass bei mehreren gesetzlichen Erben (Miterben) aufgeteilt?
Im Falle mehrerer gesetzlicher Erben bilden diese eine sogenannte Erbengemeinschaft, die gemeinschaftlich über den Nachlass verfügt. Die Teilung des Nachlasses erfolgt im Verhältnis ihrer jeweiligen Erbquoten, die aus den gesetzlichen Bestimmungen resultieren. So teilen sich etwa mehrere Kinder den Nachlass zu gleichen Teilen. Lebt der Ehegatte neben den Kindern, beträgt dessen Anteil grundsätzlich ein Viertel, in der Zugewinngemeinschaft ein weiteres Viertel, der Rest wird unter den Kindern gleichmäßig aufgeteilt. Die Erbengemeinschaft erhält gemeinschaftliches Eigentum an den Nachlassgegenständen und kann erst nach einer Auseinandersetzung (Teilung des Nachlasses) über ihren jeweiligen Anteil individuell verfügen. Die Verwaltung und eventuelle Veräußerung von Nachlassgegenständen setzt die Mitwirkung aller Miterben voraus. Ein einzelner Miterbe kann allerdings seinen Erbteil veräußern.
Welche Auswirkungen hat das Vorausvermächtnis des Ehegatten bei der Intestaterbfolge?
Neben seinem gesetzlichen Erbteil erhält der Ehegatte gemäß § 1932 BGB das sogenannte „Vorausvermächtnis“. Darunter versteht man das Recht des überlebenden Ehegatten (oder eingetragenen Lebenspartners), bestimmte Haushaltsgegenstände sowie die Hochzeitsgeschenke unentgeltlich aus dem Nachlass zu verlangen. Diese Gegenstände fallen nicht in die Erbmasse, die zwischen den übrigen Miterben aufzuteilen ist, sondern gehen direkt, zusätzlich zum Erbteil, in das Eigentum des überlebenden Ehegatten oder Lebenspartners über. Das Vorausvermächtnis steht ihm jedoch nicht zu, wenn er neben Erben zweiter Ordnung oder entfernteren Ordnungen beerbt; dann erhält der Ehegatte die Dinge zum Ausgleich auf seinen Erbteil angerechnet.
Wie werden Adoptivkinder im Rahmen der Intestaterbfolge behandelt?
Adoptivkinder, die nach Inkrafttreten des Adoptionsgesetzes 1977 in ein Eltern-Kind-Verhältnis aufgenommen wurden (sog. Volladoption nach §§ 1754 ff. BGB), stehen leiblichen Kindern im Erbrecht vollkommen gleich. Sie sind als Erben erster Ordnung zur gesetzlichen Erbfolge sowohl nach den Adoptiveltern als auch – sofern die Adoption nach 1976 stattfand – nicht mehr nach ihren leiblichen Eltern berechtigt. Adoptivkinder nehmen am Nachlass ihrer Adoptiveltern genauso teil wie eheliche oder nichteheliche leibliche Kinder. Eine Adoption nach vorherigem Recht (vor 1977) kann hiervon abweichende Regelungen aufweisen.
Was geschieht mit dem Nachlass, wenn keine gesetzlichen Erben vorhanden sind?
Sind keine gesetzlichen Erben auffindbar oder vorhanden, fällt der Nachlass an den Staat (Fiskus) gemäß § 1936 BGB. Der Staat wird dann gesetzlicher Erbe und übernimmt den Nachlass mit allen Rechten und Pflichten, allerdings beschränkt auf den Nachlasswert (Erwerb unter dem sog. „Vorbehalt der Inventarerrichtung“). Der Staat kann die Erbschaft weder ausschlagen noch annehmen; sie fällt ihm automatisch zu, jedoch haftet er für Nachlassverbindlichkeiten nur mit dem Nachlass und nicht mit eigenem Vermögen.