Legal Lexikon

Wiki»Legal Lexikon»Zivilrecht»Interventionsprozess

Interventionsprozess


Begriff und rechtliche Einordnung des Interventionsprozesses

Der Interventionsprozess ist ein zivilprozessuales Verfahren, das es Dritten ermöglicht, sich an einem bereits anhängigen Rechtsstreit zu beteiligen. In Deutschland ist der Interventionsprozess im Wesentlichen in den §§ 66 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO) geregelt. Der Begriff bezeichnet die Prozessbeteiligung einer Person, die nicht ursprünglich Partei des Rechtsstreits ist, jedoch ein rechtliches Interesse an dessen Ausgang hat. Ziel des Interventionsprozesses ist sowohl der Schutz des Dritten als auch die Vermeidung widersprüchlicher Entscheidungen.

Rechtsgrundlagen und gesetzliche Regelungen

Zivilprozessordnung (ZPO)

Die maßgeblichen Vorschriften finden sich in den §§ 66 bis 71 ZPO. Diese regeln insbesondere die Arten der Intervention, die Voraussetzungen, das Verfahren, die Rechtsstellung des Intervenienten und die prozessualen Wirkungen der Intervention.

Internationale Bezüge

Im europäischen Kontext kann die Intervention auch durch unionsrechtliche oder internationale Normen (z. B. Brüssel-Ia-Verordnung) beeinflusst sein, wenn beispielsweise Parteien aus unterschiedlichen Mitgliedstaaten beteiligt sind oder grenzüberschreitende Sachverhalte betroffen sind.

Arten der Intervention

Streithilfe (Nebenintervention)

Die häufigste Form der Intervention stellt die Streithilfe gemäß § 66 ZPO dar. Hierbei tritt der Nebenintervenient einer der Parteien zur Unterstützung bei. Zulässig ist die Nebenintervention, wenn der Intervenient ein rechtliches Interesse daran hat, dass einer Partei obsiegt, da das Urteil unmittelbar auf sein eigenes Rechtsverhältnis einwirken kann.

Rechte und Pflichten des Nebenintervenienten

Der Nebenintervenient darf Prozesshandlungen selbstständig vornehmen, sofern diese nicht im Widerspruch zu denjenigen der unterstützten Hauptpartei stehen. Ihm stehen jedoch nicht alle Rechte einer Hauptpartei zu, insbesondere kann er nicht selbstständig über den Streitgegenstand verfügen.

Bindungswirkung des Urteils

Das Urteil wirkt gemäß § 68 ZPO auch gegenüber dem Nebenintervenienten, sofern dieser zugunsten einer Partei aufgetreten ist. Er ist mit Einwendungen, die im Erstprozess erfolgreich hätten geltend gemacht werden können, im Folgeprozess ausgeschlossen (Präklusion).

Hauptintervention

Von der Nebenintervention zu unterscheiden ist die Hauptintervention (§ 64 ZPO). Hier beansprucht der Intervenient eigene Rechte am Streitgegenstand gegen eine oder beide Parteien. Die Hauptintervention führt zu einem eigenen Prozess, der mit dem Ausgangsverfahren verbunden werden kann.

Prozessuale Auswirkungen

Im Fall der Hauptintervention ist das Gericht verpflichtet, über die Ansprüche des Intervenienten im Wege der objektiven Klagenhäufung gemeinsam mit dem Ausgangsstreit zu entscheiden.

Ablauf des Interventionsprozesses

Einleitung der Intervention

Die Intervention erfolgt durch formlose Erklärung gegenüber dem Gericht, in der das rechtliche Interesse sowie die Art der Beteiligung (Neben- oder Hauptintervention) dargelegt werden müssen. Mit Zustellung der Interventionsschrift an die Parteien tritt der Intervenient dem Prozess bei.

Mitwirkung und Stellung im Verfahren

Ein zugelassener Intervenient erhält grundsätzlich das Recht, an den mündlichen Verhandlungen teilzunehmen und Beweisanträge zu stellen. Die Prozesshandlungen des Intervenienten sind jedoch an die Vorschriften der ZPO und an das Verhalten der Hauptpartei gebunden.

Beendigung der Intervention

Die Interventionsbeteiligung endet mit rechtskräftigem Abschluss des Hauptverfahrens oder mit Rücknahme der Intervention. Etwaige Kosten der Intervention werden nach Maßgabe des Obsiegens oder Unterliegens beziehungsweise nach Billigkeit auf Basis von §§ 100 ff. ZPO verteilt.

Voraussetzungen und Grenzen des Interventionsprozesses

Rechtliches Interesse

Das rechtliche Interesse des Intervenienten an einem bestimmten Ausgang des Verfahrens ist zentrale Voraussetzung für die Zulässigkeit der Streithilfe. Es muss sich um ein objektives Interesse handeln, das über die bloße tatsächliche Betroffenheit hinausgeht und regelmäßig einen rechtlichen Bezug zum Streitgegenstand aufweist.

Ausschlussgründe

Eine Intervention ist ausgeschlossen, wenn sich dies aus den Besonderheiten des Falles ergibt, beispielsweise wenn die Hauptsache bereits rechtskräftig entschieden ist oder die Intervention den Ablauf des Prozesses ohne berechtigtes Interesse verzögert.

Interventionsprozess in der Praxis

Typische Anwendungsfälle

  • Haftpflichtprozesse, bei denen der Haftpflichtversicherer als Nebenintervenient auftritt
  • Streitigkeiten über Eigentum an beweglichen oder unbeweglichen Sachen, bei denen Dritte ein eigenes Recht geltend machen
  • Fälle der mittelbaren Betroffenheit durch das potenzielle Präjudiz eines Urteils

Bedeutung für die Rechtskraft

Das Ergebnis des Interventionsprozesses entfaltet eingeschränkte Bindungswirkungen für die Parteien und den Intervenienten. Dies dient sowohl der Prozessökonomie als auch der materiellen Gerechtigkeit.

Abgrenzung zu anderen Beteiligungsformen

Unterschieden werden muss der Interventionsprozess von anderen Beteiligungsformen wie der Streitverkündung (§ 72 ZPO) und der Beiladung in Verwaltungsverfahren, die anderen rechtlichen Voraussetzungen und Wirkungen unterliegen.

Literatur und weiterführende Hinweise

  • Thomas/Putzo, Zivilprozessordnung, Kommentar
  • Musielak/Voit, ZPO, Kommentar
  • Zöller, ZPO, Kommentar

Dieser Artikel bietet eine umfassende Erklärung und rechtliche Einordnung des Begriffs Interventionsprozess im Zivilprozessrecht. Durch die differenzierte Darstellung der verschiedenen Formen, Voraussetzungen, Abläufe und Wirkungen des Interventionsprozesses liefert er eine hochdichte Informationsgrundlage für die wissenschaftliche und praxisorientierte Aufarbeitung des Themas.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Voraussetzungen müssen erfüllt sein, um einen Interventionsprozess einzuleiten?

Der Interventionsprozess setzt voraus, dass eine rechtliche Grundlage für das Eingreifen einer dritten Partei in ein bereits anhängiges Gerichtsverfahren besteht. Je nach Verfahrensordnung (z.B. Zivilprozessordnung in Deutschland, § 66 ff. ZPO) ist die Intervention dann zulässig, wenn der Intervenient ein eigenes rechtliches Interesse am Ausgang des Verfahrens glaubhaft machen kann. Dieses Interesse muss sich darauf beziehen, dass die Entscheidung des Hauptprozesses unmittelbare rechtliche Auswirkungen für den Intervenienten entfalten könnte, etwa weil er durch das Urteil in seinen Rechten beeinträchtigt wird. Beim Nebenintervenienten reicht ein mittelbares Interesse aus, beim Streithelfer muss dieses Interesse sich auf die Unterstützung einer Partei im Prozess richten. Weiterhin ist ein schriftlicher Antrag erforderlich, der beim zuständigen Gericht einzureichen ist. Zusätzlich dürfen keine gesetzlichen Ausschlussgründe, wie zum Beispiel die bereits rechtskräftige Entscheidung im Hauptverfahren, vorliegen. Der Intervenient hat zudem die prozessualen Formvorschriften einzuhalten und muss sich ggf. anwaltlich vertreten lassen, wenn Anwaltszwang besteht.

Welche Wirkungen hat eine Intervention auf den laufenden Prozess?

Die zulässige Intervention führt dazu, dass der Intervenient – entweder als Nebenintervenient (Streithelfer) oder Hauptintervenient – in den Prozess eintritt und prozessuale Rechte wahrnehmen kann. Dem Nebenintervenienten ist es erlaubt, den unterstützten Prozessbeteiligten in dessen Verfahrenshandlungen zu unterstützen, Anträge zu stellen, Beweise zu erheben oder Rechtsmittel einzulegen, soweit dies auch der unterstützten Partei möglich wäre. Er kann jedoch nicht anstelle der Hauptpartei prozessual tätig werden. Die Hauptpartei, zugunsten oder zulasten derer interveniert wird, bleibt Herrin des Verfahrens. Die Intervention kann die Verfahrenslänge und die Komplexität des Prozesses beeinflussen; das Gericht muss die Einlassung des Intervenienten berücksichtigen. Die Urteilswirkung (insbesondere Bindungswirkung) erstreckt sich unter bestimmten Voraussetzungen durch die Intervention auch auf den Intervenienten.

In welchen Fällen kann ein Interventionsantrag vom Gericht abgelehnt werden?

Das Gericht kann und muss einen Interventionsantrag ablehnen, wenn die Voraussetzungen gemäß Prozessrecht nicht erfüllt sind. Hauptgründe für eine Ablehnung sind vor allem das Fehlen eines rechtlichen Interesses am Verfahrensausgang, Unzulässigkeit durch die Verfahrensart (zum Beispiel in bestimmten Familienstreitigkeiten oder in Strafverfahren), verspätete Antragstellung nach Schluss der mündlichen Verhandlung oder nach Eintritt der Rechtskraft, sowie formelle Mängel des Antrags, etwa unzureichende Begründung oder Formverstöße. Darüber hinaus wird der Antrag abgewiesen, wenn gesetzlich normierte Ausschlussgründe vorliegen oder der Intervenient ausnahmsweise keine Parteifähigkeit oder Prozessfähigkeit besitzt.

Besteht für den Intervenienten ein Anwaltszwang und welche Kostenrisiken ergeben sich?

Ob für den Intervenienten Anwaltszwang besteht, richtet sich nach den allgemeinen Vorschriften über den Parteibetrieb im jeweiligen Verfahrensabschnitt. In Verfahren vor Landgerichten beziehungsweise in höheren Instanzen besteht regelmäßig Anwaltszwang, so dass der Intervenient entsprechend vertreten sein muss. Auch ein bereits anwaltlich vertretener Streithelfer kann, wenn er eigene Anträge stellt oder Rechtsmittel einlegt, verpflichtet werden, einen Rechtsanwalt hinzuzuziehen. Hinsichtlich der Kosten trägt der Intervenient grundsätzlich das Kostenrisiko für seine eigenen Handlungen und kann im Fall des Unterliegens oder wenn sich sein Vorbringen als unbegründet erweist, zur Kostenerstattung gegenüber den Hauptparteien oder Dritten verpflichtet werden. Je nach Ausgang des Prozesses kann das Gericht gem. §§ 101 ff. ZPO eine anteilige Kostenentscheidung treffen.

Wie wirkt sich die Intervention auf die materielle Rechtskraft eines Urteils aus?

Durch die wirksame Intervention wird der Intervenient an den im Prozess erzielten Urteilsinhalt nach den Regeln der Bindungswirkung gebunden, soweit sich diese auf den Streitgegenstand und die zwischen den Parteien und dem Intervenienten bestehende Rechtsbeziehung erstreckt (§ 68 ZPO). Die materielle Rechtskraft des Urteils wirkt somit gegen und zugunsten des Intervenienten, insbesondere, wenn er im Folgeprozess Einwendungen gegen die Entscheidungsgrundlagen des Erstverfahrens machen will. Er kann sich nicht auf Einwände berufen, die er im Ausgangsverfahren hätte geltend machen können oder müssen. Dies dient der Verfahrensökonomie und dem Rechtsfrieden, da parallele Prozesse und widersprüchliche Entscheidungen vermieden werden sollen.

Muss die Intervention den übrigen Parteien und dem Gericht angezeigt werden?

Ja, die Intervention ist ausdrücklich und formell sowohl dem Gericht als auch den übrigen Parteien des Verfahrens anzuzeigen. Dies erfolgt entweder direkt durch Einreichung der Interventionsschrift beim Gericht, die sodann regelmäßig den am Verfahren beteiligten Parteien zur Kenntnis gebracht wird, oder – insbesondere im schriftlichen Verfahren – durch Zustellung einer unterschriebenen Abschrift des Schriftsatzes. Die Anzeige dient der Transparenz und stellt sicher, dass alle Verfahrensbeteiligten von der Einmischung und den eventuell neuen Anträgen, Argumentationen oder Angriffen erfahren. Das Gericht prüft nach Zugang die Zulässigkeit des Eingreifens und trifft hierüber einen rechtsmittelfähigen Beschluss.