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International Financial Reporting Standards (IFRS)

International Financial Reporting Standards (IFRS): Begriff, Funktion und Rechtsnatur

Die International Financial Reporting Standards (IFRS) sind weltweit anerkannte Regeln für die Erstellung von Jahres- und Konzernabschlüssen. Sie dienen der transparenten, vergleichbaren und entscheidungsnützlichen Darstellung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage von Unternehmen. Rechtlich erhalten die IFRS ihre Wirkung nicht durch ein globales Gesetz, sondern durch Übernahme in nationales oder supranationales Recht, durch Kapitalmarktregeln sowie durch vertragliche oder satzungsmäßige Bezugnahmen.

Was sind IFRS?

IFRS sind prinzipienorientierte Rechnungslegungsstandards, die festlegen, wie Geschäftsvorfälle zu erfassen, zu bewerten, zu präsentieren und zu erläutern sind. Sie richten sich primär an kapitalmarktorientierte Unternehmen, werden jedoch in vielen Rechtsordnungen auch darüber hinaus angewendet. Ältere Standards tragen die Bezeichnung IAS; beide Gruppen gelten gleichrangig, sofern sie nicht ersetzt wurden. Auslegungsfragen werden durch offizielle Interpretationen ergänzt.

Zielsetzung und Grundprinzipien

Ziel der IFRS ist eine getreue, relevante, vergleichbare und verständliche Darstellung der finanziellen Verhältnisse. Zentrale Grundannahmen sind die Unternehmensfortführung und die periodengerechte Abgrenzung. Die Standards fördern eine neutrale Darstellung, die wirtschaftliche Gehalte vor rechtlichen Formen berücksichtigt. Häufig genutzt werden aktuelle Bewertungskonzepte wie beizulegende Zeitwerte neben historischen Anschaffungskosten, soweit dies erforderlich ist, um die Ziele der Berichterstattung zu erreichen.

Institutionen und Normsetzungsprozess

Herausgeber der IFRS ist das International Accounting Standards Board (IASB), getragen von der IFRS Foundation. Ein Interpretationsgremium konkretisiert Anwendungsfragen. Der Normsetzungsprozess umfasst öffentliche Konsultationen und Folgenabschätzungen. Rechtliche Verbindlichkeit entsteht, wenn Gesetzgeber, Aufsichtsbehörden oder Börsen die Anwendung vorschreiben oder zulassen.

Rechtlicher Geltungsbereich und Anwendung

Globale Verbreitung und nationale Übernahme

Die meisten bedeutenden Kapitalmärkte gestatten oder verlangen IFRS für kapitalmarktorientierte Unternehmen. Viele Staaten übernehmen IFRS ganz oder in angepasster Form. In einigen Rechtsräumen werden die Standards in ein formales Übernahmeverfahren eingebracht, in dem Inhalte geprüft und gegebenenfalls mit regionalen Anforderungen abgestimmt werden.

Kapitalmarktrechtliche Relevanz und Konzernabschlüsse

Kapitalmarktregeln verlangen häufig IFRS für Konzernabschlüsse börsennotierter Emittenten. Die IFRS sind darauf ausgelegt, die Lage einer Unternehmensgruppe als wirtschaftliche Einheit darzustellen. Ob und in welchem Umfang IFRS bei nicht börsennotierten Unternehmen oder in Einzelabschlüssen angewendet werden können oder müssen, hängt von den jeweiligen nationalen Vorschriften ab.

Verhältnis zu nationalen Rechnungslegungsvorschriften

IFRS regeln die externe Finanzberichterstattung. In vielen Staaten bestehen daneben eigenständige handels- oder steuerrechtliche Rechnungslegungssysteme. Diese können für Gewinnausschüttungen, Kapitalerhaltung, Gläubigerschutz oder steuerliche Zwecke maßgeblich bleiben, selbst wenn ein IFRS-Abschluss veröffentlicht wird. Häufig existieren Übergangs- oder Wahlrechte, um IFRS mit lokalen Vorgaben in Einklang zu bringen.

Aufbau der IFRS und Inhalte eines IFRS-Abschlusses

Standardtypen und Interpretationen

IFRS umfassen Rahmenkonzept, Standards und Interpretationen. Das Rahmenkonzept beschreibt Ziele und qualitative Merkmale der Berichterstattung. Einzelstandards behandeln spezielle Themen, etwa Erlöse, Finanzinstrumente, Leasing, Unternehmenszusammenschlüsse oder Rückstellungen. Interpretationen beantworten wiederkehrende Auslegungsfragen. Bei Regelungskonflikten ist die systematische Anwendung der einschlägigen Standards in Verbindung mit dem Rahmenkonzept vorgesehen.

Bestandteile des Abschlusses

Ein vollständiger IFRS-Abschluss umfasst üblicherweise: Bilanz, Gesamtergebnisrechnung, Kapitalflussrechnung, Eigenkapitalveränderungsrechnung sowie Anhangangaben. Der Anhang erläutert angewandte Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden, Ermessensentscheidungen, Schätzungsunsicherheiten und detaillierte Einzelangaben zu Bilanzposten und Risiken.

Bewertung und Ansatzgrundsätze

IFRS regeln, wann Vermögenswerte und Schulden zu erfassen sind, wie sie zu bewerten sind und wann Erträge und Aufwendungen entstehen. Neben Anschaffungskosten kommen aktuelle Werte zur Anwendung, wenn dies die Darstellung verbessert. Die Standards enthalten Anforderungen an Wertminderungen, Rückstellungen, latente Steuern, Konsolidierung, Hedge Accounting und weitere Spezialthemen. Ermessensentscheidungen sind nachvollziehbar offenzulegen.

Durchsetzung, Prüfung und Verantwortlichkeit

Prüfungspflicht und Prüfnachweis

IFRS-Abschlüsse kapitalmarktorientierter Unternehmen unterliegen regelmäßig einer unabhängigen Abschlussprüfung. Diese soll unterstützen, ob der Abschluss die IFRS ordnungsgemäß anwendet. Der Bestätigungsvermerk dient als Nachweis des Prüfungsurteils. Umfang und Form der Prüfung ergeben sich aus berufsrechtlichen und kapitalmarktrechtlichen Vorgaben des jeweiligen Rechtsraums.

Aufsicht und Sanktionen

Kapitalmarktaufsichten und spezialisierte Durchsetzungsstellen überprüfen veröffentlichte Abschlüsse auf Regelkonformität. Bei wesentlichen Verstößen kommen Korrekturen, erneute Veröffentlichungen oder weitere aufsichtsrechtliche Maßnahmen in Betracht. Zusätzlich können gesellschaftsrechtliche und zivilrechtliche Verantwortlichkeiten der Organmitglieder berührt sein.

Offenlegung und Berichterstattungspflichten

Anhangangaben und Transparenz

IFRS verlangen umfangreiche Angaben zu Risiken, Bewertungen, Methodenwechseln, Transaktionen mit nahestehenden Unternehmen oder Personen sowie zu Ereignissen nach dem Abschlussstichtag. Ziel ist es, Informationsasymmetrien zu verringern und Vergleichbarkeit zu fördern.

Segmentberichterstattung, verbundene Parteien, Ergebnis je Aktie

Für kapitalmarktorientierte Emittenten sind Angaben zu Geschäftssegmenten, zu Beziehungen und Transaktionen mit verbundenen Parteien sowie zur Ermittlung des Ergebnisses je Aktie vorgesehen, soweit die einschlägigen Voraussetzungen erfüllt sind. Diese Angaben unterstützen die Einschätzung von Chancen und Risiken.

Digitale Berichterstattung und Taxonomien

Viele Rechtsordnungen fordern eine digitale Auszeichnung IFRS-basierter Abschlüsse mittels strukturierter Datenformate und offizieller Taxonomien. Ziel ist eine maschinenlesbare, vergleichbare Berichterstattung im elektronischen Unternehmensregister oder gegenüber Kapitalmarktplattformen.

Spezielle Themen mit rechtlicher Relevanz

Erstanwendung und Umstellung

Bei erstmaliger Anwendung sind Vergleichsinformationen aufzubereiten und Brückenangaben zu leisten, um die Auswirkungen der Umstellung transparent zu machen. Übergangsvorschriften regeln, wie frühere Perioden anzupassen sind und welche Erleichterungen bestehen. Nationale Vorgaben können zusätzliche Form- und Fristerfordernisse enthalten.

Währung, Sprache und Berichtseinheit

IFRS erlauben die Darstellung in einer funktionalen und einer Darstellungswährung. Rechtliche Anforderungen können die verwendete Sprache, die zusätzliche Bereitstellung von Übersetzungen und die Einreichung in bestimmten Formaten vorgeben. Die Berichtseinheit (Einzel- oder Konzernabschluss) richtet sich nach den Konsolidierungs- und Einbeziehungspflichten.

Ausschüttung, Kapitalerhaltung und Steuerbezug

IFRS sind auf Informationszwecke ausgerichtet und nicht auf Ausschüttungsbemessung oder Steuererhebung. In vielen Staaten sind für Ausschüttungen und steuerliche Gewinnermittlung eigenständige nationale Regeln maßgeblich. Daher kann es zu Unterschieden zwischen IFRS-Ergebnis und ausschüttungs- oder steuerrechtlich relevantem Ergebnis kommen.

Grenzen, Entwicklungen und Ausblick

Prinzipienorientierung und Vergleichbarkeit

Die prinzipienorientierte Ausrichtung ermöglicht eine an den wirtschaftlichen Gegebenheiten orientierte Abbildung, erfordert jedoch nachvollziehbare Ermessensentscheidungen und umfassende Angaben. Dies kann Komplexität erhöhen, dient aber der aussagekräftigen Darstellung.

Nachhaltigkeitsstandards des ISSB

Die IFRS Foundation hat ein Gremium für nachhaltigkeitsbezogene Berichterstattung eingerichtet. Dessen Standards zielen auf entscheidungsrelevante Informationen zu Nachhaltigkeitsrisiken und -chancen. Die rechtliche Verbindlichkeit ergibt sich auch hier erst durch Übernahme in bestehende Regelwerke der jeweiligen Rechtsräume.

Häufig gestellte Fragen (IFRS)

Sind IFRS gesetzlich verbindlich?

IFRS sind als private Standards entwickelt. Verbindlichkeit erhalten sie, wenn staatliche oder supranationale Stellen ihre Anwendung vorschreiben oder zulassen, insbesondere für kapitalmarktorientierte Unternehmen. Ohne eine solche Übernahme haben sie keine unmittelbare Gesetzeskraft.

Wer entscheidet über die Anwendung von IFRS in einem Staat?

Die Entscheidung liegt bei nationalen Gesetzgebern, Aufsichtsbehörden und Börsenorganisationen. Häufig bestehen förmliche Übernahmeverfahren, in denen geprüft wird, ob und in welcher Form die IFRS im jeweiligen Rechtsraum gelten.

Gelten IFRS für Einzelabschlüsse oder nur für Konzernabschlüsse?

IFRS sind vorrangig für Konzernabschlüsse kapitalmarktorientierter Unternehmen vorgesehen. Ob sie zusätzlich für Einzelabschlüsse verpflichtend oder zulässig sind, variiert je nach nationaler Rechtsordnung.

Was bedeutet „IFRS wie in der EU übernommen“?

Damit ist die Fassung der IFRS gemeint, die nach einem regionalen Übernahmeverfahren gilt. Inhaltlich entspricht sie grundsätzlich den internationalen Standards, kann jedoch im Einzelfall von der globalen Fassung abweichen, sofern dies im Verfahren festgelegt wurde.

Wie werden IFRS durchgesetzt und welche Folgen hat ein Verstoß?

Veröffentlichte Abschlüsse werden von Aufsichtsstellen überwacht. Bei wesentlichen Abweichungen von IFRS kommen Korrekturen, erneute Veröffentlichungen und weitere Maßnahmen in Betracht. Zusätzlich können Verantwortungstatbestände der Unternehmensorgane berührt sein.

Dürfen IFRS mit nationalen Vorschriften kombiniert werden?

IFRS erwarten eine vollständige und widerspruchsfreie Anwendung. Nationale Vorschriften können ergänzend gelten, soweit sie die IFRS nicht konterkarieren oder durch spezifische gesetzliche Anforderungen neben die IFRS treten. Die konkrete Ausgestaltung richtet sich nach den Regelungen des jeweiligen Rechtsraums.

Unterscheiden sich IFRS rechtlich von US-GAAP?

Beide Systeme sind privat entwickelt und erhalten Verbindlichkeit erst durch Übernahme in nationale oder kapitalmarktrechtliche Vorschriften. Unterschiede bestehen in Ausgestaltung und Detailtiefe der Regeln sowie in den jeweiligen Übernahme- und Durchsetzungsmechanismen der betroffenen Rechtsräume.

Welchen Einfluss haben IFRS auf Ausschüttungen und Steuern?

IFRS dienen der externen Information. In vielen Staaten werden Ausschüttungen und Steuern auf Grundlage nationaler Regeln ermittelt. Deshalb können IFRS-Ergebnisse von den für Ausschüttung oder Besteuerung maßgeblichen Größen abweichen.