Definition und Entstehung der International Accounting Standards (IAS)
Die International Accounting Standards (IAS) sind internationale Rechnungslegungsstandards, die von der International Accounting Standards Committee (IASC) entwickelt wurden. Ziel der IAS ist es, weltweit vergleichbare und transparente Abschlüsse im Bereich der Rechnungslegung zu gewährleisten. Die Standards bilden die Grundlage für die Erstellung von Jahres- und Konzernabschlüssen und dienen dazu, eine weltweit einheitliche Finanzberichterstattung zu entwickeln. Seit 2001 erfolgt die Weiterentwicklung neuer Standards unter der Bezeichnung International Financial Reporting Standards (IFRS) durch das Nachfolgegremium International Accounting Standards Board (IASB); die bestehenden IAS gelten jedoch weiter, solange sie nicht durch IFRS ersetzt wurden.
Rechtlicher Rahmen der IAS
Internationale Grundlage
Die IAS sind keine internationalen Abkommen im völkerrechtlichen Sinne, sondern privat entwickelte Normen des IASC (bzw. des IASB). Ihre Geltung erlangen sie durch die Übernahme und Anerkennung in staatlichen oder supranationalen Rechtsordnungen.
Umsetzung in nationale Rechtssysteme
Die rechtliche Wirkungsweise der IAS unterscheidet sich je nach Land. In zahlreichen Staaten wurden die IAS bzw. IFRS im Rahmen der Rechnungslegung verpflichtend eingeführt oder zumindest anerkannt. Insbesondere in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union ist seit Inkrafttreten der IAS-Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 die Anwendung der IFRS, zu denen die fortbestehenden IAS gehören, für kapitalmarktorientierte Unternehmen bei der Erstellung der Konzernabschlüsse verbindlich.
Europäische Union
In der Europäischen Union sind gemäß der IAS-Verordnung sämtliche kapitalmarktorientierten Unternehmen verpflichtet, ihre Konzernabschlüsse nach den von der EU übernommenen IAS/IFRS aufzustellen. Die Umsetzung erfolgt dabei durch eine Übernahmeentscheidung der Europäischen Kommission, bei der die Standards auf ihre Vereinbarkeit mit dem Gemeinwohl der EU geprüft werden. Einzelabschlüsse sind hingegen regelmäßig weiterhin nach nationalen Vorschriften, z. B. den jeweiligen Handelsgesetzbüchern, zu erstellen; ein Wahlrecht besteht teilweise.
Deutschland
In Deutschland wurden die IAS/IFRS durch das Bilanzrechtsreformgesetz (BilReG) zunächst als Möglichkeit für börsennotierte Unternehmen eingeführt. Durch die europäische IAS-Verordnung ist jedoch seit 2005 die Anwendung für Konzernabschlüsse kapitalmarktorientierter Unternehmen verpflichtend vorgeschrieben. Die Weiteranwendung oder direkte Anwendung der IFRS im Einzelabschluss bleibt im deutschen Recht indes grundsätzlich ausgeschlossen, es sei denn, nationales Recht eröffnet entsprechende Wahlrechte.
Anerkennung und Anwendung außerhalb der EU
Auch außerhalb Europas, etwa in Australien, Russland, Südafrika und weiteren Ländern, fanden die IAS/IFRS Einzug in die nationalen Rechnungslegungsvorschriften. Die jeweiligen Gesetze oder Regelungen legen dabei fest, inwiefern die internationalen Normen verpflichtend oder fakultativ anzuwenden sind.
Inhalt und Systematik der IAS
Aufbau der Standards
Die einzelnen IAS sind nach einem einheitlichen Aufbau gegliedert. Sie enthalten
- Ziele und Anwendungsbereich,
- Definitionen zentraler Begriffe,
- Grundsätze der Bilanzierung und Bewertung,
- Ausweis- und Anhangsvorschriften,
- Regelungen zu Übergangsvorschriften und
- Angaben zur erstmaligen Anwendung und zum Inkrafttreten.
Wichtige IAS-Standards
Zu den bedeutendsten IAS-Standards zählen unter anderem:
- IAS 1: Darstellung des Abschlusses (allgemeine Grundsätze)
- IAS 2: Vorräte (Bewertungs- und Ausweisvorschriften)
- IAS 7: Kapitalflussrechnungen
- IAS 8: Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden, Fehlerkorrekturen
- IAS 10: Ereignisse nach dem Bilanzstichtag
- IAS 12: Ertragssteuern
- IAS 16: Sachanlagen
- IAS 17: Leasingverhältnisse (mittlerweile ersetzt durch IFRS 16, aber historisch von Bedeutung)
- IAS 18: Umsatzerlöse (mittlerweile ersetzt durch IFRS 15)
- IAS 19: Leistungen an Arbeitnehmer
- IAS 32 und 39: Finanzinstrumente (bewertet heute vorrangig durch IFRS 9 ersetzt)
- IAS 36: Wertminderungen von Vermögenswerten
Rechtliche Bindungswirkung und Normenhierarchie
Verhältnis zu nationalem Recht
Die Bindungswirkung der IAS im jeweiligen Land ergibt sich ausschließlich durch die Implementierung in nationales Recht oder durch europäische Vorgaben. Ohne entsprechende Regelungen im jeweiligen Staat entfallen unmittelbare Pflichten, wobei die Standards jedoch als Auslegungshilfe und internationale Vergleichsgröße auch dann von Bedeutung sein können.
Vorrangig gegenüber nationalen Vorschriften
In Ländern, in denen die Anwendung der IAS/IFRS verpflichtend ist (insbesondere für kapitalmarktorientierte Unternehmen in der EU), haben diese internationalen Standards Vorrang gegenüber den nationalen Rechnungslegungsnormen im Anwendungsbereich. Nationale Abweichungen sind insoweit nicht zulässig, um die vergleichbare Anwendung der internationalen Normen zu gewährleisten.
Wechselwirkungen mit anderen internationalen Rechnungslegungsstandards
Die IAS/IFRS stehen auch im Wettbewerb und Wechselspiel zu anderen internationalen Rechnungslegungsnormen, etwa den US-GAAP (United States Generally Accepted Accounting Principles). Die gegenseitige Anerkennung und Konvergenz dieser Normensysteme ist Gegenstand fortlaufender Abstimmungen und Entwicklungen.
Bedeutung der IAS im internationalen Wirtschaftsrecht
Zielsetzung und Vorteile
Die International Accounting Standards tragen zu einer erhöhten Transparenz, Vergleichbarkeit und Glaubwürdigkeit von Jahres- und Konzernabschlüssen auf internationaler Ebene bei. Insbesondere für global agierende Unternehmen, Investoren und Kreditgeber ist die einheitliche Anwendung internationaler Standards von großer Bedeutung, um Investitionsentscheidungen fundiert treffen zu können.
Herausforderungen und Kritik
Zu den Herausforderungen zählen insbesondere die teils aufwendige Implementierung und laufende Anpassung der Standards infolge regelmäßiger Überarbeitungen. Die Angleichung der nationalen Rechtssysteme an die internationalen Rechnungslegungsvorschriften stößt teils auf Widerstände und bedarf intensiver Abstimmungsprozesse. Des Weiteren bestehen rechtsvergleichende Fragestellungen bezüglich des Zusammenspiels der IAS mit steuerlichen und gesellschaftsrechtlichen Vorschriften.
Übersicht der wichtigsten Rechtsquellen und Institutionen
- IASB (International Accounting Standards Board): Herausgeber und Normensetzer der IFRS, für die Fortentwicklung und Überarbeitung der IAS verantwortlich.
- Europäische Union (EU): Implementierung der internationalen Standards durch die IAS-Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 und Übernahmeentscheidungen.
- Nationale Gesetzgeber: Umsetzung und Ausgestaltung der Anwendungsbereiche nach nationalem Bilanzrecht.
Fazit
Die International Accounting Standards (IAS) bilden einen gesetzlich anerkannten Rahmen für die internationale Rechnungslegung und sind ein wesentliches Instrument zur Förderung der Transparenz und Vergleichbarkeit von Unternehmensabschlüssen. Ihre rechtliche Bedeutung reicht von der Maßgeblichkeit für börsennotierte Unternehmen bis zur Richtlinie für den Rechnungslegungsstandard im internationalen Kontext. Die fortlaufende Entwicklung und Anpassung der Standards unterstreicht die Rolle der IAS als dynamisches und zentrales Element des internationalen Wirtschafts- und Bilanzrechts.
Häufig gestellte Fragen
Wie ist die rechtliche Verbindlichkeit der International Accounting Standards (IAS) innerhalb der Europäischen Union geregelt?
Die rechtliche Verbindlichkeit der IAS in der Europäischen Union (EU) ergibt sich aus der sogenannten IAS-Verordnung (Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Juli 2002). Diese verpflichtet kapitalmarktorientierte Unternehmen innerhalb der EU, ihre Konzernabschlüsse ab dem Geschäftsjahr 2005 nach den von der EU übernommenen und veröffentlichten internationalen Rechnungslegungsstandards (International Financial Reporting Standards, IFRS, einschließlich der früheren IAS) zu erstellen. Die Übernahme der IAS/IFRS erfolgt dabei durch ein spezielles Verfahren, bei dem die Standards zunächst vom International Accounting Standards Board (IASB) veröffentlicht und anschließend von der EU-Kommission nach einem vorgeschalteten EU-Endorsement-Prozess übernommen werden müssen. Für Einzelabschlüsse und nicht kapitalmarktorientierte Unternehmen bleibt die Anwendung den Mitgliedstaaten vorbehalten, d.h. diese können selbst entscheiden, ob und wie diese Standards national verpflichtend oder zulässig sind. Die Übernahme der IAS/IFRS durch das EU-Recht begründet somit eine unmittelbare Pflicht zur Anwendung für die genannten Unternehmen auf Grundlage des europäischen Sekundärrechts.
Wie verhält sich das nationale Recht zu den IAS in Deutschland?
In Deutschland hat die Einführung der IAS durch die IAS-Verordnung direkte Auswirkungen auf das nationale Recht, insbesondere das Handelsgesetzbuch (HGB). Für kapitalmarktorientierte Mutterunternehmen besteht eine gesetzliche Pflicht zur Erstellung des Konzernabschlusses nach den EU-IFRS (§ 315e Abs. 1 HGB). Einzelabschlüsse dürfen jedoch grundsätzlich weiterhin nach den Vorschriften des HGB erstellt werden. Die Vorschriften des HGB finden auf nach IAS/IFRS erstellte Abschlüsse dagegen keine Anwendung, insoweit entfaltet das internationale Recht Anwendungsvorrang. Allerdings bleiben nationale Regelungen, etwa für die Ausschüttungsbemessung und steuerliche Zwecke, weiterhin relevant, weshalb in der Regel zusätzliche HGB-Abschlüsse erforderlich sind. Somit ersetzt die Anwendung der IAS/IFRS nicht vollständig das nationale Recht, sondern wirkt im Rahmen des durch die EU-Verordnung vorgegebenen Anwendungsbereichs.
Welche rechtlichen Konsequenzen können sich aus der Nichtanwendung oder fehlerhaften Anwendung der IAS ergeben?
Eine Nichtanwendung oder fehlerhafte Anwendung der IAS/IFRS kann für Unternehmen erhebliche rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Zum einen drohen aufsichtsrechtliche Maßnahmen durch nationale Behörden (z.B. Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht – BaFin in Deutschland), einschließlich der Anordnung zur Korrektur des Abschlusses und ggf. Bußgelder. Zum anderen kann die fehlerhafte Anwendung Auswirkungen auf die Zulassung zum Kapitalmarkt bzw. den Börsenhandel haben, da die Einhaltung der Rechnungslegungsvorschriften Voraussetzung für die Börsenzulassung ist. Außerdem besteht eine zivilrechtliche Haftung, beispielsweise Schadensersatzansprüche seitens Investoren oder Gläubigern, falls diese durch fehlerhafte Finanzberichterstattung geschädigt wurden. Auch strafrechtliche Tatbestände, wie Bilanzfälschung gemäß § 331 HGB oder § 400 AktG, können erfüllt sein.
Wie werden Änderungen und neue IAS/IFRS rechtlich verbindlich eingeführt?
Änderungen an bestehenden IAS/IFRS oder die Einführung neuer Standards werden zunächst vom International Accounting Standards Board (IASB) beschlossen und veröffentlicht. Für eine rechtliche Verbindlichkeit in EU-Mitgliedstaaten bedarf es danach einer Übernahme (Endorsement) durch die Europäische Kommission. Der EU-Endorsement-Prozess beinhaltet eine Prüfung durch das European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG), eine Stellungnahme der EU-Mitgliedstaaten im Accounting Regulatory Committee (ARC) sowie die formale Annahme durch die Kommission und Veröffentlichung im Amtsblatt der EU. Erst nach Abschluss dieses Prozesses sind neue oder geänderte Standards innerhalb der EU verbindlich anwendbar. Ansonsten besteht in Einzelfällen die Möglichkeit, die Anwendung zu verschieben oder Standards nicht zu übernehmen (sogenannter „Carve-Out“).
Welche Bedeutung haben Interpretationen der IAS/IFRS (IFRIC/SIC) im rechtlichen Kontext?
Interpretationen der IAS/IFRS, herausgegeben durch das IFRS Interpretations Committee (IFRIC) bzw. zuvor das Standing Interpretations Committee (SIC), dienen der Klärung spezifischer Fragen zur Anwendung der Standards und sind integraler Bestandteil des IFRS-Regelwerks. Im europäischen Rechtsrahmen sind auch diese Interpretationen dem Endorsement-Prozess unterworfen, d.h. sie entfalten rechtliche Verbindlichkeit, sofern sie von der EU übernommen und im Amtsblatt veröffentlicht worden sind. Unternehmen sind nach den übernommenen IFRIC/SIC-Interpretationen ebenso wie nach den eigentlichen Standards zur Anwendung verpflichtet. Sie tragen damit zur einheitlichen und rechtssicheren Rechnungslegung bei.
Wie ist die Rechtskontrolle der Abschlüsse nach IAS/IFRS organisiert?
Abschlüsse, die nach IAS/IFRS erstellt werden, unterliegen einer Vielzahl von Kontrollen. Neben der jährlichen Prüfung durch externe Abschlussprüfer, die die Einhaltung der Standards bestätigen müssen, gibt es in Deutschland darüber hinaus eine besondere Kontrolle durch den Prüfungsmechanismus der Deutschen Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR, bis 2021, danach Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht – BaFin). Zudem können Kapitalmarktaufsichtsbehörden in allen EU-Mitgliedstaaten eine Überprüfung der Einhaltung der Rechnungslegungsvorschriften vornehmen. Zweck dieser Kontrollen ist die Sicherstellung der ordnungsgemäßen und rechtmäßigen Anwendung der IAS/IFRS und des Anlegerschutzes auf den Finanzmärkten.
Wie wirken sich die IAS/IFRS auf das Steuerrecht aus?
Im deutschen Steuerrecht besteht grundsätzlich das Maßgeblichkeitsprinzip, wonach die Handelsbilanzgrundsätze auf die Steuerbilanz übertragbar sind. Die IAS/IFRS gelten jedoch explizit nicht als Grundlage für die Steuerbilanz, da sie ihrem Zweck nach vorrangig der Informationsvermittlung für Investoren dienen und weniger auf steuerliche Gewinnermittlung ausgerichtet sind (§ 5 Abs. 1 Satz 1 EStG). Daher bleibt für steuerliche Zwecke stets eine eigenständige Handelsbilanz nach HGB erforderlich. Nur diese Bilanz ist für die Besteuerung maßgeblich, sodass aus der Anwendung von IAS/IFRS keine unmittelbaren steuerlichen Konsequenzen resultieren.