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Interimsschein

Begriff und Funktion des Interimsscheins

Ein Interimsschein ist eine vorläufige Urkunde, die den Anspruch auf Ausgabe eines endgültigen Wertpapiers oder auf Zuteilung einer bestimmten Beteiligung verbrieft. Er wird eingesetzt, wenn zwischen Zeichnung bzw. Erwerb und der endgültigen Ausgabe oder Eintragung eine zeitliche Lücke besteht. Der Interimsschein dient in dieser Zwischenphase als Nachweis und kann – je nach Ausgestaltung – übertragbar und handelbar sein.

Einordnung und Zweck

Der Interimsschein erfüllt zwei Hauptfunktionen: Er dokumentiert, dass der Inhaber eine feststehende Rechtsposition erworben hat (zum Beispiel das Recht auf bestimmte Aktien oder Anleihen), und er ermöglicht die Teilnahme an vorgesehenen Abläufen, bis die endgültige Urkunde vorliegt. In modernen Verwahr- und Abwicklungssystemen kann der Interimsschein auch als rein buchmäßige Depotposition geführt werden, ohne dass eine physische Urkunde existiert.

Abgrenzung zu verwandten Urkunden

Der Begriff wird häufig neben „Zwischenschein“ oder „vorläufige Urkunde“ verwendet; in der Praxis werden diese Bezeichnungen teilweise synonym gebraucht. Davon zu unterscheiden ist die Globalurkunde, die eine Gesamtheit von Rechten (etwa alle ausgegebenen Stücke einer Serie) in einer Sammelurkunde zusammenfasst. Ein Interimsschein kann sowohl als Einzelurkunde als auch in Form einer global verwahrten Position auftreten, die später in die endgültige Global- oder Einzelurkunde überführt wird.

Entstehung und Ausgabe

Typische Anlässe

Interimsscheine werden insbesondere in folgenden Situationen verwendet:

  • Kapitalerhöhungen bei Aktiengesellschaften, wenn Eintragung und endgültige Ausgabe der neuen Aktien noch ausstehen.
  • Erst- oder Folgeemissionen von Schuldverschreibungen, wenn die endgültigen Stücke noch nicht bereitstehen.
  • Strukturmaßnahmen wie Fusionen, Abspaltungen oder Scrip-Dividenden, bei denen ein Umtausch oder eine Zuteilung zeitlich gestreckt erfolgt.
  • Ausgabe von Investmentanteilen, wenn die endgültige Verbriefung oder Registereintragung verzögert ist.

Form und Ausgestaltung

Interimsscheine können sehr unterschiedlich gestaltet sein:

  • Inhaberscheine oder Namensscheine (Übertragbarkeit und Legitimation unterscheiden sich entsprechend der gewählten Form).
  • Physische Einzelurkunde, global verbriefte Sammelurkunde oder rein elektronische buchmäßige Position.
  • Mit oder ohne eigene Kennnummer (zum Beispiel eine separate Wertpapierkennnummer/ISIN für die Zwischenphase).

Der konkrete Inhalt regelt, welches endgültige Recht der Interimsschein repräsentiert, unter welchen Bedingungen der Umtausch erfolgt und welche Übergangsrechte bestehen.

Rechte und Pflichten aus dem Interimsschein

Anspruch auf endgültiges Wertpapier

Kernrecht des Inhabers ist der Anspruch auf Lieferung der endgültigen Urkunde oder Zuteilung der endgültigen Position, sobald die vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt sind (etwa Abschluss des Eintragungs- oder Ausgabeprozesses). Der Emittent ist verpflichtet, nach Eintritt der Bedingungen die Wandlung oder Zuteilung vorzunehmen.

Vermögens- und Mitgliedschaftsrechte während der Zwischenphase

Welche Rechte während der Zwischenphase bestehen, ergibt sich aus den Emissionsbedingungen und der Art des zugrunde liegenden Rechts:

  • Aktienbezogene Interimsscheine: Vermögensrechte (z. B. Dividendenberechtigung ab einem bestimmten Stichtag) können bereits zugeordnet sein; Stimmrechte entstehen regelmäßig erst mit Entstehung der endgültigen Aktienposition.
  • Anleihebezogene Interimsscheine: Zinsläufe können bereits beginnen; Zinsansprüche knüpfen an die Bedingungen der Emission an.
  • Corporate-Action-Ansprüche (z. B. Bezugsrechte) können separat zugeteilt oder in der Zwischenposition berücksichtigt werden.

Informations- und Mitwirkungspflichten des Emittenten

Der Emittent hat die Pflicht, die Inhaber über den Stand der Emission, die vorgesehenen Umtauschtermine und etwaige Änderungen der Bedingungen sachgerecht zu informieren. Er hat die technische Abwicklung der Wandlung sicherzustellen und die hierfür notwendigen Erklärungen und Bekanntmachungen vorzunehmen.

Übertragung und Handel

Übertragbarkeit und Verkehrsfähigkeit

Interimsscheine sind – entsprechend ihrer Ausgestaltung – übertragbar. Inhaber-Interimsscheine werden typischerweise durch Einigung und Übergabe übertragen; Namens-Interimsscheine erfordern zusätzlich Eintragungen bzw. Indossamente. In der elektronischen Verwahrung erfolgt die Übertragung durch Depotbuchung im Abwicklungssystem.

Börslicher und außerbörslicher Handel

Interimsscheine können als eigene Handelslinie geführt werden. In diesem Fall erhalten sie häufig eine eigenständige Kennnummer und werden bis zur Wandlung separat notiert. Die Abwicklung erfolgt über zentrale Verwahrstellen und Clearingsysteme; mit der Umstellung werden die Zwischenpositionen in die endgültigen Bestände umgebucht. Außerbörsliche Übertragungen sind je nach Bedingungen ebenfalls möglich.

Umtausch und Erledigung

Verfahren der Wandlung in die endgültige Urkunde

Die Wandlung erfolgt, sobald die vertraglich vorgesehenen oder organisatorisch notwendigen Voraussetzungen erfüllt sind (zum Beispiel Abschluss der Eintragung, Fertigstellung der endgültigen Verbriefung oder Freigabe durch die Verwahrstelle). In der Praxis wird die Zwischenposition aus dem Depot ausgebucht und durch das endgültige Wertpapier ersetzt. Bei physischen Urkunden kann ein Austauschverfahren mit Einreichung der Interimsscheine vorgesehen sein.

Corporate Actions während der Zwischenzeit

Während der Zwischenphase können Ereignisse wie Dividendenzahlungen, Zinszahlungen, Bezugsrechtsgewährungen oder Splits stattfinden. Diese werden entsprechend den Bedingungen entweder direkt auf die Interimsscheine angewendet oder durch gesonderte Ansprüche abgebildet. Mit der Wandlung gehen die zugeordneten Rechte auf die endgültige Position über.

Risiken und Besonderheiten

Emissions- und Registrierungsrisiken

Risiken können entstehen, wenn sich Eintragungen, Freigaben oder technische Prozesse verzögern oder scheitern. In solchen Fällen ist maßgeblich, welche Folgen in den Bedingungen vorgesehen sind, insbesondere hinsichtlich Rückabwicklung, Zuteilung oder zeitlicher Verschiebung von Rechten.

Verwahr- und Abwicklungsrisiken

In der Verwahrungspraxis bestehen Abhängigkeiten von Clearingsystemen, Zahlstellen und Registerführern. Fehler in der Zuordnung oder im Umtauschprozess können Nacharbeiten erfordern. Die ordnungsgemäße Identifikation der Zwischenposition (Kennnummer, Stückzahl, Rechteumfang) ist für eine reibungslose Abwicklung wesentlich.

Steuerliche Einordnung in der Übergangsphase

Die steuerliche Behandlung richtet sich nach der Art des zugrunde liegenden Rechts und dem Zeitpunkt des Zuflusses von Erträgen. Zwischenpositionen können Erträge generieren oder Bezugsrechte vermitteln, die steuerlich zu erfassen sind. Maßgeblich ist die endgültige Qualifikation des Wertpapiers, in das der Interimsschein übergeht.

Verlust, Beschädigung und Ersatz

Sperre, Nachweis und Ersatzausstellung

Bei Verlust oder Beschädigung physischer Interimsscheine kommen Sperr-, Nachweis- und Ersatzausstellungsverfahren in Betracht. Üblich sind Identitäts- und Berechtigungsprüfungen sowie Sicherungen gegen Doppelgutschrift. In buchmäßigen Systemen wird durch Depotnachweise und interne Sperren gearbeitet; die Wiederherstellung erfolgt über systemseitige Zuteilungsprozesse.

Internationaler Kontext und Digitalisierung

Dematerialisierte Zwischenpositionen

International werden Interimsscheine häufig nicht mehr als Papier, sondern als elektronische Zwischenpositionen geführt. Die Rechte ergeben sich aus den Emissionsbedingungen und den Regeln der jeweiligen Verwahr- und Registersysteme. Die Digitalisierung hat den physischen Austauschprozess weitgehend durch automatische Um- und Zubuchungen ersetzt, wodurch der Interimsschein regelmäßig als technisch-organisatorische Brücke bis zur endgültigen Zuteilung dient.

Häufig gestellte Fragen

Wozu dient ein Interimsschein rechtlich?

Er dient als vorläufige Verbriefung eines Anspruchs auf ein endgültiges Wertpapier oder eine Beteiligung und überbrückt die Zeit bis zur vollständigen Ausgabe oder Eintragung. Er begründet eine gesicherte Rechtsposition des Inhabers gegenüber dem Emittenten.

Vermittelt ein Interimsschein bereits Stimmrechte?

Stimmrechte entstehen in der Regel erst mit dem Entstehen der endgültigen Aktienposition. In der Zwischenzeit können vermögensbezogene Rechte vorgesehen sein, während mitgliedschaftliche Rechte typischerweise erst nach Wandlung bestehen.

Kann ein Interimsschein gehandelt werden?

Ja, sofern er entsprechend ausgestaltet ist. In der Praxis existieren häufig eigene Handelslinien für die Zwischenphase. Ob und wie erhandelbar ist, ergibt sich aus den Emissions- und Handelsbedingungen.

Wie erfolgt der Umtausch in das endgültige Wertpapier?

Nach Eintritt der vorgesehenen Voraussetzungen wird die Zwischenposition ausgebucht und die endgültige Position eingebucht. Bei physischen Urkunden kann ein Austausch gegen Einreichung des Interimsscheins verlangt werden; bei elektronischer Verwahrung erfolgt der Vorgang automatisiert.

Welche Risiken bestehen bei Interimsscheinen?

Risiken betreffen vor allem Verzögerungen oder Störungen im Eintragungs- und Abwicklungsprozess. Auswirkungen und Abhilfemechanismen richten sich nach den festgelegten Bedingungen der Emission und den Abläufen der Verwahr- und Registerführung.

Entstehen während der Zwischenphase Dividenden- oder Zinsansprüche?

Das hängt von der Art des zugrunde liegenden Instruments und den Bedingungen ab. Bei Anleihen können Zinsläufe bereits beginnen; bei Aktien kann eine Dividendenberechtigung ab einem bestimmten Stichtag vorgesehen sein.

Wie wird ein verlorener Interimsschein ersetzt?

Bei physischen Scheinen kommen Sperr- und Ersatzausstellungsverfahren in Betracht, die Identitäts- und Berechtigungsprüfungen einschließen. In elektronischen Systemen erfolgt die Legitimation über Depotnachweise; die Wiederherstellung geschieht durch systemseitige Zuteilung der Zwischen- oder Endposition.