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Interesse (positives, negatives)


Begriff „Interesse“ im rechtlichen Kontext (positives und negatives Interesse)

Definition und grundsätzliche Bedeutung

Im rechtlichen Kontext bezeichnet der Begriff „Interesse“ bestimmte, durch das Recht geschützte Vermögenslagen oder immaterielle Rechtspositionen, welche einer natürlichen oder juristischen Person zustehen. Wesentliche praktische Bedeutung hat das sogenannte positive und negative Interesse insbesondere im Zivilrecht, wo es regelmäßig bei Schadensersatzansprüchen nach Pflichtverletzungen, bei Rückabwicklung von Verträgen oder bei Anfechtungen eine Rolle spielt.

Unterschieden wird zwischen dem positiven Interesse (Erfüllungsinteresse oder Vertragserfüllungsschaden) und dem negativen Interesse (Vertrauensinteresse oder Vertrauensschaden). Beide Begriffe dienen zur Bezifferung von Ersatzansprüchen bei Vertragsverletzungen.


Positives Interesse (Erfüllungsinteresse)

Definition

Das positive Interesse beschreibt den Zustand, in dem der Geschädigte so gestellt wird, als wäre der Vertrag ordnungsgemäß erfüllt worden. Der der Ersatzpflicht zugrunde liegende Schaden entspricht also dem Wert, den der Gläubiger im Falle der ordnungsgemäßen Vertragserfüllung erlangt hätte.

Rechtliche Anwendungsbereiche

1. Schadensersatzansprüche bei Leistungsstörungen

Das positive Interesse ist regelmäßig maßgeblich bei Ansprüchen aus §§ 280, 281 BGB (Schadensersatz statt der Leistung), bei Verzug (§§ 280, 286 BGB) und Unmöglichkeit (§§ 283, 311a Abs. 2 BGB). Hier wird der Gläubiger so gestellt, wie er stünde, wenn der Vertrag ordnungsgemäß erfüllt hätte werden können.

2. Rückabwicklungen und Bereicherungsrecht

Auch im Bereicherungsrecht (§§ 812 ff. BGB) und bei Rückabwicklung von unwirksamen Verträgen kann nach Wahl des Geschädigten das positive Interesse zum Maßstab genommen werden, insbesondere in Fällen des durch die Leistung entstandenen Vertrauens auf das Zustandekommen und auf die Erfüllung des Vertrages.

3. Beispiele und praktische Fälle

  • Beispiel 1: Ein Käufer schließt mit einem Verkäufer einen Kaufvertrag über eine Ware. Der Verkäufer liefert vertragswidrig nicht, obwohl die Lieferung möglich wäre. Der Schadensersatz bemisst sich nach dem Preis, zu dem der Käufer die Sache anderweitig erwerben müsste (Deckungskauf) und weiteren Folgeschäden.
  • Beispiel 2: Ein Werkvertrag wird treuwidrig nicht erfüllt, der Besteller lässt das Werk von einem anderen Unternehmen ausführen. Die Mehrkosten fallen unter das positive Interesse.

Negatives Interesse (Vertrauensinteresse)

Definition

Das negative Interesse umfasst den Ersatz des Vertrauensschadens, den der Geschädigte erlitten hat, weil er auf die Wirksamkeit oder das Bestehen eines Vertrages bzw. einer Zusage vertraut hat. Sein Vermögen soll so gestellt werden, wie es stünde, wenn er von der Unwirksamkeit oder Nichteinhaltung des Rechtsgeschäfts oder einer Willenserklärung gewusst hätte.

Rechtliche Anwendungsbereiche

1. Anfechtung und Schadensersatz

Das negative Interesse ist besonders relevant bei Schadensersatzansprüchen aus culpa in contrahendo (§§ 311 Abs. 2, 241 Abs. 2, 280 BGB) und bei Anfechtung nach §§ 119 ff., 122 BGB. Bei Wirksamkeit einer Anfechtung hat der Anfechtende dem Anfechtungsgegner grundsätzlich das negative Interesse zu ersetzen (§ 122 Abs. 1 BGB).

2. Vorvertragliche Schuldverhältnisse

Im Rahmen vorvertraglicher Schuldverhältnisse (z. B. bei Vertragsverhandlungen, Abbruch von Vertragsgesprächen ohne triftigen Grund), kann ein Anspruch auf Ersatz des negativen Interesses bestehen.

3. Beispiele und praktische Fälle

  • Beispiel 1: Ein Angebot wird infolge Anfechtung nicht wirksam. Der Empfänger des Angebots, der bereits Aufwendungen im Vertrauen auf den Vertrag getätigt hat, kann diese (bis zur Höhe des positiven Interesses) ersetzt verlangen, jedoch keinen Gewinn.
  • Beispiel 2: Jemand bestellt Waren in dem Glauben, dass ein Kaufvertrag wirksam geschlossen wurde. Zeigt sich später die Unwirksamkeit des Vertrages, so werden dem Bestellenden die im Vertrauen auf das Bestehen des Vertrages gemachten Aufwendungen ersetzt.

Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen positivem und negativem Interesse

Ziel der beiden Schadenstypen

  • Das positive Interesse zielt auf die Durchsetzung des wirtschaftlichen Status, der durch Vertragserfüllung entstanden wäre.
  • Das negative Interesse kompensiert die enttäuschte Erwartung, der Vertrag werde wirksam oder Bestand haben.

Begrenzung des Erstattungsumfangs

Im Rahmen der §§ 122, 311, 241 BGB ist der Schadensersatz auf das negative Interesse beschränkt. Übersteigt der Vertrauensschaden den Erfüllungsschaden, ist nach § 122 Abs. 1 BGB der Ersatzanspruch auf die Differenz zum positiven Interesse begrenzt. Eine Überkompensation (Erlangung des unverdienten Gewinns) wird so verhindert.


Bedeutung in anderen Rechtsgebieten

Verwaltungsrecht

Im Verwaltungsrecht finden sich ähnliche Überlegungen bei Amts- oder Behördenhaftung, insbesondere bei Schadensersatz wegen rechtswidriger Verwaltungshandlungen und dem daraus resultierenden Vertrauensschaden.

Europäisches und internationales Privatrecht

Im internationalen Schuldrecht und dem UN-Kaufrecht (CISG) wird überwiegend das positive Interesse als Maßstab für den Schadensersatz verwendet, wobei das negative Interesse im Einzelfall Berücksichtigung finden kann, insbesondere bei culpa in contrahendo oder Vertragsaufhebung.


Bedeutung für die Praxis und Abgrenzung zu weiteren Schadenspositionen

In der rechtlichen Praxis ist eine exakte Abgrenzung und Anwendung der beiden Interessen unerlässlich für die korrekte Berechnung von Schadensersatzansprüchen. Maßgeblich ist stets, welcher Schaden durch das schädigende Ereignis entstanden ist und welchem Interesse der Geschädigte im konkreten Fall rechtlich vertrauen durfte. Die Differenzierung trägt maßgeblich zur Vermeidung von Überkompensation und doppelter Vorteilsziehung bei.


Zusammenfassung

Das positive und negative Interesse sind grundlegende Rechtsbegriffe, die im Rahmen der Schadensberechnung zum Einsatz kommen. Während das positive Interesse die rechtliche Stellung nach hypothetischer Vertragserfüllung abbildet, erfasst das negative Interesse den Schaden aus dem enttäuschten Vertrauen auf das Zustandekommen oder Bestehen eines Rechtsverhältnisses. Die genaue Differenzierung ist wesentlich für die Geltendmachung und Durchsetzung von Ansprüchen auf Schadensersatz und Rückabwicklung in zahlreichen zivilrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Konstellationen.

Häufig gestellte Fragen

Wann entsteht ein gesetzlicher Zinsanspruch bei Geldforderungen?

Ein gesetzlicher Zinsanspruch im Zusammenhang mit Geldforderungen entsteht gemäß § 288 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) regelmäßig dann, wenn sich der Schuldner mit der Zahlung in Verzug befindet. Das bedeutet, dass der Gläubiger nach Eintritt des Verzuges berechtigt ist, Verzugszinsen vom Schuldner zu verlangen. Die Höhe des Verzugszinses ist dabei gesetzlich geregelt und unterscheidet sich je nachdem, ob ein Verbraucher oder ein Unternehmer involviert ist. Zwischen Unternehmern beträgt der Verzugszins neun Prozentpunkte über dem Basiszinssatz, gegenüber Verbrauchern fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz. Wichtig ist außerdem zu beachten, dass bestimmte Verträge, wie Kreditverträge, abweichende Zinssätze enthalten können, die vorrangig gelten. Auch besteht im deutschen Recht die Verpflichtung, Verzugszinsen von Gesetzes wegen zu zahlen, sobald die gesetzlichen Voraussetzungen ohne weitere Mahnung erfüllt sind, insbesondere wenn ein kalendermäßig bestimmtes Zahlungsziel überschritten ist.

Unter welchen Voraussetzungen kann ein vertraglicher Zinssatz sittenwidrig sein?

Ein vertraglich vereinbarter Zinssatz kann sittenwidrig und damit gemäß § 138 BGB nichtig sein, wenn ein auffälliges Missverhältnis zwischen der vertraglich geschuldeten Gegenleistung (Zinsen) und der üblichen Marktvergütung besteht. Dies ist insbesondere der Fall, wenn sogenannte Wucherzinsen vereinbart werden, bei denen der Zinssatz das marktübliche Niveau erheblich übersteigt und eine Ausnutzung einer Zwangslage, Unerfahrenheit, erhebliche Willensschwäche oder ein Mangel an Urteilsvermögen des Vertragspartners durch den Gläubiger vorliegt. In der Rechtsprechung wird von Sittenwidrigkeit oftmals ausgegangen, wenn die vereinbarten Zinsen den marktüblichen Satz um mehr als das Doppelte überschreiten oder einen absolut festgelegten Schwellenwert (etwa 12 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz) übersteigen, wobei stets die konkreten Umstände des Einzelfalls zu prüfen sind.

Besteht bei Rückabwicklung von Verträgen ein Anspruch auf Verzinsung gezahlter Beträge?

Ja, im Rahmen der Rückabwicklung von Verträgen, etwa nach Rücktritt oder Anfechtung, entsteht ein Anspruch auf Verzinsung gezahlter Beträge unter bestimmten Voraussetzungen. Nach § 346 Abs. 1 und 2 BGB sind die empfangenen Leistungen zurückzugewähren und herauszugeben, einschließlich der gezogenen Nutzungen. Wurde beispielsweise ein Kaufpreis bereits gezahlt, steht dem Rückgewährschuldner für den Zeitraum der Überlassung in der Regel ein Anspruch auf Nutzungsersatz, der häufig in Form von Verzugszinsen (§ 291 BGB) oder tatsächlich gezogener Nutzungen konkretisiert wird, zu. Der Anspruch auf Verzinsung beginnt regelmäßig ab dem Zeitpunkt, ab dem der Rückgewähranspruch fällig und der Schuldner durch Mahnung oder Klageerhebung in Verzug gesetzt wurde; bei Bereicherung (§ 818 Abs. 1 BGB) gilt Ähnliches. Für die Höhe ist die gesetzliche Verzugszinspauschale maßgeblich, sofern keine andere Vereinbarung getroffen wurde.

Wie werden negative Zinsen rechtlich behandelt?

Negative Zinsen (oft als „Verwahrentgelt“ bezeichnet) stellen aus rechtlicher Sicht eine Besonderheit dar, da sie faktisch keine Zinsen im klassischen Sinne – nämlich als Entgelt für Gebrauch von Kapital – sind, sondern Gebühren für die Verwahrung von Guthaben. Nach deutschem Recht ist zu prüfen, ob solche Vereinbarungen überhaupt Bestand haben dürfen. Für Privatkunden müssen negative Zinsen vertraglich individuell vereinbart werden (sogenannte Individualvereinbarung), da eine allgemeine Geschäftsbedingung, die negative Zinsen vorsieht, in der Regel nach § 307 BGB aufgrund unangemessener Benachteiligung des Kunden unwirksam ist. Bei Geschäftskunden und institutionellen Anlegern ist eine differenziertere Betrachtungsweise möglich. Rechtliche Streitigkeiten drehen sich oft um die Transparenz und Wirksamkeit der entsprechenden Klauseln. Die Gerichte neigen dazu, Verwahrentgelte bei mangelnder Individualisierung im Vertrag für unwirksam zu erklären.

Können Zinsansprüche verjähren, und falls ja, wann tritt Verjährung ein?

Ja, Zinsansprüche unterliegen der gesetzlichen Verjährung. Nach § 197 Abs. 2 BGB verjähren laufende Zinsansprüche aus Forderungen grundsätzlich in drei Jahren ab dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den anspruchsbegründenden Tatsachen Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen. Werden Zinsansprüche jedoch zusammen mit der Hauptforderung rechtskräftig festgestellt oder in einer vollstreckbaren Urkunde anerkannt, unterliegen sie gemäß § 197 Abs. 1 Nr. 3 BGB einer dreißigjährigen Verjährungsfrist. Wichtig für die Praxis ist, dass laufende Zinszahlungen, die regelmäßig (z. B. jährlich oder monatlich) geleistet werden müssen, auch regelmäßig verjähren und daher jeweils gesondert betrachtet werden müssen.

Ist die Vereinbarung eines Zinseszinses rechtlich zulässig?

Die Vereinbarung, dass fällige Zinsen selbst wieder zu verzinsen sind (sogenannter Zinseszins), unterliegt in Deutschland gesetzlichen Beschränkungen. Nach § 248 BGB ist eine Abrede, dass rückständige Zinsen ihrerseits zu verzinsen sind (Zinseszinsverbot), grundsätzlich nichtig. Ausnahmen gelten, wenn die Verzinsung von rückständigen Zinsen ausdrücklich nach Eintritt der Fälligkeit vereinbart wird, etwa durch eine nachträgliche Vereinbarung im Einzelfall oder durch gerichtliche Festsetzung. In Verbraucherverträgen ist es zudem untersagt, Verstöße werden häufig als unwirksam erklärt. Auch europarechtliche Vorgaben zur Verbraucherschutz stärken diese Regelung im deutschen Recht signifikant. Bei institutionellen oder gewerblichen Krediten können jedoch im Rahmen der Vertragsfreiheit Ausnahmen möglich sein, sofern keine sittenwidrigen Zinssätze vereinbart werden.