Begriff und rechtliche Einordnung der Integrationsämter
Integrationsämter sind Einrichtungen in Deutschland, die auf Grundlage sozialrechtlicher und arbeitsrechtlicher Vorgaben die Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben fördern und sichern. Ihre rechtliche Funktion ist durch das Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) sowie ergänzende Verordnungen umfassend geregelt. Integrationsämter wirken als öffentlich-rechtliche Institutionen zur Umsetzung des besonderen Kündigungsschutzes für schwerbehinderte Menschen, zur Förderung von Inklusion und zur Bereitstellung finanzieller sowie beratender Unterstützung sowohl für Beschäftigte als auch für Arbeitgeber.
Gesetzliche Grundlagen
Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX)
Die zentralen Vorschriften zur Tätigkeit der Integrationsämter finden sich im SGB IX, insbesondere in den §§ 167 ff. Dieses setzt europäische und nationale Vorgaben zur Gleichstellung und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen um. Zudem regelt es die Zusammenarbeit der Integrationsämter mit weiteren Akteuren, beispielsweise den Rehabilitationsträgern, Schwerbehindertenvertretungen und Integrationsfachdiensten.
Weitere maßgebliche Regelungsbereiche
Daneben sind das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), die Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabeverordnung (SchwbAV) sowie das Bundesversorgungsgesetz (BVG) relevant, da sie einzelne Aufgabenbereiche der Integrationsämter weiter konkretisieren. Die Ausführung und Organisation der Integrationsämter ist zudem landesrechtlich geregelt, sodass Unterschiede in der Verwaltung und konkreten Ausgestaltung bestehen können.
Aufgabenbereiche der Integrationsämter
Kündigungsschutz für schwerbehinderte Menschen
Eine der wichtigsten Aufgaben der Integrationsämter ist die Durchführung des besonderen Kündigungsschutzverfahrens nach §§ 168 ff. SGB IX. Arbeitgeber benötigen vor der Kündigung eines schwerbehinderten Arbeitnehmers grundsätzlich die Zustimmung des Integrationsamts. Ziel ist ein wirksamer Interessenausgleich zwischen dem Erhalt von Arbeitsverhältnissen und etwaigen betrieblichen Erfordernissen.
Verfahren
Das Verfahren beginnt mit dem Antrag des Arbeitgebers auf Zustimmung zur Kündigung. Das Integrationsamt prüft eigenständig sowie unter Einbeziehung der Schwerbehindertenvertretung und des Betriebs- oder Personalrats. Die Entscheidung erfolgt nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung sozialer, gesundheitlicher sowie wirtschaftlicher Belange. Gegen die Entscheidung kann ein Widerspruch eingelegt und gegebenenfalls Klage vor dem Verwaltungsgericht erhoben werden.
Begleitende Hilfen im Arbeitsleben
Unterstützung und Förderung
Integrationsämter leisten finanzielle Hilfen nach §§ 185 ff. SGB IX. Dazu gehören Zuschüsse für technische Arbeitshilfen, Arbeitsplatzgestaltung, Gebärdensprachdolmetscher oder andere Unterstützungsleistungen. Darüber hinaus werden auch Leistungen zur Begleitung und Beratung schwerbehinderter Beschäftigter sowie deren Arbeitgeber bereitgestellt, etwa durch Integrationsfachdienste.
Präventionsmaßnahmen
Integrationsämter wirken an Präventionsmaßnahmen im Betrieb mit (§ 167 Abs. 1 SGB IX). Ziel ist es, Beschäftigungsverhältnisse durch rechtzeitige und geeignete Maßnahmen zu sichern, beispielsweise Reha-Maßnahmen, Umsetzungen oder Weiterbildungen.
Verwaltung der Ausgleichsabgabe
Arbeitgeber mit mindestens 20 Arbeitsplätzen sind verpflichtet, mindestens fünf Prozent dieser mit schwerbehinderten Menschen zu besetzen (§ 154 SGB IX). Andernfalls ist eine Ausgleichsabgabe zu entrichten, deren Höhe sich nach der Zahl der unbesetzten Pflichtplätze richtet. Integrationsämter sind für die Verwaltung, Erhebung und Verwendung der Ausgleichsabgabe verantwortlich. Die Mittel werden für die Förderung der Teilhabe schwerbehinderter Menschen im Berufsleben eingesetzt.
Beratungspflicht und Kooperation
Integrationsämter sind gesetzlich verpflichtet, sowohl die Arbeitgeber als auch schwerbehinderte Beschäftigte in allen Belangen des Arbeitsverhältnisses zu beraten und zu unterstützen. Zusätzlich arbeiten sie eng mit weiteren Akteuren wie der Bundesagentur für Arbeit, Rentenversicherungsträgern, Rehabilitationseinrichtungen, Integrationsfachdiensten sowie der Schwerbehindertenvertretung zusammen.
Organisation und Zuständigkeit
Aufbau
Integrationsämter sind bei den jeweiligen Landschaftsverbänden, Landeswohlfahrtsverbänden oder unabhängigen Landesbehörden eingerichtet. Für den Bund fungiert die Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH) als koordinierende Stelle.
Zuständigkeit
Für die Entscheidung über Kündigungssachen ist stets das Integrationsamt am Standort des Betriebs zuständig. Für die Gewährung finanzieller Leistungen ist das Integrationsamt am Wohnort oder Tätigkeitsort der antragstellenden Person verantwortlich. Die Zuständigkeitsregelungen ergeben sich landesrechtlich und aus den jeweiligen Verwaltungsvorschriften.
Rechtsmittel und Verfahren
Entscheidungen der Integrationsämter sind Verwaltungsakte. Gegen eine ablehnende oder zustimmende Entscheidung im Rahmen des Kündigungsschutzverfahrens kann Widerspruch eingelegt werden. Im Anschluss besteht die Möglichkeit einer Klage vor dem örtlich zuständigen Verwaltungsgericht. Für weitere Leistungen oder Hilfen gelten allgemeine Verwaltungsverfahren nach dem Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG).
Finanzierung
Die Arbeit der Integrationsämter erfolgt im Wesentlichen aus Mitteln der Ausgleichsabgabe. Zusätzlich werden Haushaltsmittel der Länder und gegebenenfalls Bundesmittel verwendet. Die Zweckbindung der Ausgleichsabgabe ist durch § 160 SGB IX gesetzlich geregelt und dient ausschließlich der Förderung der Teilhabe schwerbehinderter Menschen am Arbeitsleben.
Zusammenarbeit mit weiteren Institutionen
Zur Erfüllung ihrer Aufgaben arbeiten Integrationsämter mit verschiedenen Stellen zusammen, darunter:
- Integrationsfachdienste
- Betriebsärztliche Dienste
- Schwerbehindertenvertretungen
- Sozialversicherungsträger (z. B. Renten- und Unfallversicherung)
- Agentur für Arbeit
Diese Zusammenarbeit ist zentral für erfolgreiche Präventionsarbeit und die Erhaltung von Arbeitsverhältnissen schwerbehinderter Menschen.
Rechtsentwicklung und Bedeutung der Integrationsämter
Integrationsämter bestehen seit der Nachkriegszeit und wurden rechtlich kontinuierlich weiterentwickelt, zuletzt durch das Bundesteilhabegesetz (BTHG). Sie tragen maßgeblich zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention und zu einer inklusiven Arbeitswelt bei. Durch ihren gesetzlichen Auftrag leisten sie einen wesentlichen Beitrag zur Chancengleichheit, Arbeitsplatzsicherheit und sozialen Integration schwerbehinderter Menschen in Deutschland.
Literatur und Verweise
- Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX)
- Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG)
- Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabeverordnung (SchwbAV)
- Informationen der Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen (BIH): www.integrationsaemter.de
Diese Quellen bieten umfassende und aktuelle Informationen zu den gesetzlichen Grundlagen, Aufgaben sowie zur Organisation und Finanzierung der Integrationsämter in Deutschland.
Häufig gestellte Fragen
Welche Aufgaben nehmen Integrationsämter im rechtlichen Kontext wahr?
Integrationsämter sind im Rahmen des Schwerbehindertenrechts zuständige Behörden, deren Hauptaufgabe die begleitende Hilfe im Arbeitsleben für schwerbehinderte Menschen ist. Rechtlich fundiert sind ihre Aufgaben insbesondere im Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX), §§ 176 ff. Wesentliche Aufgabenbereiche umfassen die Sicherstellung des Kündigungsschutzes nach § 168 SGB IX, insbesondere die Durchführung und Prüfung von Zustimmungsanträgen bei der Kündigung schwerbehinderter Menschen. Dazu zählt die umfassende Anhörung aller Beteiligten sowie die eingehende rechtliche Prüfung der Belange des Arbeitgebers und der Interessen des betroffenen Beschäftigten. Ferner sind Integrationsämter für die Bearbeitung von Anträgen auf begleitende Hilfen im Arbeitsleben zuständig, etwa die finanzielle Unterstützung von Arbeitsplätzen oder technische Hilfsmittel, und übernehmen die Beratung von Arbeitgebern und Arbeitnehmern hinsichtlich der rechtlichen Pflichten und Schutzrechte schwerbehinderter Menschen im Arbeitsverhältnis. Sie sind auch Aufsichtsstellen für die Einhaltung der Beschäftigungspflicht nach § 154 SGB IX und können zur Erhebung der Ausgleichsabgabe im Falle von Verstößen herangezogen werden.
In welchen Verfahren und in welchem Umfang sind Integrationsämter zu beteiligen?
Die Beteiligung der Integrationsämter ist in verschiedensten Verfahren, die das Arbeitsverhältnis behinderter Menschen betreffen, gesetzlich vorgesehen. Am zentralsten ist die Zustimmungsbedürftigkeit bei jeder beabsichtigten Kündigung eines schwerbehinderten Menschen gemäß § 168 SGB IX. Die Mitwirkung ist ebenfalls erforderlich bei betriebsbedingten, verhaltensbedingten und personenbedingten Kündigungen, welche stets eine eigenständige Entscheidung des Integrationsamtes nach Durchführung einer Interessenabwägung voraussetzen. Das Amt sorgt für die Anhörung aller relevanten Parteien, darunter der betroffene Arbeitnehmer, der Arbeitgeber, die Schwerbehindertenvertretung und ggf. der Betriebs- oder Personalrat. Zusätzlich involvieren Arbeitgeber Integrationsämter häufig bei Maßnahmen zur Prävention und zur Schaffung barrierefreier Arbeitsbedingungen, wobei dem Amt eine beratende und ggf. fördernde Rolle zukommt. Bei Einleitung des betrieblichen Wiedereingliederungsmanagements (BEM) nach § 167 Abs. 2 SGB IX kann das Integrationsamt beratend hinzugezogen werden. Auch bei Zustimmungen zur Änderungskündigung und im Rahmen von Versetzungsverfahren sind Integrationsämter einzubinden, falls schwerbehinderte Menschen betroffen sind.
Welche rechtlichen Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit das Integrationsamt einer Kündigung zustimmt?
Im Rahmen einer Kündigung eines schwerbehinderten Menschen ist das Integrationsamt verpflichtet, vor einer Entscheidung alle relevanten rechtlichen und tatsächlichen Aspekte sorgfältig zu prüfen. Nach § 168 SGB IX ist die Kündigung grundsätzlich nur zulässig, wenn das Integrationsamt zuvor zugestimmt hat. Die Zustimmung kann erteilt werden, wenn die Kündigung nicht im Zusammenhang mit der Behinderung steht oder die Interessenabwägung nach sorgfältiger Prüfung die Belange des Arbeitgebers überwiegen lässt. Hierbei werden etwa die Art und Schwere der Behinderung, die Betriebszugehörigkeit, der bisherige Verlauf des Arbeitsverhältnisses, eventuelle Alternativen zur Kündigung (wie Umsetzung, Änderungskündigung oder Förderung technischer und personeller Hilfen) sowie das Interesse des Arbeitgebers an einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses berücksichtigt. Das Verfahren sieht zwingend die Anhörung des betroffenen Arbeitnehmers und ggf. der betrieblichen Interessenvertretungen vor. Liegt ein Zustimmungsverweigerungsgrund vor, etwa weil die Kündigung ursächlich auf die Behinderung zurückzuführen ist und keine angemessenen Alternativen geprüft wurden, ist die Zustimmung zu versagen.
Unter welchen Umständen ist das Integrationsamt nicht zuständig für die Zustimmung zur Kündigung?
Nach den gesetzlichen Bestimmungen ist das Integrationsamt nur bei Kündigungen von schwerbehinderten Menschen zuständig, die sich in einem Arbeitsverhältnis nach deutschem Recht befinden und die Schwelle der Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch nach § 2 Abs. 2 SGB IX erfüllen. Keine Zuständigkeit besteht z.B. bei Kündigungen während der Probezeit – sofern diese sechs Monate nicht überschreitet (§ 173 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX) – oder wenn das Arbeitsverhältnis von vornherein auf weniger als sechs Monate befristet war. Ausgenommen sind ferner außerordentliche fristlose Kündigungen nach § 174 SGB IX, bei denen besondere Eilbedürftigkeit vorliegt. Ebenfalls ist keine Zuständigkeit gegeben, wenn vom Betroffenen keine Schwerbehinderteneigenschaft oder Gleichstellung vorliegt oder diese zum Zeitpunkt der Kündigung nicht wirksam festgestellt wurde.
Welche Rechtsmittel stehen Betroffenen gegen Entscheidungen des Integrationsamtes zu?
Betroffene haben gegen Entscheidungen des Integrationsamtes Rechtsmittel nach den Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Wird etwa die Zustimmung zu einer Kündigung erteilt oder verweigert, können sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer binnen eines Monats nach Zustellung des Bescheides Widerspruch einlegen, § 70 VwGO, sofern das jeweilige Landesrecht nicht ein anderes Verfahren vorsieht. Wird dem Widerspruch nicht abgeholfen, kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des Widerspruchsbescheides Klage beim zuständigen Verwaltungsgericht erhoben werden, §§ 74 ff. VwGO. Das Verfahren ist regelmäßig aufschiebend, d. h., die Kündigung kann bis zur rechtskräftigen Entscheidung nicht wirksam vollzogen werden. Auch Antragstellungen auf Förderung, Leistungen oder Hilfen unterliegen dem Verwaltungsrechtsweg; Ablehnungen oder Einschränkungen können durch Widerspruch und Klage überprüft werden.
In welchem Zusammenhang steht das Integrationsamt zur Schwerbehindertenvertretung und zum Betriebsrat?
Das Integrationsamt steht rechtlich in einer Koordinations- und Kontrollfunktion zu innerbetrieblichen Interessenvertretungen schwerbehinderter Menschen. Im Rahmen von Kündigungsschutzverfahren ist das Amt verpflichtet, die Schwerbehindertenvertretung und den Betriebs- oder Personalrat anzuhören und in die Entscheidungsfindung einzubinden (§ 178 Abs. 2, § 178 Abs. 6 SGB IX). Eine Anhörung ist nicht nur formale Voraussetzung, sondern dient der Wahrung der Mitwirkungsrechte und Informationstransparenz für alle Parteien. Gerade die Stellungnahmen der Schwerbehindertenvertretung haben im Integrationsamtsverfahren ein besonderes Gewicht, da sie spezifisch auf die Auswirkungen der geplanten Maßnahme und die besonderen Bedürfnisse schwerbehinderter Arbeitnehmer eingehen. Im Falle von Maßnahmen der Prävention und Unterstützung am Arbeitsplatz ist das Integrationsamt verpflichtet, eng mit der Schwerbehindertenvertretung zusammenzuarbeiten, um umfassende und wirksame Lösungen zu entwickeln und umzusetzen.