Begriff und Bedeutung der InsVV
Die Verordnung über die Vergütung der Insolvenzverwalter (InsVV) ist eine Rechtsverordnung auf Grundlage der §§ 63 Absatz 2 und 65 Insolvenzordnung (InsO). Sie regelt verbindlich die Vergütung sowie die Auslagenerstattung für Insolvenzverwalter und weitere bestimmte Verfahrensbeteiligte im Rahmen eines Insolvenzverfahrens in Deutschland. Die InsVV dient der Herstellung von Transparenz, Rechtssicherheit und Einheitlichkeit bei der Berechnung und Festsetzung der Vergütung betroffener Verfahrensbeteiligter.
Historische Entwicklung und Rechtsgrundlagen
Die InsVV wurde am 19. März 1998 im Zusammenhang mit der Einführung der Insolvenzordnung (InsO) erlassen und trat am 1. Januar 1999 in Kraft. Sie löste die bis dahin geltenden, unterschiedlichen regionalen Regelungen über die Vergütung ab und schuf eine bundeseinheitliche Grundlage. Die Rechtsgrundlage findet sich insbesondere in § 65 InsO, wonach die Bundesregierung ermächtigt ist, das Nähere zur Vergütung durch Rechtsverordnung zu regeln.
Anwendungsbereich der InsVV
Persönlicher Anwendungsbereich
Die InsVV gilt für die Vergütung von Insolvenzverwaltern, Sachwaltern (§ 11 InsVV), Treuhändern in Verbraucherinsolvenzverfahren sowie weiteren Insolvenzverfahrensbeteiligten mit gesetzlicher Vergütungsregelung. Das betrifft sowohl natürliche als auch juristische Personen, die vom Insolvenzgericht im jeweiligen Verfahren bestellt werden.
Sachlicher Anwendungsbereich
Die Vorschriften der InsVV sind auf alle gerichtlichen Insolvenzverfahren nach der InsO anwendbar, unabhängig davon, ob es sich um ein Regel-, Verbraucher-, Nachlass- oder Eigenverwaltungsverfahren handelt.
Struktur und Systematik der InsVV
Die InsVV gliedert sich in verschiedene Abschnitte, in denen die Vergütung, Auslagen und Sonderregelungen detailliert geregelt werden.
Vergütung des Insolvenzverwalters (§§ 1-10 InsVV)
Berechnungsgrundlagen
Die Vergütung des Insolvenzverwalters bemisst sich gemäß § 1 InsVV grundsätzlich nach dem Wert der Insolvenzmasse, die verwaltet und verteilt wird. Es handelt sich in der Regel um eine prozentuale Vergütung, die mit steigendem Wert der Masse sinkt (degressives Vergütungssystem):
- Für die ersten 25.000 Euro der Insolvenzmasse: 40 Prozent
- Für die nächsten 50.000 Euro: 25 Prozent
- Für die weiteren 1.000.000 Euro: 7 Prozent
- Für alles, was 1.075.000 Euro übersteigt: 1 Prozent
Zuschläge und Abschläge (§§ 3-4 InsVV)
Die InsVV sieht sowohl Zuschläge für besonders arbeitsintensive Verfahren und zusätzliche Tätigkeiten (z.B. Betriebsfortführung, fortdauernde Beschäftigung von Arbeitnehmern) als auch Abschläge vor, etwa bei geringem Aufwand oder vereinfachtem Verfahren. Eine pauschale oder individuelle Anhebung bzw. Herabsetzung im Einzelfall ist nach Maßgabe der §§ 3 und 4 InsVV möglich.
Vorläufige Vergütung (§ 10 InsVV)
Der Insolvenzverwalter kann nach § 10 InsVV bereits vor Abschluss des Verfahrens beantragen, dass eine anteilige oder vorläufige Vergütung festgesetzt wird, wenn damit ein berechtigtes Interesse verbunden ist.
Auslagen und Erstattung von Unkosten (§§ 8-9 InsVV)
Die InsVV regelt zudem die Erstattung von Aufwendungen, die dem Insolvenzverwalter im Rahmen der Geschäftsführung entstehen, etwa Porto-, Telefon-, Reise- und Bürokosten. § 8 InsVV sieht eine pauschale Erstattung vor, sofern keine höheren tatsächlichen Auslagen nachgewiesen werden.
Vergütung weiterer Verfahrensbeteiligter
Für den Sachwalter, Treuhänder und Gläubigerausschuss sieht die InsVV in eigenen Vorschriften (u.a. §§ 11-13 InsVV) abweichende Berechnungsmethoden und besondere Festsetzungsregelungen vor.
Verfahren zur Festsetzung der Vergütung
Antragstellung und Zuständigkeit
Die Festsetzung der Vergütung erfolgt grundsätzlich durch das Insolvenzgericht auf Antrag des jeweiligen Verfahrensbeteiligten. Die Festsetzung ist von Amts wegen zu prüfen; dabei sind auch die Stellungnahmen der Gläubiger zu berücksichtigen.
Rechtsmittel
Gegen Beschlüsse zur Vergütungsfestsetzung steht den Beteiligten gemäß § 64 InsO das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde zu.
Bedeutung und praktische Umsetzung
Die InsVV gewährleistet eine transparente und einheitliche Handhabung der Vergütung in Insolvenzverfahren. Sie schützt sowohl die Interessen der Verfahrensbeteiligten als auch die Gläubiger vor überhöhten oder unberechtigten Vergütungsansprüchen. Die praktische Umsetzung, insbesondere die Festsetzung von Zu- und Abschlägen, ist jedoch immer wieder Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen und rechtlicher Diskussionen.
Änderungen und aktuelle Entwicklungen
Die InsVV wurde seit ihrem Inkrafttreten mehrfach novelliert, insbesondere durch das Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG) im Jahr 2012, das unter anderem die Rolle des Sachwalters und der Eigenverwaltung reformiert hat. Aktuelle Entwicklungen betreffen insbesondere die Berücksichtigung digitaler Verfahrensführung und die Anpassung an die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen im Insolvenzverfahren.
Kritische Einordnung und Bedeutung für die praktische Anwendung
Die InsVV spielt eine zentrale Rolle für die effiziente und rechtssichere Abwicklung von Insolvenzverfahren in Deutschland. Sie schafft einen ausgewogenen Interessenausgleich zwischen den Interessen der Insolvenzverwalter an einer angemessenen Vergütung und den Schutz der Gläubigerinteressen. Gleichwohl bleibt nach wie vor Spielraum für gerichtliche Auslegung, insbesondere im Hinblick auf die Bewertung besonderer Tätigkeiten und den Umfang von Zu- oder Abschlägen.
Literatur und weiterführende Rechtsquellen zur InsVV
- Insolvenzordnung (InsO)
- Verordnung über die Vergütung der Insolvenzverwalter (InsVV) in der jeweils geltenden Fassung
- Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG)
- Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) zur Insolvenzverwaltervergütung und Auslegung der InsVV
Hinweis: Dieser Lexikoneintrag gibt den Stand der Gesetzgebung und Rechtsprechung bis zum Jahr 2024 wieder. Zukünftige Änderungen bleiben vorbehalten.
Häufig gestellte Fragen
Wie erfolgt die Vergütung des Insolvenzverwalters nach der InsVV?
Die Vergütung des Insolvenzverwalters wird gemäß den Vorschriften der Insolvenzrechtlichen Vergütungsverordnung (InsVV) berechnet. Grundlage für die Vergütung ist regelmäßig die sogenannte Berechnungsmasse, also die Summe aller durch den Verwalter realisierten und zur Verteilung kommenden Werte der Insolvenzmasse. Die InsVV sieht dabei prozentuale Regelsätze vor, die sich nach dem Wert dieser Masse staffeln. Über die Grundvergütung hinaus können zusätzliche Zuschläge für besonders aufwändige, schwierige oder risikoreiche Tätigkeiten gewährt werden, etwa bei der Fortführung des Geschäftsbetriebes, internationalem Bezug oder außergewöhnlich umfangreichen Berichtspflichten. Zusätzlich können Auslagen und Kosten, die nachweislich zur Erfüllung der Verwaltertätigkeit notwendig waren, gesondert beantragt und vergütet werden. Die Festsetzung der Vergütung erfolgt durch das Insolvenzgericht per gesondertem Beschluss nach Prüfung der Anträge und nach Anhörung der Beteiligten.
Welche Bestimmungen enthält die InsVV hinsichtlich der Auslagen des Insolvenzverwalters?
Die InsVV regelt in § 8 ausführlich, welche Auslagen dem Insolvenzverwalter erstattet werden können. Hierzu zählen insbesondere nachgewiesene, notwendige Barauslagen, die bei der Ausübung der Verwaltungstätigkeit entstehen, wie Porto-, Telefon- oder Reisekosten. Darüber hinaus enthält die InsVV detaillierte Bestimmungen zur pauschalen Abgeltung bestimmter Auslagen: Für kleinere, büromäßig übliche Ausgaben kann pauschal ein bestimmter Anteil (derzeit 15% der Vergütung, maximal jedoch 250 €) geltend gemacht werden, ohne Einzelbelegnachweis. Ausdrücklich von der Erstattung ausgeschlossen sind jedoch solche Kosten, die durch die allgemeine Büroausstattung oder durch den normalen Geschäftsbetrieb des Insolvenzverwalters gedeckt sind.
Können gegen den Vergütungsbeschluss nach InsVV Rechtsmittel eingelegt werden?
Ja, gegen den Beschluss des Insolvenzgerichts über die Festsetzung der Vergütung sowie der Auslagen des Insolvenzverwalters steht den Beteiligten das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gem. § 64 Abs. 2 InsO in Verbindung mit §§ 6, 7 InsVV zu. Die Beschwerdefrist beträgt grundsätzlich zwei Wochen nach Bekanntgabe des Beschlusses. Zu den beschwerdeberechtigten Parteien zählen insbesondere der Insolvenzverwalter selbst, die Gläubiger, der Schuldner sowie der Treuhänder. Die Beschwerde wird beim Insolvenzgericht eingelegt, das sodann das Beschwerdeverfahren betreibt oder die Akten dem zuständigen Beschwerdegericht zur Entscheidung vorlegt.
Wie regelt die InsVV die Vergütung bei Einstellung oder Aufhebung des Verfahrens?
Für Fälle, in denen das Insolvenzverfahren vorzeitig eingestellt oder aufgehoben wird, beispielsweise aufgrund eines wirksamen Insolvenzplans, bestimmt die InsVV in § 11 eine anteilige Vergütung. Diese ist anhand der bis zum Zeitpunkt der Verfahrensbeendigung erbrachten Leistungen zu bemessen. Das Insolvenzgericht muss insbesondere den Umfang, Schwierigkeitsgrad und Wert der bis dahin vom Verwalter ausgeführten Tätigkeiten würdigen. Eine vollständige Vergütung wie bei einer regulären Verfahrensabwicklung findet nicht statt; vielmehr ist eine quotal angemessene Vergütung festzusetzen, die dem tatsächlichen Aufwand entspricht.
Gibt es nach der InsVV Sonderregelungen für Verbraucher- oder Kleinverfahren?
Ja, die InsVV enthält in § 13 besondere Vorschriften für Verbraucherinsolvenzverfahren sowie sonstige Verfahren, in denen der Schuldner keine selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit ausübt. In diesen Verfahren erfolgt die Vergütung und Auslagenerstattung regelmäßig nach abgesenkten Pauschalen und Prozentsätzen, um dem geringeren Aufwand sowie der einfacheren Struktur dieser Verfahren Rechnung zu tragen. Anders als in Regelinsolvenzverfahren ist die Berechnungsbasis beschränkt und orientiert sich am tatsächlich zur Verteilung gelangenden Vermögen.
Welche Anforderungen stellt die InsVV an die Abrechnung und Nachweisführung der Vergütung?
Die InsVV fordert, dass der Insolvenzverwalter seiner Vergütungsabrechnung eine detaillierte Aufstellung sämtlicher Einnahmen und Ausgaben der Masse, eine Berechnungsgrundlage der gewährten Vergütungssätze sowie eine schlüssige Erläuterung etwaiger beantragter Zuschläge oder besonderer Auslagen beifügt. Die Nachweise müssen so geführt sein, dass das Insolvenzgericht und die Beteiligten die Anspruchsgrundlagen und die Höhe der geltend gemachten Forderungen eindeutig nachvollziehen können. Fehlende oder unvollständige Nachweise können zur Kürzung oder Versagung der beantragten Vergütung führen.
Können Zuschläge zur Regelsatzvergütung nach der InsVV jederzeit beantragt werden?
Zuschläge zur Vergütung gemäß InsVV, beispielsweise für besonders komplexe, risikoreiche oder fortzuführende Verfahren, sind bei der Antragstellung auf Vergütungsfestsetzung gesondert zu begründen und mit entsprechenden Nachweisen einzureichen. Das Insolvenzgericht prüft dann, ob und in welchem Umfang die Voraussetzungen für einen Zuschlag gemäß InsVV § 3 oder § 8 vorliegen. Ein nachträglicher Zuschlag kann nur ausnahmsweise und unter engen Voraussetzungen, etwa bei nachgewiesener Unkenntnis bestimmter Umstände im Zeitpunkt der Antragstellung, zugelassen werden. Andernfalls muss der Verwalter alle Zuschlagsgründe bereits im Vergütungsantrag vollständig darlegen.