Begriff und rechtliche Einordnung der Insiderinformation
Definition der Insiderinformation
Insiderinformationen bezeichnen im Wertpapierhandelsrecht konkrete Informationen über nicht öffentlich bekannte Umstände, die sich auf einen oder mehrere Emittenten von Finanzinstrumenten oder auf die Finanzinstrumente selbst beziehen und die, wenn sie öffentlich bekannt würden, geeignet wären, den Kurs dieser Finanzinstrumente erheblich zu beeinflussen. Die rechtliche Definition findet sich insbesondere in der Marktmissbrauchsverordnung (Market Abuse Regulation, MAR, Verordnung (EU) Nr. 596/2014) sowie im deutschen Wertpapierhandelsgesetz (WpHG).
Kriterien einer Insiderinformation
1. Präzise Information
Eine Information gilt als präzise, wenn sie entweder einen bestehenden oder hinreichend wahrscheinlichen zukünftigen Umstand betrifft und ausreichend konkret ist, um Schlüsse über die mögliche Auswirkung auf den Kurs eines Finanzinstruments zuzulassen (Art. 7 Abs. 2 MAR).
2. Nicht öffentliche Tatsache
Insiderinformationen liegen ausschließlich dann vor, wenn die betreffenden Informationen noch nicht öffentlich bekannt gemacht wurden. Entscheidend ist die tatsächliche Verbreitung der Information, die eine breitere Marktwahrnehmung ermöglicht. Nicht öffentliche Tatsachen sind etwa Unternehmensentscheidungen, relevante Forschungsergebnisse oder bevorstehende Geschäftsabschlüsse, sofern diese noch nicht veröffentlicht wurden.
3. Kursrelevanz
Eine Information ist Insiderinformation, wenn ein verständiger Anleger sie im Rahmen seiner Anlageentscheidung berücksichtigen würde und sie somit geeignet ist, eine erhebliche Auswirkung auf den Preis des betroffenen Finanzinstruments oder darauf bezogener Derivate zu haben.
4. Anwendungsbereich und betroffene Finanzinstrumente
Der Begriff der Insiderinformation gilt für sämtliche Finanzinstrumente, die an einem organisierten Markt, einem multilateralen Handelssystem oder einem organisierten Handelssystem innerhalb der Europäischen Union gehandelt werden, einschließlich Aktien, Anleihen, Derivaten und weiteren Finanzprodukten.
Rechtsgrundlagen und Regelungsebene
Europarechtliche Regelungen
Die zentrale Rechtsgrundlage für Insiderinformationen bildet die Marktmissbrauchsverordnung (MAR), welche seit 2016 unmittelbar Geltung im nationalen Recht der EU-Mitgliedsstaaten entfaltet. Sie definiert nicht nur den Begriff der Insiderinformation, sondern regelt auch die Pflichten im Umgang mit solchen Informationen.
Nationale Bestimmungen
Im deutschen Recht ergänzen Bestimmungen des Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG) die unionsrechtlichen Vorgaben, vor allem § 119 WpHG und § 1 Abs. 1 WpHG a.F. Neben dem WpHG ist auch auf ergänzende Vorschriften aus weiteren Kapitalmarktvorschriften wie dem Aktiengesetz (AktG) zu verweisen, insbesondere in Bezug auf die Ad-hoc-Publizitätspflicht für börsennotierte Unternehmen (§ 17 MAR, § 15 WpHG a.F.).
Arten von Insiderinformationen
Unternehmensbezogene Insiderinformationen
Hierunter fallen nicht veröffentlichte, kursrelevante Informationen aus dem Bereich eines Unternehmens wie Fusionen, Übernahmen, Restrukturierungsmaßnahmen, Gewinnwarnungen, Kapitalmaßnahmen oder bedeutende Veränderungen in der Unternehmensführung.
Marktbezogene Insiderinformationen
Dazu zählen Informationen, die sich auf branchenspezifische Entwicklungen, regulatorische Maßnahmen, Änderungen der gesetzlichen Rahmenbedingungen oder volkswirtschaftliche Ereignisse beziehen, sofern sie relevant für den Kurs eines Finanzinstruments sind.
Umgang mit Insiderinformationen
Insiderverzeichnis
Emittenten sowie Personen, die im Auftrag oder auf Rechnung eines Emittenten handeln, sind nach Art. 18 MAR verpflichtet, ein Insiderverzeichnis zu führen. In diesem sind alle Personen aufzunehmen, die Zugang zu Insiderinformationen haben.
Ad-hoc-Publizität
Emittenten von Finanzinstrumenten, die zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen sind, trifft die Pflicht zur unverzüglichen Veröffentlichung von Insiderinformationen, um Chancengleichheit und Transparenz am Kapitalmarkt zu gewährleisten.
Insiderhandel und Weitergabe
Insiderhandel ist nach Art. 14 MAR sowie § 119 Abs. 1 Nr. 1 WpHG untersagt. Dies umfasst den Missbrauch von Insiderinformationen zum Erwerb oder zur Veräußerung von Finanzinstrumenten (Eigengeschäfte), die gezielte Weitergabe an Dritte und das Aufrufens zum Insiderhandel („Tipping“).
Sanktionen und Maßnahmen bei Verstößen
Strafrechtliche Konsequenzen
Das unerlaubte Ausnutzen von Insiderinformationen ist strafbar (§ 119 WpHG). Bei Verstößen drohen Freiheitsstrafen bis zu fünf Jahren oder Geldstrafen. Dabei umfasst der Straftatbestand neben dem klassischen Insiderhandel auch Anstiftung und Beihilfe.
Verwaltungsrechtliche Folgen
Unabhängig von strafrechtlicher Ahndung sind auch aufsichtsrechtliche Maßnahmen vorgesehen. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) kann Bußgelder verhängen und betroffene Markteilnehmer mit einem Tätigkeitsverbot belegen.
Ausnahmen und Spezialfälle
Legitimes Handeln in Ausübung eines Amtes
Bestimmte Handlungen, wie der Eigenerwerb im Rahmen von Aktienrückkaufprogrammen oder Stabilisierungsmaßnahmen, sind unter engen Voraussetzungen von den Verboten ausgenommen, sofern sie transparent sind und den börslichen Meldepflichten genügen.
Öffentliche Bekanntgabe und Markttransparenz
Sobald bedeutsame Insiderinformationen öffentlich gemacht werden (beispielsweise durch Pressemitteilungen oder über ein elektronisches System zur Ad-hoc-Mitteilung), verliert die Information ihren Insiderstatus.
Bedeutung und Funktion der Insiderinformation für den Kapitalmarkt
Marktintegrität
Das Verbot des Missbrauchs von Insiderinformationen sichert das Vertrauen in die Funktionsfähigkeit und Integrität der Wertpapiermärkte. Es schützt Anleger vor Informationsasymmetrien und gewährleistet Chancengleichheit.
Prävention und Überwachung
Die Pflicht zur ordnungsgemäßen Handhabung, Meldung und Überwachung von Insiderinformationen unterstützt die Aufsichtsbehörden bei der Verhinderung und Aufdeckung von Marktmissbrauch.
Siehe auch:
- Marktmissbrauchsverordnung
- Wertpapierhandelsgesetz
- Ad-hoc-Publizität
- Insiderhandel
- BaFin
Quellen:
- Verordnung (EU) Nr. 596/2014 über Marktmissbrauch (MAR)
- Wertpapierhandelsgesetz (WpHG)
- Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin)
Häufig gestellte Fragen
Welche rechtlichen Folgen drohen bei der unerlaubten Weitergabe von Insiderinformationen?
Die unerlaubte Weitergabe von Insiderinformationen – auch als ,,Insiderdelikt“ bezeichnet – zieht erhebliche rechtliche Konsequenzen nach sich. Nach Art. 14 und 17 der europäischen Marktmissbrauchsverordnung (MAR) sowie in Deutschland nach § 119 des Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG) ist die Offenlegung von Insiderinformationen an Außenstehende verboten, sofern dies nicht im Rahmen der normalen Ausübung der Tätigkeit oder des Berufs erfolgt. Eine Zuwiderhandlung kann sowohl zivilrechtliche als auch strafrechtliche Konsequenzen haben. Strafrechtlich drohen Geldstrafen oder Freiheitsstrafen von bis zu fünf Jahren (§ 119 Abs. 1 WpHG). Zusätzlich können aufsichtsrechtliche Sanktionen seitens der BaFin in Form von Bußgeldern verhängt werden, die in besonders schweren Fällen (etwa bei schwerwiegenden Marktverzerrungen) erhebliche Summen erreichen können. Zivilrechtlich haften Beschuldigte unter Umständen auch für verursachte Schäden, etwa wenn durch die Weitergabe Dritte einen finanziellen Nachteil erleiden. Schließlich drohen zudem berufsrechtliche Konsequenzen, etwa ein Verbot, in bestimmten Positionen bei Finanzdienstleistern tätig zu werden, oder der Entzug von Zulassungen.
Welche Voraussetzungen müssen für ein strafbares Insidergeschäft erfüllt sein?
Für die Annahme eines strafbaren Insidergeschäfts müssen verschiedene Tatbestandsmerkmale erfüllt sein: Erstens muss eine sogenannte Insiderinformation i.S.d. MAR oder § 119 WpHG vorliegen, die konkret und nicht öffentlich bekannt ist und bei Veröffentlichung geeignet wäre, den Kurs eines Finanzinstruments erheblich zu beeinflussen. Zweitens muss der Täter als Insider im Sinne des Gesetzes gelten, etwa indem er als Mitglied von Leitungsorganen, Aktionär, Berufsgeheimnisträger oder durch seine Tätigkeit Kenntnis von der Information erlangt hat. Drittens muss das Geschäft auf Grundlage der Insiderinformation durchgeführt werden, d.h. die Information muss zumindest mitursächlich für die Entscheidung zum Kauf oder Verkauf gewesen sein. Viertens ist erforderlich, dass das betreffende Finanzinstrument an einem organisierten Markt, multilateralen Handelssystem oder vergleichbaren Handelsplatz gehandelt wird. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, liegt regelmäßig ein strafbares Insidergeschäft vor, welches gemäß § 119 Abs. 1 WpHG verfolgt und bestraft werden kann.
Welche Sorgfaltspflichten bestehen für Unternehmen im Umgang mit Insiderinformationen?
Unternehmen und insbesondere Emittenten von Finanzinstrumenten sind verpflichtet, einen angemessenen Umgang mit Insiderinformationen zu gewährleisten. Nach Art. 18 MAR sowie § 46 WpHG besteht die Pflicht, Insiderlisten zu führen, auf denen jede Person, die Zugang zu Insiderinformationen hat, mit Angaben zur Identität, dem Grund ihres Zugangs und den Zeitpunkten des Erhalts und Verlusts des Insiderstatus verzeichnet wird. Emittenten haben außerdem unverzüglich Insiderinformationen, die sie unmittelbar betreffen, öffentlich bekanntzugeben (Ad-hoc-Publizitätspflicht; Art. 17 MAR, § 130 WpHG), sofern keine berechtigten Gründe für eine zulässige Aufschiebung vorliegen. Weiterhin müssen angemessene organisatorische Vorkehrungen und Kontrollmechanismen installiert werden, um den unbefugten Zugriff auf Insiderinformationen zu verhindern, und betroffene Mitarbeiter sind regelmäßig über ihre Pflichten und etwaige Konsequenzen bei Pflichtverstößen zu schulen.
Können auch unabsichtliche Verstöße gegen das Insiderrecht sanktioniert werden?
Ja, das Insiderrecht sanktioniert nicht nur vorsätzliche, sondern in bestimmten Fällen auch fahrlässige Verstöße. Während für die Strafbarkeit gemäß § 119 Abs. 1 WpHG grundsätzlich Vorsatz erforderlich ist, sieht § 120 WpHG vor, dass bereits fahrlässige Verstöße gegen organisatorische Pflichten wie die Führung von Insiderlisten oder die Erfüllung der Ad-hoc-Publizitätspflicht als Ordnungswidrigkeit geahndet werden können. Die Verschuldensform der Fahrlässigkeit reicht dabei aus, wenn die erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen und dadurch eine Pflichtverletzung herbeigeführt wird. Die BaFin kann in solchen Fällen empfindliche Bußgelder verhängen und gegebenenfalls weitere aufsichtsrechtliche Maßnahmen einleiten.
Welche Meldepflichten bestehen für Personen mit Zugang zu Insiderinformationen?
Personen mit Zugang zu Insiderinformationen – sogenannte „Insider“ – unterliegen verschiedenen gesetzlichen Meldepflichten. Nach Art. 19 der MAR sowie § 38 WpHG müssen Führungskräfte (sowie mit ihnen eng verbundene Personen) dem Emittenten und der zuständigen Aufsichtsbehörde, etwa der BaFin, sämtliche Geschäfte mit Aktien oder Schuldtiteln des Emittenten sowie damit verbundenen Finanzinstrumenten melden, sofern ein bestimmter Schwellenwert (gegenwärtig 20.000 Euro pro Kalenderjahr) überschritten wird. Die Meldung muss innerhalb von drei Werktagen nach Ausführung des Geschäfts erfolgen. Die entsprechende Veröffentlichung durch den Emittenten hat binnen weiteren drei Werktagen zu erfolgen. Verstöße gegen diese Meldepflichten können als Ordnungswidrigkeit mit Bußgeldern oder anderen Sanktionen geahndet werden.
Gibt es Ausnahmetatbestände, in denen die Weitergabe von Insiderinformationen zulässig ist?
Das Insiderrecht sieht bestimmte Ausnahmetatbestände vor, in denen die Offenlegung von Insiderinformationen zulässig sein kann. Gemäß Art. 10 und 17 MAR sowie § 119 WpHG ist die Weitergabe erlaubt, wenn sie im Rahmen des normalen Berufs, der gewöhnlichen Beschäftigung oder der Amtsausübung erfolgt und ein sogenannter Informationsaustausch im „need-to-know“-Prinzip vorliegt. Dies ist beispielsweise im Kontext von Due-Diligence-Prüfungen, Unternehmensbewertungen, Verhandlungen mit Beratern oder im Zusammenhang mit der Erfüllung gesetzlicher Veröffentlichungspflichten der Fall. Bedingung ist jedoch, dass die empfangenden Personen ebenfalls zur Verschwiegenheit verpflichtet werden und die Weitergabe streng zweckgebunden und dokumentiert stattfindet. Andernfalls bleibt das strafrechtliche und aufsichtsrechtliche Verbot maßgeblich.
Wie unterscheiden sich Insiderinformationen von anderen vertraulichen Informationen im rechtlichen Kontext?
Insiderinformationen sind eine besondere Kategorie vertraulicher Informationen, für die die MAR und das WpHG spezifische gesetzliche Vorgaben vorsehen. Während „gewöhnliche“ Geschäftsgeheimnisse durch das Geschäftsgeheimnisgesetz (GeschGehG) geschützt sind und bei Offenlegung vor allem zivilrechtliche Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche auslösen, betreffen Insiderinformationen zusätzlich die Funktionsfähigkeit und Integrität der Finanzmärkte. Die Verletzung der Geheimhaltungspflicht hinsichtlich von Insiderinformationen kann straf- oder bußgeldbewährt sein, während bei anderen vertraulichen Informationen regelmäßig nur zivilrechtliche Ansprüche geltend gemacht werden können. Zudem sind die Schwellen für die Annahme einer Insiderinformation – konkret, nicht öffentlich, kursrelevant – enger gefasst als bei anderen geheimhaltungswürdigen Informationen, was sich wiederum auf die rechtlichen Folgen im Fall einer Weitergabe auswirkt.