Begriff und Definition: Insassen von Kraftfahrzeugen
Insassen von Kraftfahrzeugen sind natürliche Personen, die sich zum maßgeblichen Zeitpunkt im Innenraum eines Kraftfahrzeugs befinden oder sich in den durch das Fahrzeug vorgesehenen Bereichen, insbesondere auf den Sitzplätzen, aufhalten. Der Begriff ist im deutschen Recht nicht explizit gesetzlich definiert, wird jedoch in verschiedenen Rechtsnormen, insbesondere im Verkehrs-, Haftungs- und Versicherungsrecht, verwendet und ausgelegt. Er umfasst üblicherweise sowohl den Fahrzeugführer als auch Mitfahrer, Beifahrer und weitere Fahrzeuginsassen.
Rechtliche Einordnung und Relevanz des Begriffs
Verkehrszivilrecht
Im Verkehrszivilrecht spielt die Abgrenzung von Insassen und Nicht-Insassen eine wesentliche Rolle. Die Rechtsordnung differenziert bei der Frage der Haftung und bei Ansprüchen aus Verkehrsunfällen oder schädigenden Ereignissen nach dem Status der betroffenen Person als Fahrer, Beifahrer oder Insasse.
Haftung im Straßenverkehr
Nach § 7 StVG (Straßenverkehrsgesetz) sowie den allgemeinen Haftungsgrundsätzen wird unterschieden, ob ein Geschädigter als Insasse oder als Dritter von einem Unfall betroffen ist. Insassen zählen rechtlich regelmäßig zu den sog. „Mitbenutzern“ des Fahrzeugs. Die daraus resultierenden Haftungsfolgen betreffen insbesondere die Mithaftung bei verkehrsbedingten Schädigungen (Mitverschulden, Betriebsgefahr des Fahrzeugs usw.).
Mitverschulden und Schutzbereich
Der Insassenschutz gemäß § 823 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) bezieht sich auf alle Personen, die sich bestimmungsgemäß im Fahrzeug aufhalten. Insassen können bei eigenem Mitverschulden, z. B. durch Nichtanlegen des Sicherheitsgurtes, nach § 254 BGB eine Kürzung ihrer Schadensersatzansprüche hinnehmen müssen.
Versicherungsrecht
Das Versicherungsrecht kennt die Umschreibung „Insassen“ primär im Kontext der Kfz-Haftpflichtversicherung und der Insassenunfallversicherung.
Kfz-Haftpflichtversicherung
Im Rahmen der gesetzlichen Kfz-Haftpflichtversicherung werden Schadensersatzansprüche von Fahrzeuginsassen, unabhängig von ihrem Verwandtschaftsverhältnis oder anderweitigen Beziehungen zum Fahrzeugführer, grundsätzlich abgedeckt. Hierzu zählen Fahrer, Beifahrer, weitere Fahrgäste und, je nach Auslegung, auch bestimmte Fälle von beim Ein- oder Aussteigen befindlichen Personen (§ 7 Abs. 2 StVG).
Insassenunfallversicherung
Die Insassenunfallversicherung stellt eine freiwillige Privatversicherung dar, die gezielt auf den Schutz der Fahrzeuginsassen bei Unfällen im Fahrzeug abzielt. Hierbei werden alle sich berechtigt im Fahrzeug aufhaltenden Personen vom Versicherungsschutz erfasst, wobei der genaue Personenkreis den Versicherungsbedingungen zu entnehmen ist und im Einzelfall variieren kann. Üblicherweise zählen folgende Personen zu den Versicherten:
- Fahrer (Lenker)
- Beifahrer
- sämtliche Mitfahrer auf Sitzplätzen
- gegebenenfalls Insassen auf Notsitzen (sofern zugelassen)
Diese Versicherung schließt in der Regel sowohl Unfälle während der Fahrt als auch während des Ein- und Aussteigens und beim Be- und Entladen ein.
Strafrecht
Im Strafrecht wird der Begriff „Insasse“ in Zusammenhang mit Verkehrsdelikten und Verkehrsstraftaten verwendet, insbesondere bei der Klärung der Verantwortlichkeit von Personen, die sich im Fahrzeug aufhalten (z.B. Beihilfe, Fahrerermittlung bei Unfallflucht).
Fahrerermittlung
Insassen sind oftmals als potenzielle Zeugen, aber gelegentlich auch als potenzielle Täter relevant, insbesondere wenn die tatsächliche Fahrereigenschaft nach einem Unfall ungeklärt ist.
Unterlassene Hilfeleistung und sonstige Delikte
Auch im Hinblick auf die Pflicht zur Hilfeleistung nach einem Unfall können bestimmte Pflichten für Insassen entstehen (§ 323c StGB).
Sozialversicherungsrecht
Bestimmte Unfälle während der Nutzung eines Kraftfahrzeugs können als Arbeitsunfälle im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung (§§ 8, 9 SGB VII) anerkannt werden, sofern ein Zusammenhang mit einer beruflichen Tätigkeit vorliegt. Hierbei wird die Eigenschaft als Insasse im Rahmen dienstlicher Fahrten oder Mitfahrgelegenheiten relevant.
Abgrenzungsfragen und Sonderfälle
Fahrer von Mitfahrgelegenheiten
Die Frage, ob bestimmte Personen noch als Insassen oder bereits als Dritte zu werten sind, stellt sich insbesondere bei der Nutzung von Mitfahrgelegenheiten oder bei Fahrzeugen mit besonderen Aufbauten (bspw. Kastenwagen mit nicht für die Personenbeförderung vorgesehenen Bereichen). Für die Einordnung gelten regelmäßig der bestimmungsgemäße Gebrauch des Fahrzeugs und die verkehrsrechtlichen Vorschriften über zulässige Sitzplätze.
Aufenthalt im Fahrzeug
Personen, die lediglich kurzfristig im Fahrzeug verweilen (z. B. während eines kurzen Haltevorgangs), werden rechtlich ebenfalls als Insassen betrachtet, solange sie sich bestimmungsgemäß im Fahrzeuginneren aufhalten.
Straßenfahrzeuge ohne Zulassung
Auch in nicht oder nur vorübergehend zugelassenen Fahrzeugen (z. B. bei Überführungsfahrten) richtet sich die rechtliche Bewertung nach dem tatsächlichen Aufenthalt der Person als Insasse.
Europarechtliche Perspektiven
Auch auf europäischer Ebene finden sich Begrifflichkeiten und rechtliche Vorgaben zu Fahrzeuginsassen, etwa in der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherungsrichtlinie 2009/103/EG, welche den Versicherungsschutz für sämtliche Insassen verpflichtet und Mindeststandards setzt.
Fazit
Insassen von Kraftfahrzeugen bilden im deutschen Recht einen eigenständigen, bedeutenden Personenkreis, der in vielfältigen Zusammenhängen des Verkehrs-, Versicherungs-, Straf- und Sozialversicherungsrechts vorkommt. Die genaue Definition und Abgrenzung ist stets am Zweck der jeweiligen Norm auszurichten. Insassen sind grundsätzlich alle Personen, die sich berechtigterweise im Fahrzeuginneren aufhalten, unabhängig davon, ob sie das Fahrzeug führen oder lediglich mitfahren. Die Rechtsfolgen dieses Status sind weitreichend und betreffen vorrangig Haftung, Schadensersatz, Versicherungsschutz und Pflichten im Straßenverkehr.
Häufig gestellte Fragen
Welche Rechte und Pflichten haben Insassen bei Verkehrskontrollen?
Insassen eines Kraftfahrzeugs sind bei einer Verkehrskontrolle grundsätzlich verpflichtet, den Anweisungen der Polizei Folge zu leisten, auch wenn sie nicht selbst Fahrzeugführer sind. Sie müssen sich jedoch nur dann ausweisen, wenn ein konkreter Anlass besteht, etwa wenn ein Verdacht auf Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten besteht. Andernfalls besteht grundsätzlich keine Pflicht zur Vorlage eines Ausweises oder zur Beantwortung von Fragen, solange sie nicht Verdächtige oder Zeugen im Sinne der Strafprozessordnung (§§ 53, 55 StPO) sind. Es besteht auch keine aktive Mitwirkungspflicht an polizeilichen Maßnahmen, es sei denn, hierfür gibt es eine gesetzliche Grundlage, z. B. bei Gefahr im Verzug oder zur Identitätsfeststellung. Insassen dürfen die Kontrolle beobachten und ruhig bleiben, müssen das Fahrzeug jedoch nicht ohne Grund verlassen, es sei denn, sie werden ausdrücklich dazu aufgefordert. Zudem sind sie vor Durchsuchungen geschützt, es sei denn, es liegt ein konkreter Anfangsverdacht oder ein richterlicher Beschluss bzw. Gefahr im Verzug vor.
Wann haften Insassen für Verletzungen von Verkehrsvorschriften?
Insassen haften grundsätzlich nicht für Verkehrsverstöße, die vom Fahrzeugführer begangen werden. Eine Haftung kann jedoch dann entstehen, wenn Insassen aktiv am Geschehen beteiligt sind, beispielsweise wenn sie den Fahrer zu einer Ordnungswidrigkeit anstiften oder Beihilfe leisten (§ 14 OWiG, § 27 StGB). Auch bei Missachtung der Anschnallpflicht tragen sie eine eigene Verantwortung nach § 21a StVO: Wer erwachsen ist und sich nicht anschnallt, kann selbst mit einem Bußgeld belegt werden, unabhängig davon, ob der Fahrer haftet. Bei Kindern trägt jedoch der Fahrer die Verantwortung, sie ordnungsgemäß zu sichern, andernfalls haftet er.
Welche Ansprüche haben Insassen bei einem Verkehrsunfall?
Kommt es zu einem Verkehrsunfall, stehen Insassen umfassende Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche gegen den Verursacher zu. Die gesetzliche Haftpflichtversicherung des Fahrzeugs (§ 7 StVG) deckt Schäden, die Insassen als Mitfahrer erleiden – unabhängig von einem Mitverschulden, sofern keine grobe Fahrlässigkeit, etwa Mutwilligkeit, des Insassen vorliegt. Schäden, die durch einen nicht sachgerecht angeschnallten Insassen erhöht werden (Mitverschulden), können zu einer Kürzung der Ansprüche führen. Eigene Ansprüche gegen den Fahrer bestehen selbst dann, wenn dieser den Unfall allein verursacht hat, es sei denn, der Insasse erkennt und billigt den gefährlichen Fahrstil ausdrücklich (Haftungsausschluss ist jedoch selten wirksam).
Dürfen Insassen während der Fahrt Alkohol trinken?
Das Gesetz enthält kein generelles Verbot für Insassen, während der Fahrt Alkohol zu konsumieren. Allerdings dürfen sie den Fahrer nicht ablenken oder zum Trinken animieren, da ansonsten eine Beihilfe zu einer Ordnungswidrigkeit oder Straftat vorliegen kann. Bei Fahrzeugen, in denen der Fahrer auf die Nüchternheit der Mitfahrer achten muss (Fahrerlaubnisausbildung, Personenbeförderung im gewerblichen Bereich), können Sonderregelungen bestehen (§ 21 Abs. 1 PBefG, Berufskraftfahrer-Qualifikationsgesetz). Weiterhin kann das Trinken durch Insassen, insbesondere in Bussen, durch Hausrecht des Beförderers untersagt werden.
Welche Datenschutzrechte besitzen Insassen bei Dashcam- und Videoaufzeichnungen?
Insassen haben ein Recht am eigenen Bild und auf informationelle Selbstbestimmung (§ 22 KUG, Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG, DSGVO). Werden sie im Innenraum des Fahrzeugs durch Video- oder Audioaufnahmen aufgenommen (z. B. Dashcams mit Innenraumüberwachung), ist dies grundsätzlich nur mit deren Einwilligung zulässig. Auch private Aufnahmen, die etwa über Messaging-Dienste weitergeleitet werden, bedürfen ebenfalls der Einwilligung. Heimliche Videoaufzeichnungen sind nur in Ausnahmefällen, etwa bei schwerwiegendem Verdacht auf Straftaten, zulässig (§ 201 StGB).
Besteht für Insassen eine Anschnallpflicht?
Gemäß § 21a Abs. 1 StVO besteht für alle Insassen eine verpflichtende Anschnallpflicht, wenn das Fahrzeug mit Sicherheitsgurten ausgerüstet ist und keine Ausnahme wie medizinische Indikation oder kurzfristige Fahrtrichtungswechsel vorliegt. Für Kinder gibt es zudem besondere Vorschriften hinsichtlich Kindersitzen und Rückhalteeinrichtungen (§ 21 Abs. 1a StVO). Verstöße können mit Bußgeldern belegt werden, wobei mit zunehmendem (eigenen) Mitverschulden die Ersatzansprüche bei Unfällen gekürzt werden können (§ 254 BGB).
Kann ein Insasse als Halter oder Fahrer belangt werden?
Insassen werden nur dann als Fahrzeughalter oder -führer belangt, wenn ihnen nachgewiesen werden kann, dass sie tatsächlich das Fahrzeug geführt oder als Halter zugelassen haben (§ 7 StVG, § 24 StVG). Die bloße Anwesenheit im Fahrzeug bringt keine Halter- oder Fahrerhaftung mit sich. Bei bestimmten Konstellationen, in denen die Tat nicht klar zugeordnet werden kann, muss für eine Sanktionierung als Fahrer eine eindeutige Identifikation vorliegen (z. B. durch Foto oder Zeugenaussage). Die Haltereigenschaft wird allein aus den Fahrzeugpapieren bzw. der Anmeldung beim Kraftfahrt-Bundesamt festgestellt.