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Innungskrankenkasse


Begriff und rechtliche Einordnung der Innungskrankenkasse

Die Innungskrankenkasse (IKK) ist eine besondere Form der gesetzlichen Krankenversicherung in Deutschland. Sie gehört zum Kreis der gesetzlichen Krankenkassen und bietet Versicherten Leistungen nach dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch (SGB V). Die IKKn sind traditionell betriebsbezogene Körperschaften des öffentlichen Rechts, die im Sinne des Solidarprinzips den gesetzlichen Krankenversicherungsschutz gewährleisten.

Historische Entwicklung der Innungskrankenkassen

Die Ursprünge der Innungskrankenkassen gehen auf das ausgehende 19. Jahrhundert zurück. Sie wurden zunächst als Selbsthilfeeinrichtungen von Handwerksinnungen gegründet. Ziel war, den Mitgliedern der jeweiligen Innungen sowie deren Arbeitnehmern einen umfassenden Gesundheitsschutz zu bieten. Mit Inkrafttreten des Reichsversicherungsordnung (RVO) im Jahr 1911 erhielten Innungskrankenkassen eine feste gesetzliche Grundlage.

Im Zuge der Gesundheitsreformen und dem GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz von 2007 wurden viele kleinere Innungskrankenkassen aufgelöst oder auf größere fusioniert. Dennoch bestehen weiterhin eigenständige IKKn innerhalb des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung.

Rechtliche Grundlagen der Innungskrankenkassen

Körperschaft des öffentlichen Rechts

Innungskrankenkassen sind rechtsfähige Körperschaften des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung. Die Rechtsgrundlage bildet insbesondere das SGB V sowie ergänzende landesrechtliche Vorschriften.

Selbstverwaltung und Organstruktur

Die IKKn werden durch ein Selbstverwaltungsgremium, meist bestehend aus Verwaltungsrat und Vorstand, gelenkt. Diese Organe sind demokratisch legitimiert; Mitglieder vertretende Arbeitnehmer und Arbeitgeber wählen die Gremien in regelmäßigen Abständen. Die Aufgaben umfassen die Satzungsgebung, Haushaltsführung und die Umsetzung der gesetzlichen Aufgaben.

Zulassung und Aufsicht

Zulassung

Die Zulassung der Innungskrankenkassen erfolgt nach § 144 SGB V durch die zuständige Aufsichtsbehörde. Zulassungsvoraussetzungen sind insbesondere eine ausreichende Anzahl von Mitgliedern und die Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Geschäftsführung.

Aufsicht

Innungskrankenkassen unterliegen der Rechtsaufsicht des Bundesamtes für Soziale Sicherung (BAS), soweit sie bundesweit tätig sind, oder der entsprechenden Landesbehörden bei regionaler Beschränkung. Die Aufsicht umfasst die Überwachung der Einhaltung gesetzlicher Pflichten, der Wirtschaftlichkeit und der Satzungskonformität.

Mitgliederkreis und Zuständigkeit

Mitgliedschaft

Nach § 173 SGB V können Arbeitnehmer bestimmter Gewerbezweige Mitglieder einer IKK werden. Die Zugehörigkeit ergibt sich traditionell aus dem Handwerksbereich und wird teilweise auch auf Familienangehörige und bestimmte Personengruppen ausgedehnt. Die Innungskrankenkassen öffnen sich heute im Zuge der Wettbewerbsreformen auch für Mitglieder ohne direkte Bindung zu einer Innung.

Zuständigkeit und Wahlrecht

Versicherte haben gemäß Wahlfreiheit nach § 175 SGB V die Möglichkeit, frei zwischen den verschiedenen gesetzlichen Krankenkassen – somit auch einer IKK – zu wechseln. Die IKK ist verpflichtet, alle Aufnahmeanträge im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen anzunehmen, soweit keine Ausschlussgründe (z. B. fehlender Bezug zum Versichertenkreis) bestehen.

Aufgaben und Leistungen

Grundsätzliche Aufgaben

Die Aufgaben der Innungskrankenkassen ergeben sich aus § 27 ff. SGB V, wozu insbesondere zählen:

Gewährung von Krankenbehandlung (ambulant und stationär)
Krankengeldzahlung
Präventionsmaßnahmen und Rehabilitationsleistungen
Teilnahme an integrierten Versorgungsmodellen
* Verwaltung der Beitragszahlungen

Zusatzleistungen und Satzungsleistungen

IKKn können über die gesetzlich vorgeschriebenen Leistungen hinaus zusätzliche satzungsgemäße Leistungen anbieten. Dies umfasst zum Beispiel erweiterte Vorsorge- oder Bonusprogramme. Die Leistungsgewährung richtet sich jedoch stets nach den Vorgaben des SGB V sowie der jeweiligen Kassensatzung.

Finanzierung der Innungskrankenkassen

Beitragserhebung

Die Finanzierung erfolgt über Beiträge von Mitgliedern und Arbeitgebern, deren Höhe sich nach allgemeinen Beitragssätzen der gesetzlichen Krankenversicherung und gegebenenfalls kassenindividuellen Zusatzbeiträgen richtet. Grundlage hierfür ist die sozialversicherungspflichtige Bruttoentlohnung.

Risikostrukturausgleich

IKKn sind Teil des Gesundheitsfonds und des morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs (§ 265 SGB V). Damit wird eine solidarische Mittelverteilung zwischen allen gesetzlichen Krankenkassen gewährleistet, um unterschiedliche Versichertenstrukturen und Risiken auszugleichen.

Fusionen, Schließungen und Rechtsfolgen

Fusion

Eine Fusion von Innungskrankenkassen ist gemäß § 144a SGB V unter Einhaltung regulatorischer Vorgaben zulässig. Die Fusion muss von den jeweiligen Verwaltungsräten beschlossen und durch die zuständige Aufsichtsbehörde genehmigt werden.

Schließung und Abwicklung

Im Falle einer Schließung einer Innungskrankenkasse, etwa aufgrund von Insolvenz oder behördlicher Anordnung, werden die Versicherten durch eine gesetzliche Nachfolgeregelung (§ 164 SGB V) einer anderen gesetzlichen Krankenkasse zugewiesen. Die Versichertenrechte bleiben dabei gewahrt, bestehende Leistungsansprüche bleiben in der Regel erhalten.

Besondere Rechtsverhältnisse und Haftung

Rechtsverhältnis zur Innung

Die Beziehung zu den Trägerinnungen und dem Handwerk bleibt, trotz Öffnung für weitere Versichertengruppen, prägend. Satzungsänderungen und Fusionen bedürfen aufgrund der historischen Verflechtungen teilweise der Zustimmung der entsprechenden Innungen.

Haftung

IKKn haften im Rahmen der §§ 839, 34 GG für Amtspflichtverletzungen und Fehlverhalten ihrer Organe prinzipiell wie andere Körperschaften des öffentlichen Rechts.

Zusammenfassung

Die Innungskrankenkasse ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, die Versicherten im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung Leistungen gemäß SGB V bietet und sich durch ihre historische Handwerksbindung auszeichnet. Die Aufgaben, Rechte und Pflichten der IKK ergeben sich aus einer Vielzahl von gesetzlichen Regelungen, wobei zentral die Mitgliedschaftsrechte, Beitragserhebung, Selbstverwaltung und die staatliche Aufsicht zu nennen sind. Fusionen und Schließungen unterliegen einer klaren gesetzlichen Struktur, um die Belange der Versicherten zu schützen. Die Bedeutung der Innungskrankenkassen liegt heute sowohl im kollektiven Versicherungsschutz traditioneller Handwerksberufe als auch in der zunehmenden Öffnung für alle gesetzlich Versicherten.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Voraussetzungen müssen für eine Mitgliedschaft in einer Innungskrankenkasse erfüllt sein?

Für die Mitgliedschaft in einer Innungskrankenkasse (IKK) gelten die allgemeinen gesetzlichen Vorschriften zur Krankenversicherungspflicht nach dem Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V). Grundsätzlich sind alle Beschäftigten, Auszubildenden, Rentner und bestimmte andere Gruppen kraft Gesetzes in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) pflichtversichert, sofern sie die im SGB V festgelegte Jahresarbeitsentgeltgrenze nicht überschreiten oder nicht zu einer anderweitigen Absicherung berechtigt sind. Eine Spezialität der IKK ist, dass sie historisch an die Meister, Gesellen und Lehrlinge bestimmter Handwerksinnungen gebunden war, dieser Bezug hat jedoch durch Öffnung der IKKs für alle Versicherten heute überwiegend historischen Charakter. Jedoch bleibt die Möglichkeit, dass bestimmte regionale oder berufsständische Bindungen in den Satzungen einzelner IKKs festgelegt sind. Maßgebend für die Mitgliedschaft ist, dass eine formelle Beitrittserklärung abgegeben werden muss und keine Ausschlussgründe – wie z.B. Doppelversicherung – bestehen. Für die Wahl der IKK als Krankenkasse steht jedem gesetzlich Versicherten nach § 175 SGB V das Wahlrecht offen, sofern die jeweilige IKK im Bundesland des Wohn- oder Beschäftigungsorts zugelassen ist.

Welche gesetzlichen Bestimmungen regeln die Satzungen der Innungskrankenkassen?

Die rechtliche Grundlage für die Ausgestaltung der Satzungen von Innungskrankenkassen findet sich in § 194 SGB V sowie weiteren einschlägigen Bestimmungen des Sozialgesetzbuchs. Jede IKK ist verpflichtet, eine Satzung zu erlassen, die durch die Selbstverwaltungsorgane beschlossen wird. Die Satzung regelt insbesondere die Modalitäten der Beitragserhebung, freiwillige Zusatzleistungen im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten, Wahl- und Abstimmungsverfahren, die Zusammensetzung der Vertreterversammlungen, sowie die Rechte und Pflichten der Mitglieder. Gemäß § 87 SGB IV sind Satzungen und deren Änderungen von der zuständigen Aufsichtsbehörde – oftmals der Landesaufsichtsbehörde oder dem Bundesamt für Soziale Sicherung – zu genehmigen. Verstöße gegen zwingende gesetzliche Vorgaben führen zur Unwirksamkeit entsprechender Satzungsbestimmungen und können gerichtlich überprüft werden. Die Satzung hat für alle Versicherten der IKK verbindlichen Charakter.

Welche Rechte haben Versicherte gegenüber der Innungskrankenkasse im rechtlichen Sinne?

Versicherte haben nach dem SGB V eine Vielzahl an Individualrechten gegenüber ihrer IKK, welche insbesondere in §§ 33 ff. SGB V geregelt sind. Zu den wesentlichen gehören das Recht auf Erbringung der gesetzlich vorgeschriebenen Krankenversicherungsleistungen (z.B. ärztliche Behandlung, Arzneimittel, Krankenhausbehandlung), das Wahlrecht der Krankenkasse (§ 175 SGB V), das Recht auf Akteneinsicht und Anspruch auf rechtliches Gehör im Verwaltungsverfahren nach § 24 SGB X. Darüber hinaus bestehen Ansprüche auf Beratung, Auskunft und Unterstützung, insbesondere in Antrags- und Widerspruchsverfahren. Sollte die IKK den Antrag auf Leistungsgewährung ablehnen, muss sie dies per rechtsmittelfähigem Bescheid tun, gegen den der Versicherte Widerspruch und gegebenenfalls Klage vor dem Sozialgericht, gestützt auf die §§ 54 ff. SGG, erheben kann. Rechtsstreitigkeiten aus dem Versicherungsverhältnis mit der IKK unterliegen dem Sozialgerichtsverfahren.

Wie ist die rechtliche Stellung der Innungskrankenkassen im System der Sozialversicherung?

IKKs sind als Körperschaften des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung konstituiert (§ 4 SGB V). Sie verfügen über eigene Organe (Verwaltungsrat, Vorstand), regeln ihre inneren Angelegenheiten durch Satzung und stehen unter staatlicher Aufsicht. Im Rahmen des gegliederten Systems der gesetzlichen Krankenversicherung nehmen sie dieselbe rechtliche Stellung ein wie andere Krankenkassenarten, insbesondere Ersatzkassen und Betriebskrankenkassen, jedoch können historisch gewachsene Besonderheiten und rechtliche Sonderregelungen gemäß § 171 SGB V bestehen. Die IKK hat die Aufgabe, im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben Sach-, Dienst- und Geldleistungen an ihre Mitglieder zu erbringen. Ihre Rechtsbeziehungen zu Versicherten, Arbeitgebern, Leistungserbringern und der Aufsicht sind durch das SGB V detailliert ausgestaltet.

Welche rechtlichen Möglichkeiten bestehen bei Streitigkeiten mit der Innungskrankenkasse?

Kommt es zu rechtlichen Auseinandersetzungen mit der IKK, z.B. über Leistungsansprüche oder Beitragserhebung, stehen dem Versicherten gemäß §§ 78 ff. SGG verwaltungsrechtliche Rechtsbehelfe zur Verfügung. Gegen einen Verwaltungsakt (z.B. einen ablehnenden Leistungsbescheid) kann fristgerecht Widerspruch eingereicht werden. Wird dem Widerspruch nicht abgeholfen, ist die Klage zum zuständigen Sozialgericht möglich. Alle Verfahrensschritte sind im Sozialgerichtsgesetz sowie – im Vorfeld – im SGB X geregelt, wobei das Verfahren gerichtskostenfrei ist. Die rechtliche Beratung kann durch Sozialverbände, Rechtsanwälte oder den Sozialdienst erfolgen. Die IKK unterliegt dabei – als Teil des öffentlich-rechtlichen Verwaltungshandelns – strengen Formalien hinsichtlich Begründungs-, Anhörungs- und Mitteilungspflichten.

Unterliegen die Innungskrankenkassen der staatlichen Aufsicht, und wenn ja, in welchem Umfang?

IKKs stehen unter intensiver staatlicher Aufsicht gemäß § 87 SGB IV. Die Aufsicht obliegt, abhängig vom Tätigkeitsgebiet der Kasse, entweder der zuständigen Landesbehörde oder dem Bundesamt für Soziale Sicherung. Die Aufsichtsbehörde prüft die Rechtmäßigkeit des Handelns der IKK, insbesondere die Einhaltung gesetzlicher Bestimmungen, die Ordnungsmäßigkeit der Verwaltung, sowie die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und Beitragskalkulation. Die Genehmigungspflicht erstreckt sich auf Satzungsänderungen, Fusionen oder Erhebung von Zusatzbeiträgen. Bei Rechtsverstößen kann die Aufsichtsbehörde aufsichtsrechtliche Maßnahmen wie Weisungen, Beanstandungen bis hin zur Bestellung von Interimsorganen oder Aufhebung von rechtswidrigen Akten ergreifen.

Wie gestalten sich Datenschutz und Schweigepflicht bei Innungskrankenkassen aus rechtlicher Sicht?

Datenschutz und Verschwiegenheitspflichten unterliegen bei IKKs den Bestimmungen des SGB X, insbesondere §§ 67 ff. SGB X. Die Kassen dürfen Sozialdaten ausschließlich im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben verarbeiten und weitergeben – eine Verarbeitung zu anderen als den gesetzlich normierten Zwecken ist unzulässig. Die Weitergabe sensibler Gesundheitsdaten an Dritte setzt regelmäßig eine ausdrückliche, schriftliche Einwilligung des Betroffenen oder eine ausdrückliche gesetzliche Befugnis voraus. Zudem müssen die Kassen Datenschutzbeauftragte bestellen, den Datenschutz intern schulen und technische sowie organisatorische Maßnahmen zur Sicherstellung der Datenintegrität und -sicherheit treffen. Verstöße können aufsichtsrechtliche, zivilrechtliche oder gar strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.