Innere Gewässer: Begriff, Bedeutung und Rechtsrahmen
Innere Gewässer bezeichnen alle Gewässerbereiche, die auf der landseitigen Seite der Seegrenze eines Küstenstaates liegen. Sie umfassen insbesondere die Wasserflächen hinter der Küsten-Basislinie sowie bestimmte Bereiche von Buchten, Flussmündungen, Häfen, Kanälen und teils Seen. In inneren Gewässern übt der Küstenstaat umfassende Hoheitsgewalt aus, die sich auf Sicherheit, Ordnung, Umweltschutz, Nutzung und wirtschaftliche Aktivitäten erstreckt. Der Begriff ist völkerrechtlich geprägt und wird durch nationale Regelungen konkretisiert.
Kerndefinition
Als innere Gewässer gelten die Wasserflächen, die landwärts der maßgeblichen Küsten-Basislinie liegen. Dazu zählen zumeist Hafenbecken, die Binnenbereiche rechtlich anerkannter Buchten und die Gewässer hinter rechtmäßig gezogenen Verbindungs- oder Abschlusslinien an Flussmündungen und Meereseinschnitten. Für Binnenstaaten ohne Meeresküste wird der Begriff typischerweise nicht verwendet; dort spricht man von Binnengewässern im wasserrechtlichen Sinn.
Abgrenzung zu angrenzenden Meereszonen
Innere Gewässer sind streng vom Küstenvorland auf See zu unterscheiden: Das Territorialmeer schließt sich seewärts an die Basislinie an und unterliegt einem anderen Navigationsregime. Weiter seewärts folgen weitere Zonen (z. B. angrenzende Meereszonen und ausschließliche Wirtschaftszone), die jeweils eine abgestufte Hoheitsausübung vorsehen. In inneren Gewässern besteht keine allgemeine Durchfahrtsberechtigung fremder Schiffe, während im Territorialmeer ein spezielles Durchfahrtsregime gelten kann. Dadurch ist das Maß der staatlichen Kontrolle in inneren Gewässern am weitreichendsten.
Geografische Bezugspunkte und Bildung der Basislinie
Küstenlinie und Basislinie
Die Basislinie ist die Bezugslinie, von der aus seewärtige Zonen gemessen werden. In der Regel entspricht sie dem Verlauf der Küstenlinie bei mittlerem Niedrigwasser. Unter bestimmten geografischen Voraussetzungen können Staaten gerade Basislinien ziehen, die natürlichen Küstenunregelmäßigkeiten entlang markanter Vorsprünge verbinden. Die Fläche zwischen Küste und solcher rechtmäßig festgelegter Linie zählt zu den inneren Gewässern.
Buchten, Flussmündungen und Häfen
Gewässer innerhalb rechtlich anerkannter Buchten gelten häufig als innere Gewässer. Die rechtliche Anerkennung knüpft an Form, Tiefe und Einbuchtung sowie an die Möglichkeit an, eine abschließende Linie zu ziehen. Ähnlich verhält es sich bei Flussmündungen: Hinter einer sachgerecht gezogenen Abschlusslinie am Mündungsbereich beginnt regelmäßig der Bereich der inneren Gewässer. Hafenbecken, Anlege- und Verladebereiche, die mit dem Land verbunden und in die Küstenlinie einbezogen sind, gehören typischerweise ebenfalls zu den inneren Gewässern.
Begriffsgebrauch: Innere Gewässer versus Binnengewässer
Im Sprachgebrauch ist zwischen inneren Gewässern im seerechtlichen Sinn und Binnengewässern im wasserrechtlichen Sinn zu unterscheiden. Binnengewässer bezeichnen allgemein Flüsse, Seen und Kanäle innerhalb des Staatsgebiets. Innere Gewässer sind demgegenüber ein seerechtlicher Begriff für die landseitigen Küstengewässer. Beide können sich überschneiden, sind aber rechtlich nicht deckungsgleich.
Rechtsregime der inneren Gewässer
Souveränität und Hoheitsrechte
Der Küstenstaat übt in inneren Gewässern umfassende Gebiets- und Sachherrschaft aus. Dies umfasst die Regelung des Verkehrs, die Gefahrenabwehr, den Umwelt- und Ressourcenschutz, die Zoll- und Einreiseaufsicht sowie die Genehmigung und Überwachung von Bauwerken, Häfen, Leitungen und sonstiger Infrastruktur. Die Gesetzgebung und deren Vollzug richten sich nach nationalem Recht im Rahmen übergeordneter internationaler Verpflichtungen.
Einfahrt und Aufenthalt ausländischer Schiffe
Eine generelle Durchfahrtsberechtigung existiert in inneren Gewässern nicht. Die Einfahrt ausländischer Schiffe richtet sich nach der Entscheidungshoheit des Küstenstaats, dessen Zugangsvorgaben, Sicherheits- und Gesundheitsanforderungen sowie etwaigen völkervertraglichen Zusagen. Der Zugang zu Häfen kann an vorherige Erlaubnisse, Meldepflichten oder Bedingungen geknüpft sein. Notlagen und Gefahrenabwehr werden nach den einschlägigen Regeln behandelt, ohne dass daraus eine allgemeine Einfahrtsfreiheit folgt.
Besondere Schiffskategorien
Handelsschiffe unterliegen in inneren Gewässern den allgemein geltenden Hafen- und Sicherheitsordnungen des Küstenstaats. Staatliche Schiffe, einschließlich Kriegsschiffen, genießen völkerrechtliche Immunitäten, unterliegen jedoch in der Einfahrt und im Aufenthalt den Bedingungen und dem Einverständnis des Küstenstaats. Ein eigenständiges Durchfahrtsregime, wie es seewärts gelten kann, findet in inneren Gewässern grundsätzlich keine Anwendung.
Vollzug, Sicherheit und Umweltschutz
Der Küstenstaat kann in inneren Gewässern polizeiliche, sicherheitsrechtliche und verwaltungsrechtliche Maßnahmen ergreifen, etwa zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, zum Schutz von Leben und Umwelt sowie zur Verhütung und Verfolgung von Verstößen. Dazu zählen Kontrollen im Bereich Zoll, Einreise, Gesundheit, Gefahrenabwehr, Gewässerverunreinigung und Hafenbetrieb einschließlich Inspektionen von Schiffen nach nationalen und international anerkannten Standards.
Internationale Bezüge und Sonderfälle
Historische Gewässer
Teile von Gewässern können als historische Gewässer anerkannt werden, wenn ein Staat über längere Zeit eine entsprechende Herrschaftsausübung ausgeübt hat und diese international berücksichtigt wird. In solchen Fällen können Bereiche als innere Gewässer gelten, die geografisch ansonsten außerhalb lägen. Solche Ansprüche hängen von historischer Praxis und internationaler Akzeptanz ab.
Grenzgewässer und transnationale Flüsse/Seen
Stoßen Staatsgrenzen in Flüssen, Seen oder Kanälen aufeinander, ist die Zuordnung der Wasserflächen zu inneren Gewässern der beteiligten Staaten eine Frage der Grenzziehung und zwischenstaatlichen Vereinbarungen. Häufig bestehen besondere Regelungen zur Schiffbarkeit, zur Nutzung der Ressourcen und zur Verwaltung gemeinsamer Wasserflächen. Diese Koordinierung wahrt gleichlaufend die Souveränität und die praktischen Erfordernisse grenzüberschreitender Nutzung.
Küstenveränderungen und künstliche Eingriffe
Natürliche Veränderungen der Küstenlinie können die Lage der Basislinie und damit den Umfang der inneren Gewässer beeinflussen. Künstliche Maßnahmen wie Landgewinnung, Hafen- oder Küstenschutzbauten werden rechtlich differenziert behandelt. Ob und in welchem Umfang dadurch die Bezugslinien und somit die inneren Gewässer verschoben werden, richtet sich nach anerkannten seerechtlichen Grundsätzen und der einschlägigen Staatspraxis.
Wirtschaftliche Nutzung und Genehmigungsordnungen
Häfen, Infrastruktur und Verkehr
Häfen, Werften, Terminals, Lotsenwesen und Verkehrsleitsysteme liegen in der Regel in inneren Gewässern. Bau, Betrieb und Nutzung unterliegen nationalen Erlaubnis- und Aufsichtsregimen. Wasserbauliche Maßnahmen, Leitungen und sonstige technische Anlagen bedürfen einer rechtlichen Grundlage und Umweltprüfung im Rahmen des jeweiligen Landes- und Bundesrechts sowie der maßgeblichen internationalen Vorgaben.
Fischerei, Rohstoffe und Gewässerschutz
Die Nutzung biologischer Ressourcen, die Einleitung von Stoffen, Baggerungen, Entnahmen und sonstige Eingriffe sind in inneren Gewässern umfassend reguliert. Zuständig sind die nationalen Behörden, die Schutzgebiete ausweisen, Fang- und Nutzungskontingente festlegen, Emissionen begrenzen und Überwachungs- sowie Sanktionsinstrumente anwenden. Internationale Standards wirken dabei als Mindest- oder Koordinierungsmaßstab.
Verhältnis zu anderen Rechtsgebieten
Zoll-, Steuer- und Gesundheitsaufsicht
Innere Gewässer sind Teil des Staatsgebiets. Daher gelten dort die nationalen Abgaben-, Zoll- und Verbrauchsteuervorschriften sowie die Gesundheitsaufsicht, etwa im Rahmen von Quarantäne- und Meldepflichten. Hafenstaatliche Kontrollrechte dienen der Einhaltung einschlägiger Sicherheits-, Umwelt- und Arbeitsnormen an Bord anlaufender Schiffe.
Gerichtsbarkeit an Bord fremder Schiffe
In den inneren Gewässern kann der Küstenstaat seine Straf- und Zivilgerichtsbarkeit grundsätzlich ausüben. Zugleich wird vielfach berücksichtigt, dass sich gewisse innerbetriebliche Vorgänge an Bord unter Flaggenstaatsbezug abspielen. Die Ausübung staatlicher Befugnisse richtet sich nach dem Ausmaß der Berührung inländischer Rechtsgüter, der öffentlichen Ordnung und der zwischenstaatlichen Gepflogenheiten. Immunitäten staatlicher Schiffe bleiben hiervon unberührt.
Häufig gestellte Fragen
Was zählt rechtlich zu inneren Gewässern?
Rechtlich zählen alle Gewässer landwärts der maßgeblichen Küsten-Basislinie zu den inneren Gewässern. Dazu gehören in der Regel Hafenbecken, die Binnenbereiche rechtlich anerkannter Buchten, Gewässer hinter Abschlusslinien an Flussmündungen sowie bestimmte an die Küste angeschlossene Wasserflächen.
Worin unterscheidet sich das Regime der inneren Gewässer vom Territorialmeer?
In inneren Gewässern übt der Küstenstaat umfassende Hoheitsgewalt ohne eine allgemeine Durchfahrtsberechtigung fremder Schiffe aus. Im Territorialmeer besteht demgegenüber ein besonderes Durchfahrtsregime, das eine eingeschränkte, rechtlich definierte Passage erlauben kann.
Dürfen ausländische Schiffe ohne Erlaubnis in innere Gewässer einfahren?
Eine allgemeine Einfahrts- oder Durchfahrtsfreiheit besteht in inneren Gewässern grundsätzlich nicht. Der Zugang richtet sich nach der Entscheidungshoheit des Küstenstaats, dessen Zugangsvorgaben und etwaigen völkervertraglichen Zusagen.
Gelten besondere Regeln für Kriegsschiffe in inneren Gewässern?
Kriegsschiffe genießen völkerrechtliche Immunitäten, sind für Einfahrt und Aufenthalt in inneren Gewässern jedoch auf das Einverständnis des Küstenstaats angewiesen. Ohne Zustimmung besteht kein Anspruch auf Zugang.
Wie werden Buchten und Flussmündungen rechtlich eingeordnet?
Sind Buchten und Flussmündungen nach anerkannten Kriterien abgrenzbar und lässt sich eine rechtmäßige Abschlusslinie ziehen, gelten die dahinter liegenden Wasserflächen als innere Gewässer. Maßgeblich sind Form, Tiefe und die Möglichkeit einer sachgerechten Einbeziehung in die Basislinie.
Welche Behördenzuständigkeiten bestehen in inneren Gewässern?
In inneren Gewässern greifen die Zuständigkeiten des Küstenstaats für Sicherheit, Ordnung, Umwelt- und Ressourcenschutz sowie Zoll-, Einreise- und Gesundheitsaufsicht. Hafenstaatliche Kontrollen und administrative Genehmigungs- und Überwachungsverfahren finden dort umfassend Anwendung.
Verändert sich der Umfang innerer Gewässer bei Küstenverlagerungen?
Natürliche Veränderungen der Küstenlinie können den Verlauf der Basislinie beeinflussen und damit den Umfang der inneren Gewässer verändern. Künstliche Eingriffe werden rechtlich differenziert behandelt; ihre Auswirkungen richten sich nach anerkannten seerechtlichen Grundsätzen und der jeweiligen Staatspraxis.