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Infrastrukturgesellschaft Verkehr


Infrastrukturgesellschaft Verkehr

Die Infrastrukturgesellschaft Verkehr ist eine im öffentlichen Recht verankerte Organisation in der Bundesrepublik Deutschland, deren zentrale Aufgabe die Planung, der Bau, die Instandhaltung, der Betrieb sowie die Verwaltung von Verkehrsinfrastrukturen ist. Mit Gründung und sukzessiver Ausgestaltung der Infrastrukturgesellschaft Verkehr wurde das bisher föderal und vielfältig organisierte System der Verkehrswegeverwaltung maßgeblich reformiert. Der folgende Artikel bietet eine umfangreiche Darstellung der rechtlichen Grundlagen, Aufgabenbereiche sowie der inneren und äußeren Organisation dieser bedeutenden Institution im deutschen Verkehrsrecht.


Rechtliche Grundlagen

Gesetzliche Verankerung

Die rechtliche Grundlage der Infrastrukturgesellschaft Verkehr bildet das Gesetz zur Gründung einer Infrastrukturgesellschaft für Autobahnen und andere Bundesfernstraßen (Infrastrukturgesellschaftserrichtungsgesetz – InfrGG), das am 14. August 2017 in Kraft getreten ist. Kern dieses Gesetzes ist die Übertragung von Aufgaben des Bundes im Bereich der Verkehrsinfrastruktur auf eine privatrechtlich organisierte, aber in Staatsbesitz befindliche Gesellschaft.

Weitere einschlägige Rechtsvorschriften

Neben dem InfrGG bestimmen zahlreiche weitere Rechtsnormen die Tätigkeit und Organisation der Infrastrukturgesellschaft Verkehr, insbesondere:

  • das Grundgesetz (GG), insbesondere Art. 90 Abs. 2 GG,
  • das Bundesfernstraßengesetz (FStrG)
  • das Haushaltsgrundsätzegesetz (HGrG),
  • das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB),
  • das Straßenverkehrsgesetz (StVG),
  • das Personenbeförderungsgesetz (PBefG).

Diese Gesetze und Verordnungen definieren die verfassungsrechtlichen Rahmenbedingungen, die Finanzierung, das Vergabewesen sowie weitere organisatorische und betriebliche Aspekte.


Aufgaben und Zuständigkeiten

Übertragung von Aufgaben

Die Hauptaufgaben der Infrastrukturgesellschaft Verkehr umfassen die Planung, Bau, Betrieb, Unterhaltung, Erhaltung und Finanzierung der Bundesfernstraßen. Die Gesellschaft übernimmt diese Aufgaben vom Bund beziehungsweise den Ländern (je nach abgeschlossener Verwaltungsvereinbarung) und zentralisiert so die Verantwortung im Bereich der Verkehrsinfrastrukturverwaltung.

Bereichsspezifische Zuständigkeit

Die Zuständigkeit der Infrastrukturgesellschaft erstreckt sich im Wesentlichen auf die Bundesautobahnen und Bundesstraßen. Die Aufgabenübertragung bezieht sich auf:

  • Planung und Durchführung von Neu- sowie Ausbaumaßnahmen
  • Unterhaltung, Instandsetzung und Sanierung bestehender Verkehrswege
  • Verwaltung und Betrieb der bundesweiten Fernstraßeninfrastruktur
  • Finanz-, Rechnungs- und Kostenmanagement
  • Kontrolle und Steuerung von öffentlich-privaten Partnerschaften (ÖPP) im Infrastrukturbereich

Gesellschaftsrechtliche Struktur

Organisationsform

Die Infrastrukturgesellschaft Verkehr ist als Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) ausgestaltet. Der Bund ist alleiniger Gesellschafter. Mit dieser Gesellschaftsform wird ein flexibleres, betriebswirtschaftlich geprägtes Handeln ermöglicht, ohne dass die Kontrolle durch staatliche Stellen aufgegeben wird.

Kontrolle und Aufsicht

Die Gesellschaft unterliegt umfassender rechtlicher und finanzieller Kontrolle:

  • Bundesaufsicht: Der Bund übt die umfassende Rechts- und Fachaufsicht durch das zuständige Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) aus.
  • Rechnungsprüfung: Der Bundesrechnungshof ist befugt, Prüfungen vorzunehmen und die Recht- und Zweckmäßigkeit der Verwendung öffentlicher Mittel zu kontrollieren (§ 53 HGrG).
  • Haushaltsrecht: Die Finanzierung wird im Bundeshaushalt veranschlagt, und es gilt das Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit.

Finanzierungs- und Vergaberecht

Haushalts- und Finanzierungsmechanismus

Die Finanzmittel der Infrastrukturgesellschaft Verkehr stammen aus dem Bundeshaushalt, insbesondere aus zweckgebundenen Haushaltsmitteln sowie Einnahmen aus Bundesfernstraßenmaut. Die Zuweisung erfolgt im Wege von Leistungs- und Finanzierungsvereinbarungen mit dem Bund.

Vergaberechtliche Vorgaben

Die Infrastrukturgesellschaft Verkehr ist bei der Vergabe von Bau- und Dienstleistungsaufträgen an die strenge Beachtung des Vergaberechts gebunden. Sie unterliegt hierbei den Regelungen des GWB, der Vergabeverordnung (VgV), der Sektorenverordnung (SektVO) sowie den Vorschriften der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB).

Wesentliche Prinzipien sind:

  • Transparenz,
  • Nichtdiskriminierung,
  • Wettbewerb,
  • Gleichbehandlung.

Dies dient der Sicherstellung eines fairen und effizienten Wettbewerbs um öffentliche Aufträge.


Verwaltungs- und Dienstrecht

Personalüberleitung

Mit der Gründung der Infrastrukturgesellschaft Verkehr erfolgte die Überleitung von bisherigen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern der Landesstraßenbauverwaltungen auf die neue Gesellschaft. Das entsprechende Personal übernahm Aufgaben im Rahmen eines kollektivrechtlich vereinbarten Überleitungsprozesses unter Berücksichtigung arbeits- und tarifrechtlicher Vorschriften.

Mitbestimmung

Die Gesellschaft unterliegt dem Mitbestimmungsgesetz, sodass Arbeitnehmervertretungen (Betriebsräte, Gesamtbetriebsrat) gebildet werden und an zentralen Entscheidungen mitwirken.


Bedeutung und Zielsetzung der Rechtsform

Die zentrale Zielsetzung der rechtlichen Neuordnung durch die Schaffung der Infrastrukturgesellschaft Verkehr besteht darin, die Planung, Finanzierung und Errichtung der Bundesfernstraßen unabhängig von föderalen Strukturen effizienter, wirtschaftlicher und bundeseinheitlicher zu gestalten. Hierdurch sollen große Infrastrukturprojekte künftig schneller realisiert, Engpässe und regionale Ungleichheiten abgebaut sowie eine größere Transparenz bei der Mittelverwendung gesichert werden.


Rechtsbeziehungen zu Dritten

Öffentlich-Private Partnerschaften

Die Infrastrukturgesellschaft ist befugt, zur Erfüllung ihrer Aufgaben Verträge mit privaten Unternehmen zu schließen. Im Bereich sogenannter ÖPP-Modelle werden insbesondere Bau, Instandhaltung und Betrieb von Teilstücken der Verkehrswege auf private Partner ausgelagert, wobei die gesellschaftsrechtliche, vergabe- und wettbewerbsrechtliche Kontrolle weiterhin gewahrt bleibt.

Haftungsfragen

In ihrer Funktion als Betreiberin der Verkehrsinfrastruktur kann die Gesellschaft für Schäden, die aus mangelhafter Planung, fehlerhafter Bauausführung oder unzureichender Unterhaltung entstehen, haftbar gemacht werden. Die detaillierte Haftungsregelung erfolgt nach Maßgabe des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), insbesondere § 823 BGB (Verkehrssicherungspflicht).


Literatur und Weblinks


Zusammenfassung:
Die Infrastrukturgesellschaft Verkehr stellt eine Schlüsselrolle bei der Planung, Realisierung und dem Betrieb der Bundesverkehrsinfrastruktur dar. Die umfassende gesetzliche Regelung und Kontrolle ermöglichen eine effektive, wirtschaftliche und rechtssichere Umsetzung der von ihr übernommenen Aufgaben im Bereich der Verkehrswege. Damit leistet sie einen grundlegenden Beitrag für den Erhalt und die Weiterentwicklung der Mobilität und Verkehrsinfrastruktur in Deutschland.

Häufig gestellte Fragen

Wer ist für die rechtliche Überwachung der Infrastrukturgesellschaft Verkehr zuständig?

Für die rechtliche Überwachung der Infrastrukturgesellschaft Verkehr ist primär das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) verantwortlich, das als oberste Fachaufsichtsbehörde fungiert. Das BMDV achtet darauf, dass die Gesellschaft alle relevanten gesetzlichen Vorschriften, insbesondere aus dem Infrastrukturgesellschaftserrichtungsgesetz (InfrGG), dem Haushaltsrecht sowie den Vorgaben aus dem EU-Beihilferecht beachtet. Zusätzlich bestehen Kontrollpflichten seitens des Bundesrechnungshofes, der die Haushalts- und Wirtschaftsführung nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung unabhängig prüft. Die interne Revision der Gesellschaft sowie externe Wirtschaftsprüfer nehmen ergänzend Überwachungs- und Prüfaufgaben wahr, um Compliance mit den rechtlichen Rahmenbedingungen sicherzustellen. Verstöße gegen rechtliche Vorgaben können aufsichtsrechtliche Maßnahmen bis hin zu disziplinarrechtlichen oder strafrechtlichen Ermittlungen nach sich ziehen.

Welche rechtlichen Rahmenbedingungen bestimmen die Vergabe öffentlicher Aufträge durch die Infrastrukturgesellschaft Verkehr?

Die Vergabe öffentlicher Aufträge durch die Infrastrukturgesellschaft Verkehr unterliegt strengen rechtlichen Anforderungen, insbesondere dem Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), der Vergabeverordnung (VgV) sowie sektorspezifisch der Sektorenverordnung (SektVO), sofern es sich um Aufträge im Bereich Verkehrsinfrastruktur handelt. Darüber hinaus sind die EU-Vergaberichtlinien maßgebend, wodurch insbesondere Transparenz-, Gleichbehandlungs- und Nichtdiskriminierungsgebote eingehalten werden müssen. Die Gesellschaft ist verpflichtet, sämtliche Vergabeverfahren dokumentiert und nachprüfbar abzuwickeln. Fehler bei der Einhaltung dieser Regularien können zu Nachprüfungsverfahren vor den Vergabekammern und den Oberlandesgerichten sowie zu Schadensersatzforderungen führen.

Inwieweit unterliegt die Infrastrukturgesellschaft Verkehr der parlamentarischen Kontrolle?

Die Infrastrukturgesellschaft Verkehr ist aufgrund ihrer Eigenschaft als bundeseigene Gesellschaft dem Haushalts- und Kontrollrecht des Deutschen Bundestages unterworfen. Insbesondere durch die jährliche Einbringung und Bewilligung des Wirtschaftsplans wird eine parlamentarische Kontrolle sichergestellt. Der Bundestag hat zudem das Recht auf umfassende Auskunftserteilung durch das zuständige Bundesministerium und kann Untersuchungsausschüsse einrichten, um eventuelle Missstände oder Unregelmäßigkeiten zu untersuchen. Ferner kann der Haushaltsausschuss spezifische Prüfungen anstoßen und erhält die Berichte des Bundesrechnungshofes zur Prüfung und weiteren Behandlung.

Welche Haftungsregelungen bestehen für die Infrastrukturgesellschaft Verkehr?

Die Infrastrukturgesellschaft Verkehr haftet grundsätzlich im Rahmen des allgemeinen Zivilrechts, insbesondere nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Im öffentlich-rechtlichen Bereich können daneben spezielle Haftungstatbestände, beispielsweise aus dem Straßenrecht oder dem Umweltschutzrecht, relevant werden. Geschäftsführer und Organe der Gesellschaft haften zudem bei Pflichtverletzungen im Sinne des Aktiengesetzes (AktG) oder des GmbH-Gesetzes (GmbHG) im Innenverhältnis, also gegenüber der Gesellschaft selbst. Im Außenverhältnis haftet die Gesellschaft für Schäden, die Dritten durch fehlerhafte Ausübung ihrer Aufgaben entstehen, etwa infolge mangelhafter Bauwerksunterhaltung oder Verkehrssicherungspflichtverletzungen. In Einzelfällen kann auch eine Amtshaftung nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG greifen, sofern eine Zuordnung zum Staat erfolgt.

Wie erfolgt die rechtliche Steuerung von Kooperationen und Verträgen mit privaten Dritten bei Projekten der Infrastrukturgesellschaft Verkehr?

Kooperationen und Verträge mit privaten Dritten, etwa im Rahmen von Öffentlich-Privaten Partnerschaften (ÖPP), werden durch zivilrechtliche Verträge geregelt, wobei zwingende vergabe-, haushalts- und beihilferechtliche Vorgaben zu beachten sind. Die Verträge müssen neben der klaren Aufgabenabgrenzung detaillierte Regelungen zur Risikoverteilung, Leistungsbeschreibung, Vergütung und ggf. Sicherheiten enthalten. Besonderes Augenmerk gilt dem EU-Beihilferecht, um eine unzulässige Vorteilsgewährung zu vermeiden. Zustimmungs- und Mitwirkungsrechte des Bundesministeriums sowie ggf. weiterer Behörden sind einzubauen. Die Verträge können durch spezielle Schiedsvereinbarungen ergänzt werden, sofern dies vergaberechtlich zulässig ist.

Gibt es Besonderheiten im Arbeitsrecht bei der Infrastrukturgesellschaft Verkehr?

Als bundeseigene Gesellschaft wendet die Infrastrukturgesellschaft Verkehr überwiegend das Tarifrecht des öffentlichen Dienstes an, meist den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD). Es gelten darüber hinaus Bestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) sowie Mitbestimmungs- und Beteiligungsrechte der Personalvertretungen. Bei Betriebsübergängen, wie z.B. dem Übergang von Aufgaben und Personal vom Bund oder von Landesbehörden zur Gesellschaft, greifen die speziellen Regelungen der §§ 613a BGB sowie die Vorschriften zum Schutz von Arbeitnehmerrechten aus dem Umwandlungsgesetz (UmwG). Betriebliche Mitbestimmungsstrukturen werden durch Satzung sowie interne Richtlinien bestimmt und unterliegen der Kontrolle durch die zuständigen Arbeitsgerichte.

Wie wird die Einhaltung von Umwelt- und Planungsrecht durch die Infrastrukturgesellschaft Verkehr sichergestellt?

Die Infrastrukturgesellschaft Verkehr ist bei Planung und Bau von Verkehrsinfrastruktur zwingend an das Umweltrecht (etwa Bundes-Immissionsschutzgesetz, Wasserhaushaltsgesetz, Naturschutzrecht) sowie das Planungsrecht (insbesondere das Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetz und das Baugesetzbuch) gebunden. Für Großvorhaben bedarf es einer Umweltverträglichkeitsprüfung gemäß UVPG. Die Einhaltung der Vorschriften wird durch die Genehmigungsbehörden (z. B. Landes- bzw. Bundesverwaltungen) überwacht. Verstöße gegen diese Regelwerke können nicht nur die Nichtigerklärung einer Planung, sondern auch straf- und bußgeldrechtliche Konsequenzen zur Folge haben. Im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens werden betroffene Bürger und Verbände beteiligt, was auch den Rechtsschutz durch Verwaltungsgerichte eröffnet.