Legal Lexikon

Indikation


Indikation – Begriff und rechtliche Bedeutung

Die Indikation ist ein zentraler Begriff im Rechtswesen, der insbesondere im Medizinrecht, aber auch in anderen Bereichen des öffentlichen und privaten Rechts von großer Relevanz ist. Im rechtlichen Kontext beschreibt die Indikation die sachliche Rechtfertigung einer bestimmten Handlung oder Maßnahme unter Berücksichtigung der maßgeblichen gesetzlichen und substanziellen Voraussetzungen. Eine korrekte Indikation ist häufig Voraussetzung für die rechtmäßige Ausübung von Handlungen, welche sonst einen rechtswidrigen Eingriff darstellen würden.


Begriffserklärung und Abgrenzung

Definition im rechtlichen Kontext

Die Indikation (lateinisch „indicatio“ = Anzeige, Hinweis) bezeichnet die durch objektive Kriterien gestützte Notwendigkeit einer bestimmten Maßnahme aus rechtlicher Sicht, wobei im Regelfall eine sachliche oder medizinische Notwendigkeit im Vordergrund steht. In der Rechtswissenschaft unterscheidet man im Wesentlichen zwischen der medizinischen Indikation und anderen Formen der sachlichen Begründung, beispielsweise in der Psychiatrie, im Strafrecht oder im öffentlichen Gefahrenabwehrrecht.

Abgrenzung zu verwandten Begriffen

Von der Indikation ist die Einwilligung zu unterscheiden. Während die Indikation die sachliche Rechtfertigung für eine Maßnahme begründet, stellt die Einwilligung die individuelle Zustimmung eines Betroffenen dar, etwa eines Patienten. Beide sind gemeinsame Voraussetzungen für die Rechtmäßigkeit bestimmter Eingriffe, beispielsweise medizinischer Behandlungen.


Indikation im Medizinrecht

Rechtliche Bedeutung der medizinischen Indikation

Im deutschen Medizinrecht ist die Indikation zentrales Element der Rechtmäßigkeit medizinischer Eingriffe. Nach § 630a BGB besteht für jede medizinische Maßnahme die Notwendigkeit einer medizinischen Indikation. Diese beschreibt die durch den aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft begründete Erforderlichkeit der Maßnahme zum Zwecke der Diagnose, Therapie oder Prävention.

Fehlt diese Indikation, ist ein medizinischer Eingriff unabhängig von einer eventuell vorliegenden Einwilligung des Patienten in aller Regel rechtswidrig und erfüllt möglicherweise den Tatbestand der Körperverletzung (§ 223, § 229 StGB).

Formen der medizinischen Indikation

  • Dringliche Indikation: Erfordert das sofortige Handeln (bei Lebensgefahr oder akuter Verschlechterung).
  • Relative Indikation: Maßnahme kann, muss aber nicht durchgeführt werden; Entscheidung erfolgt unter Berücksichtigung der individuellen Situation und Abwägung von Nutzen und Risiken.
  • Absolute Indikation: Maßnahme ist zwingend notwendig und alternativlos.

Rechtsprechung zur Indikation

Die höchstrichterliche Rechtsprechung (u. a. Bundesgerichtshof) befasst sich regelmäßig mit Fragen der ordnungsgemäßen Indikationsstellung, insbesondere zur Frage der wirtschaftlichen und medizinischen Vertretbarkeit von Eingriffen. Eine fehlerhafte Indikation kann zivilrechtliche Haftungsfolgen auslösen.

Indikation und Aufklärungspflicht

Die Indikation begründet nicht nur die Notwendigkeit einer Maßnahme, sondern ist auch zentraler Bestandteil der Patient:innenaufklärung. Gemäß § 630e BGB hat der oder die Behandelnde die Pflicht, Patient:innen über die bestehende Indikation, die Alternativen und die damit einhergehenden Risiken umfassend zu informieren.


Indikation im öffentlichen Recht

Anwendung im Maßregelvollzug und in der Psychiatrie

Im Bereich des Maßregelvollzugs und der gerichtlichen Unterbringung ist eine medizinische oder psychiatrische Indikation Voraussetzung für die Anordnung freiheitsentziehender Maßnahmen. Nach den jeweils anzuwendenden Landesgesetzen ist stets eine objektive Notwendigkeit zu belegen, um in die Grundrechte der Betroffenen eingreifen zu dürfen.

Indikation im Infektionsschutz

Im Rahmen des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) können Maßnahmen, die in die körperliche Unversehrtheit oder in die Freiheit der Person eingreifen, etwa Pflichtimpfungen oder Quarantäneanordnungen, ausschließlich auf Grundlage einer hinreichend belegbaren Indikation verhängt werden.


Strafrechtliche Aspekte der Indikation

Indikation und Straftatbestände

Im Strafrecht ist die Indikation ein zentrales Kriterium für die Rechtfertigung medizinischer Eingriffe im Rahmen der Notwehr (§ 32 StGB), des rechtfertigenden Notstands (§ 34 StGB) und der mutmaßlichen Einwilligung. Fehlt die Indikation, kann ein medizinischer Eingriff als Körperverletzung oder – in extremen Fällen – als Tötungsdelikt geahndet werden.


Dokumentation und Beweislast

Bedeutung der Indikationsdokumentation

Im Hinblick auf Haftungsrisiken ist die Dokumentation der Indikationsstellung von zentraler Bedeutung. Nach § 630f BGB sind alle wesentlichen Maßnahmen, deren Grund und Entscheidungsprozesse sorgfältig und nachvollziehbar zu dokumentieren.

Umkehr der Beweislast

Bei Streitigkeiten über das Vorliegen einer Indikation kann im Zivilprozess eine Umkehr der Beweislast erfolgen, sofern grobe Behandlungsfehler oder eine unvollständige Dokumentation festgestellt werden.


Medizinprodukte- und Arzneimittelrecht

Indikation und Zulassung

Im Arzneimittel- und Medizinprodukterecht versteht man unter Indikation das vom Hersteller beantragte und behördlich zugelassene Anwendungsgebiet eines Präparates. Hier ist die Indikation rechtlich eng an die Zweckbestimmung und die Werbeerlaubnis des jeweiligen Produktes gebunden.


Ethik und Recht: Die Grenzen der Indikation

Sozial- und gesellschaftsrechtliche Implikationen

Die Indikation unterliegt schließlich ethischen und sozialrechtlichen Grenzen. In der Solidargemeinschaft des Sozialrechts kann beispielsweise eine fehlende medizinische Indikation zur Ablehnung der Kostenübernahme durch gesetzliche Krankenkassen führen (vgl. §§ 27, 28 SGB V).


Zusammenfassung

Die Indikation hat im deutschen Rechtssystem eine zentrale Bedeutung, insbesondere im Kontext medizinischer, sozialrechtlicher, strafrechtlicher und öffentlich-rechtlicher Vorgänge. Sie bildet die objektive Grundlage für die Rechtfertigung und Zulässigkeit von Maßnahmen, insbesondere von Eingriffen in Grundrechte oder die körperliche Unversehrtheit. Die sorgfältige und nachvollziehbare Feststellung sowie Dokumentation der Indikation sind wesentliche Voraussetzungen, um Rechtssicherheit für handelnde Akteure sowie betroffene Personen zu gewährleisten und Haftungsrisiken zu minimieren.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Anforderungen müssen Ärztinnen und Ärzte hinsichtlich der Dokumentation einer Indikation erfüllen?

Die rechtlichen Anforderungen an die Dokumentation einer Indikation sind in Deutschland insbesondere im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), im Strafgesetzbuch (StGB), in der Berufsordnung für Ärzte sowie in spezialgesetzlichen Vorschriften geregelt. Ärztinnen und Ärzte sind verpflichtet, die medizinische Indikation vor der Durchführung diagnostischer oder therapeutischer Maßnahmen nachvollziehbar und zeitnah zu dokumentieren (§ 630f BGB, § 10 der (Muster-)Berufsordnung für die deutschen Ärztinnen und Ärzte). Der Gesetzgeber sieht vor, dass die Indikationsstellung die Grundlage für die Rechtfertigung eines ärztlichen Eingriffs bildet; fehlt eine ausreichende oder dokumentierte Indikation, kann der Eingriff als tatbestandsmäßige Körperverletzung angesehen werden (§ 223 StGB), da die Einwilligung der Patientin oder des Patienten in aller Regel nur für „medizinisch indizierte“ Maßnahmen wirksam ist. Die Dokumentation muss daher den Entscheidungsprozess einschließlich der Erwägung von Alternativen akribisch nachvollziehbar machen und die Ausgangslage, die Überlegungen zu Chancen und Risiken sowie das Ergebnis der Indikationsstellung lückenlos festhalten. Dies dient nicht nur der rechtlichen Absicherung im Haftungsfall, sondern ist auch zentrale Voraussetzung für die ordnungsgemäße Patientenaufklärung; sie gewährleistet Transparenz und Nachvollziehbarkeit für Dritte – etwa im Rahmen von Gutachten oder Gerichtsverfahren.

Welche rechtlichen Folgen kann eine fehlende oder fehlerhafte Indikation im Haftungsfall haben?

Fehlt eine medizinisch-rechtlich einwandfreie Indikation oder ist diese fehlerhaft dokumentiert oder begründet, können gravierende haftungsrechtliche Konsequenzen für die Behandelnden entstehen. Juristisch betrachtet, ist ein Eingriff ohne entsprechende Indikation nicht durch eine rechtwirksame Einwilligung gedeckt, denn das Selbstbestimmungsrecht des Patienten bezieht sich nur auf medizinisch notwendige und indizierte Maßnahmen. Liegt keine ausreichende Indikationsstellung vor, besteht das Risiko, dass sich der Arzt oder die Ärztin des Vorwurfs der Körperverletzung gemäß § 223 StGB ausgesetzt sieht und sich zudem zivilrechtlichen Schadenersatz- und Schmerzensgeldforderungen (§§ 823, 253 BGB) gegenüber sieht. Eine fehlerhafte Indikationsstellung (sog. „Indikationsirrtum“) gilt als klassischer voll beherrschbarer Organisationsfehler und kann im Zivilprozess zur Beweislastumkehr führen, sodass der oder die Behandelnde nachweisen muss, dass auch bei korrekter Indikationsstellung kein anderer Verlauf eingetreten wäre. Die unterlassene oder mangelhafte Dokumentation stellt zudem einen eigenständigen Haftungsgrund dar, da nach § 630h Abs. 3 BGB im Zweifelsfall zu Lasten des Behandelnden vermutet wird, dass eine nicht dokumentierte Maßnahme auch nicht erfolgt ist.

Wer darf im rechtlichen Sinne eine Indikation aussprechen und welche Konsequenzen ergeben sich bei Missachtung der Zuständigkeit?

Die Indikationsstellung ist als höchstpersönliche ärztliche Aufgabe definiert. Das bedeutet, dass ausschließlich approbierte Ärztinnen und Ärzte die rechtliche Befugnis haben, eine Indikation auszusprechen. Dies basiert auf der gesetzlichen Regelung des Heilberufsrechts und ist in den jeweiligen Landesheilberufsgesetzen sowie in der (Muster-)Berufsordnung für Ärztinnen und Ärzte verankert. Die Delegation der Indikationsstellung an nichtärztliches Personal ist grundsätzlich nicht zulässig. Wird diese Befugnis überschritten oder missachtet – etwa indem Pflegekräfte oder medizinische Fachangestellte eigenständig Indikationen setzen – liegt ein Verstoß gegen die Vorschriften zum Schutz vor unbefugter Ausübung der Heilkunde (§ 5 HeilPrG) vor. Solche Verstöße können berufsrechtliche Maßnahmen, strafrechtliche Sanktionen und Schadensersatzforderungen nach sich ziehen, und führen darüber hinaus regelmäßig zur Unwirksamkeit der Einwilligung der Patientin beziehungsweise des Patienten in die nachfolgende Maßnahme.

Welche rechtliche Bedeutung hat die Indikation im Zusammenhang mit der Patientenaufklärung?

Die rechtliche Wirksamkeit einer Einwilligung in medizinische Maßnahmen ist untrennbar mit einer ordnungsgemäß gestellten und dokumentierten Indikation verknüpft. Gemäß § 630e BGB muss die Patientin oder der Patient nicht nur über den geplanten Eingriff, sondern insbesondere auch über die zugrunde liegende medizinische Indikation sowie etwaige Behandlungsalternativen und deren jeweilige Risiken aufgeklärt werden. Die Aufklärung ist nur dann rechtmäßig, wenn sie sich auf eine sachgerechte, wissenschaftlich fundierte Indikation stützt; andernfalls ist die Einwilligung unwirksam und eine Rechtfertigung des Eingriffs scheidet aus. Die Aufklärung über Sinn und Zweck der Maßnahme, deren medizinische Notwendigkeit und ihre Abwägung gegenüber alternativen oder abwartenden Vorgehensweisen ist ausdrücklich rechtlich geboten. Kommt die Information über die Indikation zu kurz oder ist diese fehlerhaft, können hieraus rechtliche Nachteile für den behandelnden Arzt oder die Ärztin resultieren, die im Streitfall zu Schadensersatzpflichten führen können.

Inwieweit beeinflusst die Indikationsstellung den Umgang mit dem Wirtschaftlichkeitsgebot im deutschen Gesundheitsrecht?

Die Indikationen müssen stets im Einklang mit dem Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) stehen. Dieses verlangt, dass ärztliche Maßnahmen ausreichend, zweckmäßig, notwendig und wirtschaftlich sein müssen und das Maß des Notwendigen nicht überschreiten dürfen. Eine rechtliche Indikation liegt nur dann vor, wenn die geplante medizinische Maßnahme diesen Kriterien genügt und im Kontext der Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung steht. Überschreitet eine Maßnahme den Rahmen des wirtschaftlich Gebotenen, etwa indem sie medizinisch nicht notwendig, zu aufwendig oder obsolet ist, kann keine rechtliche Indikation attestiert werden. Die Überschreitung des Wirtschaftlichkeitsgebots kann für Behandelnde in Form von Regressforderungen der Krankenkassen, Disziplinarmaßnahmen durch die Kassenärztlichen Vereinigungen und letztlich auch berufsrechtlichen Konsequenzen münden.

Wie wird die Indikationsstellung aus rechtlicher Perspektive im Falle neuer oder nicht allgemein anerkannter Behandlungsmethoden bewertet?

Wird eine neue, noch nicht allgemeingültig anerkannte Behandlungsmethode angewendet, unterliegt die Indikationsstellung strengen rechtlichen Anforderungen. Nach der Rechtsprechung (insbesondere des Bundesgerichtshofs) und den Maßgaben des Medizinproduktegesetzes sowie des SGB V dürfen solche Methoden nur im Rahmen der sog. „Experimentaltherapie“ angewendet werden, wenn keine alternativen, gesicherten Therapien verfügbar sind und die konkrete individuelle Situation der Patientin oder des Patienten eine solche Maßnahme rechtfertigt. Die Indikation muss in diesen Fällen besonders sorgfältig, evidenzbasiert und unter Berücksichtigung des aktuellen medizinischen Erkenntnisstandes sowie unter Einbeziehung von Ethikkommissionen gestellt werden. Die Patientin oder der Patient ist umfassend, explizit auch auf die experimentelle Natur der Maßnahme, die Unsicherheit des Erfolgs und mögliche unbekannte Risiken, aufzuklären (§ 630e Abs. 1 BGB). Fehlende Sorgfalt oder unzureichende Dokumentation der Indikationsstellung kann in diesen Fällen zu erheblichen haftungsrechtlichen Konsequenzen führen.

Welche besonderen rechtlichen Vorschriften gelten für die Indikationsstellung bei psychotherapeutischen und psychiatrischen Maßnahmen?

Im Bereich der Psychotherapie und Psychiatrie bestehen zusätzliche rechtliche Anforderungen hinsichtlich der Indikation. Die Aufnahme einer Behandlung erfordert eine ärztliche oder psychotherapeutische Diagnose nach den Kriterien des ICD-10 bzw. ICD-11 oder DSM-5, wobei die Indikation für eine bestimmte Therapieform (z.B. Verhaltenstherapie, Tiefenpsychologie) den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) entsprechen muss. Die rechtliche Anerkennung einer Indikation ist hier besonders relevant in Hinblick auf sozialrechtliche Abrechnungsmodalitäten und Erstattungsfähigkeit durch Krankenkassen. Fehlende oder fehlerhafte Indikationsstellung kann hier nicht nur zivil- und strafrechtliche, sondern auch sozialrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen, etwa die Rückforderung bereits ausgezahlter Honorare oder der Ausschluss von der vertragsärztlichen Versorgung. Besondere Sorgfalt erfordert zudem die Indikationsstellung im Bereich freiheitsentziehender Maßnahmen oder bei Zwangsbehandlungen, die nur unter strengen gesetzlichen Voraussetzungen (z.B. nach dem Psychisch-Kranken-Gesetz – PsychKG der Bundesländer) und gerichtlicher Genehmigung zulässig sind.