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In-vitro-Fertilisation


Begriff und Grundlagen der In-vitro-Fertilisation (IVF)

Die In-vitro-Fertilisation (IVF) bezeichnet ein medizinisches Verfahren der assistierten Reproduktion, bei dem eine Befruchtung von Eizellen außerhalb des Körpers, also „im Glas“, erfolgt. Ziel ist die Herbeiführung einer Schwangerschaft bei Paaren mit unerfülltem Kinderwunsch. Das Verfahren wird weltweit praktiziert und ist zugleich Gegenstand intensiver rechtlicher Regelungen und ethischer Diskussionen.


Rechtlicher Rahmen der In-vitro-Fertilisation in Deutschland

Gesetzliche Grundlagen

In Deutschland unterliegt die IVF strengen gesetzlichen Vorgaben, die insbesondere im Embryonenschutzgesetz (ESchG) und im Adoptionsvermittlungsgesetz (AdVermiG) geregelt sind. Weitere relevante Vorschriften ergeben sich aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), dem Gendiagnostikgesetz (GenDG) sowie berufsrechtlichen Regelungen der Ärzteschaft.

Embryonenschutzgesetz (ESchG)

Das Embryonenschutzgesetz bildet die zentrale rechtliche Grundlage für reproduktionsmedizinische Verfahren in Deutschland. Die Vorschriften normieren insbesondere:

  • Zulässigkeit und Grenzen künstlicher Befruchtung (z. B. Verbot der Leihmutterschaft, des Klonens von Embryonen)
  • Umgang mit Embryonen, u.a. hinsichtlich Zahl, Aufbewahrung, Verwendung und Vernichtung
  • Strafrechtliche Sanktionen bei Verstößen gegen die Vorschriften des Gesetzes

Das ESchG beschränkt die IVF auf Verfahren, bei denen ausschließlich die Eizellen und Spermien verheirateter, heterosexueller Paare verwendet werden. Auch die Zahl der zu befruchtenden Eizellen (i.d.R. maximal drei) sowie das Verbot der Embryonenselektion sind wesentliche Grundpfeiler des Gesetzes.

Adoptionsvermittlungsgesetz (AdVermiG) und Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)

Da nach deutschem Recht die Mutter eines Kindes jene Frau ist, die es geboren hat, ergeben sich aus IVF-Verfahren mit Samenspende und im Rahmen der Embryonenadoption auch Aspekte des Adoptions- und Kindschaftsrechts.

Rechtlicher Status von Embryonen

Das deutsche Recht erkennt dem Embryo ab der Verschmelzung von Ei- und Samenzelle einen besonderen Schutz zu. Die IVF-Praxis unterliegt daher engen Vorgaben hinsichtlich Forschung an Embryonen, Embryotransfer, Lagerung und Verwendung von „überzähligen“ Embryonen sowie deren eventueller Vernichtung.

Erlaubte und unzulässige Verfahren

  • Verstoß gegen das ESchG kann mit Freiheits- oder Geldstrafe sanktioniert werden, z.B. bei nicht zugelassenen Maßnahmen wie Leihmutterschaft, Eizellspende (in Deutschland verboten), Embryonenselektion (Präimplantationsdiagnostik nur in engen Ausnahmefällen zulässig)
  • Die Samenspende ist in Deutschland grundsätzlich zulässig, bedarf jedoch der Einhaltung detaillierter Dokumentationspflichten und Informationsrechte für das entstehende Kind

Besonderheiten und Rechtsfragen bei der In-vitro-Fertilisation

Elternschaft und Abstammung

Die Frage nach der rechtlichen Elternschaft bei IVF-Verfahren ist in Deutschland im BGB geregelt. Als Mutter gilt stets die gebärende Frau, Vater ist grundsätzlich deren Ehepartner, wenn keine gegenteiligen Nachweise oder Einwendungen vorliegen.

Samenspende und rechtliche Elternschaft

Kommt eine Samenspende zum Einsatz, entstehen insbesondere beim Schutz der Anonymität und dem Informationsanspruch des Kindes Besonderheiten:

  • Seit Inkrafttreten des Samenspenderregistergesetzes (SaRegG) besteht ein Recht des Kindes auf Kenntnis der genetischen Abstammung
  • Die rechtliche Vaterschaft des Ehemannes bleibt im Regelfall bestehen, der Samenspender hat in der Regel keine rechtlichen Verpflichtungen oder Rechte am Kind

Internationale Aspekte und grenzüberschreitende Reproduktion

Da IVF-Verfahren im Ausland häufig weniger restriktiv geregelt sind (z.B. Legalisierung der Eizellspende, der Leihmutterschaft oder Präimplantationsdiagnostik), nutzen deutsche Paare mit unerfülltem Kinderwunsch manchmal Angebote im Ausland. Dies kann zu komplexen rechtlichen Problemen bei der Anerkennung von Elternschaft und Staatsangehörigkeit führen.

Datenschutz und Dokumentationspflichten

Die Durchführung einer IVF erfordert die Erhebung, Verarbeitung und Aufbewahrung sensibler personenbezogener Daten. Das ESchG, das SaRegG sowie die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) verpflichten zur strengen Beachtung des Datenschutzes, zur umfassenden Dokumentation und zur Aufbewahrung bestimmter Daten über vorgeschriebene Zeiträume.


Medizinische Indikationen und sozialrechtliche Aspekte

Indikationen und Voraussetzungen

IVF-Verfahren dürfen in Deutschland ausschließlich bei medizinischer Indikation durchgeführt werden. Zulässig sind sie bei nachgewiesener Unfruchtbarkeit, die mit alternativen Methoden nicht behandelbar ist. Zwingend vorgeschrieben ist ein (in der Regel) ausführliches ärztliches Aufklärungsgespräch.

Kostenübernahme und gesetzliche Krankenversicherung

Die gesetzliche Krankenversicherung übernimmt unter bestimmten, streng geregelten Voraussetzungen einen Teil der Kosten der IVF-Behandlung. Hierzu zählen u. a.:

  • Altersgrenzen (i.d.R. 25 bis 40 Jahre bei Frauen, 25 bis 50 Jahre bei Männern)
  • Nachweis der medizinischen Notwendigkeit und erfolgter Aufklärung
  • Durchführung bei verheirateten heterosexuellen Paaren
  • Begrenzung auf maximal drei Behandlungszyklen

Eigenanteile und Umfang der Erstattung können je nach Krankenkasse und Bundesland variieren.


Strafrechtliche Ge- und Verbote

Die Nichteinhaltung der Vorschriften aus dem ESchG und weiteren Gesetzen stellt teilweise Straftatbestände dar. Diese reichen von Geldstrafen bis hin zu mehrjährigen Freiheitsstrafen. Strafbar ist beispielsweise die künstliche Befruchtung ohne medizinische Indikation, das Herstellen von Embryonen „auf Vorrat“, die Eizellspende sowie die Durchführung von IVF-Verfahren ohne Beachtung der Aufklärungspflichten.


Ausblick und Reformdiskussionen

Die Entwicklung in der Medizin und der gesellschaftlichen Werteordnung stellt das geltende Recht vor immer neue Herausforderungen. In Deutschland werden insbesondere die Zulässigkeit der Eizellspende, Lockerungen bei der Präimplantationsdiagnostik sowie die rechtliche Behandlung von Leihmutterschaft kontinuierlich diskutiert. Bisherige Gesetzesinitiativen spiegeln das Spannungsfeld zwischen medizinischem Fortschritt, reproduktiver Selbstbestimmung und dem verfassungsrechtlichen Schutz von Embryonen wider.


Zusammenfassung

Die In-vitro-Fertilisation ist ein komplexes medizinisches Verfahren, das in Deutschland durch ein dichtes Netz von Gesetzen geregelt ist. Die rechtlichen Aspekte betreffen u.a. den Schutz des Embryos, die Zulässigkeit und Durchführung von IVF, die Elternschaftsregelungen, Datenschutz sowie strafrechtliche Normen. Durch gesellschaftlichen Wandel und neue medizinische Möglichkeiten unterliegt der rechtliche Rahmen weiterhin einem stetigen Entwicklungsprozess.

Häufig gestellte Fragen

Wer ist in Deutschland zur In-vitro-Fertilisation berechtigt?

Nach deutschem Recht ist die In-vitro-Fertilisation (IVF) in erster Linie Ehepaaren oder festen heterosexuellen Partnerschaften vorbehalten. Die rechtliche Grundlage für die Anwendung der IVF bildet das Embryonenschutzgesetz (ESchG) sowie das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB). Demnach dürfen medizinische Maßnahmen der Fortpflanzungsmedizin nur bei Paaren vorgenommen werden, die in einer dauerhaften, auf Partnerschaft angelegten Beziehung leben. Eine Ehe ist zwar keine zwingende Voraussetzung, dennoch ist bei nicht verheirateten Paaren mitunter eine notarielle Zustimmungserklärung erforderlich, insbesondere in Hinblick auf die rechtliche Elternschaft und spätere Unterhaltsfragen. Single-Frauen und homosexuelle Paare werden durch das ESchG und berufsrechtliche Ausführungen vieler Ärztekammern oftmals von der IVF ausgeschlossen, wobei einige Bundesländer und einzelne Praxen hier unterschiedliche Regelungen handhaben. In jedem Fall müssen beide Partner vor der Behandlung umfangreich aufgeklärt werden und ihr schriftliches Einverständnis geben.

Welche rechtlichen Regelungen gelten für die Herkunft und Verwendung der Eizellen und Samenzellen?

Das deutsche Embryonenschutzgesetz regelt streng, dass nur Ei- und Samenzellen verwendet werden dürfen, die von den künftigen Eltern selbst stammen, sofern es sich um IVF handelt. Die sogenannte Eizellspende ist in Deutschland gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 ESchG ebenso wie die Leihmutterschaft untersagt. Die Samenspende ist hingegen zugelassen, allerdings unterliegt sie speziellen Regularien wie der Anonymität des Spenders und der Dokumentation der Spenderdaten gemäß dem Samenspenderregistergesetz. Importierte Eizellen aus anderen Ländern dürfen in Deutschland nicht verwendet werden, was eine Behandlung mit fremden Eizellen verbietet. Für die Verwendung von Samenspenden ist zudem die rechtliche Elternschaft des sozialen Vaters, also des Partners der Empfängerin, eigens abzusichern, in der Regel durch eine Vaterschaftsanerkennung.

Wie wird die rechtliche Elternschaft bei der IVF geregelt?

Die rechtliche Elternschaft nach einer IVF-Behandlung richtet sich in Deutschland nach den Vorschriften des BGB. Die gebärende Frau gilt immer als rechtliche Mutter des Kindes (§ 1591 BGB), unabhängig von der genetischen Abstammung. Ist die Frau verheiratet, wird ihr Ehemann kraft Gesetzes als Vater angesehen (§ 1592 Nr. 1 BGB). Ist das Paar nicht verheiratet, kann der Partner die Vaterschaft durch Erklärung anerkennen. Bei Verwendung von Spendersamen ist das Abstammungsrecht seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Regelung des Rechts auf Kenntnis der Abstammung bei heterologer Verwendung von Samen (2018) angepasst worden, sodass auch hier die rechtliche Elternschaft des Wunschvaters abgesichert ist, und der Samenspender weder Rechte noch Pflichten im Hinblick auf das geborene Kind hat.

Welche Rechte und Pflichten entstehen gegenüber einer Samen- oder Eizellspenderin?

Im Fall einer Samenspende sieht das deutsche Recht vor, dass der Spender keine elterlichen Rechte oder Pflichten erwirbt. Dies umfasst insbesondere keine Unterhaltsverpflichtung gegenüber dem Kind und auch kein Umgangsrecht. Die Identität des Spenders muss jedoch gemäß dem Samenspenderregistergesetz für mindestens 110 Jahre aufbewahrt werden, damit das Kind nach Erreichen der Volljährigkeit ein Auskunftsrecht über seine genetische Herkunft wahrnehmen kann. Die Eizellspende hingegen ist verboten, weshalb diesbezüglich keine rechtlichen Beziehungen geregelt sind. Werden dennoch Eizellen aus dem Ausland verwendet, können sich komplexe, teils grenzüberschreitende Rechtsprobleme ergeben.

Welche Vorgaben existieren zur Anzahl der befruchteten Eizellen?

Das Embryonenschutzgesetz schreibt eindeutig vor, dass in jedem Zyklus nur so viele Eizellen befruchtet werden dürfen, „wie nach ärztlicher Kunst zum erfolgreichen Abschluss der Behandlung im Rahmen eines Zyklus erforderlich sind“ (§ 1 Abs. 1 Nr. 5 ESchG). In der Regel interpretieren Gerichte und Behörden dies so, dass nicht mehr als drei Eizellen pro Zyklus befruchtet werden dürfen. Andere Eizellen müssen entweder unbefruchtet kryokonserviert oder verworfen werden. Embryonen dürfen nicht – wie beispielsweise in anderen Ländern – auf „Vorrat“ produziert, eingefroren und später Verwendung zugeführt werden.

Welche Pflichten zur Aufklärung und Zustimmung bestehen vor Beginn einer IVF?

Paaren, die eine IVF in Anspruch nehmen möchten, stehen zahlreiche Aufklärungs- und Einwilligungserfordernisse bevor. Hierzu zählen umfassende Informationen über die medizinischen, psychischen, ethischen und rechtlichen Aspekte der Behandlung. Beide Partner müssen über Risiken und Erfolgsaussichten, mögliche Nebenwirkungen und rechtliche Folgen – darunter die Abstammung und mögliche Elternschaft – belehrt und deren Einwilligung schriftlich dokumentieren. Auch im Rahmen von Samenspenden ist eine besondere Aufklärung über die Rechte zur Kenntnis der genetischen Abstammung des Kindes erforderlich. Die Zustimmung kann jederzeit vor Durchführung widerrufen werden.

Welche gesetzliche Regelung besteht zur Kostenübernahme durch die Krankenkassen?

Die Pflicht zur Kostenübernahme ist im Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) geregelt. Die gesetzlichen Krankenkassen beteiligen sich an den Kosten einer IVF-Behandlung unter engen Voraussetzungen: Das Paar muss verheiratet sein, beide Partner müssen mindestens 25, aber nicht älter als 40 (Frau) bzw. 50 (Mann) Jahre alt sein. Die Kostenübernahme erfolgt nur für maximal drei Versuche und lediglich zu 50 Prozent. Bei privat Versicherten oder unverheirateten Paaren gelten individuelle Regelungen, die oft einen Großteil der Kosten als Privatleistung ausweisen. Weitere Zahlungen oder Zuschüsse können in einzelnen Bundesländern durch Förderprogramme geleistet werden.