Legal Lexikon

Impfung


Definition und Begriff der Impfung

Die Impfung bezeichnet im rechtlichen Sinne die Verabreichung eines Impfstoffes zur aktiven Erzeugung oder Verbesserung eines spezifischen Immunschutzes gegen Infektionskrankheiten. Der Begriff umfasst sowohl präventive Maßnahmen der öffentlichen Gesundheit als auch individuelle medizinische Leistungen. Impfungen können intramuskulär, subkutan, intradermal oder oral verabreicht werden. Rechtlich betrachtet ist die Impfung Gegenstand zahlreicher Normen aus dem Bereich des Infektionsschutzes, des Medizinrechts sowie des Kinder- und Jugendschutzes.

Rechtliche Grundlagen der Impfung in Deutschland

Infektionsschutzgesetz (IfSG)

Das zentrale Regelungswerk für Verletzungen und Prävention von Infektionskrankheiten in Deutschland ist das Infektionsschutzgesetz (IfSG). Das Gesetz enthält Vorschriften zu Meldepflichten, Präventionsstrategien und explizite Befugnisse der Behörden bezüglich Impfmaßnahmen. Folgende Kernpunkte sind für Impfungen relevant:

Öffentliche Impfempfehlungen (§ 20 IfSG)

Laut § 20 Abs. 1 IfSG empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut Impfungen gegen bestimmte übertragbare Krankheiten. Diese Empfehlungen bilden die Grundlage für öffentliche Impfkampagnen und individuelle Schutzmaßnahmen.

Anordnung von Impfungen (§ 20 Abs. 6-8 IfSG)

Wenn bestimmte Infektionskrankheiten drohen, kann gemäß § 20 Abs. 6-7 IfSG durch Rechtsverordnung eine Impfpflicht für bestimmte Personengruppen oder die gesamte Bevölkerung angeordnet werden. Für die Durchsetzung einer solchen Impfpflicht sind strenge Voraussetzungen notwendig, insbesondere die Notwendigkeit zur Abwehr erheblicher Gesundheitsgefahren.

Dokumentations- und Informationspflichten (§ 22, § 24 IfSG)

Ärztinnen und Ärzte sind gemäß § 22 IfSG verpflichtet, eine Impfbescheinigung auszustellen. Gleichzeitig sieht § 24 IfSG Informationspflichten hinsichtlich Impfungen in Gemeinschaftseinrichtungen vor.

Masernschutzgesetz

Mit Inkrafttreten des Masernschutzgesetzes im März 2020 wurde in Deutschland erstmals eine verbindliche Impfpflicht gegen Masern für Kinder in Gemeinschaftseinrichtungen und für dort tätiges Personal eingeführt. Personen müssen nachweisen, dass sie gegen Masern geimpft oder immun sind, bevor sie Einrichtungen wie Kitas oder Schulen besuchen oder dort arbeiten dürfen. Der Nachweis erfolgt in der Regel durch einen Impfausweis oder ein ärztliches Attest.

Medizinprodukterecht und Arzneimittelgesetz

Impfstoffe sind medizinische Produkte, die unter die Bestimmungen des Arzneimittelgesetzes (AMG) fallen. Für Zulassung, Herstellung, Vertrieb und Überwachung von Impfstoffen gelten strenge regulatorische Vorschriften, insbesondere hinsichtlich Sicherheit, Wirksamkeit und Qualität. Die Zulassung eines Impfstoffs erfolgt entweder national durch das Paul-Ehrlich-Institut oder auf europäischer Ebene durch die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA).

Datenschutz und ärztliche Schweigepflicht

Die Erhebung, Verarbeitung und Speicherung von Impfdaten unterliegen strengen Datenschutzvorgaben, insbesondere der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und den Regelungen des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG). Personenbezogene Gesundheitsdaten dürfen im Zusammenhang mit Impfungen nur unter bestimmten Voraussetzungen übermittelt werden. Ärztinnen und Ärzte sind zudem an die Verschwiegenheitspflicht gebunden (§ 203 StGB).

Impfpflicht und Grundrechte

Verfassungsrechtliche Aspekte

Eine Impfpflicht stellt einen Eingriff in das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) dar. Gleichzeitig dient sie dem Schutz von Leben und Gesundheit der Allgemeinheit (Art. 2 Abs. 2 GG, Art. 1 Abs. 1 GG) und steht im Spannungsfeld zwischen individueller Freiheit und Gemeinwohl. Das Bundesverfassungsgericht hat mehrfach bestätigt, dass eine Impfpflicht zulässig ist, sofern sie verhältnismäßig ausgestaltet und durch hinreichende Schutzinteressen gerechtfertigt ist.

Umsetzung und Durchsetzung

Die Durchsetzung einer Impfpflicht erfolgt durch Verwaltungsmaßnahmen. Ein Verstoß kann zu Bußgeldern, einem Ausschluss von Gemeinschaftseinrichtungen wie Schulen oder Kitas, und unter bestimmten Umständen auch zu weitergehenden Zwangsmaßnahmen führen (§ 73 IfSG). Im Fall von Kindern in Gemeinschaftseinrichtungen kann das Familiengericht mit Maßnahmen nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) zum Schutz des Kindeswohls befasst werden.

Haftung und Entschädigung bei Impfschäden

Staatliche Entschädigung bei Impfschäden

Im Falle eines Impfschadens – einer Gesundheitsschädigung durch eine öffentlich empfohlene oder angeordnete Impfung – gewährt der Staat eine Entschädigung nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) (§ 60 IfSG). Anspruchsberechtigt sind Personen, die durch die Impfung oder durch eine Maßnahme im Zusammenhang mit Immunisierungen einen gesundheitlichen Schaden erleiden. Die Haftung umfasst Leistungen der Versorgungsverwaltung wie Heilbehandlung, Pflege oder Rentenzahlungen.

Arzthaftung

Unabhängig von staatlichen Leistungen kann auch die Haftung der behandelnden Person in Betracht kommen, zum Beispiel bei fehlerhafter Aufklärung oder fehlerhafter Durchführung der Impfung. Die Aufklärungspflicht umfasst Risiken, Nebenwirkungen sowie etwaige Alternativen und ist Voraussetzung für eine wirksame Einwilligung in die Impfung.

Besondere Regelungen für bestimmte Personengruppen

Kinder und Jugendliche

Impfungen bei Minderjährigen unterliegen besonderen rechtlichen Anforderungen. Eine Einwilligungserklärung der Sorgeberechtigten ist grundsätzlich erforderlich, es sei denn, das Kind ist nach seiner individuellen Reife bereits selbst einwilligungsfähig. Im Fall divergierender Auffassungen zwischen den Sorgeberechtigten kann das Familiengericht involviert werden.

Berufsbezogene Impfpflichten

Bestimmte Berufsgruppen unterliegen ebenfalls besonderen Regelungen. Im Gesundheitswesen, in Pflegeberufen oder bei Tätigkeiten mit besonderem Ansteckungsrisiko kann eine Impfung faktisch oder rechtlich zwingend vorgeschrieben werden, beispielsweise zum Schutz vulnerabler Personengruppen.

Internationale Perspektiven und EU-Recht

Europäisches Recht

Im Rahmen grenzüberschreitender Gesundheitsversorgung sowie bei der Verhütung und Kontrolle übertragbarer Krankheiten besteht eine Koordinierung durch europäische Rechtsakte, insbesondere in Bezug auf Zulassung und Sicherheit von Impfstoffen (EMA) sowie in Bezug auf den Datenschutz (DSGVO).

Grenzüberschreitende Anerkennung

Die internationale Anerkennung von Impfzertifikaten, etwa für Reisen oder Zugang zu bestimmten Einrichtungen, wird durch internationale Abkommen und Vorgaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) geregelt.

Fazit

Der Begriff Impfung ist im Rechtslexikon durch eine Vielzahl gesetzlicher Regelungen geprägt und eng mit Fragen des Infektionsschutzes, des individuellen Grundrechtsschutzes, der öffentlichen Gesundheit und der Haftung für Impfkomplikationen verflochten. Rechtliche Entwicklungen im Bereich der Impfungen sind nicht zuletzt vor dem Hintergrund aktueller pandemischer Lagen und technischer Innovationen von großer praktischer Bedeutung für Bevölkerung, Gesundheitswesen und Staat.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Grundlagen regeln die Impfpflicht in Deutschland?

Die rechtlichen Grundlagen zur Impfpflicht in Deutschland sind vor allem im Infektionsschutzgesetz (IfSG) geregelt. Gemäß § 20 IfSG kann das Bundesministerium für Gesundheit mit Zustimmung des Bundesrates anordnen, dass bedrohte Teile der Bevölkerung an Schutzimpfungen teilnehmen müssen, sofern eine übertragbare Krankheit mit schwerwiegenden gesundheitlichen Folgen einzudämmen ist. Die bekannteste Anwendung ist die Masernschutzimpfung, für die seit März 2020 eine Impfpflicht für Kinder in Kitas, Schulen sowie für bestimmte Berufsgruppen im Gesundheitswesen gilt. Verstöße gegen die Impfpflicht können Geldbußen nach sich ziehen. Entscheidungen über weitergehende Impfpflichten, etwa für andere Krankheiten, unterliegen immer einem parlamentarischen Gesetzgebungsverfahren und müssen mit den Grundrechten – insbesondere der körperlichen Unversehrtheit gemäß Art. 2 Abs. 2 GG – abgewogen werden. Die Regelungen berücksichtigen zudem Ausnahmetatbestände, etwa medizinische Kontraindikationen gegen eine Impfung. Darüber hinaus können die Bundesländer auf Grundlage des IfSG eigene Anordnungen erlassen, sofern eine akute Gefahrenlage vorliegt.

Welche Aufklärungspflichten bestehen für Ärzte bei Impfungen?

Ärzte unterliegen bei der Durchführung von Impfungen umfassenden Aufklärungspflichten, die sowohl im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), insbesondere § 630e, als auch in der Berufsordnung für Ärzte geregelt sind. Die Aufklärung muss rechtzeitig, mündlich und umfassend über Art, Umfang, Risiken, Nutzen und mögliche Alternativen der Impfung erfolgen. Ferner muss der Arzt über seltene, aber schwerwiegende Impfkomplikationen informieren. Besonders wichtig ist der Hinweis auf individuelle gesundheitliche Besonderheiten, etwa bekannte Allergien, chronische Erkrankungen oder eine Schwangerschaft. Die Aufklärungspflicht dient dem Schutz der Selbstbestimmungsrechte des Patienten; eine Impfung ohne ordnungsgemäße Aufklärung kann juristisch als Körperverletzung gewertet werden. Die Aufklärung ist zu dokumentieren, wobei der Patient schriftlich bestätigen sollte, dass er verstanden hat, worüber aufgeklärt wurde. Bei minderjährigen Patienten ist die Einwilligung der Sorgeberechtigten erforderlich.

Welche Rechte haben Patienten, eine Impfung abzulehnen?

Patienten haben grundsätzlich das Recht, medizinische Maßnahmen, einschließlich Impfungen, abzulehnen. Dieses Selbstbestimmungsrecht ist in Art. 2 Abs. 1 und Abs. 2 GG (Allgemeine Handlungsfreiheit und Recht auf körperliche Unversehrtheit) sowie im Patientenrechtegesetz verankert. Im rechtlichen Rahmen können Patienten somit weder zu einer Impfung gezwungen noch ohne ihre Einwilligung behandelt werden – Ausnahmen bestehen lediglich bei einer gesetzlichen Impfpflicht nach IfSG. Auch bei einer Impfpflicht wird selten zu physischen Zwangsmaßnahmen gegriffen; vielmehr kommen Verwaltungsmaßnahmen wie Bußgelder oder der Ausschluss von Gemeinschaftseinrichtungen (z.B. Kitas, Schulen) zur Anwendung. Die Patienten müssen ausdrücklich über ihr Ablehnungsrecht im Rahmen der ärztlichen Aufklärung informiert werden. Im Arbeitsrecht kann eine Impfverweigerung arbeitsrechtliche Konsequenzen haben, beispielsweise wenn eine Impfung zur Ausübung bestimmter Tätigkeiten vorgeschrieben ist.

Welche haftungsrechtlichen Konsequenzen bestehen bei Impfschäden?

Die Haftung bei Impfschäden unterliegt in Deutschland besonderen Regelungen. Gemäß § 60 IfSG haben Geschädigte Anspruch auf Entschädigung, wenn sie durch eine öffentlich empfohlene oder gesetzlich vorgeschriebene Impfung einen Impfschaden (d.h. eine gesundheitliche und wirtschaftliche Folge, die über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgeht) erleiden. Die Entschädigung erfolgt über den Sozialstaat und nicht über den impfenden Arzt, sofern dieser nicht nachweislich gegen Aufklärungs- oder Sorgfaltspflichten verstoßen hat. Mediziner haften demnach nur bei verschuldensabhängigen Fehlern, etwa unzureichender Aufklärung oder fehlerhafter Durchführung der Impfung. Für fachgerecht durchgeführte und empfohlene Impfungen trägt das Bundesland die Verantwortung. Schadenersatz kann zum Beispiel Heilbehandlung, Rentenzahlung oder Kostenübernahme für Folgeschäden umfassen.

Welche Dokumentationspflichten bestehen bei der Durchführung einer Impfung?

Impfungen unterliegen in Deutschland einer strengen Dokumentationspflicht. Diese ist in § 630f BGB sowie im IfSG geregelt und beinhaltet die Erfassung von Chargennummer, Impfstoffbezeichnung, Impfdaten, Arztpraxis und Name des impfenden Arztes im Impfausweis des Patienten. Ferner hat der Arzt die Aufklärung samt Einwilligung des Patienten schriftlich festzuhalten. Die Dokumentation dient nicht nur medizinscher Nachverfolgbarkeit, sondern hat auch haftungsrechtliche und epidemiologische Bedeutung, z.B. im Fall von Impfschäden oder zur Nachverfolgung von Ausbrüchen. Die Aufbewahrungsfrist beträgt nach ärztlichem Stand mindestens zehn Jahre. Bei Verstößen gegen die Dokumentationspflicht drohen arbeits-, haftungs- und berufsrechtliche Konsequenzen.

Welche Bedeutung hat das Arbeitsrecht im Kontext von Impfungen?

Im Arbeitsrecht kann eine Impfung Voraussetzung für die Ausübung bestimmter Tätigkeiten sein, insbesondere im Gesundheitswesen, in Kitas, Schulen oder Pflegeeinrichtungen. Arbeitgeber sind verpflichtet, die Sicherheit und Gesundheit ihrer Mitarbeiter sowie der betreuten Personen zu gewährleisten (ArbSchG). Im Rahmen einer gesetzlichen Impfpflicht kann ein Arbeitgeber auf Impfnachweis bestehen; bei Verweigerung kann dies zu arbeitsrechtlichen Maßnahmen wie Versetzung, Freistellung oder in Ausnahmefällen zu einer Kündigung führen. Allerdings muss dabei immer eine Interessenabwägung erfolgen und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt bleiben. Wo keine gesetzliche Pflicht besteht, ist eine Impfung freiwillig; dennoch sollten Arbeitgeber aufgrund ihrer Fürsorgepflicht und antidisziplinierenden Maßnahmen die individuelle Entscheidung respektieren. Besondere Regelungen gelten für Schwangere, immungeschwächte Personen und andere schutzwürdige Gruppen.