Legal Lexikon

Impfschäden


Impfschäden – Rechtliche Grundlagen und Bedeutung

Begriff und Definition von Impfschäden

Als „Impfschaden“ wird im deutschen Recht ein Gesundheitsschaden verstanden, der durch eine Impfung im Sinne des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) verursacht wurde. Relevant ist insbesondere die Legaldefinition des § 2 Nummer 11 IfSG: Danach ist ein Impfschaden „die gesundheitliche und wirtschaftliche Folge einer über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung durch die Schutzimpfung“. Typische Impfreaktionen, wie vorübergehendes Fieber, lokale Schwellungen oder Schmerzen, werden nicht als Impfschaden bewertet. Entscheidend ist, ob die Schädigung direkt auf die Anwendung eines Impfstoffs zurückzuführen ist und ein außergewöhnliches Ausmaß erreicht.

Rechtlicher Rahmen für Impfschäden

Gesetzliche Grundlagen

Die rechtlichen Rahmenbedingungen ergeben sich wesentlich aus folgenden Gesetzen und Verordnungen:

  • Infektionsschutzgesetz (IfSG), insbesondere § 60 IfSG
  • Bundesversorgungsgesetz (BVG)
  • Allgemeines Schadensersatzrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB)
  • Arzneimittelgesetz (AMG)
  • Produkthaftungsgesetz (ProdHaftG)

Besondere Bedeutung kommt der staatlichen Entschädigungsregelung im Infektionsschutzgesetz sowie der zivilrechtlichen Haftung nach den allgemeinen Regeln zu.

Impfschaden im Sinne des Infektionsschutzgesetzes

Das IfSG regelt umfassend Schutzimpfungen und enthält in § 60 IfSG eine Entschädigungsregelung für Impfschäden. Personen, die aufgrund einer von einer zuständigen Behörde empfohlenen und durchgeführten Schutzimpfung oder verpflichtenden Impfung einen Impfschaden erleiden, haben Anspruch auf Versorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz. Dies umfasst Versorgungsleistungen wie Renten, Heilbehandlung, orthopädische Hilfsmittel und weitere Beihilfen.

Haftungstatbestände bei Impfschäden

Staatliche Entschädigung

Anspruchsvoraussetzungen:

  • Durchführung einer Schutzimpfung nach Maßgabe von § 20 oder § 21 IfSG, insbesondere nach Empfehlung der Ständigen Impfkommission (STIKO) oder gesetzlicher Impfpflichten
  • Gesundheitliche Schädigung im Sinne einer über das übliche Maß hinausgehenden Impfreaktion
  • Kausalität zwischen Impfung und Schaden

Diese Ansprüche bestehen unabhängig von einem Verschulden.

Gerichtliche Zuständigkeit:
Streitigkeiten über Versorgungsleistungen wegen Impfschäden werden grundsätzlich vor den Sozialgerichten geführt.

Zivilrechtliche Haftungsmöglichkeiten

Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche

Verletzte können unter bestimmten Voraussetzungen auch zivilrechtliche Ansprüche geltend machen. Neben der staatlichen Versorgung sind insbesondere die folgenden Ansprüche bedeutsam:

  • Verschuldenshaftung nach § 823 BGB: Hierfür ist ein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten, beispielsweise eine fehlerhafte Aufklärung oder mangelhafte Durchführung der Impfung, erforderlich.
  • Produkthaftung nach dem ProdHaftG: Ist der Impfstoff fehlerhaft hergestellt, kann eine verschuldensunabhängige Haftung des Herstellers greifen. Das Arzneimittelgesetz spielt dann eine ergänzende Rolle.
  • Haftung für fehlerhafte ärztliche Aufklärung: Wird der Impfwillige vor der Impfung nicht ordnungsgemäß über Risiken und Nebenwirkungen informiert, können sich Ansprüche gegen den (impfenden) Arzt ergeben.
Verjährung von Ansprüchen

Die zivilrechtlichen Haftungsansprüche unterliegen den allgemeinen Verjährungsvorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches. Die Verjährung beträgt im Regelfall drei Jahre ab Kenntnis von Schaden und Schädiger, längstens jedoch zehn Jahre nach Schädigung.

Nachweis und Begutachtung von Impfschäden

Beweislast

Im Verfahren um staatliche Entschädigung bedarf es des Nachweises einer wahrscheinlichen Verursachung des Schadens durch die Impfung. Ein Vollbeweis ist nicht erforderlich; eine Wahrscheinlichkeit im Sinne eines überwiegenden Wahrscheinlichkeitsmaßstabes (über 50 %) genügt. Im Zivilrecht gelten striktere Anforderungen: Hier ist grundsätzlich der Kläger beweispflichtig.

Medizinische Begutachtung

Die Feststellung eines Impfschadens erfolgt regelmäßig durch ärztliche Gutachten, meist durch unabhängige Sachverständige, die den Kausalzusammenhang auf Grundlage der aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse bewerten.

Besonderheiten bei Impfschäden durch COVID-19-Impfungen

Mit der Einführung der COVID-19-Impfstoffe ist die Rechtslage auch auf neue Impfstoffe anzuwenden. Aufgrund der temporären Impfstoffeinsatzes und besonderen Empfehlungen der STIKO sind diese Impfstoffe im Sinne des IfSG erfasst. Zu beachten ist, dass bei neuen Erkenntnissen zu seltenen Nebenwirkungen ein fortwährender Abgleich mit der Rechtslage erfolgt.

Anspruchsverfahren bei Impfschäden

Verfahren auf staatliche Versorgung

Das Verfahren wird in der Regel durch einen Antrag bei der zuständigen Versorgungsbehörde des jeweiligen Bundeslandes eingeleitet. Die Behörde prüft das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen. Gegen ablehnende Bescheide ist der Rechtsweg zu den Sozialgerichten eröffnet.

Zivilrechtliche Klagen

Schadensersatzklagen wegen Impfschäden werden bei den Zivilgerichten (Amtsgericht, Landgericht) eingereicht. Der Nachweis der Kausalität ist oft die größte Hürde, da eine Vielzahl von Faktoren für einen Gesundheitsschaden ursächlich sein können.

Fazit und Bedeutung für die Praxis

Impfschäden sind ein vielschichtiges Rechtsgebiet, das von speziellen gesetzlichen Entschädigungsregelungen bis hin zur zivilrechtlichen Haftung reicht. Zentrale Voraussetzung sind der Kausalitätsnachweis und der Nachweis eines Schadens, der das „übliche Ausmaß“ einer Impfreaktion überschreitet. Die Verfahren unterscheiden sich je nach gewähltem Anspruchsweg: Soziale Versorgung bei empfohlenen oder verpflichtenden Impfungen, zivilrechtliche Ansprüche bei schuldhaftem Verhalten oder körperschädigenden Impfstoffmängeln. Somit stellt das Recht der Impfschäden einen bedeutenden Bereich des Gesundheits- und Sozialrechts dar.

Häufig gestellte Fragen

Wie erfolgt die Anerkennung eines Impfschadens nach deutschem Recht?

Die Anerkennung eines Impfschadens erfolgt in Deutschland auf der Grundlage des Infektionsschutzgesetzes (IfSG), insbesondere § 60 IfSG. Voraussetzung ist, dass die Impfung öffentlich empfohlen, gesetzlich vorgeschrieben oder aufgrund einer Rechtsverordnung angeordnet wurde. Betroffene müssen einen Antrag bei dem für sie zuständigen Versorgungsamt stellen. Im Rahmen des Verwaltungsverfahrens werden medizinische Unterlagen und ggf. Gutachten eingeholt, um die Kausalität zwischen Impfung und eingetretenem Gesundheitsschaden zu prüfen. Der Antragsteller trägt die sogenannte Beweislast für den Zusammenhang zwischen der Impfung und dem Schaden, wobei für bestimmte anerkannte Risiken ein erleichterter Kausalitätsnachweis vorliegt (Beweiserleichterung). Kommt das Amt zu dem Schluss, dass ein Zusammenhang wahrscheinlich ist, wird der Impfschaden als solcher anerkannt und Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz gewährt. Gegen ablehnende Bescheide besteht die Möglichkeit des Widerspruchs sowie ggf. einer Klage vor dem Sozialgericht.

Welche Ansprüche auf Entschädigung bestehen bei anerkannten Impfschäden?

Bei anerkannter Impfkomplikation stehen dem Betroffenen Ansprüche nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) zu. Im Mittelpunkt stehen Leistungen zur gesundheitlichen Versorgung (z.B. Heil- und Krankenbehandlung), berufliche Rehabilitationsmaßnahmen sowie finanzielle Entschädigungen wie Renten bei langfristigen oder dauerhaften Schäden. Auch Hinterbliebene können unter Umständen Versorgungsleistungen beanspruchen. Die Höhe und Art der Leistungen richten sich nach dem Ausmaß der gesundheitlichen Beeinträchtigung, dem Grad der Schädigungsfolgen und spezifischen gesetzlichen Regelungen. Etwaige weitere Ansprüche, etwa Schmerzensgeld oder Schadensersatz, können nur in zivilrechtlichen Klageverfahren gegen Hersteller oder andere Verantwortliche geltend gemacht werden, wobei dort eigenständige Haftungsvoraussetzungen zu prüfen sind.

Wer trägt die Beweislast im Anerkennungsverfahren eines Impfschadens?

Im Anerkennungsverfahren eines Impfschadens liegt die Beweislast grundsätzlich beim Antragsteller. Es ist nachzuweisen, dass ein Gesundheitsschaden als Folge einer öffentlich empfohlenen, vorgeschriebenen oder angeordneten Impfung eingetreten ist. Allerdings gilt das sozialrechtliche Beweismaß der Wahrscheinlichkeit, das heißt, die überwiegende Wahrscheinlichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs genügt. In einigen Fällen werden durch die Fachliteratur anerkannte Risikoprofile oder typische Komplikationen geregelt, bei denen Beweiserleichterungen greifen können. Dennoch bleibt es in der Regel Aufgabe des Geschädigten, den medizinischen Zusammenhang zwischen Impfung und Schaden substantiiert darzulegen und sich ggf. ärztlicher Gutachten zu bedienen.

Welche Fristen sind bei der Geltendmachung von Ansprüchen zu beachten?

Das Infektionsschutzgesetz selbst sieht keine spezifische Ausschlussfrist für die Beantragung von Entschädigungsleistungen wegen Impfschaden vor. Dennoch empfehlen die Behörden eine zeitnahe Antragstellung, da längere Zeiträume insbesondere im Hinblick auf Beweismöglichkeiten und Ursachenzusammenhänge problematisch sein können. Zivilrechtliche Ansprüche wie Schadensersatz oder Schmerzensgeld unterliegen hingegen regelmäßig den allgemeinen Verjährungsvorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), etwa der dreijährigen Regelverjährung ab Kenntnis von Schaden und Schädiger (§§ 195, 199 BGB). Bei besonderer Verzögerung in der Kenntnisnahme kann die maximale Verjährungsfrist von 30 Jahren relevant werden.

Gibt es Besonderheiten für Ansprüche im Zusammenhang mit COVID-19-Impfstoffen?

Für Impfungen gegen COVID-19 gelten grundsätzlich die allgemeinen rechtlichen Regelungen für Amtshaftung und Versorgungsansprüche bei Impfschäden. Besonders ist bei COVID-19-Impfstoffen, dass eine bundeseinheitliche Impfempfehlung vorlag und die Impfungen in großem Stil öffentlich organisiert wurden. Im Falle nachgewiesener Impfkomplikationen besteht daher ebenfalls ein Anspruch nach § 60 IfSG. Für die Frage der Kausalität und den Nachweis eines Impfschadens gelten aber keine erleichterten Maßstäbe. In der Praxis ist zu beobachten, dass medizinisch-wissenschaftliche Auseinandersetzungen über Nebenwirkungen dieser Impfstoffe auch gerichtliche Verfahren mit beeinflussen können.

Welche Rolle spielen Gutachten im Anerkennungsverfahren?

Im Rahmen des Anerkennungsverfahrens werden regelmäßig medizinische Gutachten eingeholt, um die Frage des Kausalzusammenhangs zwischen Impfung und Gesundheitsschaden sachkundig beurteilen zu können. Das Versorgungsamt beauftragt hierfür ärztliche Sachverständige, die auf Basis der vorliegenden Krankengeschichte, Befunde und des wissenschaftlichen Kenntnisstands ein Gutachten erstellen. Dieses Gutachten ist häufig entscheidend für die rechtliche Bewertung der Anspruchsvoraussetzungen. Der Antragsteller hat das Recht, sich zu den Ergebnissen der Begutachtung zu äußern und gegebenenfalls eigene Stellungnahmen oder Gegengutachten beizubringen.

Welche Möglichkeiten bestehen bei Ablehnung des Antrags auf Anerkennung eines Impfschadens?

Wird ein Antrag auf Anerkennung eines Impfschadens abgelehnt, erhält der Antragsteller einen rechtsmittelfähigen Bescheid. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb eines Monats Widerspruch eingelegt werden. Im Widerspruchsverfahren wird der Fall erneut geprüft, wobei der Betroffene weitere Beweismittel und Stellungnahmen einreichen kann. Sollte auch im Widerspruchsverfahren die Anerkennung versagt werden, steht dem Betroffenen der Klageweg vor dem zuständigen Sozialgericht offen. Das Gerichtsverfahren dient einer unabhängigen Überprüfung der behördlichen Entscheidung, und es werden oft gerichtliche Gutachten eingeholt, um strittige medizinische Fragen zu klären.