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Immissionen


Begriff und rechtliche Einordnung von Immissionen

Definition

Immissionen bezeichnen Einwirkungen, die von einer Quelle ausgehen und auf ein bestimmtes Schutzgut, insbesondere Mensch, Tiere, Pflanzen sowie Sachen, einwirken. Im rechtlichen Kontext versteht man unter Immissionen in erster Linie Emissionen, die erst nach ihrem Austritt aus einer Anlage oder einem Medium (Luft, Wasser, Boden) und durch ihre Einwirkung auf andere Rechtsgüter zu Immissionen werden. Die häufigsten Immissionen sind Luftverunreinigungen, Geräusche, Erschütterungen, Licht, Strahlen sowie ähnliche umweltbeeinträchtigende Einwirkungen.

Abgrenzung: Immissionen und Emissionen

Im Gegensatz zu Immissionen beschreibt der Begriff Emission die Ausstoßung von Schadstoffen oder Einwirkungen an der Quelle. Immissionen definieren sich dagegen durch das „Ankommen“ dieser Schadstoffe oder Einwirkungen am Ort der Beeinträchtigung, also zum Beispiel auf dem Grundstück eines Dritten.


Immissionen im deutschen Recht

Rechtsgrundlagen

Die Regelung von Immissionen erfolgt im deutschen Recht auf verschiedenen Ebenen. Zentral sind das Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) und dessen untergesetzliche Regelwerke (Verordnungen, Verwaltungsvorschriften), aber auch weitere Gesetze wie das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) enthalten grundlegende Normen.

Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG)

Das BImSchG ist die wichtigste Rechtsquelle für den Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen. § 3 Abs. 1 BImSchG definiert schädliche Umwelteinwirkungen als Immissionen, die nach Art, Ausmaß oder Dauer geeignet sind, erhebliche Nachteile oder Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen oder deren Gesundheit zu schädigen. Das Gesetz legt Anforderungen insbesondere für Anlagen und Betriebe fest, die Emissionen verursachen können.

Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)

Das deutsche Zivilrecht schützt Eigentümer und Besitzer insbesondere in den §§ 906, 1004 BGB vor Einwirkungen, die von einem anderen Grundstück ausgehen. Immissionen wie Geräusche, Gerüche oder Erschütterungen können eine Beeinträchtigung des Eigentums darstellen und zu Unterlassungs- oder Beseitigungsansprüchen führen, sofern sie die ortsübliche Nutzung des Grundstücks wesentlich beeinträchtigen.

Weitere Rechtsquellen

Weitere einschlägige Rechtsbereiche sind das Wasserhaushaltsgesetz (WHG), das Landes-Immissionsschutzrecht, die TA Luft, die TA Lärm, Verordnungen zum Verkehrslärm, zum Strahlenschutz sowie zahlreiche Landesgesetze und kommunale Satzungen.


Arten von Immissionen

Luftverunreinigungen

Dazu zählen insbesondere Stoffe wie Feinstaub, Gase (z. B. Stickoxide, Schwefeldioxid) und Ruß. Sie werden vorrangig durch industrielle Anlagen, Straßenverkehr und Heizungen verursacht und sind häufig Gegenstand behördlicher Überwachung.

Geräusche und Lärm

Hierzu zählen Schallimmissionen aller Art: Industrie- und Gewerbelärm, Verkehrslärm (Straßen-, Schienen- und Fluglärm), Nachbarschaftslärm und Freizeitlärm. Die Beurteilung und Messung erfolgt anhand von Grenzwerten, unter anderem in der TA Lärm und 16. BImSchV.

Erschütterungen

Erschütterungen entstehen durch Bautätigkeiten, Schwerlastverkehr oder Industrieanlagen und können Gebäude, Menschen und technische Anlagen beeinträchtigen. Sie werden oftmals in spezialisierten Normen und Regelwerken berücksichtigt.

Licht- und Strahlenimmissionen

Lichtimmissionen umfassen störende Beleuchtungen, beispielsweise durch Außenbeleuchtungen von Gebäuden oder Sportstätten. Strahlenimmissionen umfassen insbesondere elektromagnetische Strahlung (zum Beispiel Mobilfunkmasten) und ionisierende Strahlung.


Voraussetzungen und rechtliche Folgen von Immissionen

Erheblichkeitsschwelle und Unterlassungsanspruch

Ein zentrales rechtliches Kriterium ist die Wesentlichkeit der Beeinträchtigung. Nach § 906 Absatz 1 BGB müssen Beeinträchtigungen hingenommen werden, die die Benutzung des betroffenen Grundstücks nicht wesentlich beeinträchtigen. Maßgeblich ist hierbei die Ortsüblichkeit sowie das Überschreiten gesetzlicher Grenz- und Richtwerte.

Sobald das Ausmaß der Immission die Zumutbarkeitsschwelle überschreitet, kann der Betroffene gemäß § 1004 BGB einen Unterlassungs- und gegebenenfalls Beseitigungsanspruch geltend machen. Voraussetzungen hierfür sind eine Beeinträchtigung von Eigentum oder Besitz, das Vorliegen einer nicht ortsüblichen oder erheblichen Immission und das Fehlen einer Duldungspflicht.

Duldungspflichten und Ausgleichsanspruch

Nach § 906 Abs. 2 BGB hat der Eigentümer unter Umständen erhebliche, aber zumutbare Immissionen zu dulden, erhält in diesen Fällen jedoch einen Anspruch auf angemessenen finanziellen Ausgleich (Ausgleichsanspruch).

Behördliche Maßnahmen

Das BImSchG normiert spezielles öffentlich-rechtliches Immissionsschutzrecht. Behörden können Maßnahmen gegen Betreiber von Anlagen ergreifen, die unzulässig hohe Immissionen verursachen. Dies reicht von Anordnungen über nachträgliche Auflagen bis hin zur vollständigen Stilllegung einer Anlage.


Immissionsschutz im öffentlichen und privaten Recht

Öffentlich-rechtlicher Immissionsschutz

Ziel des BImSchG und der untergesetzlichen Normen ist der vorbeugende und abwehrende Gesundheitsschutz. Die zuständigen Behörden überwachen die Einhaltung der gesetzlichen Grenzwerte und schreiten bei Verstößen ein. Genehmigungspflichtige Anlagen müssen Immissionsschutzauflagen erfüllen. Daneben spielt die Raumordnung eine wichtige Rolle bei der Trennung von Wohn- und Gewerbegebieten zur Minimierung von Immissionskonflikten.

Zivilrechtlicher Immissionsschutz

Im zivilrechtlichen Rahmen regelt das BGB die Nachbarrechte und die Abwehrmöglichkeiten gegen Immissionen. Immissionsstreitigkeiten zwischen Privatpersonen oder Unternehmen werden regelmäßig vor ordentlichen Gerichten ausgetragen. Die Rechtsprechung differenziert nach Art und Ausmaß der Einwirkung sowie nach der Schutzwürdigkeit der betriebenen Nutzung auf beiden Grundstücken.


Immissionen im internationalen und europäischen Recht

Auch auf europäischer und internationaler Ebene existieren Regelungen zum Schutz vor Immissionen, etwa in Form von Richtlinien zu Luftreinhaltung, Lärmschutz und Grenzwerten für Emissionen und Immissionen. Diese Regelwerke werden durch nationale Rechtsetzung in deutsches Recht übertragen und ergänzt.


Literatur- und Rechtsprechungshinweise

Immissionsrecht und der Schutz vor schädlichen Einwirkungen sind regelmäßig Gegenstand von Kommentarliteratur, Fachaufsätzen und gerichtlichen Entscheidungen. Wegweisend ist hier insbesondere die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und der Verwaltungsgerichte, die Grundsatzurteile zur Abwehr, Duldung und zum Ausgleich im Zusammenhang mit Immissionen erlassen haben.


Zusammenfassung

Immissionen sind zentrale umweltrechtliche und nachbarrechtliche Tatbestände, die im deutschen Recht umfassend geregelt sind. Sie betreffen zahlreiche Lebensbereiche und spielen sowohl im öffentlichen als auch im privaten Recht eine zentrale Rolle. Die gesetzlichen Grundlagen bieten effektiven Schutz vor unzumutbaren Einwirkungen, während das Recht differenzierte Lösungen für Interessenkonflikte zwischen Emittenten und Immissionsbetroffenen vorsieht. Das Immissionsrecht bleibt angesichts technischer Entwicklungen und wachsender Umweltanforderungen ein hochdynamisches Rechtsgebiet.

Häufig gestellte Fragen

Wer ist im rechtlichen Sinne für Immissionen verantwortlich?

Für Immissionen ist nach deutschem Recht in der Regel der Betreiber oder Eigentümer der Anlage oder Einrichtung verantwortlich, die diese verursacht. Nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) trifft ihn die Pflicht, sicherzustellen, dass von seiner Anlage keine schädlichen Umwelteinwirkungen ausgehen. Dazu zählen insbesondere Emissionen von Luftverunreinigungen, Geräuschen, Erschütterungen, Licht, Wärme, Strahlen und ähnliche Erscheinungen. Die Verantwortlichkeit umfasst auch die Einhaltung von Auflagen und Grenzwerten, die von der zuständigen Behörde festgelegt werden. Kommt der Betreiber seinen Verpflichtungen nicht nach, kann die Behörde ihn zur Beseitigung oder Reduzierung der Immissionen anhalten und notfalls mit Zwangsmitteln, wie Bußgeldern oder im Extremfall der Stilllegung der Anlage, durchsetzen. Auch können Dritte, etwa Nachbarn, Ansprüche auf Unterlassung oder Beseitigung geltend machen, wenn sie durch die Immissionen in ihren Rechten verletzt werden.

Welche rechtlichen Möglichkeiten haben Betroffene gegen Immissionen?

Betroffene, die durch Immissionen in ihrem Eigentum oder in ihrer Gesundheit beeinträchtigt werden, haben verschiedene rechtliche Möglichkeiten. Nach § 1004 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) können sie zivilrechtlich Unterlassung verlangen, sofern die Immissionen wesentlich sind und nicht durch eine Duldungspflicht nach § 906 BGB ausgeschlossen sind. Darüber hinaus steht ihnen gegebenenfalls ein Schadensersatzanspruch nach § 823 BGB zu, wenn durch die Immission eine Rechtsgutsverletzung, wie etwa die Gesundheit oder das Eigentum, eingetreten ist. Öffentliche Rechtsschutzmöglichkeiten bestehen insbesondere durch die Möglichkeit, bei der zuständigen Immissionsschutzbehörde Beschwerde einzureichen. Die Behörde prüft dann, ob Grenzwerte oder sonstige rechtliche Vorgaben verletzt werden, und ergreift gegebenenfalls Maßnahmen zur Behebung der Störung. In gravierenden Fällen kann auch ein Eilverfahren vor dem Verwaltungsgericht in Betracht gezogen werden, um schnellen Rechtsschutz zu erhalten.

Welche Pflichten ergeben sich für Anlagenbetreiber nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz?

Das Bundes-Immissionsschutzgesetz verpflichtet Anlagenbetreiber dazu, den Stand der Technik zu beachten und Maßnahmen zu treffen, um schädliche Umwelteinwirkungen zu verhindern oder auf ein Mindestmaß zu beschränken. Hierzu zählen insbesondere technische und organisatorische Vorkehrungen, die regelmäßig angepasst und überprüft werden müssen. Darüber hinaus müssen Betreiber bestimmte Emissionen regelmäßig messen, dokumentieren und diese Daten gegebenenfalls den Behörden vorlegen. Bei genehmigungsbedürftigen Anlagen besteht zudem eine Melde- und Anzeigepflicht hinsichtlich Störfällen oder erheblichen Änderungen des Betriebs. Betreiber sind verpflichtet, behördlichen Auflagen und Nebenbestimmungen nachzukommen und etwaige Nachbesserungen umzusetzen. Bei Verstößen drohen Bußgelder, behördliche Auflagen oder im Extremfall die Stilllegung der Anlage.

Welche Rolle spielen behördliche Genehmigungen im Immissionsschutzrecht?

Behördliche Genehmigungen sind ein zentrales Instrument im Immissionsschutzrecht. Für bestimmte, besonders umweltrelevante Anlagen ist vor Aufnahme des Betriebs eine Genehmigung nach dem BImSchG erforderlich. In diesem Verfahren prüft die zuständige Behörde, ob die geplante Anlage unter Beachtung des Standes der Technik betrieben werden kann, ohne dass schädliche Umwelteinwirkungen für Nachbarn oder die Allgemeinheit zu erwarten sind. Die Genehmigung kann mit Auflagen verbunden sein, etwa zum Emissionsverhalten, zu Betriebszeiten oder zu Überwachungsmaßnahmen. Ohne eine entsprechende Genehmigung ist der Betrieb genehmigungsbedürftiger Anlagen rechtswidrig und kann von der Behörde untersagt werden. Auch Erweiterungen oder wesentliche Änderungen bestehender Anlagen bedürfen einer Genehmigung.

Wie werden Grenz- und Richtwerte für Immissionen rechtlich festgelegt?

Grenz- und Richtwerte für Immissionen werden in Deutschland hauptsächlich durch gesetzliche Regelungen und Verordnungen zum Immissionsschutz festgelegt. Die wichtigsten Rechtsgrundlagen liefern das Bundes-Immissionsschutzgesetz und darauf aufbauende Verordnungen, wie zum Beispiel die Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft (TA Luft), die Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm) und die 39. BImSchV (Verordnung über Immissionswerte für Schadstoffe in der Luft). Diese Rechtsnormen definieren präzise Werte, deren Einhaltung verpflichtend ist. Die Festlegung erfolgt unter Berücksichtigung wissenschaftlicher Erkenntnisse, gesundheitlicher Vorsorge und internationaler Vorgaben, etwa der EU. Überschreitungen können behördliche Maßnahmen nach sich ziehen, bis hin zu Betriebsbeschränkungen oder Stilllegungen.

Welche Ausnahmen und Duldungspflichten sieht das Recht im Bereich der Immissionen vor?

Nicht jede Immission ist grundsätzlich unzulässig. Das Recht kennt bestimmte Ausnahmen und Duldungspflichten, insbesondere im nachbarschaftlichen Verhältnis gemäß § 906 BGB. Danach müssen ortsübliche und unwesentliche Einwirkungen sowie solche, die nicht durch zumutbare Maßnahmen verhindert werden können, vom Nachbarn geduldet werden. Die Einschätzung der Wesentlichkeit erfolgt anhand gesetzlicher Grenz- und Richtwerte sowie der Umstände des Einzelfalls, wobei auch die Vorbelastung und die Schutzwürdigkeit des betroffenen Gebiets (z. B. Wohngebiet, Industriegebiet) eine Rolle spielen. In Ausnahmefällen kann eine Entschädigungspflicht des Verursachers bestehen, wenn die Duldungspflicht gegeben ist, die Nutzung des Grundstücks aber erheblich beeinträchtigt wird.

Welche Bedeutung haben öffentlich-rechtliche und privatrechtliche Ansprüche im Immissionsschutz?

Immissionsschutzrechtliche Streitigkeiten können sowohl im öffentlichen als auch im privaten Recht ausgetragen werden. Öffentlich-rechtliche Ansprüche betreffen in erster Linie die Einhaltung der im öffentlichen Interesse bestehenden Vorschriften des Immissionsschutzgesetzes, wofür die Behörde zuständig ist. Betroffene können verlangen, dass die Behörde tätig wird („Antrags- oder Verpflichtungsklage“). Privatrechtliche Ansprüche, wie jene auf Unterlassung, Beseitigung oder Schadensersatz, richten sich unmittelbar gegen den Verursacher der Immissionen und werden vor den Zivilgerichten geltend gemacht. Die beiden Sphären bestehen nebeneinander, können sich aber auch überschneiden, etwa wenn Behördenentscheidungen privatrechtliche Ansprüche beeinflussen oder umgekehrt.