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Holschuld

Begriff und Grundprinzip der Holschuld

Die Holschuld ist eine Form der Leistungspflicht, bei der der Schuldner die geschuldete Leistung an seinem eigenen Wohn- oder Geschäftssitz bereitstellen muss und der Gläubiger verpflichtet ist, diese dort abzuholen. Kernelemente der Holschuld sind der Leistungsort beim Schuldner und die Pflicht des Gläubigers, zum vereinbarten Zeitpunkt zu erscheinen und die Leistung entgegenzunehmen. Im Gegensatz zur Bringschuld muss der Schuldner die Leistung nicht zum Gläubiger transportieren; im Gegensatz zur Schickschuld muss er sie nicht versenden. Die Holschuld beruht auf der Annahme, dass ohne besondere Abrede die Erfüllung dort erfolgt, wo der Schuldner seine Leistung erbringt.

Rechtsfolgen der Holschuld

Leistungsort und Erfolgsort

Bei der Holschuld liegt der Leistungsort beim Schuldner. Die Leistung ist ordnungsgemäß, wenn die Sache am Leistungsort korrekt ausgewählt, bereitgestellt und dem Gläubiger zur Abholung angeboten wird. Erfolgsort ist regelmäßig ebenfalls der Leistungsort: Die Leistung gilt als erbracht, wenn der Gläubiger die Sache am Ort der Bereitstellung entgegennimmt.

Gefahrtragung und zufälliger Untergang

Die Frage, wer das Risiko des zufälligen Untergangs oder der Verschlechterung trägt, richtet sich nach der Art des Schuldverhältnisses und dem Zeitpunkt der ordnungsgemäßen Bereitstellung. Bei der Holschuld trägt grundsätzlich der Schuldner die Leistungsgefahr bis zur ordnungsgemäßen Bereitstellung und dem fälligen Angebot. Wird der Gläubiger die Leistung ordnungsgemäß zur Abholung angeboten und nimmt er sie nicht an, können sich Gefahr- und Haftungsfolgen verschieben. In Kaufverhältnissen ist außerdem zwischen der Gefahr, noch einmal leisten zu müssen (Leistungsgefahr), und der Gefahr, die Gegenleistung erbringen zu müssen (Gegenleistungsgefahr), zu unterscheiden; beide können je nach Konstellation zu unterschiedlichen Zeitpunkten übergehen.

Kosten- und Organisationslast

Bei der Holschuld trägt der Gläubiger die Verantwortung für Abholung und Transport ab dem Leistungsort. Der Schuldner hat die Sache in einem abholbereiten Zustand bereitzustellen und gegebenenfalls so zu verpacken, wie es der Art der Sache entspricht. Aufwendungen für Transport und Abholung fallen grundsätzlich dem Gläubiger zur Last, sofern nicht etwas anderes vereinbart wurde oder sich aus der Art des Geschäfts abweichende Gepflogenheiten ergeben.

Leistungszeit und Fälligkeit

Die Leistung ist zur vereinbarten Zeit am Leistungsort bereitzustellen. Ist kein Zeitpunkt bestimmt, gilt die Leistung mit Eintritt der Fälligkeit als geschuldet. Zu einer ordnungsgemäßen Leistung gehört bei der Holschuld regelmäßig auch die Mitteilung an den Gläubiger, dass und wo die Sache abholbereit ist, sofern dies nicht ohnehin feststeht.

Entstehung und Vereinbarung der Holschuld

Vertragliche Bestimmung

Ob eine Holschuld vorliegt, ergibt sich in erster Linie aus der Vereinbarung der Parteien. Typische Formulierungen wie „Abholung durch den Käufer“ oder Handelsklauseln wie „ab Werk/ab Lager“ deuten auf eine Holschuld hin.

Auslegung ohne ausdrückliche Regelung

Fehlt eine ausdrückliche Bestimmung, wird häufig davon ausgegangen, dass der Leistungsort beim Schuldner liegt. Diese Auslegung folgt dem Grundgedanken, dass ohne besondere Anhaltspunkte die Leistung dort zu erbringen ist, wo der Schuldner seine Tätigkeit ausübt. Indizien können die Art der Sache, die Verkehrsanschauung oder der Zweck des Geschäfts sein.

Abweichende Handelsbräuche

Handelsbräuche und gelebte Praxis in bestimmten Branchen können die Einordnung prägen. So ist etwa bei „Ab Werk“-Geschäften die Holschuld typisch, während bei Versandhandelsgeschäften häufig eine Schickschuld vereinbart ist.

Abgrenzung zu Bringschuld und Schickschuld

Bringschuld

Bei der Bringschuld muss der Schuldner die Leistung am Wohn- oder Geschäftssitz des Gläubigers oder an einem vereinbarten Ort anbieten. Leistungs- und Erfolgsort liegen beim Gläubiger. Dies unterscheidet sich deutlich von der Holschuld, bei der der Gläubiger die Leistung abholen muss.

Schickschuld

Bei der Schickschuld hat der Schuldner die Sache ordnungsgemäß abzusenden. Leistungsort bleibt der Ort des Schuldners; der Erfolg tritt erst am Ort des Gläubigers ein. Der Versand erfolgt auf Gefahr- und Kostenbasis, wie sie vertraglich oder gesetzlich vorgesehen ist. Liegt eine Holschuld vor, verwandelt sie sich durch die Vereinbarung des Versands typischerweise in eine Schickschuld.

Sonderfall Geldschulden

Zahlungspflichten werden in der Regel nicht als Holschuld behandelt. Üblich ist die Einordnung als qualifizierte Schickschuld: Der Schuldner muss den Zahlungsweg so wählen und rechtzeitig in Gang setzen, dass der Betrag beim Gläubiger eingeht. Dadurch unterscheidet sich die Zahlungspflicht von der Holschuld, bei der der Gläubiger zur Abholung verpflichtet ist.

Holschuld im Kauf- und Werkvertragsrecht

Kauf beweglicher Sachen

Bei Käufen „ab Lager“ oder „ab Werk“ ist die Holschuld die typische Erscheinungsform: Der Verkäufer stellt die Ware bereit, der Käufer holt sie ab. Bei Verbrauchergeschäften können ergänzende Schutzvorschriften gelten, die insbesondere den Gefahrenübergang und die Verantwortlichkeiten beim Transport abweichend regeln.

Individual- und Gattungsschuld

Bei einer Individualschuld (konkret bestimmte Sache) genügt die rechtzeitige Bereitstellung dieser Sache. Bei einer Gattungsschuld (Sache nur der Art nach bestimmt) muss der Schuldner eine ordnungsgemäße Auswahl treffen und die Sache zur Abholung bereitstellen. Mit der ordnungsgemäßen Auswahl und Bereitstellung wird die Schuld auf das ausgewählte Stück konkretisiert. Vor der Konkretisierung trägt der Schuldner regelmäßig das Risiko, erneut leisten zu müssen, wenn die ausgewählte Sache untergeht.

Werkleistungen und Abholung

Bei Werkleistungen, die vom Besteller abzuholen sind (etwa maßgefertigte Gegenstände zur Abholung in der Werkstatt), tritt die Holschuld in vergleichbarer Weise auf: Das fertiggestellte Werk ist am Ort der Herstellung bereitzustellen; die Abholung obliegt dem Besteller.

Verzugskonstellationen bei der Holschuld

Schuldnerverzug

Der Schuldner gerät in Verzug, wenn er die Leistung nicht rechtzeitig bereitstellt, obwohl sie fällig ist und alle Voraussetzungen für die Leistungserbringung vorliegen. Bei der Holschuld bedeutet dies insbesondere, dass die Sache am Leistungsort gebrauchstauglich bereitstehen muss und der Gläubiger hiervon Kenntnis erlangen kann.

Annahmeverzug des Gläubigers

Der Gläubiger gerät in Annahmeverzug, wenn er die ihm ordnungsgemäß angebotene Leistung nicht entgegennimmt. Bei der Holschuld genügt hierfür in der Regel die rechtzeitige, abholbereite Bereitstellung und Mitteilung der Abholmöglichkeit. Der Annahmeverzug hat rechtliche Folgen, etwa hinsichtlich der Gefahrtragung, der Haftungsmaßstäbe und möglicher Mehraufwendungen für Verwahrung oder erneute Bereitstellung.

Praktische Beispiele

Typische Holschuld-Situationen

  • „Ab Werk“ oder „ab Lager“ vereinbarte Warenabholung durch den Käufer.
  • Abholung maßgefertigter Güter in der Werkstatt des Herstellers.
  • Regionaler Abverkauf mit vereinbarter Selbstabholung beim Produzenten.

Wird in diesen Konstellationen zusätzlich ein Versand vereinbart, ändert sich die Einordnung regelmäßig zur Schickschuld, mit entsprechenden Folgen für Gefahrtragung und Organisation.

Besonderheiten bei Verbraucherverträgen und Online-Handel

Im Online- und Versandhandel dominieren Schickschulden, weil eine Versendung vereinbart ist. Bei Geschäften, in denen die Selbstabholung vereinbart wird (z. B. „Click & Collect“), liegen Elemente der Holschuld vor. Verbraucherrechtliche Sonderregeln können einzelne Rechtsfolgen, insbesondere zum Gefahrenübergang und zu Informationspflichten, abweichend bestimmen. Der rechtliche Rahmen orientiert sich dabei an dem Schutzbedürfnis der beteiligten Personen und der typischen Abwicklung von Fernabsatz- und Distanzgeschäften.

Häufig gestellte Fragen zur Holschuld

Was bedeutet Holschuld in einfachen Worten?

Holschuld bedeutet, dass die geschuldete Sache beim Schuldner bereitsteht und der Gläubiger sie dort abholen muss. Der Schuldner muss nicht liefern oder versenden, sondern lediglich ordnungsgemäß bereitstellen und die Abholbereitschaft deutlich machen.

Woran erkennt man, dass eine Holschuld vereinbart wurde?

Hinweise sind Formulierungen wie „Abholung durch den Käufer“, „ab Werk“ oder „ab Lager“. Fehlt eine ausdrückliche Regelung, wird häufig angenommen, dass der Leistungsort beim Schuldner liegt, sofern Art und Zweck des Geschäfts nichts anderes nahelegen.

Wer trägt die Transportkosten bei der Holschuld?

Bei der Holschuld trägt grundsätzlich der Gläubiger die Kosten für Abholung und Transport ab dem Leistungsort. Abweichungen können sich aus ausdrücklichen Vereinbarungen oder branchenüblichen Gepflogenheiten ergeben.

Wann gerät der Gläubiger bei der Holschuld in Annahmeverzug?

Der Gläubiger gerät in Annahmeverzug, wenn der Schuldner die Leistung ordnungsgemäß und rechtzeitig bereitgestellt und angeboten hat und der Gläubiger sie dennoch nicht entgegennimmt. Dies setzt voraus, dass Ort, Zeit und Gegenstand der Leistungserbringung hinreichend bestimmt sind.

Wie unterscheidet sich die Holschuld von Bringschuld und Schickschuld?

Holschuld: Abholung beim Schuldner. Bringschuld: Lieferung an den Gläubiger. Schickschuld: Versendung an den Gläubiger. Leistungs- und Erfolgsort sowie die Gefahrtragung unterscheiden sich entsprechend.

Gilt die Holschuld auch für Geldzahlungen?

Zahlungspflichten werden üblicherweise nicht als Holschuld behandelt. In der Praxis werden Geldschulden als Schickschulden eingeordnet, bei denen der Betrag so übermittelt werden muss, dass er beim Gläubiger eingeht.

Was passiert, wenn die Sache bei einer Holschuld vor der Abholung untergeht?

Geht die Sache vor der ordnungsgemäßen Bereitstellung unter, trägt der Schuldner regelmäßig das Risiko. Nach ordnungsgemäßem Angebot und Annahmeverzug des Gläubigers können sich die Risikofolgen verschieben. Im Einzelfall hängt dies von der Art des Schuldverhältnisses und dem Zeitpunkt des Untergangs ab.

Welche Rolle spielt die Konkretisierung bei der Holschuld?

Bei Gattungsschulden wird die Leistung durch Auswahl eines geeigneten Stücks und dessen abholbereite Bereitstellung konkretisiert. Erst mit dieser Konkretisierung richtet sich die Leistungspflicht auf das ausgewählte Stück; bis dahin besteht die Gefahr, erneut leisten zu müssen, wenn die ausgewählte Sache untergeht.