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Hoheitsbetriebe


Definition und rechtliche Einordnung von Hoheitsbetrieben

Begriffserklärung

Hoheitsbetriebe sind öffentliche Betriebe, die überwiegend Tätigkeiten ausüben, die wesensmäßig dem Bereich der öffentlichen Gewalt (sog. Hoheitsgewalt) zuzurechnen sind. Sie sind dabei von sogenannten wirtschaftlichen Betrieben der öffentlichen Hand abzugrenzen. Während Eigenbetriebe oder Regiebetriebe wirtschaftlichen Zwecken oder der Versorgung der Allgemeinheit dienen und auf privatrechtlicher oder wirtschaftlicher Grundlage agieren, sind Hoheitsbetriebe in der Regel im Bereich des öffentlichen Rechts tätig und verfolgen hoheitliche Aufgaben.

Charakteristische Merkmale

Hoheitsbetriebe sind Betriebsformen, die staatlichen oder kommunalen Körperschaften (Bund, Länder, Gemeinden, sonstige Körperschaften des öffentlichen Rechts) zugeordnet sind und deren Aufgaben ausschließlich oder überwiegend in der Wahrnehmung hoheitlicher, also öffentlich-rechtlicher Aufgaben bestehen. Charakteristisch für Hoheitsbetriebe ist insbesondere:

  • Überwiegende oder ausschließliche Wahrnehmung öffentlich-rechtlicher Aufgabenstellung
  • Handeln im Auftrag oder im Interesse des Staates bzw. einer weiteren öffentlich-rechtlichen Organisation
  • Keine oder nur untergeordnete Gewinnerzielungsabsicht
  • Anwendung von öffentlich-rechtlichen Vorschriften auf ihre Tätigkeit

Abgrenzung zu anderen Betriebsformen der öffentlichen Hand

Unterschied zu wirtschaftlichen Betrieben

Hoheitsbetriebe unterscheiden sich von modernen wirtschaftlichen Betrieben der öffentlichen Hand, weil wirtschaftliche Betriebe (wie Stadtwerke, Verkehrsbetriebe oder kommunale Kliniken) am Wirtschaftsleben teilnehmen und auf privatrechtlicher Grundlage Geschäfte tätigen. Hoheitsbetriebe hingegen sind Teil des jeweiligen Hoheitsträgers und fungieren „außerhalb des Marktes“.

Abgrenzung zu öffentlichen Unternehmen

Während öffentliche Unternehmen häufig in privater Rechtsform geführt werden und am allgemeinen Wirtschaftsleben teilnehmen, sind Hoheitsbetriebe stets im Bereich der öffentlichen Verwaltung angesiedelt und unterliegen ausschließlich öffentlichem Recht.

Typische Beispiele für Hoheitsbetriebe

Zu den Hoheitsbetrieben zählen insbesondere:

  • Polizeidirektionen
  • Feuerwehrbetriebe (sofern sie nicht als Stadtwerke betrieben werden)
  • Meldebehörden
  • Standesämter
  • Katasterämter
  • Finanzämter
  • Gerichte und Justizbehörden
  • Steuer- und Zollverwaltung

Nicht als Hoheitsbetriebe gelten jedoch staatliche Unternehmen und Regiebetriebe mit überwiegend wirtschaftlicher Zielstellung.

Steuerrechtliche Behandlung von Hoheitsbetrieben

Körperschaftsteuer

Nach deutschem Steuerrecht sind Hoheitsbetriebe von der Körperschaftsteuer befreit. Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 Körperschaftsteuergesetz (KStG) sind juristische Personen des öffentlichen Rechts grundsätzlich nur mit ihren Betrieben gewerblicher Art (BgA) körperschaftsteuerpflichtig. Tätigkeiten, die im Rahmen eines Hoheitsbetriebs ausgeführt werden, gelten nicht als wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb und lösen demnach keine Körperschaftsteuerpflicht aus.

Gewerbesteuer

Für die Gewerbesteuer ergibt sich eine vergleichbare Rechtslage. Nach § 2 Abs. 3 Satz 2 Gewerbesteuergesetz (GewStG) gelten Betriebe öffentlicher Hand nur dann als gewerblich, wenn sie Betriebe gewerblicher Art sind. Hoheitsbetriebe erfüllen diese Voraussetzung nicht und unterliegen daher auch nicht der Gewerbesteuer.

Umsatzsteuer

Bei der Umsatzsteuer ist die Lage differenzierter. Während Tätigkeiten von Hoheitsbetrieben, die den Rahmen der öffentlichen Gewalt nicht überschreiten, gem. § 2 Abs. 3 Umsatzsteuergesetz (UStG) von der Umsatzsteuer befreit sind, können bestimmte Nebenleistungen, die auch Unternehmen des privaten Sektors erbringen könnten, dennoch umsatzsteuerpflichtig sein. Dabei ist jedoch grundsätzlich eine strikte Abgrenzung vorzunehmen, um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden (vgl. auch Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zu Art. 13 MwStSystRL).

Haushaltsrechtliche Einbindung

Hoheitsbetriebe sind Teil des Verwaltungshaushalts des jeweiligen Trägers. Die ihnen zufließenden Einnahmen und Ausgaben werden im Haushaltsplan der jeweiligen Gebietskörperschaft gesondert ausgewiesen. Sie dürfen regelmäßig keine eigene, von der übrigen Verwaltung getrennte Buchhaltung führen. Lediglich bei umfangreicheren Aufgaben können sie mit einer eigenen Kostenrechnung versehen werden.

Öffentlich-rechtliche Besonderheiten

Rechtsform

Hoheitsbetriebe treten nicht als selbstständige Rechtsträger auf, sondern sind organisatorischer Bestandteil der jeweiligen Körperschaft des öffentlichen Rechts. Ihre Aufgaben werden durch institutionell oder funktional abgegrenzte Verwaltungseinheiten wahrgenommen.

Personal- und Dienstrecht

Das in Hoheitsbetrieben beschäftigte Personal unterliegt grundsätzlich (anders als Angestellte in wirtschaftlichen Unternehmen der öffentlichen Hand) dem öffentlichen Dienstrecht. Insbesondere sind Beamte und Beamtinnen beschäftigt, die im Rahmen der öffentlichen Gewalt tätig werden.

Europarechtliche und internationale Aspekte

Im Europarecht ist die Abgrenzung zwischen Hoheitsbetrieb und wirtschaftlicher Tätigkeit von entscheidender Bedeutung, insbesondere im Kontext des Wettbewerbs- und Beihilferechts. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) genießen Hoheitsbetriebe grundsätzlich keine derartigen Beihilfevorteile, wie sie wirtschaftlichen Unternehmen gewährt werden könnten. Erbringt eine Behörde sowohl hoheitliche als auch wirtschaftliche Leistungen, sind diese strikt zu trennen.

Zusammenfassung und Bedeutung

Hoheitsbetriebe sind ein zentrales Element der öffentlichen Verwaltung. Sie nehmen ausschließlich oder überwiegend Aufgaben im Zusammenhang mit der Ausübung staatlicher Hoheitsbefugnisse wahr und sind typischerweise von der Körperschaft-, Gewerbe- und teils auch der Umsatzsteuer ausgenommen. Ihre Bezeichnung, Tätigkeit und Einordnung spielen sowohl im öffentlichen Haushaltsrecht als auch in steuerlichen und europarechtlichen Fragestellungen eine wesentliche Rolle.


Literaturhinweis:

  • Tipke/Lang: Steuerrecht, aktuelle Auflagen
  • Schmidt: EStG, Kommentar
  • BVerwG, BGH und EuGH, diverse Urteile zu Hoheitsbetrieben

Verwendete Vorschriften:

  • Körperschaftsteuergesetz (KStG) § 5
  • Gewerbesteuergesetz (GewStG) § 2
  • Umsatzsteuergesetz (UStG) § 2

Häufig gestellte Fragen

Welche Rechtsgrundlagen sind für Hoheitsbetriebe maßgeblich?

Die rechtliche Behandlung von Hoheitsbetrieben richtet sich primär nach den Vorschriften der Abgabenordnung (AO), insbesondere nach § 4 Abs. 5 KStG und § 4 Abs. 1 KStG für Körperschaften des öffentlichen Rechts. Daneben spielen das Körperschaftsteuergesetz (KStG), das Umsatzsteuergesetz (UStG), das Einkommensteuergesetz (EStG) sowie spezialgesetzliche Normen, etwa im Bereich der Daseinsvorsorge, eine zentrale Rolle. Die Definition und Abgrenzung von Hoheitsbetrieben erfolgt im Regelfall anhand des umfassenden Normengefüges des öffentlichen Rechts, wobei insbesondere die Frage, ob ein Betrieb auf öffentlich-rechtlicher Grundlage und zur Ausübung hoheitlicher Gewalt erfolgt, entscheidend ist. Außerdem gelten für bestimmte Tätigkeiten etwa im Bereich der Infrastruktur Sonderregelungen, die berücksichtigen, ob ein Betrieb als steuerlich unschädlicher Hoheitsbetrieb einzustufen ist oder bereits dem wirtschaftlichen Geschäfts- oder Zweckbetrieb zuzurechnen ist.

Welche steuerlichen Folgen ergeben sich für Hoheitsbetriebe?

Hoheitsbetriebe sind im Gegensatz zu wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben steuerrechtlich privilegiert. Sie unterliegen weder der Körperschaftsteuer (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 KStG) noch der Gewerbesteuer (§ 3 Nr. 6 GewStG) und grundsätzlich auch nicht der Umsatzsteuer nach § 2b UStG, sofern die Tätigkeiten im Rahmen der öffentlichen Gewalt ausgeübt werden und keine Wettbewerbsverzerrung vorliegt. Die steuerliche Behandlung verlangt eine sorgfältige Abgrenzung zu wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben und Zweckbetrieben, da bei Überschneidungen (z.B. Vermischung von hoheitlichen und wirtschaftlichen Tätigkeiten) eine steuerliche Trennung zu gewährleisten ist. Zutreffende Einordnung ist entscheidend für den Erhalt der Steuerbefreiungen.

Werden Hoheitsbetriebe aufsichtsrechtlich kontrolliert?

Ja, Hoheitsbetriebe unterliegen generell der Kontrolle durch die zuständigen Aufsichtsbehörden. Dies ergibt sich aus dem allgemeinen Verwaltungsrecht, wonach Körperschaften des öffentlichen Rechts und deren Organisationsformen der Rechtsaufsicht, teils auch der Fachaufsicht, unterliegen. Die Kontrolle bezieht sich auf die Einhaltung der öffentlich-rechtlichen Vorgaben, etwa bei der Gebührenkalkulation oder der Aufgabenwahrnehmung. Aufsichtsrechtliche Prüfungen betreffen jedoch nicht die steuerliche Behandlung, sondern die Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit der Ausübung hoheitlicher Aufgaben. Im Fall von Kommunen etwa erfolgt diese Überwachung regelmäßig durch die Kommunalaufsicht oder Rechnungsprüfungseinrichtungen.

Wie werden Hoheitsbetriebe abgrenzt von wirtschaftlichen Geschäftsbetrieben?

Die Abgrenzung erfolgt nach klaren rechtlichen Kriterien: Ein Hoheitsbetrieb liegt vor, wenn eine juristische Person des öffentlichen Rechts eine Tätigkeit ausschließlich auf Grundlage öffentlicher Gewalt (d.h. unter Einsatz hoheitlicher Befugnisse, wie dem Erlass von Verwaltungsakten oder unter Anwendung von Zwangsmitteln) und nicht nach privatrechtlichen Maßstäben ausübt. Im Unterschied dazu sind wirtschaftliche Geschäftsbetriebe auf Gewinnerzielung gerichtet und nehmen am allgemeinen Geschäftsverkehr teil. Die Feststellung, ob eine großteils eigenwirtschaftliche Tätigkeit vorliegt oder ob die Tätigkeit typischerweise privaten Rechtssubjekten offensteht, ist ein maßgebliches Kriterium für die Abgrenzung und die daraus resultierende rechtliche Einordnung.

Können Hoheitsbetriebe privatrechtlich tätig sein?

Typischerweise üben Hoheitsbetriebe ihre Aufgaben nicht privatrechtlich, sondern durch den Einsatz von Sonderrechten der öffentlichen Hand aus. Werden Aufgaben ganz oder teilweise privatrechtlich wahrgenommen (z.B. durch Abschluss von Verträgen oder Teilnahme am Wirtschaftsleben), liegt regelmäßig kein Hoheitsbetrieb mehr vor, sondern ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb oder Zweckbetrieb. Entscheidend ist immer, ob die Tätigkeit ausschließlich aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften erfolgt. Mischformen sind sorgfältig zu separieren, da der jeweilige Rechtsträger andernfalls steuerlichen oder haftungsrechtlichen Konsequenzen unterliegen kann.

Inwieweit sind Hoheitsbetriebe von der Umsatzsteuer betroffen?

Nach § 2b UStG unterliegen Körperschaften des öffentlichen Rechts grundsätzlich nicht der Umsatzsteuer, soweit sie Tätigkeiten im Rahmen hoheitlicher Gewalt ausüben. Ausnahmen hiervon bestehen jedoch, wenn die Ausübung der Tätigkeit zu größeren Wettbewerbsverzerrungen führen kann oder die Betätigung im Wettbewerb zu Privaten erfolgt. Dann ist auch für hoheitliche Tätigkeiten eine Steuerpflicht möglich. Die Unterscheidung setzt eine genaue Analyse der Ausgestaltung und Reichweite der Tätigkeit voraus sowie eine laufende Überprüfung bei Änderung gesetzlicher Rahmenbedingungen oder Aufnahme neuer Tätigkeitsfelder.

Welche Bedeutung hat die Trennung von Hoheitsbetrieb und wirtschaftlichem Geschäftsbetrieb für die Rechnungslegung?

Die saubere Trennung zwischen Hoheitsbetrieb und wirtschaftlichem Geschäftsbetrieb ist nicht nur für steuerrechtliche Zwecke, sondern auch für die interne und externe Rechnungslegung zentral. Für Hoheitsbetriebe gelten die Vorschriften des öffentlichen Haushaltsrechts, während für wirtschaftliche Geschäftsbetriebe die Anforderungen der handelsrechtlichen Buchführung und Bilanzerstellung Anwendung finden. Nur durch eine konsequente organisatorische, personelle und buchhalterische Separation lassen sich eine ordnungsgemäße Mittelverwendung, die Erfüllung steuerlicher Erklärungspflichten und die Transparenz für die Aufsicht sicherstellen. Dies ist auch insofern relevant, als Vermischungen zu einer (teilweisen) Besteuerung führen können.