Begriff und Grundlagen der Höheren Verwaltungsbehörde
Die Höhere Verwaltungsbehörde ist ein zentraler Begriff im deutschen Verwaltungsrecht. Sie bezeichnet eine Verwaltungsbehörde, die in der behördlichen Aufbauorganisation über den unteren Verwaltungsbehörden, aber unterhalb der obersten Verwaltungsbehörden (Ministerien) angesiedelt ist. Die Definition und deren Befugnisse ergeben sich im Wesentlichen aus bundes- und landesrechtlichen Vorschriften und unterscheiden sich je nach Bundesland sowie dem spezifischen Aufgabenbereich der jeweiligen Behördenhierarchie.
Rechtliche Stellung und Funktion
Typisierung in der Verwaltungsorganisation
Die deutsche Verwaltung gliedert sich grundsätzlich in verschiedene Verwaltungsebenen:
- Untere Verwaltungsbehörden (z.B. Landratsamt, Stadtverwaltung)
- Höhere Verwaltungsbehörden (z.B. Bezirksregierungen, Regierungspräsidien)
- Oberste Verwaltungsbehörden (z.B. Ministerien)
Höhere Verwaltungsbehörden nehmen dabei eine Zwischenstellung ein. Ihre wichtigste Funktion ist die Überwachung und Koordination der ihnen zugeordneten unteren Verwaltungen. Sie fungieren zudem als Schnittstelle zu den Ministerien und führen deren Weisungen aus.
Gesetzliche Grundlagen
Die genaue rechtliche Ausgestaltung der Höheren Verwaltungsbehörde ist nicht bundesweit einheitlich geregelt. Die maßgeblichen Vorschriften finden sich insbesondere in den Landesverwaltungsgesetzen (z.B. § 11 VwVfG NRW), in Spezialgesetzen sowie im einzelnen Verwaltungshandeln. Weitere Konkretisierungen enthalten die Verwaltungsverfahrensgesetze (VwVfG) der Länder und administrative Vorschriften.
Aufgaben und Zuständigkeiten
Allgemeine Aufgabenbereiche
Höhere Verwaltungsbehörden übernehmen meist folgende zentrale Aufgaben:
- Fachaufsicht und Dienstaufsicht über die unteren Verwaltungsbehörden
- Koordination der Verwaltungsabläufe innerhalb ihres Zuständigkeitsbereichs
- Umsetzung von Landesgesetzen und Bundesrecht auf der mittleren Verwaltungsebene
- Erteilung von Genehmigungen, die nicht durch untere Behörden entschieden werden oder denen überregionale Bedeutung zukommt
- Entscheidung in Widerspruchsverfahren, insbesondere bei Rechtsmitteln gegen Bescheide unterer Verwaltungsbehörden
Beispielhafte Behördenbezeichnungen
Die Bezeichnung „Höhere Verwaltungsbehörde“ ist ein Sammelbegriff, der abhängig vom Bundesland und Verwaltungsbereich unterschiedlichen Ämtern entspricht. Beispiele:
- Regierungspräsidien (Baden-Württemberg, Hessen)
- Bezirksregierungen (Nordrhein-Westfalen)
- Senatsverwaltungen (Berlin, analog)
In Sonderbereichen wie Umwelt- und Naturschutz, Schulverwaltung, Polizei- oder Ausländerrecht werden teils eigene Behörden als Höhere Verwaltungsbehörden bestimmt.
Organisation und Aufbau
Hierarchie und Weisungsbefugnis
Höhere Verwaltungsbehörden sind organisatorisch direkt den obersten Landesbehörden (Ministerien) unterstellt und den unteren Verwaltungsbehörden übergeordnet. Sie üben die Fachaufsicht über nachgeordnete Behörden aus und können ihnen Weisungen erteilen. Angesichts ihrer zentralen Stellung sind sie oftmals Bindeglied für die Implementierung politischer und administrativer Vorgaben in die Praxis.
Behördenleitung
Die Behördenleitung obliegt an dieser Ebene meist Präsidenten oder Direktoren, die durch die Landesregierung bestellt werden. Diese sind für die gesamte Organisation, Personalangelegenheiten und Koordination der Verwaltungsangelegenheiten verantwortlich.
Bedeutung im Verwaltungsverfahren
Widerspruchsverfahren
Häufig sind Höhere Verwaltungsbehörden die Widerspruchsbehörde bei Verwaltungsentscheidungen nachgeordneter Stellen. Wer einen Verwaltungsakt einer unteren Behörde anfechten möchte, richtet seinen Widerspruch an die für den jeweiligen Verwaltungszweig zuständige Höhere Verwaltungsbehörde. Diese prüft die Recht- und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsaktes und entscheidet abschließend.
Aufsichtsführung
Neben der Entscheidung über Rechtsbehelfe führen sie die Dienst- und Fachaufsicht über die nachgeordneten Dienststellen durch. Dabei überprüfen sie insbesondere die Gesetzmäßigkeit des Verwaltungshandelns, aber auch die Zweckmäßigkeit der Entscheidungen im Einzelfall.
Abgrenzung zu anderen Behördenstufen
Die Höheren Verwaltungsbehörden sind nicht zu verwechseln mit den oberen Verwaltungsbehörden, welche unmittelbar die Ministerialebene darstellen. Ebenfalls zu unterscheiden sind Sonderbehörden, die aufgrund besonderer Aufgabenzuweisung außerhalb der allgemeinen Verwaltungsstruktur stehen.
Spezialisierung und Besonderheiten nach Landesrecht
Jedes Bundesland kann die Behördengliederung nach eigenen Maßgaben ausgestalten. Die Stellen, Aufgaben, Benennung und Befugnisse der Höheren Verwaltungsbehörden variieren daher. In einigen Bundesländern wurden im Zuge von Verwaltungsreformen Regionen neu zugeschnitten, Behörden zusammengelegt oder Aufgaben umverteilt. Dadurch kann sich eine unterschiedliche Dichte und Zuständigkeitsverteilung ergeben.
Bedeutung im föderalen System
Im föderalen Aufbau Deutschlands gewährleisten die Höheren Verwaltungsbehörden einen flächendeckenden Vollzug staatlicher Aufgaben auch im mittleren Verwaltungsbereich. Sie fungieren als Bindeglied zwischen der politischen Entscheidungsebene und der Vollzugsebene und tragen damit maßgeblich zur Effizienz und Rechtssicherheit der Verwaltung sowie zur einheitlichen Anwendung von Recht und Gesetz bei.
Literaturhinweise und weiterführende Quellen
- § 1 ff., § 11 Verwaltungsverfahrensgesetz der jeweiligen Bundesländer (VwVfG)
- Landesverwaltungsgesetze (insbesondere der Bundesländer)
- Fachaufsicht und Dienstaufsicht im Verwaltungshandbuch, diverse Autoren
- Handbuch des Staatsrechts der Bundesrepublik Deutschland, Band VI, Die Verwaltung
- Landesrechtsprechungen und Kommentierungen zu Verwaltungsverfahren
Siehe auch:
- Öffentliche Verwaltung (Deutschland)
- Verwaltungsaufbau in den Bundesländern
- Behördengliederung und Behördenhierarchie in Deutschland
Häufig gestellte Fragen
Wie unterscheidet sich die höhere Verwaltungsbehörde von der obersten Verwaltungsbehörde im Verwaltungshandeln?
Die höhere Verwaltungsbehörde und die oberste Verwaltungsbehörde stellen zwei unterschiedliche Hierarchieebenen innerhalb der deutschen Verwaltung dar. Oberste Verwaltungsbehörden sind in der Regel die Landes- oder Bundesministerien, denen die inhaltliche und politische Verantwortung für einen Verwaltungszweig obliegt und die Weisungsbefugnis gegenüber nachgeordneten Stellen besitzen. Im Gegensatz dazu nehmen höhere Verwaltungsbehörden eine Mittelstellung ein. Sie sind in der Regel Fachbehörden auf Landesebene (zum Beispiel Landesdirektionen oder Bezirksregierungen), die zwischen den Ministerien und unteren Verwaltungsbehörden (etwa Landratsämter oder kommunale Behörden) angesiedelt sind. Während die oberste Verwaltungsbehörde in der Regel Rechtsetzung und Aufsichtsfunktionen innehat, obliegt es der höheren Verwaltungsbehörde, Verwaltungsakte vorzubereiten, Fachaufsicht zu führen sowie Anträge, Beschwerden und Rechtsmittel zu bearbeiten. Rechtlich ist die Abgrenzung unter anderem in den Verwaltungsvollstreckungsgesetzen und Fachgesetzen der Länder geregelt. Die höhere Verwaltungsbehörde hat zudem häufig die Aufgabe, Widerspruchsverfahren gegen Entscheidungen der unteren Verwaltungsbehörde zu entscheiden, sofern nicht die oberste Verwaltungsbehörde oder eine Spezialbehörde zuständig ist.
Welche Aufgabenbereiche und Zuständigkeiten fallen typischerweise in den Verantwortungsbereich einer höheren Verwaltungsbehörde?
Höhere Verwaltungsbehörden nehmen eine Vielzahl von Aufgaben wahr, die sich primär durch gesetzliche oder landesrechtliche Zuweisung ergeben. Zu ihren Kernaufgaben gehören oft die Fachaufsicht über nachgeordnete Behörden, die Bearbeitung von Widerspruchsverfahren gegen Verwaltungsakte der unteren Behörden, die zentralisierte Koordination bei überregionalen Verwaltungsvorgängen sowie die Erarbeitung und Umsetzung spezieller Fachvorgaben. Weiterhin fallen auch klassisch planende, koordinierende oder genehmigende Tätigkeiten in ihren Verantwortungsbereich, wie etwa bei raumordnerischer Gesamtplanung, Umweltschutzangelegenheiten oder Schulaufsicht. Die genaue Aufgabenverteilung ist meist im jeweiligen Fachgesetz oder in den Ausführungsgesetzen der Länder geregelt, wobei der Handlungsspielraum als Weisungsbehörde gegenüber den unteren Stellen ein wesentliches Merkmal ist.
Welche Rolle nimmt die höhere Verwaltungsbehörde im Widerspruchsverfahren nach der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ein?
Im Verwaltungsprozessrecht kommt der höheren Verwaltungsbehörde eine zentrale Rolle bei der Verfahrensführung im Rahmen des Vorverfahrens gemäß § 68 ff. VwGO zu. Wird ein Verwaltungsakt einer unteren Behörde mit einem Widerspruch angefochten, entscheidet in zahlreichen Fällen die höhere Verwaltungsbehörde als Widerspruchsbehörde über die Recht- und Zweckmäßigkeit des Akts vor einer etwaigen gerichtlichen Auseinandersetzung. Dies dient der Selbstkontrolle der Verwaltung, der Entlastung der Verwaltungsgerichte und der Möglichkeit zur Fehlerbehebung binnen der Verwaltungsebene. Einzelfallabhängig kann sich die Widerspruchszuständigkeit jedoch auch an die oberste Verwaltungsbehörde oder Sonderbehörden verlagern, was insbesondere durch landesrechtliche Vorschriften oder Spezialregelungen differenziert geregelt wird.
Wie ist die höhere Verwaltungsbehörde organisatorisch in den Verwaltungshierarchien der Länder verankert?
Die Einordnung und Bezeichnung höherer Verwaltungsbehörden variiert stark zwischen den Ländern; weit verbreitete Strukturen sind Bezirksregierungen, Regierungspräsidien, Landesämter oder auch spezielle Landesdirektionen. Organisatorisch stellen sie die Mittelinstanz zwischen der jeweiligen obersten Landesbehörde (Ministerium) und den unteren Verwaltungsbehörden, wie zum Beispiel Landratsämtern oder Kreisverwaltungen, dar. Die konkrete institutionelle Ausgestaltung, personelle Besetzung und Aufgabenverteilung ergibt sich in der Regel aus den Verwaltungsgesetzen der Länder, den Geschäftsverteilungsplänen der Ministerien sowie spezialgesetzlichen Vorschriften im jeweiligen Sachbereich. In manchen Bundesländern besteht gar keine Mittelinstanz, sodass Aufgaben der höheren Verwaltungsbehörde direkt durch Ministerien wahrgenommen werden.
In welchen Rechtsgebieten ist die Tätigkeit einer höheren Verwaltungsbehörde besonders bedeutsam?
Die Tätigkeit höherer Verwaltungsbehörden ist in nahezu allen klassisch hoheitlichen Rechtsgebieten von Bedeutung, wobei dies vor allem für Bereiche mit komplexen überörtlichen Abstimmungs- bzw. Kontrollmechanismen typisch ist. Zu nennen sind insbesondere das Baurecht (z.B. im Zuge von Raumordnungs- und Bauleitplanverfahren), das Umwelt- und Naturschutzrecht (Genehmigungsverfahren, Aufsicht über Schutzgebiete), das Polizei- und Sicherheitsrecht (Koordination großräumiger Einsatzlagen), das Schul- und Bildungswesen (Aufsicht über Schulen und Prüfungsangelegenheiten) sowie das Gesundheitswesen (Hygieneüberwachung, Krankenhausplanung). Der Gesetzgeber weist den höheren Verwaltungsbehörden in diesen und weiteren Fachgebieten koordinierende, prüfende oder aufsichtsführende Aufgaben ausdrücklich zu, was sich in einer Vielzahl von Einzelgesetzen und landesrechtlichen Bestimmungen manifestiert.
Welche Rechtsmittel stehen Bürgern gegen Entscheidungen einer höheren Verwaltungsbehörde offen?
Gegen Verwaltungsakte einer höheren Verwaltungsbehörde steht in den meisten Fällen der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten offen. Zuvor ist jedoch regelmäßig der vorgeschaltete Widerspruchs- oder Remonstrationsweg zu beschreiten, sofern dies gesetzlich nicht ausgeschlossen oder im Einzelfall – etwa bei Anordnungen von unmittelbarer Gesetzeskraft – entbehrlich ist. Nach Durchführung des Widerspruchsverfahrens (bzw. entsprechender Remonstration oder Beschwerde) kann Klage gemäß § 42 VwGO beim zuständigen Verwaltungsgericht erhoben werden. In besonderen Fällen, zum Beispiel im Bereich der Sonderverwaltungsgerichte oder bei Ministerialentscheidungen, kann ein abweichender Rechtsweg, etwa direkt zu einem Oberverwaltungsgericht, eröffnet sein. Die Statthaftigkeit und Ausgestaltung der jeweiligen Rechtsmittel ergibt sich aus der Verwaltungsgerichtsordnung sowie den jeweils anwendbaren Fachgesetzen und Landesregelungen.