Hinterziehungszinsen: Begriff, Zweck und rechtliche Einordnung
Hinterziehungszinsen sind ein gesetzlich angeordneter Zinsanspruch der Finanzbehörden, der entsteht, wenn Steuern vorsätzlich zu niedrig festgesetzt oder nicht erklärt wurden. Sie dienen dazu, den finanziellen Vorteil abzuschöpfen, der dadurch entsteht, dass die geschuldete Steuer dem Staat zeitweise vorenthalten wurde. Hinterziehungszinsen sind kein Strafschadensersatz im engeren Sinn, sondern werden neben der Nachzahlung der Steuer und möglichen Sanktionen erhoben. Sie knüpfen an die Feststellung einer Steuerhinterziehung an und sind in ihrem Zweck vor allem ausgleichend und vorteilsabschöpfend.
Voraussetzungen für die Erhebung von Hinterziehungszinsen
Steuerhinterziehung als Ausgangstatbestand
Grundlage der Verzinsung ist eine festgestellte Steuerhinterziehung. Erforderlich ist in der Regel ein vorsätzliches Verhalten, das auf die Verkürzung von Steuern gerichtet ist, etwa durch unrichtige Angaben oder das Unterlassen der Abgabe einer Steuererklärung, obwohl eine Pflicht dazu bestand. Ohne Vorsatz entstehen keine Hinterziehungszinsen.
Abgrenzung zu leichtfertiger Steuerverkürzung
Liegt lediglich eine grob fahrlässige, aber nicht vorsätzliche Verkürzung vor, spricht man von einer leichtfertigen Steuerverkürzung. In diesen Fällen werden keine Hinterziehungszinsen erhoben; in Betracht kommen andere Zins- oder Zuschlagstatbestände.
Keine notwendige strafgerichtliche Verurteilung
Die Festsetzung von Hinterziehungszinsen ist eine eigenständige Maßnahme der Finanzverwaltung. Sie setzt keinen strafgerichtlichen Schuldspruch voraus. Maßgeblich ist, dass die Behörde den Sachverhalt hinreichend feststellt und die Voraussetzungen der Steuerhinterziehung bejaht.
Berechnung und Zeitraum
Zinsbasis und Bemessung
Bemessungsgrundlage ist der Betrag der hinterzogenen Steuer. Die Zinsen werden als einfache Zinsen berechnet; eine Verzinsung erfolgt nicht auf bereits angefallene Zinsen (kein Zinseszins). Teilzahlungen oder spätere Festsetzungen werden bei der Berechnung berücksichtigt, indem sie die verzinsliche Grundlage reduzieren.
Zinssatz und Methode
Der Zinssatz ist gesetzlich festgelegt. Er unterscheidet sich von den Zinsen, die allgemein für Steuernachzahlungen gelten, und ist in der Regel höher. Die Berechnung erfolgt monatsweise; es wird für die Dauer der Hinterziehung auf den maßgeblichen Steuerbetrag verzinst.
Beginn und Ende der Verzinsung
Die Verzinsung beginnt grundsätzlich mit dem Zeitpunkt, zu dem die Steuer bei ordnungsgemäßer Erklärung fällig geworden wäre. Sie endet mit der Begleichung der Steuerschuld oder dem Zeitpunkt, zu dem der hinterzogene Betrag nicht mehr offensteht. Bei späteren Änderungen der Steuerfestsetzung wird die Verzinsung entsprechend angepasst.
Teilzahlungen und Anrechnung
Leistet die betroffene Person Teilzahlungen, verkürzt dies die weitere Verzinsung, weil sich die Zinsbasis vermindert. Zuvor angefallene Zinsen bleiben als eigenständiger Anspruch bestehen, soweit sie nicht durch Zahlungen getilgt werden.
Abgrenzung zu anderen Zins- und Zuschlagstatbeständen
Nachzahlungszinsen
Nachzahlungszinsen werden unabhängig von einem Fehlverhalten erhoben, wenn zwischen Entstehung der Steuer und ihrer Festsetzung eine gesetzlich relevante Zeitspanne liegt. Sie dienen der zeitlichen Neutralisierung und sind dem Grunde nach vom Vorliegen einer Steuerhinterziehung unabhängig.
Säumniszuschläge
Säumniszuschläge knüpfen an die nicht rechtzeitige Zahlung einer festgesetzten Steuer an. Sie haben einen Anreiz- und Druckcharakter zur pünktlichen Zahlung und sind nicht identisch mit Hinterziehungszinsen.
Aussetzungszinsen
Wird die Vollziehung eines Steuerbescheids auf Antrag vorübergehend ausgesetzt, können Aussetzungszinsen anfallen. Diese betreffen die Zeit der ausgesetzten Vollziehung und stehen neben oder unabhängig von Hinterziehungszinsen, die an den Hinterziehungstatbestand anknüpfen.
Festsetzung, Verfahren und Rechtsschutz
Verwaltungsverfahren
Hinterziehungszinsen werden durch gesonderten Verwaltungsakt festgesetzt, typischerweise im Zusammenhang mit einer geänderten Steuerfestsetzung. Der Bescheid enthält die maßgeblichen Daten zu Zinslauf, Zinsbasis und Zeitraum.
Begründungslast und Feststellungen
Die Behörde muss die Tatsachen darlegen, aus denen sich eine Steuerhinterziehung ergibt. Hierzu zählen unrichtige oder unvollständige Angaben, das bewusste Unterlassen einer Erklärung sowie weitere Umstände, aus denen sich Vorsatz ableiten lässt.
Rechtsbehelfe
Gegen die Festsetzung von Hinterziehungszinsen ist der übliche Rechtsbehelf zulässig. Streitpunkte betreffen häufig den Umfang der Hinterziehung, den maßgeblichen Zeitraum und die Anrechnung von Zahlungen.
Verjährung und Durchsetzung
Festsetzungsverjährung
Die Möglichkeit der Behörde, Hinterziehungszinsen festzusetzen, unterliegt der Verjährung. Für Hinterziehungszinsen gelten besondere Fristen, die sich an den verlängerten Fristen für hinterzogene Steuern orientieren. Beginn, Dauer und mögliche Verlängerungen richten sich nach den allgemeinen Regeln des Abgabenverfahrensrechts.
Zahlungsverjährung
Nach bestandskräftiger Festsetzung verjähren Hinterziehungszinsen als Geldforderung nach gesonderten Fristen. Hemmungs- und Unterbrechungstatbestände, etwa durch Vollstreckungsmaßnahmen, wirken sich auf diese Fristen aus.
Vollstreckung
Hinterziehungszinsen werden wie Steuerforderungen vollstreckt. Hierzu stehen der Behörde die üblichen Instrumente der Beitreibung zur Verfügung.
Wechselwirkungen mit Selbstanzeige und Strafverfahren
Selbstanzeige
Eine wirksame Selbstanzeige kann im Einzelfall zur Straffreiheit führen. Hinterziehungszinsen bleiben davon unberührt; sie werden in der Regel weiterhin erhoben, da sie den erlangten Zinsvorteil ausgleichen sollen.
Nebenstrafen, Geldbußen und Zinsen
Hinterziehungszinsen treten neben anderen Rechtsfolgen, insbesondere neben der Nachzahlung von Steuern und möglichen Sanktionen. Eine Anrechnung findet nicht statt, da die Zwecke verschieden sind: Ausgleich des Liquiditätsvorteils einerseits, Ahndung von Fehlverhalten andererseits.
Praktische Bedeutung und typische Konstellationen
Typische Fallgestaltungen
Hinterziehungszinsen entstehen häufig bei nicht erklärten oder zu niedrig angegebenen Einnahmen, unzutreffenden Umsatzsteuerangaben, verschwiegenen Kapitaleinkünften oder bei der Nutzung unzutreffender Gestaltungen zur Verkürzung von Steuerlasten.
Privatpersonen und Unternehmen
Sowohl Privatpersonen als auch Unternehmen können betroffen sein. Bei Unternehmen spielen zusätzlich Fragen der Organisation, interner Kontrollen und des Rechnungswesens eine Rolle, die im Rahmen der Tatsachenfeststellung Bedeutung erlangen können.
Häufig gestellte Fragen
Wofür werden Hinterziehungszinsen erhoben?
Sie werden erhoben, um den finanziellen Vorteil auszugleichen, der dadurch entsteht, dass hinterzogene Steuern dem Staat zeitweise vorenthalten wurden. Sie sind ein eigenständiger Anspruch neben der Nachzahlung der Steuer.
Ab wann fallen Hinterziehungszinsen an?
Sie fallen grundsätzlich ab dem Zeitpunkt an, zu dem die Steuer bei ordnungsgemäßer Erklärung fällig geworden wäre, bis zur Tilgung der Steuerschuld oder bis der hinterzogene Betrag nicht mehr offensteht.
Wie hoch sind Hinterziehungszinsen?
Der Zinssatz ist gesetzlich bestimmt und unterscheidet sich von allgemeinen Nachzahlungszinsen. Er ist in der Regel höher und wird monatsweise ohne Zinseszins berechnet.
Enden Hinterziehungszinsen bei einer Selbstanzeige?
Eine wirksame Selbstanzeige kann zu Straffreiheit führen, lässt den Anspruch auf Hinterziehungszinsen jedoch in der Regel unberührt, da diese den wirtschaftlichen Vorteil ausgleichen.
Können Hinterziehungszinsen zusätzlich zu einer Geldstrafe festgesetzt werden?
Ja. Hinterziehungszinsen sind unabhängig von strafrechtlichen Sanktionen und werden zusätzlich zur Nachzahlung der Steuer und etwaigen Geldstrafen oder Geldbußen festgesetzt.
Wie lange können Hinterziehungszinsen festgesetzt werden?
Die Festsetzung unterliegt der Verjährung. Die dafür maßgeblichen Fristen orientieren sich an den verlängerten Verjährungsfristen für hinterzogene Steuern. Hemmungen oder Unterbrechungen können die Frist beeinflussen.
Werden Teilzahlungen bei der Verzinsung berücksichtigt?
Ja. Teilzahlungen mindern die Zinsbasis ab dem Zeitpunkt ihrer Wirksamkeit, sodass für die Zukunft auf einen entsprechend verminderten Betrag verzinst wird. Bereits entstandene Zinsen bleiben bestehen, soweit sie nicht getilgt sind.