Legal Lexikon

Hilfsmittel


Begriff und rechtliche Einordnung von Hilfsmitteln

Der Begriff „Hilfsmittel“ bezeichnet im rechtlichen Kontext Gegenstände, Geräte und technische Vorrichtungen, die dazu dienen, eine Behinderung, Krankheit oder Pflegebedürftigkeit auszugleichen oder deren Folgen zu mildern. Die rechtliche Einordnung und die Ansprüche auf Hilfsmittelversorgung sind in verschiedenen Gesetzen sowie untergesetzlichen Normen geregelt. Hilfsmittel nehmen in der Sozialgesetzgebung, insbesondere im Bereich der Krankenversicherung, Pflegeversicherung und Rehabilitation, eine zentrale Rolle ein.


Gesetzliche Grundlagen

Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V)

Das SGB V regelt die gesetzliche Krankenversicherung und bestimmt in § 33 SGB V die Versorgung mit Hilfsmitteln. Hiernach haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen. Die Hilfsmittelversorgung wird damit zu einer Pflichtleistung der Krankenkassen, wobei der Anspruch nicht unbegrenzt ist, sondern von den gesetzlichen Vorgaben und dem medizinisch Notwendigen abhängt.

Zentrale Aspekte von § 33 SGB V

  • Notwendigkeit: Die Versorgung mit Hilfsmitteln setzt eine medizinische Notwendigkeit voraus.
  • Einschränkungen: Ausgeschlossen sind Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens, auch wenn sie im Einzelfall den gleichen Zweck erfüllen.
  • Hilfsmittelverzeichnis: Der GKV-Spitzenverband führt das Hilfsmittelverzeichnis, das eine Übersicht der erstattungsfähigen Hilfsmittel enthält. Die Eintragung eines Produkts erfolgt nach formellen und materiellen Kriterien.

Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX)

Im SGB IX finden sich Vorschriften zur Rehabilitation und zur Teilhabe von Menschen mit Behinderungen. Die Leistungen umfassen nach § 26 SGB IX auch die Bereitstellung von Hilfsmitteln, um eine gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu sichern und Benachteiligungen abzubauen.

Pflegeversicherung nach SGB XI

Im Rahmen der Pflegeversicherung (§ 40 SGB XI) besteht ergänzend ein Anspruch auf Pflegehilfsmittel, die die Pflege erleichtern, eine selbstständigere Lebensführung ermöglichen oder zur Linderung der Beschwerden beitragen. Pflegehilfsmittel unterscheiden sich von den klassischen Hilfsmitteln der Krankenversicherung in Zielrichtung und Umfang.


Abgrenzung zu anderen Leistungsarten

Hilfsmittel sind klar von Heilmitteln und Pflegehilfsmitteln abzugrenzen:

  • Heilmittel sind persönlich-medizinische Dienstleistungen wie z.B. Krankengymnastik oder Ergotherapie.
  • Pflegehilfsmittel dienen vorrangig zur Erleichterung der Pflege (z.B. Pflegebetten, Inkontinenzartikel).
  • Hilfsmittel im engeren Sinn sind körperbezogene oder technische Geräte, etwa Rollstühle, Prothesen, Sehhilfen oder Hörgeräte.

Anspruchsberechtigte und Voraussetzungen

Anspruch auf Hilfsmittelversorgung haben in der Regel Versicherte der gesetzlichen Krankenkassen oder Pflegekassen sowie im Rahmen der sozialen Entschädigung und Unfallversicherung anspruchsberechtigte Personen. Der Anspruch setzt stets voraus:

  • Das Vorliegen einer medizinischen Indikation
  • Die Verordnung durch eine ärztliche oder im Einzelfall zugelassene heilberufliche Fachkraft
  • Die Erforderlichkeit im Einzelfall
  • Die Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit (§ 12 SGB V, Wirtschaftlichkeitsgebot)

Zuzahlungspflicht

Für Hilfsmittel gilt grundsätzlich die Zuzahlungspflicht nach § 61 SGB V, wonach Versicherte über 18 Jahren zehn Prozent der Kosten (mindestens fünf, höchstens zehn Euro) selbst zu tragen haben. Ausnahmen bestehen z.B. für Kinder und Härtefälle.


Versorgung und Bewilligung

Antragstellung und Bewilligungsverfahren

In der Regel ist für die Versorgung mit einem Hilfsmittel ein Antrag bei der zuständigen Krankenkasse oder Pflegekasse zu stellen. Der Antrag basiert auf einer ärztlichen Verordnung. Die Krankenkasse prüft die medizinische Notwendigkeit und entscheidet nach Aktenlage oder nach weiteren medizinischen Gutachten.

Fristen

Die Krankenkassen sind gesetzlich verpflichtet, innerhalb von drei Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wird der Medizinische Dienst hinzugezogen, verlängert sich die Frist auf fünf Wochen.

Ablehnung und Widerspruch

Bei einer Ablehnung des Hilfsmittelantrags steht den Betroffenen der Rechtsweg offen. Innerhalb eines Monats nach Zugang des Ablehnungsbescheids kann schriftlich Widerspruch eingelegt werden. Im weiteren Verlauf kann bei Zurückweisung des Widerspruchs Klage vor dem zuständigen Sozialgericht erhoben werden.


Hilfsmittelversorgung durch weitere Leistungsträger

Neben der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung können auch andere Träger zur Hilfsmittelversorgung verpflichtet sein, beispielsweise:

  • Unfallversicherungsträger nach SGB VII für Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten
  • Rentenversicherungsträger nach SGB VI im Rahmen von Rehabilitationsleistungen
  • Versorgungsämter für Schwerbehinderte und Kriegsopfer
  • Jugendämter im Kontext der Eingliederungshilfe für Kinder

Maßgebliche Rechtsprechung

Die Sozialgerichte und Landessozialgerichte sowie das Bundessozialgericht (BSG) haben in den letzten Jahren eine Vielzahl von Leitentscheidungen zur Hilfsmittelversorgung getroffen. Dabei wurden insbesondere Fragen zur Abgrenzung von Alltagsgegenständen, zu Auswahl und Umfang der Versorgung, zu Aufzahlungsmöglichkeiten und zur Bemessung individueller Bedürfnisse geklärt.

Wichtige Leitentscheidungen betreffen etwa:

  • Anspruch auf individuell angepasste Hilfsmittel bei besonderen Bedürfnissen
  • Voraussetzungen und Grenzen der Zuzahlung und Aufzahlung (z.B. bei höherwertigen Hilfsmitteln)
  • Kriterien für die Leistungsbegrenzung auf das medizinisch Notwendige

Datenschutz und Hilfsmittelversorgung

Die Versorgung mit Hilfsmitteln betrifft medizinische und personenbezogene Daten. Die Kassen und Leistungserbringer sind verpflichtet, die Vorgaben der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) sowie die spezialgesetzlichen Datenschutzregelungen im SGB V zu beachten. Dies betrifft insbesondere Aufbewahrung, Weitergabe und Verarbeitung sensibler Gesundheitsdaten.


Fazit

Die rechtliche Behandlung von Hilfsmitteln ist durch zahlreiche gesetzliche Regelungen und differenzierte Anspruchsvoraussetzungen geprägt. Hilfsmittel dienen dem Ausgleich oder der Linderung von Beeinträchtigungen und stehen im Mittelpunkt vielfältiger Leistungsansprüche im Sozialrecht. Die Einzelfallprüfung, die medizinische Indikation sowie die Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebotes bestimmen Art und Umfang des Leistungsanspruchs. Die umfangreiche Rechtsprechung gewährleistet die Fortentwicklung und Konkretisierung der Hilfsmittelversorgung im Alltag der Betroffenen. Die Orientierung an den gesetzlichen Vorgaben und die frühzeitige Antragstellung sind für Anspruchsberechtigte von zentraler Bedeutung.

Häufig gestellte Fragen

Wer hat einen Anspruch auf die Versorgung mit Hilfsmitteln?

Einen Anspruch auf die Versorgung mit Hilfsmitteln haben grundsätzlich Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung gemäß § 33 SGB V. Dies gilt, wenn das Hilfsmittel im Einzelfall medizinisch notwendig ist, um eine Behinderung auszugleichen, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder den Erfolg einer Krankenbehandlung zu sichern. Der Anspruch ist auf diejenigen Hilfsmittel beschränkt, die durch das Hilfsmittelverzeichnis des GKV-Spitzenverbandes erfasst sind. Außerdem muss das Hilfsmittel den aktuellen Stand der Medizin und Technik entsprechen. Die medizinische Notwendigkeit muss in der Regel durch eine ärztliche Verordnung nachgewiesen werden. Privaten Krankenversicherungen können ähnliche, jedoch individuell abweichende Regelungen vorsehen, die sich aus dem jeweiligen Versicherungsvertrag ergeben. Besondere Regelungen gelten auch für Empfänger von Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung und der gesetzlichen Pflegeversicherung.


Müssen Patientinnen und Patienten für Hilfsmittel eine Zuzahlung leisten?

Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung sind gemäß § 33 Abs. 8 SGB V verpflichtet, für jedes Hilfsmittel, das ihnen überlassen wird, eine gesetzlich geregelte Zuzahlung zu leisten. Grundsätzlich beträgt die Zuzahlung zehn Prozent des Abgabepreises, mindestens jedoch 5 € und höchstens 10 € pro Hilfsmittel, jedoch nie mehr als die tatsächlichen Kosten. Für Kinder und Jugendliche bis zum vollendeten 18. Lebensjahr besteht eine generelle Zuzahlungsbefreiung. Darüber hinaus können auch Erwachsene unter bestimmten Voraussetzungen – insbesondere bei nachgewiesener unzumutbarer Belastung – auf Antrag von der Zuzahlung befreit werden. Einige Hilfsmittel, vor allem solche zum einmaligen Gebrauch oder Verbandmittel, sind von der Zuzahlungspflicht ausgenommen.


Wer entscheidet über die Bewilligung eines Hilfsmittels?

Die Entscheidung über die Bewilligung eines beantragten Hilfsmittels trifft die jeweilige gesetzliche Krankenkasse nach Prüfung der medizinischen Notwendigkeit und der gesetzlichen Grundlagen. Entscheidungsgrundlagen sind das ärztliche Attest sowie gegebenenfalls zusätzliche medizinische Unterlagen, die den therapeutischen Bedarf genauer ausweisen. Die Kasse kann ebenfalls prüfen, ob das Hilfsmittel im Hilfsmittelverzeichnis gelistet ist und ob eine wirtschaftliche und zweckmäßige Versorgung gewährleistet ist. Innerhalb von drei Wochen nach Antragseingang muss die Krankenkasse über den Antrag entschieden haben (§ 13 Abs. 3a SGB V). Bei Einholung eines Gutachtens, z. B. vom Medizinischen Dienst (MDK), verlängert sich die Frist auf bis zu fünf Wochen. Erfolgt keine fristgerechte Entscheidung, gilt der Antrag unter bestimmten Voraussetzungen als genehmigt (sog. Genehmigungsfiktion).


Was kann ich tun, wenn mein Antrag auf ein Hilfsmittel abgelehnt wird?

Wird der Antrag auf ein Hilfsmittel durch die Krankenkasse abgelehnt, hat der Versicherte das Recht, innerhalb eines Monats ab Zugang des Bescheids schriftlich Widerspruch einzulegen (§ 84 SGG). Die Krankenkasse muss den Widerspruch prüfen und eine erneute Sachentscheidung treffen. Es ist empfehlenswert, dem Widerspruch eine ärztliche Stellungnahme oder zusätzliche Begründungen beizufügen, die die medizinische Notwendigkeit untermauern. Regelt die Krankenkasse den Widerspruch erneut negativ, bleibt die Möglichkeit, innerhalb eines weiteren Monats Klage beim zuständigen Sozialgericht zu erheben. Das Gerichtsverfahren ist für Versicherte gerichtskostenfrei. In Eilfällen besteht außerdem die Möglichkeit, einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz beim Sozialgericht zu stellen.


Dürfen gesetzliche Krankenkassen bei Hilfsmittelwahl auf bestimmte Vertragspartner verweisen?

Ja, gemäß § 127 SGB V dürfen gesetzliche Krankenkassen zur Sicherstellung einer wirtschaftlichen und wohnortnahen Hilfsmittelversorgung Verträge mit bestimmten Leistungserbringern abschließen. Versicherte sind dann verpflichtet, diese Vertragspartner zu nutzen. Eine sogenannte „Ausschreibungspflicht“ besteht für zahlreiche Hilfsmittelgruppen. Die freie Wahl wird somit eingeschränkt, ein Anspruch auf freie Anbieterwahl besteht grundsätzlich nicht. Ausnahmen sind möglich, etwa wenn die Versorgung bei einem aufführten Vertragspartner nicht im notwendigen Umfang oder in angemessener Frist erfolgen kann. Dann kann in der Regel nach Begründung und vorheriger Absprache auch ein alternativer Anbieter gewählt werden.


Sind Reparaturen und Wartungen von Hilfsmitteln ebenfalls von der Krankenkasse gedeckt?

Im Regelfall übernimmt die gesetzliche Krankenkasse auch die Kosten für erforderliche Reparaturen und Wartungen an genehmigten und im Besitz der Versicherten befindlichen Hilfsmitteln, sofern das Hilfsmittel weiterhin medizinisch notwendig ist und sich in einem Zustand befindet, der die Instandsetzung rechtfertigt. Dies gilt nicht, wenn die Beschädigung vorsätzlich oder grob fahrlässig durch den Versicherten herbeigeführt wurde. Reparaturen erfassen dabei sowohl Ersatzteile als auch Arbeitsleistungen, regelmäßige Wartungen hingegen nur dann, wenn sie im Rahmen der medizinisch-technischen Sicherheit tatsächlich erforderlich sind. Für Reparaturen fallen in der Regel keine erneuten Zuzahlungen an.


Gibt es einen Anspruch auf ein konkret gewünschtes Marken- oder Modellhilfsmittel?

Der Anspruch aus der gesetzlichen Krankenversicherung besteht grundsätzlich darauf, dass das Hilfsmittel den notwendigen medizinischen Bedarf abdeckt, wirtschaftlich ist und im Hilfsmittelverzeichnis gelistet ist. Ein konkretes Wunschmodell oder eine bestimmte Marke kann grundsätzlich nur beansprucht werden, wenn dieses spezifische Produkt medizinisch erforderlich und von anderen, wirtschaftlicheren Hilfsmitteln nicht gleichwertig ersetzt werden kann. Möchte der Versicherte dennoch eine höherwertige oder spezielle Ausführung erhalten, die über das medizinisch Erforderliche hinausgeht, ist es möglich, die Mehrkosten privat zu übernehmen, sofern der Mehrkostenwunsch mit der Kasse abgestimmt und vertraglich geregelt ist.


Was ist im Falle des Verlustes oder Diebstahls eines Hilfsmittels zu beachten?

Kommt es zum Verlust oder Diebstahl eines Hilfsmittels, ist der Versicherte verpflichtet, dies unverzüglich der Krankenkasse zu melden und – im Falle von Diebstahl – eine polizeiliche Anzeige nachzuweisen. Eine erneute Versorgung ist grundsätzlich möglich, erfolgt jedoch nicht automatisch. Die Kasse prüft den Einzelfall auf eventuelle Eigenverschuldung und kann je nach Sachlage eine erneute Kostenübernahme verweigern, wenn der Verlust grob fahrlässig verursacht wurde. Bei anerkanntem Bedarf erfolgt die Bereitstellung eines Ersatzhilfsmittels; eine Zuzahlung fällt erneut an. Handelt es sich um geliehene Hilfsmittel, kann Schadensersatzpflicht entstehen, sofern Versicherten ein Verschulden nachgewiesen wird.