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Hilfe zum Lebensunterhalt


Begriff und Bedeutung der Hilfe zum Lebensunterhalt

Die Hilfe zum Lebensunterhalt ist eine zentrale sozialrechtliche Leistung der Sozialhilfe in Deutschland und stellt eine existenzsichernde Unterstützung für Personen dar, deren notwendiger Lebensunterhalt nicht auf andere Weise gedeckt werden kann. Sie ist im Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) geregelt und richtet sich insbesondere an Menschen, die ihren Lebensunterhalt weder aus eigenem Einkommen noch durch Vermögen oder durch vorrangige Sozialleistungen (wie Grundsicherung für Arbeitsuchende oder Grundsicherung im Alter) sicherstellen können.

Rechtsgrundlagen

Gesetzliche Grundlagen

Die Hilfe zum Lebensunterhalt ist in den §§ 27 bis 40 SGB XII geregelt und bildet dort einen eigenständigen Leistungsbereich der Sozialhilfe. Sie ist Teil des sogenannten Dreisäulenmodells der sozialen Mindestsicherung in Deutschland, das ergänzt wird durch Arbeitslosengeld II (SGB II) und Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (§§ 41 ff. SGB XII).

Abgrenzung zu anderen Leistungen der Grundsicherung

Die Hilfe zum Lebensunterhalt ist stets nachrangig gegenüber anderen Ansprüchen auf Sozialleistungen. Vorrang haben insbesondere Leistungen nach dem SGB II (z. B. Arbeitslosengeld II für erwerbsfähige Hilfebedürftige) sowie die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (§§ 41 ff. SGB XII). Erst wenn Ansprüche daraus nicht bestehen, ist Hilfe zum Lebensunterhalt zu gewähren.

Anspruchsvoraussetzungen

Persönlicher Geltungsbereich

Leistungsberechtigt sind Personen, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht, nicht ausreichend oder nicht rechtzeitig aus eigenen Kräften und Mitteln bestreiten können und bei denen kein Ausschluss nach § 21 SGB XII (z. B. wegen Aufenthalts zum Zweck der Ausbildung oder Arbeitslosengeld-II-Berechtigung) vorliegt. Anspruchsberechtigt sind insbesondere:

  • Kinder und Jugendliche bis zum vollendeten 15. Lebensjahr, wenn Eltern nicht erwerbsfähig sind,
  • Volljährige Personen, die nicht erwerbsfähig sind und keinen Anspruch auf Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung haben,
  • Personen mit einem vorübergehenden Aufenthalt in einer stationären Einrichtung.

Subsidiaritätsprinzip und Einkommenseinsatz

Die Hilfe zum Lebensunterhalt wird nur gewährt, soweit keine vorrangigen Ansprüche gegenüber anderen Sozialleistungsträgern (z. B. SGB II, SGB XI, BAföG) bestehen (§ 2 SGB XII). Zudem ist eigenes Einkommen und Vermögen einzusetzen (§§ 19, 27, 90 SGB XII). Nur soweit dies nicht zur Verfügung steht, hilft die Sozialhilfe.

Bedarfsermittlung

Der Leistungsbedarf umfasst den Regelbedarf, Mehrbedarfe, Kosten der Unterkunft und Heizung sowie eventuell einmalige Bedarfe. Der Regelbedarf wird jährlich durch die Bundesregierung angepasst und richtet sich nach der jeweiligen Regelbedarfsstufe (§ 28 SGB XII).

Regelbedarf

Der Regelbedarf deckt die laufenden Kosten des täglichen Lebens (z. B. Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, persönliche Bedürfnisse) ab. Die Sätze variieren je nach Haushaltskonstellation.

Mehrbedarfe

Zusätzlich können Mehrbedarfe für besondere Lebenslagen geltend gemacht werden, etwa für werdende Mütter, Menschen mit Behinderungen oder kostenaufwendige Ernährung (§§ 30 ff. SGB XII).

Unterkunft und Heizung

Der Bedarf für Unterkunft und Heizung wird in Höhe der tatsächlich angemessenen Aufwendungen anerkannt (§ 35 SGB XII).

Umfang und Formen der Leistungen

Laufende Leistungen

Hilfe zum Lebensunterhalt wird grundsätzlich als monatliche Geldleistung zum Lebensunterhalt gezahlt. In akuten Notsituationen sind auch Sachleistungen möglich.

Einmalige Leistungen

Neben den laufenden Leistungen können auch einmalige Hilfen für Sonderbedarfe gewährt werden, etwa für Erstausstattung der Wohnung oder Bekleidung (§ 31 SGB XII).

Antragstellung und Verfahren

Die Leistungen werden nur auf Antrag gewährt (§ 18 SGB XII). Zuständig sind die örtlichen Sozialhilfeträger. Der Antrag kann formlos gestellt werden, die Leistungserschleicherpflicht gilt jedoch. Für die Bearbeitung sind umfangreiche Mitwirkungspflichten zu beachten, insbesondere in Bezug auf Auskünfte zum Einkommen, Vermögen und familiären Lebenssituation (§§ 60 ff. SGB I).

Beratung, Aufklärung und Information

Der Sozialhilfeträger ist verpflichtet, vollständig und umfassend zu beraten und zu informieren (§ 14 SGB I), um sicherzustellen, dass Anspruchsberechtigte über ihre Rechte und Pflichten Bescheid wissen.

Rückgriff, Ersatzansprüche und Leistungen Dritter

Unterhaltspflichten Dritter

Hilfe zum Lebensunterhalt ist nachrangig zu Unterhaltsansprüchen, insbesondere gegenüber Eltern oder Kindern. Der Sozialhilfeträger kann im Rahmen des sogenannten Regresses auf die Unterhaltspflichtigen zurückgreifen (§ 94 SGB XII).

Anrechnung von Einkommen und Vermögen Dritter

Im Grundsatz wird für die Bedarfsgemeinschaft (z. B. Ehepartner, Lebenspartner) Einkommen und Vermögen einbezogen (§ 27 SGB XII).

Aufhebung, Rückforderung und Sanktionen

Leistungen können bei Wegfall der Voraussetzungen zurückgenommen oder widerrufen werden (§§ 45, 48 SGB X). Im Falle unrichtiger oder unvollständiger Angaben ist die Rückforderung möglich.

Verhältnis zu anderen Sozialleistungen

Hilfe zum Lebensunterhalt und SGB II

Für erwerbsfähige Leistungsberechtigte gilt der Leistungsausschluss nach § 21 SGB XII; sie erhalten vorrangig Leistungen nach dem SGB II (Arbeitslosengeld II).

Hilfe zum Lebensunterhalt und Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung

Bei dauerhaft voller Erwerbsminderung oder im Rentenalter gilt der Vorrang der Grundsicherung nach den §§ 41 ff. SGB XII; die Hilfe zum Lebensunterhalt ist auf Fälle außerhalb dieser Gruppe begrenzt.

Aktuelle Entwicklungen und Reformansätze

Die Hilfe zum Lebensunterhalt unterliegt regelmäßigen Anpassungen, etwa durch die jährliche Überprüfung der Regelbedarfe. Zudem wird regelmäßig die Anwendbarkeit auf unterschiedliche Lebenslagen überprüft, nicht zuletzt mit Blick auf die demografische Entwicklung und gesellschaftliche Veränderungen.

Fazit

Die Hilfe zum Lebensunterhalt ist ein zentrales Element der sozialen Absicherung in Deutschland und stellt sicher, dass Menschen im Bedarfsfall eine existenzsichernde Unterstützung erhalten. Sie ist geprägt vom Prinzip der Nachrangigkeit, dem Einkommenseinsatz und einer umfassenden Bedarfsdeckung. Die vielschichtigen rechtlichen Vorgaben im SGB XII sichern Transparenz und Gleichbehandlung, während die Ausgestaltung im Einzelfall stets der jeweils individuellen Situation gerecht werden muss.

Häufig gestellte Fragen

Wer hat Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII?

Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) haben grundsätzlich Personen, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Mitteln und Kräften bestreiten können und keinen vorrangigen Anspruch auf Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II haben. Hierzu zählen insbesondere nicht erwerbsfähige Personen im Rentenalter, volljährige Personen vor Erreichen der Altersgrenze, dauerhaft voll erwerbsgeminderte Menschen oder Kinder bzw. Jugendliche, deren Eltern ihren Unterhalt nicht sicherstellen können. Voraussetzung ist dabei stets die Hilfebedürftigkeit nach § 19 SGB XII, das heißt, dass Einkommen und Vermögen die jeweiligen Freibeträge nicht überschreiten. Vorrangige Sozialleistungen wie Unterhaltsansprüche, Kindergeld oder Wohngeld sind dabei stets zu berücksichtigen. Die Ansprüche sind gegenüber dem Sozialhilfeträger (in der Regel das örtlich zuständige Sozialamt) geltend zu machen und können mit umfangreichen Nachweispflichten hinsichtlich der Bedürftigkeit verbunden sein.

Welche Leistungen umfasst die Hilfe zum Lebensunterhalt?

Die Hilfe zum Lebensunterhalt umfasst alle notwendigen Aufwendungen zur Sicherstellung eines menschenwürdigen Lebens. Hierzu zählen insbesondere der Regelsatz nach § 27a SGB XII, Kosten für Unterkunft und Heizung in angemessenem Umfang gemäß § 29 SGB XII sowie Mehrbedarfe nach § 30 SGB XII, etwa bei Alleinerziehenden, für Schwangere oder für bestimmte Krankheiten und Behinderungen. Auch einmalige Leistungen, wie etwa Erstausstattung bei Geburt, Schwangerschaft oder für die Wohnung sowie Leistungen für Bildung und Teilhabe für Kinder, können übernommen werden. Überdies sind Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung durch die Sozialhilfe zu tragen, sofern kein anderweitiger Krankenversicherungsschutz besteht. Die detaillierte Berechnung richtet sich nach bundesweit und regional festgelegten Pauschalen und Angemessenheitskriterien, die regelmäßig überprüft werden.

In welchem Verhältnis steht die Hilfe zum Lebensunterhalt zu vorrangigen Leistungen?

Die Hilfe zum Lebensunterhalt ist nachrangig gegenüber anderen Sozialleistungen und Unterhaltsansprüchen. Das bedeutet, dass vor der Inanspruchnahme der Hilfe zum Lebensunterhalt alle anderen vorrangigen Leistungen, wie beispielsweise Arbeitslosengeld II, Wohngeld, Kindergeld, Unterhaltsvorschuss, BAföG-Leistungen oder Leistungen der Kranken- oder Pflegeversicherung, ausgeschöpft werden müssen. Nur wenn diese Leistungen nicht gewährt werden oder nicht ausreichen, besteht ein Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt. Der Sozialhilfeträger ist verpflichtet, die potenzielle Leistungspflicht anderer Träger zu prüfen und kann den Antragsteller auffordern, entsprechende Rechte geltend zu machen oder diese sogar selbst auf sich überleiten (sog. gesetzlichen Forderungsübergang).

Wie erfolgt die Anrechnung von Einkommen und Vermögen bei der Hilfe zum Lebensunterhalt?

Bei Hilfe zum Lebensunterhalt werden sowohl Einkommen als auch Vermögen angerechnet, wobei bestimmte Freibeträge bestehen. Einkommen ist grundsätzlich jede Einnahme in Geld oder Geldeswert, etwa Lohn, Rente, Unterhalt, aber auch einmalige Einnahmen. Ein Teil des Einkommens ist gemäß § 82 SGB XII anrechnungsfrei, z. B. angemessene Versicherungsbeiträge, Altersvorsorge, bestimmte Mehraufwendungen. Beim Vermögen wird nur sogenanntes einsetzbares Vermögen nach § 90 SGB XII herangezogen. Geschützt bleiben insbesondere ein angemessenes Hausgrundstück, kleinere Barbeträge (Schonvermögen) und Gegenstände des persönlichen Gebrauchs. Die Freibeträge sind regelmäßig an die Lebenssituation (z. B. Alleinstehende, Ehepartner, Kinder) angepasst. Überschüssige Einkünfte und verwertbares Vermögen müssen vor Inanspruchnahme der Sozialhilfe eingesetzt werden.

Welche Mitwirkungspflichten bestehen bei der Beantragung und während des Leistungsbezugs?

Personen, die Hilfe zum Lebensunterhalt beantragen oder beziehen, unterliegen umfangreichen Mitwirkungspflichten nach §§ 60 ff. SGB I. Dazu gehört insbesondere die Pflicht, alle für die Entscheidung erheblichen Tatsachen anzugeben, Unterlagen und Nachweise (z. B. Einkommensbescheide, Kontoauszüge, Mietverträge) vorzulegen, Veränderungen in den persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnissen unverzüglich mitzuteilen und sich entsprechenden Untersuchungen zu unterziehen. Eine Verletzung der Mitwirkungspflicht kann zur Versagung oder teilweisen Einstellung der Leistung führen. Der Sozialhilfeträger ist berechtigt, Auskünfte bei Dritten, etwa Banken und Arbeitgebern, einzuholen, sofern der Leistungsberechtigte nicht selbst Auskünfte erteilt.

Welche Rechtsmittel bestehen gegen Entscheidungen des Sozialhilfeträgers im Zusammenhang mit der Hilfe zum Lebensunterhalt?

Gegen Verwaltungsakte des Sozialhilfeträgers im Rahmen der Hilfe zum Lebensunterhalt können betroffene Personen zunächst Widerspruch erheben. Dies muss schriftlich oder zur Niederschrift bei der zuständigen Behörde erfolgen und binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Bescheids geschehen. Wird dem Widerspruch nicht abgeholfen, erlässt die Behörde einen Widerspruchsbescheid. Gegen diesen Bescheid kann Klage vor dem örtlich zuständigen Sozialgericht erhoben werden (§ 87 SGG). Die Klage hat grundsätzlich keine aufschiebende Wirkung, allerdings kann im Falle akuter Hilfebedürftigkeit einstweiliger Rechtsschutz beim Sozialgericht beantragt werden. Für die gerichtliche Durchsetzung von Ansprüchen gilt das Prinzip der Amtsermittlung und es entstehen in der ersten Instanz regelmäßig keine Gerichtskosten für die Kläger.